Zu wessen Nutzen?

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Zu wessen Nutzen?
EU-Infrastruktur­
investitionen –
Zu wessen Nutzen?
Das Infrastrukturportfolio
der Europäischen Investitions­
bank im Süden
Die Mission von „Counter Balance: die Europäische Investitionsbank herausfordern“
ist es, die Europäische Investitionsbank zu einer offenen und fortschrittlichen Institution
zu verändern, die zur Erreichung der europäischen Entwicklungsziele beiträgt und
nachhaltige Entwicklung fördert. Zudem will die Kampagne die Menschen unterstützen,
die von der Arbeit der EIB betroffen sind.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Die Kampagne wird unterstützt von:
1. Zusammenfassung
S.4
S.5
2. Die Europäische Investitionsbank –
GroSSe Unbekannte mit groSSem Einfluss
2.1 Ziele S.6
2.2 Anteilseigner und Entscheidungen
2.3 Finanzinstrumente S.7
S.6
S.7
3. Die Europäische Investitionsbank
in der Entwicklungszusammenarbeit
S.8
3.1 Das externe Mandat der EIB S.8
3.2 Die EIB in AKP-Staaten S.8
3.3 Die EIB in anderen Ländern des Südens und Nachbarländern
3.4 Die EU-Strategie zur Unterstützung der Entwicklungsländer
bei der Krisenbewältigung S.11
Herausgeber:
urgewald e.V.
Marienstraße 19 – 20 | 10117 Berlin
www.urgewald.de
4. Infrastrukturprojekte und die Umwelt
Text:
Regine Richter, urgewald, mit Texten von Counter Balance
6. Fallbeispiele
Satz:
werk21 – Berlin
Image source – cover: flickr/mm-j
Gedruckt auf Recycling-Papier.
Dezember 2009
S.12
5. EU Aktivitäten für (Energie-) Infrastruktur
5.1 Afrika-EU Partnerschaft für Infrastruktur
5.2 Afrika-EU Energiepartnerschaft S.15
S.14
S.17
6.1 Die Tschad Kamerun Öl-Pipeline S.17
6.2 Die Westafrikanische Gas-Pipeline (WAGP) S.18
6.3 Das Gilgel Gibe Wasserkraftprojekt in Äthiopien
6.4 Der Bujagali Staudamm in Uganda S.21
6.5 Energie-Infrastruktur für Bergbau S.23
6.6 Das Tenke Fungurume Projekt S.23
6.7 Die Mopani Kupferhütte in Sambia S.24
7. Welche Entwicklung und für wen?
7.1 Grand Inga S.28
7.2 Trans-Sahara Pipeline
7.3 Energiesicherheit S.30
S.19
S.27
S.29
8. Neue Wege für die EIB?
S.31
8.1 Die Entscheidung des EuGH S.31
8.2 Die Halbzeitprüfung des externen Mandates der EIB S.32
8.3 Zeit für einen Wandel S.32
8.4 Energiesicherheit: beim eigenen Verbrauch ansetzen S.33
8.5 Außerhalb der EU S.33
Gefördert von InWEnt gGmbH aus Mitteln des BMZ und mit Mitteln der Europäischen Union. Die Inhalte des Dokuments liegen
in der alleinigen Verantwortung von Counter Balance und urgewald und stellen nicht die Meinung der Europäischen Union dar.
S.9
S.14
5
4
Abkürzungsverzeichnis
AKP
Afrikanische, karibische und pazifische Länder
ALA
Asien und Lateinamerika (Asia and Latin America)
AU
Afrikanische Union
CEE
Zentral- und Osteuropa (Central and Eastern Europe)
EC
Europäische Kommission (European Commission)
EEF
Europäischer Entwicklungsfonds
EuGH Europäischer Gerichtshof
EIB
Europäische Investitionsbank (European Investment Bank)
ELM
Mandat zur Kreditfinanzierung außerhalb der EU (External Lending Mandate)
ENP
Europäische Nachbarschaftspolitik
EO
Europäischer Ombudsmann
EP
Europäisches Parlament
EU
Europäische Union
FI
Ausländische Direktinvestitionen (Foreign Investments)
IBA
Important Bird Area
IFC
Internationale Finanzkorporation (International Finance Corporation, Weltbanktochter)
IFIs
Internationale Finanzinstitutionen
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
MDG
Milleniumentwicklungsziele (Millenium Development Goals)
OGP
Operativer Gesamtplan (Corporate Operational Plan)
SFF
Strukturierte Finanzierungsfazilität (Structured Finance Facility)
TEN
Transeuropäische Verkehrs- und Energienetze (Trans-European Networks of transport and energy)
TINA
Transport Infrastructure Needs Assessment
WBG
Weltbankgruppe (IBRD, IDA, IFC, MIGA und ICSID)
WCD
Weltstaudammkommission (World Commission on Dams)
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
1. Zusammenfassung
Die Europäische Investitionsbank (EIB) gehört zu den gro­
ßen Unbekannten unter den öffentlichen Banken, obwohl
sie inzwischen jährlich über 70 Milliarden Euro verleiht.
Gerade im Rahmen der Finanzkrise ist ihre Bedeutung
enorm gestiegen.
Den größten Teil des Geldes vergibt die EIB innerhalb
der EU, jedoch haben in den vergangenen Jahren auch
ihre Aktivitäten außerhalb der EU zugenommen. Dort
wird die Arbeit der EIB von verschiedenen Mandaten
geleitet, in den AKP-Staaten agiert sie unter dem
Cotonou-Abkommen, die Arbeit in anderen Länder wie
Asien, Lateinamerika, aber auch in Nachbarländern wird
vom Externen Mandat geleitet, das von 2007–2013 gilt.
Laut Beschluss des Rats der Europäischen Union sichert
dieses Mandat die Verleihaktivitäten der EIB mit Gemein­
schaftsgarantien ab.
Da sie traditionell im Infrastrukturbereich aktiv ist, ist
die EIB in verschiedenen Afrika-EU-Partnerschaften
aktiv, sowohl in der Infrastruktur-, als auch in der
Energie­partnerschaft, wo sie Fonds verwaltet und durch
Finanzierung zur Realisierung von konkreten Projekten
im Rahmen der Partnerschaften beitragen soll.
Eine Reihe von Fallbeispielen beleuchtet die Realität
von EIB-finanzierten Projekten im Energie- und Berg­
baubereich. Dabei tauchen immer wieder grundlegende
Fragen danach auf, wer von den Projekten profitiert und
wer nicht: wer bekommt in Sambia einen Job und für
wie lange? Kann sich den Bujagali-Strom jemand leisten
außer den wenigen ugandischen Besserverdienern?
