HannaH Walter_Erasmusbericht
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HannaH Walter_Erasmusbericht
H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Semesteradresse Deutschland: Semesteradresse Frankreich: Melchiorstrasse 5 10179 Berlin 7E, Bd Jourdan 75014 Paris E-Mail: [email protected] Heimatuniversität: Hochschule für Musik Hanns Eisler, Berlin Universität ERASMUS: Conservatoire à rayonnement régional de Paris PA R I S , C ’ E S T U N E F Ê T E Im Rahmen des ERASMUS Programms hab ich zwei Semester lang in Frankreich am Conservatoire à rayonnement régional de Paris (CRR) in der Klasse von Frau Prof. Suzanne Gessner studiert. Hier möchte ich vom dem Auslandsjahr in Paris und meinen persönlichen Erfahrungen an meiner Gasthochschule berichten. Ich habe mich entschieden, einen Teil meines Musikstudiums im europäischen Ausland zu absolvieren um neue Perspektiven auf meine Studieninhalte zu gewinnen und ein anderes akademisches und kulturelles Umfeld kennen zu lernen. Bereits bei der Vorauswahl der ausländischen Studienorte hat mich an Paris besonders die Möglichkeit fasziniert, mein Musikstudium am Conservatoire absolvieren zu können und mich gleichzeitig in der weltweit einzigartigen Institution der Cité International Universitaire de Paris (CIUP/Cité U) als Residentin zu bewerben. ENTDECKUNGSREISE MIT S A I N T -E X U P É R Y Die Cité U (http://www.ciup.fr/) ist mit einer Kapazität von 5700 Unterkünften der größte Campus der Île-de-France und versteht sich als humanistisches Forum des Zusammenlebens und des Austauschs von Studenten, Professoren, Wissenschaftlern und Künstlern aus aller Welt. Die Idee einer Cité International Universitaire in Paris entstand im Kontext der pazifistischen Bewegung der Zwischenkriegsjahre mit dem humanistischen Ideal eine Schule zwischenmenschlicher Beziehungen zur Förderung des Friedens in der Welt zu gründen. Die Cité wird aus 40 Häusern gebildet, die organisatorisch unter dem Dach der CIUP zusammengefasst sind. Damit ein internationaler Austausch trotz der nach Nationalitäten getrennten Häuser gewährleistet ist, tritt das System der so genannten brassage in Kraft, bei dem ein bestimmter Prozentsatz der Residenten einer Nation auf andere Häuser verteilt wird. Ich habe mich gleich nach der Bewerbung und Aufnahme im Deutschen Haus (Maison Heinrich Heine (http://www.maison-heinrich-heine.fr/fr/)) für die brassage in eines der Spanisch sprachigen Häuser beworben und wohnte von Oktober 2011 bis Anfang Juli 2012 im Collège d‘Espagne (http:// www.colesp.net/). Das Bewerbungsverfahren als Deutsche(r) im deutschen Haus (http://www.maison-heinrichheine.fr/fr/anciens-residents/architecture/dossier-de-candidature/?mid=21) ist mit recht großem Aufwand verbunden und setzt gute französische Sprachkenntnisse voraus. Neben Lebenslauf, Photokopie des Passes, einer Aufstellung der finanziellen Mittel, Bestätigung des Studienbeginns an einer französischen Universität, einem medizinischen Attest und Passfoto muss auch ein Motivationsschreiben auf Französisch verfasst werden, ein Empfehlungsschreiben eines Professors sowie eine Kopie des letzten Studienzeugnisses beim deutschen Haus eingereicht werden. 