Al Jazeera setzt auf soziale Medien

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Al Jazeera setzt auf soziale Medien
Al Jazeera setzt auf soziale Medien
Der im Emirat Katar beheimatete TV-Sender Al Jazeera setzt schon länger auf
eine Symbiose von klassischer Fernsehberichterstattung und dem Einsatz neuer
Medien. Mit dem Projekt „The Stream“ gibt Al Jazeera den Nutzern sozialer
Medien noch mehr Raum im eigenen Programm. Insbesondere im Zusammenhang
mit der Arabischen Revolution wurde sehr deutlich, dass sich Al Jazeera bei
seiner Berichterstattung zunehmend auf die neuen Medien stützt. Ob Facebook,
Twitter, YouTube oder Skype – der arabische Sender nutzt konsequent die
gesamte Bandbreite an Möglichkeiten. Mit dem vor etwas mehr als einem Monat
gestarteten Projekt „The Stream“ baut der TV-Sender seine Social MediaAktivitäten weiter aus (siehe: internationale Presseschau). Dabei handelt es sich
um weit mehr als eine 30-minütige Show, die täglich ausgestrahlt wird. Mit „The
Stream“ soll eine Social Media-Community rund um den Globus geschaffen
werden, die mit der TV-Show „The Stream“ bei Al Jazeera ihr eigenes Programm
erhalten soll – bislang nur als englischsprachiges Angebot.
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In jedem Fall ein innovativer Ansatz, den es in dieser Form bei
Konkurrenzangeboten wie CNN bisher nicht gibt. Das Ziel ist es, mit weniger
bekannten Online-Communities weltweit in Verbindung zu treten und deren
Geschichten und Standpunkte in einer Art „Nachricht des Tages“ bzw. als „Top
Story“ zu teilen.
„The Stream“ will unbekannten Stimmen eine Plattform für Diskussionen bieten
sowie neue Perspektiven und Blickwinkel auf Nachrichten zulassen. Ein zentraler
Bestandteil der TV-Show „The Stream“ ist es, die Zuschauer bei der Entdeckung
neuer Online-Tools zu unterstützen und sie bei der Erschließung und dem Teilen
von Informationen über die sozialen Netzwerke zu beraten. Auf Anfrage von mir
berichtet der Moderator des TV-Formats Derrick Ashong, dass das
Produktionsteam stetig das Feedback der Nutzer auf der eigenen Webseite,
Facebook und Twitter im Blick hat und im ständigen Dialog mit ihnen stehe. Am
einfachsten sei es, per Tweet mit dem Team in Verbindung zu treten. „Die Nutzer
können uns Stories vorschlagen, über die wir dann berichten, aktuelle oder
frühere „The Stream“-Themen kommentieren oder interessante Inhalte teilen und
mit anderen Zuschauern in Kontakt treten“.
So wurde in einer der ersten Sendungen vom 28. April unter dem Titel
„Bangladesh’s Forgotten People“ das Schicksal der indigenen Bevölkerung in
Bangladesch thematisiert. Seit vielen Jahren sind die vornehmlich in den
Chittagong Hill Tracts lebenden Stämme Opfer von anhaltenden Verletzungen der
Menschenrechte seitens Siedlern und Militär. Eine von vielen weiteren
Geschichten, die in den Mainstream-Medien gewöhnlich kaum Platz finden.
„The Stream“-Sendung vom 28. April mit dem Thema „Bangladesh’s
Forgotten People“ unter der Moderation von Derrick Ashong:
Hier klicken, um das Video auf YouTube anzusehen...
Das bisherige Feedback sei sehr positiv, meint Ashong. „Einer der Hauptgründe
für den Start des Programms ist, dass es eine Zielgruppe für einen intelligenten,
interaktiven Diskurs gibt, der sich aus dem Publikum selbst, seinen redaktionellen
Ideen und Inspirationen schöpft.“ Oft sei es nur Augenwischerei, wenn soziale
Medien in den Mainstream-Medien zum Einsatz kommen. Das Team von „The
Stream“ nutze die sozialen Medien jedoch als Motor, der das Publikum zur
Beteiligung antreibe. Zwar sei es noch zu früh, um definitiv zu sagen, wer dieses
Publikum ist: „Aber unserer Meinung nach handelt es sich dabei um die
Generation einer vernetzten, global denkenden Jugend, die daran interessiert ist,
bei globalen Entwicklungen mitzureden.“ Al Jazeera hat hier einen innovativen
Test-Ballon aufsteigen lassen, der im besten Fall zu neuen Horizonten in der
Verschmelzung von klassischer Berichterstattung und der InternetKommunikation vorzudringen vermag.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch sehr schwierig einzuschätzen, wohin sich das
Social-Media-Experiment entwickeln wird. Dazu ist es noch zu jung. Stephen
Phelps, geschäftsführender Produzent bei Al Jazeera, stellte in einem Interview
kürzlich fest: „In einem oder zwei Jahren würde ich gerne vier Folgen pro Tag
und sieben Tage die Woche bei Al Jazeera auf Englisch und Arabisch in der TVÜbertragung sehen. […] Bei den Social Media geht es um Community. Wir
müssen eine aufbauen und ihr unser Gehör schenken.“ Die Quellen für
Geschichten, erklärt er, seien fast unendlich. Man sei nicht mehr auf Reporter,
Crews oder Satelliten angewiesen, um über diese Geschichten auf eine
mediengerechte Weise zu berichten.
Dieser Beitrag wurde von mir auf politik-digital.de am 26.5.2011 unter
einer Creative Commons – Lizenz erstveröffentlicht.