Soll das nigerianische Gas vorrangig helfen, die dortige
Bevölkerung zu versorgen, oder haben die Menschen in
Ghana das Recht auf dieses Gas, solange sie es zahlen
können? Soll ein energiearmes Land wie Äthiopien einen
riesigen Staudamm für den Stromexport nach Kenia
bauen? Müssen Menschen im Tschad oder in Kamerun
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
mit gesteigerten Konflikten den Preis für Öl zahlen, das in
Amerika oder Europa konsumiert wird? Rechtfertigt die
Investition internationaler Bergbauunternehmen in der
Demokratischen Republik Kongo oder in Sambia, dass
sie Ländern die Vertragsbedingungen diktieren und damit
enorme Profite abschöpfen? Die Beispiele sind typische,
auf den Export ausgerichtete Projekte, die Entwicklungs­
länder (besser) in den Weltmarkt integrieren sollen und
deren Entwicklungsverständnis vom Glauben an den
Trickle-Down Effekt geprägt ist. Jedoch zeigen sie, dass
auf Projektebene oft gerade die am stärksten negativ
Betroffenen am wenigsten profitieren. Zumal in einer
globalisierten Welt Gewinne aus Unternehmungen oft
eben nicht im Land re-investiert werden, sondern in offshore Finanzzentren und Steueroasen landen sowie an
die Aktionäre der Unternehmen ausgeschüttet werden,
die oft im Norden sitzen.
Zwei noch nicht realisierte Projekte aus dem Energie­
bereich, die vorgestellt werden, legen dar, dass es aller
entwicklungspolitischen Rhetorik zum Trotz dabei
vornehmlich um die Sicherung von Energiequellen für
Europa geht.
Änderungen bei der EIB wären jedoch gerade jetzt mög­
lich, da zurzeit das externe Mandat der EIB überarbeitet
wird. Die Europäische Kommission soll Ende April 2010
einen neuen Entwurf vorlegen, der dann vom Europäi­
schen Parlament und den Mitgliedsstaaten diskutiert
wird. Dies bietet die Gelegenheit, das Entwicklungs­
modell zu überdenken, die ökologische, soziale, ent­
wicklungspolitische und menschenrechtliche Expertise
der Bank zu verbessern und ihre Aktivitäten auf weniger
Bereiche zu konzentrieren, wo sie einen zusätzlichen
Nutzen bringen kann. Im Bereich Energiesicherheit sollte
die EIB vor allem auf der europäischen Verbrauchsseite
ansetzen und ihre Finanzierung darauf konzentrieren,
hier Reduktionen zu erzielen.
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6
2. Die Europäische Investitionsbank –
GroSSe Unbekannte mit groSSem Einfluss
Die EIB wurde im Zuge der Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der heutigen EU, 1958
in Rom ins Leben gerufen. Ursprünglich dazu gedacht,
Infrastrukturprojekte der EU-Mitgliedsstaaten zu finan­
zieren und Investitionen in den weniger entwickelten
Teilen der EU zu unterstützen, hat sich die Hausbank der
EU heute zu einer der größten internationalen Finanz­
institutionen (IFI) entwickelt.
Das Jahresbudget der EIB ist kontinuierlich gestiegen,
es lag 2005/2006 bei knapp 50 Milliarden Euro, womit ihr
Investitionsvolumen das der Weltbank fast um das
Doppelte überstieg. Im Rahmen der Finanzkrise wurde
ihr Jahresbudget enorm erweitert, im Jahr 2008 unter­
zeichnete die EIB Kreditverträge über etwa 58 Milliarden
Euro und für 2009 sind etwa 75 Milliarden Euro vorge­
sehen.
Als eine europäische Institution besteht die Aufgabe
der EIB darin, die politischen Strategien der EU durch
langfristige Finanzierungszusagen für nachhaltige
Investitionsprojekte zu unterstützen. Die EIB hat Mandate
zur Förderung der Energiesicherheit, der regionalen
Integration sowie der Privatsektor-Förderung.
2.2
Anteilseigner und Entscheidungen
Die EIB wird von ihren Anteilseignern – den 27 Mitglieds­
staaten der Europäischen Union – finanziert, die
zusammen das Kapital der EIB aufbringen. Die jeweils
eingezahlten Beträge entsprechen dem wirtschaftlichen
Gewicht der Anteilseigner innerhalb der Union, die
vier größten Anteilseigner sind Großbritannien, Italien,
Frankreich und Deutschland, sie halten je 16 Prozent der
Anteile.
Die Entscheidungen der Bank werden in folgenden
Strukturen getroffen:
• Der Rat der Gouverneure besteht aus den Ministern
der EU-Mitgliedsstaaten, in der Regel die Finanz- oder
Wirtschaftsminister.
• Der Verwaltungsrat besteht aus 28 Direktoren –
jeweils einer aus jedem EU-Mitgliedsland sowie ein
Vertreter der Europäischen Kommission – und 18
stellvertretenden Verwaltungsratsmitgliedern, die vom
Rat der Gouverneure ernannt werden.
• Das Direktorium mit Sitz in Luxemburg umfasst neun
Mitglieder, unter Leitung des EIB-Präsidenten. Sie
werden vom Rat der Gouverneure berufen.
• Der Prüfungsausschuss setzt sich aus drei Mitgliedern
sowie drei Beobachtern zusammen, die vom Rat der
Gouverneure für drei Jahre ernannt werden.
Proteste zum 50. Geburtstag der EIB
2.1
• Zusammenhalt und Konvergenz,
• Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen
(KMU)
• Ökologische Nachhaltigkeit
• Umsetzung der Innovation-2010-Initiative (i2i)
Finanzinstrumente
2.3
• Ausbau der Transeuropäischen Verkehrs- und
Energienetze (TEN)
Die EIB vergibt Kredite an die EU-Mitgliedsstaaten und
an etwa 140 weitere Partnerländer, sowie an private Un­
ternehmen. Etwa 90 Prozent ihres Geldes verleiht die EIB
innerhalb der EU, die Vergabe von Darlehen außerhalb
der EU hingegen basiert auf verschiedenen Mandaten der
Europäischen Gemeinschaft (s.u.). Traditionell ist die EIB
besonders in der Finanzierung von Projekten zum Ausbau
der Transport-, Energie- und Industrie-Infrastruktur
innerhalb der EU engagiert.
Globaldarlehen sind mittel- bis langfristige Kredite, die
an zwischengeschaltete Finanzinstitutionen (Banken,
Leasing-Unternehmen oder andere Finanzinstitutionen)
vergeben werden. Diese gewähren Kredite bis zu einer
Höhe von 25 Millionen Euro an lokale Banken sowie an
kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) für neue In­
vestitionsprojekte. Die Beteiligung an Risikokapitalfonds
und KMU-Garantieoptionen wird im Rahmen des Europäi­
schen Investitionsfonds (EIF) durchgeführt.
Die EIB hat, abhängig von der Art der Projekte und der
Region, verschiedene Finanzinstrumente zur Verfügung:
Die Fazilität für Finanzierungen auf Risikoteilungsbasis
(RSFF) erleichtert der Bank durch Kredite und Garantien
die Finanzierung von risikoreicheren Projekten, darunter
insbesondere umfangreiche Infrastrukturprogramme, die
von der EIB zunehmend unterstützt werden.
• Nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere
Energieversorgung
Die EIB ist der europäischen Rechtssprechung unterwor­
fen. Damit ist sie sowohl an die rechtlichen Bestimmun­
gen des EU-Vertrags als auch an ihre eigenen Statuten,
die ihre finanziellen, rechtlichen und administrativen
Grundlagen festlegen, gebunden.
Einzeldarlehen sind Kredite für öffentliche oder privat­
wirtschaftliche Projekte, einschließlich der Risikokapital­
finanzierung.
1 Kroatien, Türkei und Mazedonien
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Foto: Liza Gabry (Amis de la Terre)
Foto: Liza Gabry (Amis de la Terre)
Ziele
Die EIB verfolgt in der EU und den Beitrittskandidaten1
sechs vorrangige Ziele, die auch in ihrem Geschäftsplan,
dem Operativen Gesamtplan (OPG), festgehalten sind:
Proteste zum 50. Geburtstag der EIB
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
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3. Die Europäische Investitionsbank
in der Entwicklungszusammenarbeit
Finanzierung in AKP-Staaten
nach Sektoren
andere
3.1
Die Finanzierungen der EIB in Entwicklungsländern
werden über verschiedene Mandate geregelt, je nach der
Region, in der die Bank tätig ist.
Der Europäische Rat erteilt der Bank die Mandate in
doppelter Hinsicht: einerseits, indem er die Prioritäten
für die Kreditvergabe der EIB setzt und andererseits,
indem er der Bank eine Garantie für die Kreditvergabe
3.2
Dienstleistungen
Das externe Mandat der EIB
2008 hat die EIB Kredite über rund 6,1 Mrd. Euro
außerhalb der Europäischen Union (EU) vergeben, dies
macht sie zu einer einflussreichen Finanzinstitution, die
im Auftrag ihrer Anteilseigner – EU und ihre Mitglieds­
staaten – rund um die Welt operiert.
Energie
außerhalb der EU Region gibt – als Schutz vor möglichen
Verlusten in risikoreicheren Märkten.
Unter dem Cotonou-Abkommen verwaltet die EIB zusätz­
lich die Cotonou-Investitionsfazilität (IF), ein Instrument
mit Risikoteilung, das im Juni 2003 eingerichtet wurde.
Für den Zeitraum von 2003 bis 2007 wurden über die
Cotonou-IF 3,9 Mrd. Euro vergeben. Weitere 3,5 Mrd. Euro
werden von 2008 bis 2013 bereitgestellt, die die EIB um
weitere 2 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln aufstocken
kann. Zudem vergibt die Bank Mittel für technische
Assistenz.
Im Zeitraum 2000–2009 hat die EIB vor allem in den
Finanzsektor (40 Prozent, dies umfasst Kreditlinien,
Investmentfonds und Mikrofinanzierung), den Energie(21 Prozent), den Industrie- (19 Prozent), den Transport(9 Prozent) und den Wassersektor (7 Prozent) investiert.
Telekommunikation
Für die Kredite in Afrika, der Karibik- und Pazifikregion
(AKP) fällt das EIB-Mandat unter das CotonouAbkommen, während für Asien, Lateinamerika, die
EU-Beitritts­kandidaten und Nachbarländer (Mittelmeer­
region, Osteuropa, Südkaukasus und Russland) ein
externes Mandat besteht, das vom Rat im Dezember 2006
für die Jahre 2007–2013 vergeben wurde. Es umfasst
eine Garantie der Europäischen Gemeinschaft von bis zu
27,8 Mrd. Euro im Vergleich zu 20,7 Mrd. Euro, die in der
vorherigen Periode von 2000–2006 bewilligt wurden.
Wasser / Abwasser
Transport
Finanzsektor
3.3
Die EIB in AKP-Staaten
Das Cotonou-Abkommen wurde im Jahr 2000 abge­
schlossen, es regelt Kredite an die 79 AKP-Länder.
Schwerpunkt sind Privatsektorinvestitionen für Trans­
port-, Wasser-, Energie- und Telekommunikations­
infrastruktur. Die EIB verleiht dabei eigene Mittel und
managt zusätzlich zunehmend Mittel des Europäischen
Entwicklungsfonds, der sich aus Fonds der
EU-Mitglieds­staaten zusammensetzt und von der Kom­
mission verwaltet wird.
Dies entspricht den hauptsächlichen strategischen
Prioritäten in der Region: Finanzsektor und Infrastruktur,
wozu die Bank Energieeffizienz und Klimawandelmindernde und anpassende Maßnahmen zählt2.
Das Cotonou-Abkommen legt fest, dass die EIB darauf
hinarbeiten soll, die Armut zu vermindern und abzu­
schaffen, unter Berücksichtigung der nachhaltigen
Entwicklung und der Integration der AKP-Staaten in die
Weltwirtschaft. Unter anderem wird die Einhaltung der
Menschenrechte, die Beachtung von demokratischen
Prinzipien und der Rechtsstaatlichkeit gefordert, außer­
dem soll ein stabiles politisches Umfeld und nachhaltige
sowie gleichberechtigte Entwicklung der produktiven
Ressourcen gefördert werden.
Südafrika zählt als einziges subsaharisches afrikanisches
Land nicht zu den AKP-Staaten, die EIB vergibt dort seit
1994 Kredite. Zwischen 2007 und 2013 kann die Bank 900
Millionen Euro vergeben. Die Aktivitäten der EIB fokussie­
ren auf öffentliche und private Infrastrukturprojekte mit
dem Ziel der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit.
Die finanzierten Aktivitäten umfassen Globaldarlehn für
Energieeffizienz sowie Wasserinfrastruktur, Energie-,
Industrie- und Hausbauprojekte.
Die EIB in anderen Ländern des Südens und Nachbarländern
Während das Cotonou-Abkommen die Aktivitäten der
EIB klar in den entwicklungspolitischen Rahmen der EU
einordnet, ist dies bei den anderen Regionen nicht so
deutlich. Das derzeitige externe Mandat (von 2006) legt
unterschiedliche Prioritäten für verschiedene Regionen
fest und hat mehrere Ziele, einschließlich der Förderung
ausländischer Direktinvestitionen aus der EU.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) bevoll­
mächtigt die EIB, ihre Kreditaktivitäten in den EUNachbarländern von 2007–2013 auf insgesamt 12,4 Mrd.
Euro auszudehnen. Das schließt die Länder des südlichen
Kaukasus ein, die nicht unter das vorherige Mandat fielen
sowie Russland, wo das Mandat zuvor auf ein Umwelt­
schutzprojekt in Sankt Petersburg begrenzt war.