1 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Trotz dieser Bewerbungshürden ist es der Aufwand wert! Das Universitätsdorf der Cité U besteht nicht nur aus den einzelnen Häusern unterschiedlicher Nationen sondern bietet nebst Bank, Post, Bibliotheken und einer Mensa (Resto U (http://www.ciup.fr/fr/les_services_aux_publics/ restauration_et_cafeteria)) einen ganzen Komplex an Sporthallen, Fitnessräumen und Schwimmbad (http://www.ciup.fr/fr/sports), welche auch von Nicht-Residenten zu günstigen Studententarifen genutzt werden können (http://www.puc.asso.fr/). Zu Beginn des ERASMUS-Jahres finden Informationsveranstaltungen zum studentischen Leben in Frankreich statt und es wird Hilfe bei der Beantragung von CAF (caisse allocations familiales/aide au logement (http://www.caf.fr/)), der studentischen Krankenversicherung LMDE (http:// www.lmde.com/) oder der Eröffnung eines Kontos (Voraussetzung für die Beantragung des CAF) angeboten. Im Übrigen ist es auch möglich diesen Service zu nutzen wenn man nicht in der Cité wohnt. Es ist im Übrigen zu empfehlen, sich bei der Beantragung dieser sozialen Dienstleistungen Hilfe zu suchen, da man sonst an den administrativen Strukturen Frankreichs womöglich vollkommen verzweifelt. Einzigartig wird das Leben in der Cité unter Anderem durch die vielen Angebote des Maison International (wie zum Beispiel das Theater (http://www.theatredelacite.com/), Sprachkurse, Sportkurse) sowie durch die Veranstaltungen der einzelnen Häuser wie Vorträge, Podiumsdiskussionen, Filmabende oder Konzerte. Um einen Überblick über die Veranstaltungen zu haben lohnt es sich den Newsletter CitéFl@sh (lettre d‘information des résidents) zu abonnieren ([email protected]). Durch eine quasi demokratische Organisation der gesamten Cit, gibt es auch für die Residenten vielerlei Möglichkeiten der Partizipation und Mitgestaltung des kulturellen und sozialen Lebens in dieser monde en miniature (Miniaturwelt) des 14. Arondissements. So wählt zu Beginn eines jeden akademischen Jahres jedes Haus ein Komitee der Residenten, welches in engem Kontakt und Austausch mit der Administration des jeweiligen Hauses steht und in die Organisation des sozialen und kulturellen Lebens des Hauses involviert ist. Jedes Komitee ernennt jeweils zwei Repräsentanten in die Versammlung der Delegierten der Komitees der Residenten, die Assemblée des Délégués des Comités de Résidents (ADCR). Diese berät sich monatlich im Maison International der Cité mit der Fondation Nationale, Cité Internationale Universitaire de Paris zu allen Belangen des Lebens auf dem Campus. Aus dem Wunsch heraus mich kulturell in der Cité zu engagieren, reichte ich zu Beginn meines Aufenthalts im Collège meine Kandidatur für das Komitee ein und wurde daraufhin Mitglied des Comité de résident du Collège d‘Espagne und Repräsentantin in der Versammlung des ADCR. Wir haben uns im Laufe des Jahres mindestens einmal wöchentliche getroffen, um zwischen dem Rektor des Collège und den Residenten zu vermitteln und um das kulturelle und soziale Angebot des Hauses durch eigene Veranstaltungen zu erweitern und zu bereichern. Hierzu gehörten das Sonntagskino, wöchentlich stattfindende Sprachkurse für Französisch und Spanisch und eine Plattform für wissenschaftliche Vorträge der Residenten. Des Weiteren übernahm ich das Management einiger Konzerte der Residenten, das ich auch selbst mit solistischen und kammermusikalischen Beiträgen mit gestaltete. Das Leben in der Cité ist für mich wie ein kleines Universum in der Nussschale der Ile-de-France. In jedem Haus, auf jedem Planeten, pulsiert ein anderer Lebensrhythmus mit verschiedenartiger 2 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Kultur und Mentalität. Wie in Antoine de Saint-Exupérys ,le petit prince‘, fühlte ich mich als Reisende zwischen mehreren Planeten, auf denen ich unterschiedliche Menschen und Charaktere kennen lernen durfte, die alle ihre ganz eigene Lebensart haben. Mir hat es große Freude bereitet die beiden Planeten Frankreich und Spanien kennen zu lernen, mit (mindestens) zwei Sprachen, Französisch und Spanisch, zu jonglieren und dabei meine eigene Identität und Zugehörigkeit zu hinterfragen. Diese für mich zunächst fremden Kulturen sind im Prozess des Lebens im Ausland Teil meiner Selbst geworden und haben meine Sicht auf das Leben verändert und geprägt. Gleichzeitig habe ich erst als Reisende in der Auseinandersetzung mit meinen Nachbarn meine eigene, deutsche Identität zu erkennen und schätzen gelernt. MEIN STUDIUM IM CRR DER ÎLE-DE-FRANCE Einer der großen Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, den ich in meinem Studienalltag in Frankreich erlebte war die grundsätzliche Verschiedenheit der universitären Systeme. Wie bereits zu Anfang meines Berichtes erwähnt, studierte ich am Conservatoire à rayonnement régional de Paris (http://crr.paris.fr/). Wer als Deutsche(r) die nationale Musikhochschule von Paris, CRR de Paris, besucht wird sich vielleicht wundern, dass viele Kinder und Jugendliche das Gebäude bevölkern. Tatsächlich gibt es keine strikte Trennung zwischen Musikschule und Musikhochschule in Frankreich. So gibt es in den Arrondissements von Paris 19 verschiedene Conservatoires Municipeaux (kommunale Konservatorien), die für die musikalische Grundausbildung Pariser Jugendlicher zuständig sind und eine wichtige Rolle in der Vorbereitung auf eine professionelle musikalische Ausbildung spielen (http://www.paris.fr/accueil/Portal.lut? page_id=7174&document_type_id=4&document_id=35627&portlet_id=16597). Die CRR de Paris als Conservatoire à rayonnement régional ist das städtische Pariser Conservatoire; es bietet das größte Spektrum an Studiengängen und eine professionelle Ausbildung auf deutschem Hochschulniveau. Die CRR bietet als öffentliche Einrichtung so genannte classes à double cursus (Abbildung 1.1) an. Diese richten sich an Kinder und Jugendliche, die eine vertiefende musikalisch-künstlerische mit ihrer schulischen Ausbildung (Éducation Nationale) vereinbaren wollen. Anfänger werden nicht in das Programm aufgenommen. Alter Schulniveau Instrumentalniveau Degré Préparatoire 1 9 CM1 10 CM2 Dégré Préparatoire 2 Collège 11 Sixième Dégre Préparatoire 3 (premier cycle) 12 Cinquième 13 Quatrième Dégré Elémentaire 2 14 Troisième Dégré Elémentaire 3 l‘école primaire 1er cycle 2e cycle Dégré Elémentaire 1 Diplôme national du brevet Lycée 15 (second cycle) 16 Première 17 Terminale Séconde 3e cycle Dégré Moyen, Dégré Certificat Baccalauréat (général, technologique, professionel) Abbildung 1.1: Schema double cursus mit möglicher Korrespondenz zwischen Schul- und Instrumentalniveau. 3 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Das Programm ist darauf ausgelegt durch einen halbtäglich geteilten Stundenplan Schule und Conservatoire de musique miteinander zu vereinbaren. Neben Grundschule (l‘école primaire) oder Sekundarschule (l‘école secondaire, Collège, (classe de Terminale L, S, PRO ou TMD) absolvieren die Schüler ein wöchentliches Programm mit mindestens 12 1/2 Stunden Musikunterricht, welcher die Kurse Formation musicale (Solfège), Kammermusikunterricht (Activités d‘ensemble) und zusätzlichen obligatorischen Fächern wie Analyse, Instrumentenkunde (Organologie), Musikgeschichte und Akustik beinhaltet. Neben diesem Programm für Jugendliche wird das semiprofessionelle Cycle