Finanzierung in Lateinamerika
nach Sektoren
Agrarsektor
Wasser / Abwasser
Telekommunikation
Kreditlinien
Transport
Industrie
Energie
2 www.eib.org/projects/regions/acp/index.htm
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Industrie
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
11
10
Die EU-Strategie zur Unterstützung der
Entwicklungsländer bei der Krisenbewältigung
3.4
Im Rahmen der Finanzkrise und einer neuen oder
erneuerten EU-Strategie zur Unterstützung von
Entwicklungs­ländern wird die EIB in den nächsten Jahren
voraussichtlich eine noch größere Rolle spielen. 2009
erwähnt die Europäische Kommission die EIB in ihrem
jährlich im April erscheinenden Kommunikationspaket
zur Entwicklungsfinanzierung. Sie sagt darin, dass die
EIB ein zentrales Instrument sein kann, um auf die neuen
Herausforderungen zu reagieren, die aus der Finanzund Wirtschaftskrise resultieren.
Etwa hier in Sambia.
Foto: Petr Hlobil (CEE Bankwatch Network)
In AKP Staaten fördert die EIB viele Bergbauprojekte.
Foto: Petr Hlobil (CEE Bankwatch Network)
In Asien und Lateinamerika (ALA) kann die EIB für die
Jahre 2007–2013 insgesamt 3,8 Mrd. Euro verleihen, in
beiden Regionen deutlich mehr als im vorherigen Mandat
mit 2,48 Mrd. Euro für den Zeitraum 2000–2006. Die
Ziele der EU für die ALA-Länder umfassen ökonomische
Zusammenarbeit und EU Präsenz durch ausländische
Direktinvestitionen aus der EU, ökologische Nachhaltig­
keit – inklusive Klimawandel-Schadensminderung – und
Projekte, die zur Energiesicherheit der EU beitragen.
In Lateinamerika hat die EIB zwischen 1993 und 2009
vor allem im Telekommunikationssektor (30,6 Prozent)
investiert, gefolgt vom Industrie- (23,9 Prozent), Energie(18,7 Prozent), Transport- (13,6 Prozent), Finanz- (8 Pro­
zent) und Wassersektor (4,3 Prozent). Der Agrarbereich
umfasst nur 1 Prozent der EIB Finanzierung.
In Asien vergibt die EIB das meiste Geld an China: so un­
terzeichnete sie im November 2007 einen China Climate
Change Framework Loan (CCCFL) über 500 Millionen,
der für Investitionen im Bereich Erneuerbare Energien,
Energieeffizienz, und Aufforstung verwandt werden soll.3
Im November 2008 dehnte der Rat das Mandat der EIB
auf fünf Zentralasiatische Länder (Kasachstan, Kirgisien,
3 www.eib.org/projects/regions/ala/index.htm
Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan) aus,
obwohl das Europäische Parlament vor Problemen
bezüglich Entwicklung, Demokratie und Rechtsstaatlich­
keit in diesen Ländern warnte. Bei ihren Finanzierungen
in Zentralasien soll die EIB die EU Ziele Diversifikation
von Energiequellen fördern, indem sie für Energie­
versorgung und Energietransport finanziert sowie für
Umweltschutz. Zu möglichen Projekten gehört Auswei­
tung, Modernisierung und Erweiterung von Infrastruktur
und Ausrüstung für Öl- und Gaspipelines, Öl- und
Gasförderanlagen, mit Schwerpunkt auf Umweltschutz­
ausrüstung dieser Anlagen sowie Stromerzeugungs- und
Übertragungs­anlagen.4
Zehn von 28 politischen Aktionspunkten des Papiers der
Kommission mit dem Titel „Supporting developing
countries in coping with the crisis” betreffen die EIB.
Unter anderem wird die EIB aufgefordert, ihre Hilfs­
zahlungen an Entwicklungsländer zu beschleunigen und
ihre Kreditinstrumente zu nutzen, um Privatinvestitionen
und Außenhandel zu fördern. Dies ist insofern bemer­
kenswert, als die Kommission nur einen begrenzten
Einfluss auf die EIB hat, da die Mitgliedsstaaten sich in
den Aufsichtsgremien der EIB selbst vertreten.
Offensichtlich fehlen der Kommission bessere Alterna­
tiven für antizyklische Finanzierungen. Es gibt sowohl
Mit 8,7 Mrd. Euro, die sie zwischen 2007 und 2013 in der
Mittelmeerregion vergeben kann, hat sich die EIB unter
der ENP zum größten Kreditgeber der Region entwickelt.5
Im Rahmen der Fazilität für Europa-Mittelmeer
Investitionen und Partnerschaft (FEMIP, 2002) und
der erweiterten FEMIP (2003) gingen 44 Prozent der
Kreditsumme von insgesamt 1,354 Mrd. Euro in den
Energiesektor. Privatsektorunterstützung und Infrastruk­
turinvestitionen bleiben eine finanzielle Priorität in den
Mittelmeerländern.
4 www.eib.org/projects/regions/russia/index.htm
5 www.eib.org/projects/regions/med/index.htm
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
augenfällige Spannungen zwischen der Europäischen
Kommission und den Mitgliedsstaaten als auch unter­
schiedliche Sichtweisen der Mitgliedsstaaten untereinan­
der über die Frage, wie die EIB genutzt werden soll.
Die ambitionierten Pläne der Kommission, die Rolle der
EIB auszubauen, wurden von den Mitgliedsstaaten beim
Treffen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und
Außenbeziehungen im Mai 2009 größtenteils zurück­
gewiesen. Der Europäische Rat formulierte sehr vage
und „lud“ die EIB „ein“, schneller und flexibler an den
Finanz- und Infrastruktursektor zu verleihen sowie kleine
und mittlere Unternehmen zu fördern – allerdings nur
auf der Basis ihrer eigenen Kapitalressourcen. Der Rat
machte außerdem deutlich, dass flexiblere Verfahren,
wozu auch Budgethilfen gehören, nicht dazu führen
dürften, dass es zu Folgefinanzierungsansprüchen käme,
oder die Nachhaltigkeit der EIB-Kreditvergabe gefährdet
würde. Darüber hinaus „begrüßte“ der Rat das Vorhaben
der Kommission, den EU-Afrika Infrastruktur-Trustfonds
(der von der EIB verwaltet wird) zu stärken und umzuge­
stalten sowie ihm 200 Mio. Euro für die Jahre 2009–2010
zuzu­teilen. Er lud außerdem die Mitgliedstaaten ein, über
einen eigenen Beitrag zum Trustfonds nachzudenken.
13
12
4. Infrastrukturprojekte
und die Umwelt
Traditionell ist die EIB sehr aktiv in dem Bereich der
Infrastrukturfinanzierung, da sie gegründet wurde, um
Investitionen für die Angleichung der Bedingungen in der
Europäischen Union zu tätigen.
Zu den bekannteren Projekten innerhalb der EU,
die die EIB mitfinanziert hat, gehört die Öresund Brücke
zwischen Kopenhagen und Malmö, die Koaicka Brücke
über die Donau in Bratislava, Autobahnen wie die D8
Autobahn in der Tschechischen Republik, die M0 Auto­
bahn in Ungarn, die D4 Autobahn, die Umgehung von
Posen und die Via Baltica6 in Polen. Ebenso der Aus- und
Umbau von Flughäfen etwa in Sofia, Schipol oder London
Heathrow7. Auch der Ausbau von Energieförder- bzw.