Spécialisé angeboten, welches nach vier Jahren mit dem Diplôme d’Etudes Musicales (DEM) abgeschlossen wird. Es besteht aus vier unterschiedlichen Disziplinen, den U.V. (Unité de Valeur): Instrument, Formation musicale, Culture musicale, und Ensemble dirigé und non-dirigé. Als Fortsetzung dieses Studiums wurde vor einigen Jahren ein gesondertes Cycle de perfectionnement | Concertiste eingeführt, welches gezielt die für eine musische Karriere erforderlichen instrumentalen und musikalischen Fähigkeiten vertieft und für Studenten unter 24 Jahren offen ist. Außer dem instrumentalen Hauptfachunterricht (cours instrumental individuel) müssen obligatorische Nebenfächer wie Orchester, Formation musicale und eine weitere Disziplin wie Kammermusik, Musikgeschichte, Werkanalyse oder ein Nebenfachinstrument belegt werden. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und endet mit der Abschlussprüfung des Diplôme de perfectionnement | Concertiste. Ein international vergleichbares Studiensystem bieten in Frankreich lediglich die beiden Conservatoires Nationals Supérieurs in Paris und Lyon an, das so genannte LMD (Abbildung 1.2). PRESENTATION SCHEMATIQUE DES CYCLES D’ETUDES MUSIQUE Schéma général 3 D e 3 cycle supérieur Doctorat ou 2 Diplôme d’artiste [2] (hors LMD) 1 1 concours d'entrée en 3e cycle supérieur diplôme conférant le grade de MASTER M e 2 cycle supérieur 2 1 concours d'entrée en 2e cycle supérieur (ou accès sans concours aux étudiants titulaires dans la même discipline du DNSPM ou du diplôme de 1er cycle supérieur du CNSMD de Paris avec mention Très Bien ou Bien) 3 L 1er cycle supérieur durée éventuellement réduite par VAA 2 1 concours d'entrée en 1er cycle supérieur Abbildung 1.2: Schema des Studiums LMD mit Studiendauer. Formation supérieure aux métiers du son ire 2 1 L + M et choix d'une dominante : Musique classique ou Musiques actuelles 2 1 4 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Hier wird das Studium in drei so genannte cycle supérieur aufgeteilt, die dem Bachelor, Master und Doktor entsprechen, wobei letzterer (Doctorat d’interprète de la Musique) lediglich in Paris erworben werden kann. Im Vergleich zum deutschen Studiensystem birgt das oben erklärte System der Studiengänge im Conservatoire régional und den Conservatoires Municipeaux vor allem für talentierte Anfänger exzellente Möglichkeiten der ganzheitlichen musikalischen Frühförderung, welche die Musikschulen in Deutschland im Allgemeinen nicht bieten, da dort weder Kontakt noch Kooperation mit den Musikhochschulen des Landes besteht. Auch die Frühförderung, vergleichbar unserem Jungstudium, ist im CRR exzeptionell. Auf der anderen Seite bietet Deutschland, im Gegensatz zu Frankreichs zentralistischem System mit nur zwei Conservatiores Supérieurs, für Musikstudenten eine weniger konzentrierte und damit vielfältigere Ausbildungslandschaft. Meiner Meinung nach würde eine Kombination beider Hochschulsysteme perfekte Ausbildungschancen für Musikschüler und -studenten bieten. Mein Conservatoire Ich möchte nun noch näher auf meine persönlichen Erfahrungen in Bezug auf das ERASMUS Studium am Conservatoire rayonnement régional de Paris und den Hochschulalltag eingehen. Die Hochschule ist in der Rue de Madrid im 8. Arrondissement gelegen. Mit der Métro fährt man entweder bis Gare Saint-Lazare oder gleich bis Europe durch. Ich habe es geliebt die Rue de Rome mit den vielen Geigenbauwerkstätten, den so genannten Luthiers, entlang zu schlendern und dabei in die Geschichte