Stromerzeugungsanlagen gehört zu den EIB-finanzierten
Aktivitäten wie die Ölförderung im italienischen Agri-Tal,
oder Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland,
Belgien, Italien und Großbritannien8.
Die Spannbreite von Umweltauswirkungen solcher
Projekte geht von Zerschneidung und Zerstörung von
Naturschutzgebieten, Verlust von Biodiversität, über
Klimawandel durch Auto- und Flugverkehr und die
Verbrennung fossiler Energieträger bis zur ungeklärten
Frage der Lagerung radioaktiver Abfälle. Diese Pro­bleme
brachten neben dem Netzwerk osteuropäischer
Umweltorganisationen CEE (Central and Eastern Europe)
Bankwatch Network Umweltorganisationen wie den
WWF9 und BirdLife auf den Plan: Birdlife untersuchte in
einer 2001 veröffentlichten Studie die Auswirkungen des
geplanten TINA (Transport Infrastructure Needs
Assessment für die Trans-Europäischen Netzwerke)
Netzwerks auf Vogelschutzgebiete (IBA, International
Bird Areas) in den damaligen Beitrittsländern und fand,
dass sie über 20 Prozent der wichtigsten Vogelschutz­
gebiete potenziell bedrohten10. Da die EIB ein bedeuten­
der Finanzierer dieser Verkehrspläne ist, richtete sich die
Studie auch an die EIB, bzw. an Entscheidungsträger mit
Einfluss auf die EIB.
Neben der EU, wo sie im Prinzip der EU-Umweltgesetz­
gebung folgen muss, ist die EIB auch außerhalb der EU
in Infrastrukturprojekten aktiv, die zum Teil unter noch
schwierigeren Bedingungen realisiert werden,
als innerhalb der EU. Viele der Projekte werden wegen
ihrer schwerwiegenden ökologischen und sozialen
Auswirkungen sehr kontrovers diskutiert. So war, bezie­
hungsweise ist, die EIB beteiligt am Lesotho Highlands
Water Project, an der Tschad Kamerun Ölpipeline, an
der Lihir Goldmine in Papua Neu Guinea, am Bujagali
Staudamm in Uganda, am Gilgel Gibe Wasserkraftprojekt
in Äthiopien, an der Tenke Fungurume Kupfer- und
Kobaltmine in der Demo­kratischen Republik Kongo, in
sambischen Bergbau­projekten sowie dem Nam Theun 2
Staudamm in Laos, siehe dazu auch Kapitel 6.
Dies wirft die generelle Frage nach Infrastruktur und
Umwelt auf, gerade im Kontext von Entwicklungsländern.
Infrastruktur spielt eine wichtige Rolle für Entwicklung,
indem sie Energie, Transportmöglichkeiten und Wasser
verfügbar macht. Aus diesem Grund geht etwa die Hälfte
der Projektfinanzierung von internationalen Finanzinsti­
tutionen in Entwicklungsländern in den Infrastrukturbe­
reich. Die OECD geht davon aus, dass Entwicklungsländer
in der kommenden Dekade 700 Milliarden US$ jährlich
in Infrastruktur investieren müssen. Neben den positiven
Effekten, die Infrastrukturprojekte haben können, ist
bekannt, dass sie große Umweltschäden mit sich bringen
können: Abbau und Nutzung fossiler Energiequellen
rufen Emissionen hervor, die lokal sauren Regen und
global Klimaerwärmung hervorrufen. Wasserkraftwerke
und künstliche Bewässerung können zu Überflutungen,
Wasserverschmutzung, Vertreibung und Zerstörung von
sozialen Gemeinschaften führen. Straßenbau kann Ero­
sion, Waldzerstörung und Biodiversitätsverlust verursa­
chen. Die multilateralen Entwicklungsbanken schätzen,
dass diese Umweltkosten in einigen Entwicklungsländern
zwischen vier und acht Prozent des Bruttosozialprodukts
ausmachen, wobei die negativen Effekte vor allem die
armen Bevölkerungsgruppen treffen.
Die Evaluation Cooperation Group (ECG) der Internatio­
nalen Finanzinstitutionen weist auf die Bedeutung dieses
Dilemmas zwischen Umwelt und Infrastruktur hin. Sie
stellt heraus, dass zur Erreichung der MilleniumsEntwicklungsziele adäquate Infrastruktur für den Zugang
zu sauberem Wasser und Abwasserentsorgung ebenso
sichergestellt werden muss, wie die Verringerung von
Umweltschäden, um die negativen Auswirkungen von z.B.
Luftverschmutzung auf Gesundheit und landwirtschaft­
liche Produktion zu minimieren. Die ECG hat untersucht,
dass auf der Projektebene Auswahl, Design, Umsetzung
und Monitoring Ansatzpunkte sind, um dem Dilemma zu
begegnen. Gerade die dauerhafte Überwachung, auch
wenn Projekte fertig gestellt sind, ist notwendig, um
sauberen Betrieb und Instandhaltung der Infrastruktur
6 Campagna per la Riforma della Banca Mondiale, CEE Bankwatch
Network, Friends of the Earth Europe „Public Funds for Public
Benefit – making the European Investment Bank support people and
environment”, Mai 2003
8 urgewald „Wer kann neue Milliarden für die Atomkraft verhindern?”
April 2008
7 CEE Bankwatch Network „Lost in transportation – the European
Investment Bank’s bias towards road and air transport”, März 2007
10 BirdLife International „An assessment of the potential impact of
the TINA network on Important Bird Areas (IBAs) in the accession
countries”, 2001
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Infrastrukturprojekte haben oft schwerwiegende
Auswirkungen auf die Umwelt.
Foto: Jan Capelle
sicherzustellen und dabei Umweltschutzmaßnahmen
einzuhalten. Evaluierungen der Internationalen Finanz­
korporation (IFC) und der Osteuropabank (EBRD) zeigen
dabei, dass die Projekte, die Umweltfragen gut berück­
sichtigen, auch finanziell und wirtschaftlich gut dastehen.
Darüber hinaus mahnt ECG, dass auf sektoraler, bzw.
nationaler Ebene Policies, Regulierungen und Umwelt­
kapazität entwickelt werden müssen und dies ein
Bereich ist, der größere Aufmerksamkeit verdient: Etwa
indem umweltfreundlichere Alternativen zur Bedarfs­
befriedigung gesucht werden, wie etwa Energieeinspa­
rungsprogramme. Oder indem alternative Standorte
für Kraft­werke oder den Verlauf von Straßen gesucht
werden, oder Programme zur Verringerung des Wasser­
verbrauchs gestartet werden.