des französischen Geigenbaus einzutauchen.Im Hochschulgebäude ist der Empfang auf der rechten Seite des Eingangs. Madame Siguret, die Auslandskorrespondentin im Conservatoire, sitzt im 4. Stock, der Büroetage. Leider gibt es keine offizielle Begrüßung und auch keine Einführung für die ERASMUS Studenten. Man sollte also wissen, dass es in der Hochschule sehr schwierig ist Überäume zu bekommen. Die Buchungszeit für diese heiß begehrten Räume beträgt lediglich eine Stunde, danach muss der Schüssel wieder an der Rezeption abgegeben werden. Ich hatte das Glück, dass es in vielen Häusern der Cité U Überäume (teilweise sogar mit Klavier) gibt, die von den Residenten von morgens um 8 Uhr bis nachts um 2 Uhr genutzt werden können, so auch im spanischen Haus. Es ist auf jeden Fall ratsam sich eine Wohnung zu suchen in dem auch geübt werden kann, ansonsten bleiben oft nur die Toiletten des CRR als Übemöglichkeit übrig. Die wichtigsten Informationen zur Organisation des Studienjahres (wie die musikwissenschaftlichen Kurse, Prüfungsergebnisse, Kammermusikprofessoren und ihre Arbeitszeiten) werden im Foyer des CRR ausgehängt. Einige dieser Informationen sowie der Veranstaltungskalender (http://crr.paris.fr/Manifestations.html) für das gesamte Studienjahr sind auch auf der Website des CRR zu finden. 5 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 UNITÉ DE VALEUR D‘ERASMUS Als ERASMUS Studentin am Conservatoire rayonnement régional de Paris hat man instrumentalpraktisch Anrecht auf Hauptfach-, Orchester- und Kammermusikkurse. Auf Vorschlag meiner Professorin hin besuchte ich des Weiteren im Rahmen der U.V. complémentaire den musikwissenschaftlichen Kurs Atelier Contemporain unter der Leitung von Prof. Corinne Schneider. Über die musikwissenschaftliche Vorlesung hinaus werden in diesem Kurs regelmäßig zeitgenössische, französische Komponisten eingeladen oder Exkursionen gemacht, wie zum Beispiel Proben des Ensemble Intercontemporain im Centre Pompidou oder Operngeneralproben besucht. Außerdem nahmen wir am vom ARIAM Ile-de-France organisierte Symposium zum Thema Interpréter la musique: le style en question (Interpretieren von Musik: Stil in der Diskussion) teil. Zur Teilnahme an anderen U.V. complémentaire, die teilweise in Kooperation mit der Sorbonne angeboten werden, wie zum Beispiel travail sur le corps et la gestion du trac et du stress (Kurse der Musikphysiologie), sollte man sich persönlich an den Hochschuldirektor wenden, da die ERASMUS Korrespondentin Madame Siguret in der Regel nur die instrumentalpraktischen Fächer genehmigt die vom Conservatoire selbst angeboten werden. Ich empfehle jedem sehr während des Auslandsjahres auch Nebenfächer zu belegen, da erst auf diese Weise intensivere Kontakte zu anderen und insbesondere den französischen Studenten entstehen können. Für die Organisation des Studienjahres und der Fächer ist es wichtig zu wissen, dass alle Nebenfächer des Conservatoire nicht wie in Berlin semesterweise organisiert sind, sondern im Oktober beginnen und im Juli des darauf folgenden Jahres enden. Es ist also in der Regel nicht möglich ein Nebenfach erst im zweiten Semester zu wählen und zu beginnen. Auch die Kammermusikgruppen werden zu beginn des Studienjahres (année scolaire) festgelegt; danach ist ein Wechsel des Professors oder der Gruppe schwierig. Des Weiteren sollte man sich darauf einstellen im Rahmen der Hochschulkammermusik in der Regel mit jüngeren Schülern und Studenten zu spielen, da die Hochschule wie bereits erwähnt