Dabei wird herausgestellt, dass die Verbindung von
Projektebene und nationaler Strategie eine Heraus­
forderung ist. Sie erfordert nationale Umweltstrategien
und strategische Umweltprüfungen, die dann umgesetzt
und nachgehalten werden. Die Stärkung nationaler Um­
weltmanagement-Kapazitäten kann helfen, Schaden zu
verringern und den Umweltschutz zu verbessern. Zu den
weiteren vorgeschlagenen Maßnahmen gehören Anreize,
die Infrastruktur effizient zu nutzen sowie die Nutznießer
von Infrastrukturprojekten vernünftig einzubeziehen,
indem etwa Kosten und Nutzen und nötige Preisstruktur
deutlich gemacht werden.
Governance und Korruption sind zudem zwei Bereiche,
deren Bedeutung vor allem für Infrastrukturprojekte
herausgestellt wird, da verbesserte Regierungsführung
und verringerte Korruption die gesellschaftlichen Kosten
von Infrastrukturprojekten deutlich senken, ihre Effizienz
steigern und zu besserer Planung, Design, Umsetzung
und Ergebnissen führen können.
Damit dies alles passieren kann, ist jedoch ein Wechsel in
den Prioritäten und Schwerpunkten nötig11.
11 African Development Bank, Asian Development Bank, European
Bank for Reconstruction and Development, European Investment
Bank, International Monetary Fund, and the World Bank Group „The
Nexus Between Infrastructure and Environment – From the Evaluation
Cooperation Group of the International Financial Institutions”, Juni 2007
9 www.fossilfreeeib.org/fp_detail.php?fpID=17
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
15
14
5. EU Aktivitäten für (Energie-) Infrastruktur
Die Europäische Investitionsbank vergibt unter dem
Cotonou-Abkommen nicht nur eigene und Mittel des
Euro­päischen Entwicklungsfonds, sie spielt auch eine
5.1
Rolle bei verschiedenen Afrika-EU-Partnerschaften,
etwa bei der Afrika-EU Partnerschaft für Infrastruktur,
oder bei der Afrika-EU-Energiepartnerschaft.
Afrika-EU Partnerschaft für Infrastruktur
Die Partnerschaft wurde im Oktober 2007 ins Leben
gerufen als gemeinsame Initiative der Kommissionen
der Europäischen und Afrikanischen Union. Ihr Ziel
ist es, regionale Integration durch große kontinentale
Infrastrukturnetzwerke zu fördern, analog zu Initiativen
wie etwa den Transeuropäischen Netzwerken, in denen
durchgehende Autobahnen z.B. von Helsinki bis Istanbul
geplant sind. Die Europäische Kommission erklärt,
dass sie davon ausgeht, dass regionale Kooperation und
Integration das beste Werkzeug für verbesserte
Sicherheit, gesteigerten Handel und Wohlstand sind und
dies die Voraussetzung für nachhaltige menschliche Ent­
wicklung ist. Die Partnerschaft arbeitet auf drei Ebenen:
kontinental, regional und national und soll Infrastruktur
im Bereich Transport, Energie, Kommunikations­
technologie und Wasser finanzieren sowie Gesetze
und Regelungen unterstützen, die Handel und Dienst­
leistungen fördern. Die EU will die Anstrengung Afrikas
unterstützen, Lücken in existierenden Netzwerken zu
identifizieren und zu schließen, Transportpolitiken zu
harmonisieren, integrierte Wassermanagementsysteme
zu entwickeln, regionale Energieinfrastruktur zu schaffen
und die digitale Kluft zu überbrücken. EU Investitionen
in afrikanischer Infrastruktur sollen durch die Partner­
schaft erhöht werden.12
Für die Umsetzung der Partnerschaft ist die Kommission
der Afrikanischen Union der Hauptgesprächspartner
der Kommission der Europäischen Union, sie arbeitet
mit regionalen Behörden, Agenturen und afrikanischen
Finanzpartnern zusammen. Die Partnerschaft koordiniert
sich mit anderen internationalen Initiativen wie dem
Infrastruktur-Konsortium für Afrika und dem Weltbank
Afrika Aktionsplan.
Finanziell speist sich die Partnerschaft aus Mitteln des
Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) mit 5,6 Milliar­den
Euro von 2008–2013 und aus dem EU-Afrika Infrastruktur
Trust Fonds, der 2007 mit Mitteln der Europäischen
Kommission und EU Mitgliedsstaaten gegründet wurde
und von der Europäischen Investitionsbank verwaltet
wird. Im Rahmen der Reaktion auf die Finanzkrise stellte
die EU Kommission dem Fonds 200 Millionen Euro extra
zur Verfügung, womit sich zum Ende 2009 die gesamten
vergebbaren Resourcen des Fonds auf 372 Millionen
Euro belaufen. Der Fonds vergibt Beihilfen, die mit
lang­fristigen Krediten der EIB oder des EEF kombiniert
werden können, ebenso kann technische Assistenz für
Projekte aus Mitteln des Fonds bezahlt werden.
Zu den bisher finanzierten Projekten aus dem Fonds
zählen unter anderem:
• der Caprivi Interconnector, der die Stromübertragung
zwischen Sambia, Namibia und Südafrika verbessern
soll,
• der Ausbau des Wasserkraftwerkes Ruzizi, das Strom
für Burundi, Ruanda und die Demokratische Republik
Kongo liefern soll,
• der Beira Korridor, ein Kanal zwischen dem
mosambikanischen Hafen Beira und südafrikanischen
Regionen,
5.2
Afrika-EU Energiepartnerschaft
Neben der Partnerschaft für Infrastruktur wurde 2007
im Rahmen der Gemeinsamen Afrika-EU-Strategie auch
eine Energiepartnerschaft verabschiedet. Die Bedeutung
des Themas Energie für Afrika ist klar: ohne Zugang
zu moderner Energieversorgung sind die Milleniums­
entwicklungsziele nicht erreichbar. Aktuell ist Biomasse
mit 70 bis 90 Prozent die wichtigste Energiequelle für die
Menschen in Subsahara Afrika, die Tendenz steigt sogar.
Weniger als 20 Prozent der Menschen haben Zugang zu
Elektrizität, wobei die Situation von Menschen in länd­
lichen Gebieten besonders prekär ist.
An dieser Problemstellung will die Energiepartnerschaft
ansetzen. Sie stellt in ihrer Begründung heraus, dass
die globale Sorge über Energiesicherheit, Zugang zu
Energie und Klimawandel die Verbindung zwischen
der Energiezukunft Afrikas und Europas stärkt. Die
Partnerschaft will einen langfristigen Rahmen geben für
strukturierten politischen Dialog und Zusammenarbeit
zwischen Europa und Afrika zu Energiethemen von
strategischer Bedeutung, wobei sie die afrikanischen
und europäischen Bedürfnisse reflektieren will. Neben
gemeinsamen Visionen und Politiken für die Antwort
auf die energie­politischen Herausforderungen des
21. Jahrhunderts will die Partnerschaft finanzielle,
technische und menschliche Ressourcen für Afrikas
Energieentwicklung mobilisieren. Dazu will die Energie­
partnerschaft den existierenden Afrika-EU Dialog über
Zugang zu Energie und Energiesicherheit stärken, sie
strebt mehr europäische und afrikanische Investitionen
in Energieinfrastruktur an, erklärtermaßen mit dem Ziel,
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und verbesserten
Umgang mit Energieressourcen zu fördern. Zudem soll
die Berücksichtigung des Klimawandels Eingang in alle
Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit finden. Alle
Ebenen: die nationale, die regionale, die kontinentale und
die globale sollen berücksichtigt werden.14
Eine elementare Frage bei Energieprojekten ist:
Energie für wen?
Fragen sich z.B. die vom Bujagalistaudamm Betroffenen.
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
Eine gemeinsame Erklärung von AU und EU im
September 2008 legte folgende Prioritäten für die
Umsetzung fest:
• Förderung der regionalen Integration der Strommärkte
Afrikas
• Förderung und Befähigung eines Klimas, das private
Investitionen fördert
• Entwicklung von Energieverbindungen zwischen Afrika
und Europa
• Start eines Erneuerbare Energien Konsortium
Programms
• Unterstützung der Reduktion von Gasabfackelung
• das ostafrikanische Unterwasserkabelsystem,
das südliche und östliche afrikanische Länder mit
dem internationalen Kommunikations-Netzwerk
verbinden soll,
• Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen für
Investitionen in den Energiesektor sowohl auf der
Erzeuger- wie auch der Verbraucherseite, besonders,
um den Zugang zu Energie zu verbessern
• der Ausbau des Jomo Kenyata International Airports
in Nairobi,
• Fortschritte bei der Nutzung existierender
Unterstützung durch die europäische Kommission,
um die institutionelle und technische Kapazität der
afrikanischen Kommission zu erhöhen
• technische Studien für das Gibe III Wasserkraftprojekt
in Äthiopien.13
• Stärkere Zusammenarbeit, um die Energieeffizienz in
allen Energiesektoren zu verbessern
• Kontakte und verstärkten Austausch von Fachwissen
zwischen europäischen und afrikanischen Partnern
fördern.15
12 www.eu-africa-infrastructure-tf.net/about/index.htm
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
13 www.eu-africa-infrastructure-tf.net/activities/index.htm
14 „Africa-EU Partnership on Energy” in „First Action Plan (2008–2010)
for the implementation of the Africa-EU Strategic Partnership”
ec.europa.eu/development/.../EAS2007_action_plan_2008_2010_en.pdf
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
15 „The Africa-EU Energy Partnership – The Role of Civil Society
and the Private Sector”, Präsentation, www.africa-eu-partnership.
org/.../090212_aeep_status_cso_pso_involvement.pdf
17
16
6. Fallbeispiele
Im April 2009 diskutierten deutsche und afrikanische
Nichtregierungsorganisationen in Nairobi über die
Energiepartnerschaft. Sie stellten die Bedeutung des
Energiethemas heraus, da Zugang zu modernen Energie­
dienstleistungen, die erschwinglich, klimafreundlich und
nachhaltig sind, für große Bevölkerungsgruppen in Afrika
nicht existieren, vor allem in ländlichen Gebieten. Dies
betrifft vor allem Frauen, was jedoch in den Energie­
politiken selten reflektiert wird. Gerade im ländlichen
Raum spielt dezentralisierte Erneuerbare Energie, die
Strom- und Nicht-Strom-Optionen ermöglicht, eine
wichtige Rolle. Zum Thema Energiesicherheit, das
große Bedeutung in der Partnerschaft hat, erklären die
Organisationen, dass Energiesicherheit auch den bisher
nicht realisierbaren afrikanischen Energiebedarf berück­
sichtigen muss. Die Organisationen warnen vor geplanter
Energieinfrastruktur zwischen Afrika und der EU wie
der Trans-Sahara Gaspipeline von Nigeria nach Europa
oder Stromkabeln von der Demokratischen Republik
Kongo nach Europa, die teuer und ineffizient seien und
weder der afrikanischen noch der europäischen Energie­
sicherheit helfen würden. Stattdessen solle Europa bes­
ser seinen Energieverbrauch reduzieren und Afrika seine
Energieressourcen für die eigene Entwicklung nutzen.
Die Organisationen forderten die Schaffung eines inno­
vativen und zugänglichen Finanzinstruments für die Ent­
wicklung (Produktion, Verteilung und Nutzung) von Er­
neuerbaren Energien in Afrika. Dieser solle transparent,
partizipativ und öffentlich rechenschaftspflichtig sowie in
der Lage sein, kleine Lösungen für den Energiebedarf zu
liefern.16
Auf offizieller Ebene werden die Schritte für eine Um­
setzung der oben genannten Prioritäten in einer „Road
Map“ dargelegt, die im Juni 2009 verabschiedet wurde.17
Während die geplanten Aktivitäten wie Ausbau von
Agenturen, die sich mit der Förderung von Erneuerbaren
Energien be­schäftigen und verstärkte internationale
Zusammenarbeit dazu, den Forderungen afrikanischer
Zivilgesellschaft entsprechen, sind viele der konkret ge­
planten Aktivitäten „alter Wein in neuen Schläuchen“. Von
zahlreichen Großstaudämmen über Ölpipelines zwischen
Mosambik und Südafrika bis zur Westafrikanischen
Gaspipeline. Projekte wie die geplante Trans-Sahara Gas­
pipeline18 werden weiter hochgehalten, in entscheidenden
Bereichen steht klar weiter die europäische Energie­
sicherheit weit über der afrikanischen. Für zahlreiche
dieser Projekte ist die Europäische Investitionsbank als
Finanzierungsquelle vorgesehen.
Eine Konferenz im November 2009 „Partnership for the
Poor? The Joint Africa-EU Strategy – Risk and
Opportunities“ setzte sich weiter mit der Energie­
partnerschaft auseinander. Afrikanische Teilnehmer
kritisierten den mangelnden politischen Willen der
afrikanischen Regierungen, aber auch der Geber, die
Situation des schlechten Energiezugangs zu ändern.
Die Konferenzteilnehmer forderten, dass die Afrika-EUEnergiepartnerschaft viel mehr auf dezentrale Lösungen
setzen müsse, um die Armen zu erreichen, allerdings
solle auch die Zivilgesellschaft Energieversorgung mehr
thematisieren.19
Hinter den Namen von Projekten, die sich in „Road
Maps“, „Aktionsplänen“ und „Projektpipelines“ finden,
verbergen sich konkrete Auswirkungen und mögliche
6.1
Die Tschad Kamerun Öl-Pipeline
„Das Projekt wird positive ökonomische Auswirkungen
für Kamerun haben und einen wirklichen Durchbruch für
den Tschad darstellen, einem der am wenigsten
ent­wickelten Länder der Welt.”