zu einem großen Anteil aus Absolventen des französischen “Jungstudiums” besteht. Das Hochschulorchester wird von Monsieur Durand geleitet. Wie in Berlin gibt es dabei auch in Paris über das Jahr verteilt unterschiedliche Projektphasen von ungefähr ein bis zwei Wochen Dauer. Die französischen Studenten müssen in der Regel an drei Projekten im Jahr teilnehmen. Der Plan der Orchesterarbeitsphasen ist bereits zu beginn des Jahres über die Hochschulwebseite einzusehen (http://crr.paris.fr/Planning_sessions_orchestre.html). Ansprechpartner für die Einteilung der Instrumente und die administrative Arbeit des Orchesters ist Monsieur Heinemann. Neben dem Leben im Ausland und im Speziellen in der Cité U war die Arbeit mit meiner Hauptfachlehrerin Frau Gessner die größte Bereicherung diesen Jahres. Als exzellente Pädagogin weiß Frau Gessner in ihrem Unterricht eine für den Schüler angemessene Balance zwischen klar strukturiertem Führen und gleichzeitigem Loslassen zu finden, um Freiraum für individuelle Entfaltung und Umsetzung des Erarbeiteten zu geben. Durch monatlich stattfindende Klassenabende im Rahmen der Hochschule gibt sie ihren Schülern viele Möglichkeiten öffentlich zu spielen und so immer sicherer im Auftreten vor Publikum zu werden. Als Vorbereitung auf die jährlich stattfindenden Prüfungen gibt es interne Klassenvorspiele, in denen man bereits Aufführungspraxis mit dem ausgewählten Repertoire erlangen kann. Sehr beeindruckt haben mich auch Fr. Gessners Repertoirekenntnisse aller Epochen sowie ihre Fähigkeit Schüler in ihren Stärken und Schwächen sehr gut einzuschätzen und das jeweilige Repertoire so auszuwählen, dass anhand der Werke an persönlichen Schwächen gearbeitet und gleichzeitig die Stärken des Schülers zur Geltung kommen und an ihnen gefeilt werden kann. 6 H a n n a H Wa l t e r Studienb ericht ERASMUS WS 2011/SS 2012 Offiziell war mein Berliner Zusatzstudium der Instrumentalpädagogik während meines ERASMUS Aufenthalts nicht im Studienangebot und -plan inbegriffen. Frau Gessner ist jedoch sehr interessiert daran ihre Studenten individuell in ihrer Musiklaufbahn zu fördern und hat mir außerhalb meines Einzelunterrichts angeboten in ihrer Klasse zu assistieren. Ich unterrichtete regelmäßig in Kooperation mit meiner Professorin Schüler ihrer Klasse und erhielt danach ein detailliertes Feedback zu meinem Unterrichtsstil. Im Rahmen dieser instrumentalpädagogischen Unterweisung legte Frau Gessner unter Anderem viel Wert auf individuelle Beurteilung und Einschätzung der Schüler um den Unterricht auf jeden optimal abzustimmen. So besuchte ich regelmäßig interne Klassenvorspiele, machte Notizen zu den einzelnen Schülern und ihrer Spielweise und Persönlichkeit und evaluierte im Anschluss mit Frau Gessner meine Beobachtungen. Diese Qualifikation ist essentieller Teil der Prüfung zum Instrumentalpädagogischen Diplôme d‘État in Frankreich und war sicherlich eine auch eine hilfreiche Erfahrung im Hinblick auf meinen Pädagogikabschluss in Deutschland.Außerhalb der Pariser Hochschule arbeitete ich zudem als Assistentin mit drei Schülern und hatte so die Möglichkeit, das in meinem “Lehrpraxis” Unterricht Besprochene eigenständig anzuwenden. FAZIT Das Erasmus Jahr hat meine Erwartungen weit übertroffen und ich habe von den neuen Eindrücken in Studium und privatem Alltag auch persönlich sehr profitiert. Mein Enthusiasmus, jeden Tag aufs neue zu Lernen, Sehen und Entdecken war bis zum Schluss ungebremst -ein kontinuierlicher Prozess der Selbstfindung... 7