(EIB Pressemitteilung, 22.6.2001)
Der Tschad ist nach dem Bau der Tschad-Kamerun
Ölpipeline ein genauso armer, undemokratischer und
konfliktgeplagter Staat wie vorher. Das Versprechen, dass
Ölförderung im Doba-Becken eine glänzende Zukunft
bringen würde und die ganze Nation aus der Armut heben
könnte, hat sich nicht erfüllt.
Die 1070 Kilometer lange Pipeline verläuft vom DobaBecken quer durch Kamerun zum Atlantik. Die Kosten
des Projektes werden auf 4.2 Milliarden US-Dollar ge­
schätzt und umfassen die Erschließung von 300 Ölquellen
in den Doba-Feldern und den Bau eines Ölterminals im
Meer, eine Verladestation bei Kribi in Kamerun und eine
off-shore Ladestation zum Befüllen von Öltankern.
Das Projekt wurde damit gerechtfertigt, dass es zur
Armutsreduktion beitragen und dem Tschad aus dem
Ölexport mehrere Millionen Dollar Einnahmen bescheren
würde. Die Weltbankgruppe (WBG) bewilligte im Jahr
2000 das Projekt als erste, gefolgt von der EIB, um das
finanzielle Engagement des Ölkonsortiums aus Exxon
Mobile (40 Prozent), Malaysias staatlicher Ölfirma Petro­
nas (35 Prozent) und Chevron USA (25 Prozent) zu ermög­
lichen. Die EIB vergab insgesamt Darlehen in Höhe von
144 Millionen Euro, sowohl an den Tschad und Kamerun
als auch an das Ölkonsortium.20
16 Venro “The Joint Africa-EU-Strategy and Poverty Eradication”, 2009
http://www.venro.org/positionspapiere.html
18 „EU to help Africa to expand energy sector” 9.9.2008
http://euobserver.com/9/26709
17 http://europafrica.net/2005/01/07/roadmap-for-the-africa-euenergy-partnership-aeep/
19 Anke Kurat „Nachbesserungen bei der Afrika-EU-Strategie
notwendig” Forum Umwelt und Entwicklung – Rundbrief 4/2009
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Probleme. Dieser Abschnitt stellt deshalb einige konkrete
Projekte vor, an denen die EIB beteiligt ist.
Der größte Teil des Geldes (88 Millionen Euro) ging direkt
an das Ölkonsortium. Die Unterstützung der weltgrößten
Ölkonzerne, ob europäisch oder (wie in diesem Fall) nicht,
gehört kaum zum Mandat der EIB. Sollte die Bank gehofft
haben, dass Ölkonzerne als Entwicklungsträger fungie­
ren würden, hatte sie keine Beispiele dafür: nie haben
Öl- oder andere Rohstoffprojekte diese Rolle in Ländern
mit schlechter Regierungsführung gespielt. Im Gegenteil,
das Ergebnis waren meist vergiftete Landschaften, zer­
störte Existenzgrundlagen, Menschenrechtsverletzungen,
Korruption, bis hin zu bewaffneten Konflikten.
20 EIB, „Update: Chad-Cameroon Oil Pipeline”
www.eib.org/projects/news/chad-cameroon-oil-pipeline.htm?lang=-en
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
„Uns wurde Entwicklung versprochen und was wir
bekommen haben, ist Elend“
(Dorfbewohner aus der Projektgegend)
Um ihr eigenes Risiko bei einer Investition in einer so
instabilen Region abzusichern, entwickelten die WBG und
die EIB ein möglichst sicheres System, um die Rückzah­
lung ihrer Kredite zu gewährleisten: Das Ölkonsortium
deponiert den tschadischen Anteil der Öleinkünfte auf
einem Konto in London. Die EIB und die WBG holen sich
die Kreditrückzahlung von diesem Konto, bevor der Rest
der Regierung des Tschads zugänglich gemacht wird.
Trotz aller Versprechen hat das Projekt die bestehenden
Probleme des Tschads erheblich verschärft. Es hat die
Gewalt verstärkt, zur Verarmung der Menschen in den
Ölfeldern beigetragen, entlang der Pipeline-Route den
Druck auf die indigene Bevölkerung erhöht und zusätz­
liche Umweltprobleme geschaffen. Gleichzeitig scheffelte
ExxonMobil, der Konsortialführer, Rekordgewinne.
Der Bau der Pipeline brachte nicht den erhofften
Reichtum, zumindest nicht den Betroffenen.
Foto: Martin Zint
19
18
Die EIB genehmigte ihre Finanzierung mit sozialen und
ökologischen Auflagen für das Projekt. Das Problem ist,
dass Regierungen - insbesondere diktatorische Regime –
das Blaue vom Himmel versprechen und die Versprechen
vergessen, sobald das Geld fließt. Und die Versprechen
wurden in der Tat weitgehend nicht eingehalten.
Export von Gas diene. Darüber hinaus wurde das Projekt
dafür gepriesen, dass es die Kosten der Stromversorgung
in Ghana, Togo und Benin senken würde, indem Öl
durch Gas als Energiequelle ersetzt würde. Lokale und
internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen
kritisierten das letztere Argument mit dem Hinweis, dass
die Bedingungen der Verträge zwischen Ghana und dem
WAGP-Konsortium völlig im Dunkeln blieben. Abgesehen
von der Tatsache, dass der Vertrag Ghana verpflichtet,
das Gas für 20 Jahre zu einem Festpreis zu erwerben,
wurden keine Details des Vertrags bekannt. Es wurde
keine Abschätzung gemacht, wie erschwinglich das Gas
für normale Konsumenten in Ghana, Benin oder Togo
sein würde.23
Im südlichen Tschad nimmt das von Exxon-Mobile
geführte Konsortium viel mehr Land von den Subsis­
tenzbauern als ursprünglich angenommen. Den ver­
sprochenen regionalen Entwicklungsplan gibt es Jahre
nach Projektbeginn immer noch nicht. Verzweiflung ist
verbreitet und die Menschen sind noch mehr verarmt –
insbesondere in der Ölförderregion.
Die Konflikte verschärfen sich: Im Bericht der IAG (Inter­
national Advisory Group) vom 18. Juli 2007 erwähnen der
IWF und die Weltbank, dass große, außergewöhnliche
Ausgaben für die nationale Verteidigung eingestellt
wurden. Am 25. September 2007 genehmigte der UNO
Sicherheitsrat die Entsendung einer Friedensmission in
den Tschad und die Zentralafrikanische Republik:
3.000 EU-Soldaten (hauptsächlich aus Frankreich) und
300 UN-Polizisten.
In Kamerun finden sich bis kurz vor der Hauptstadt
Dorfgemeinschaften, die massiv unter den ökologischen
Problemen durch das Projekt zu leiden haben. Statt
verarmten Regionen mit schlechter Regierungsführung,
wirtschaftliche Entwicklung und verbesserte Lebens­
bedingungen zu bringen, hat die Finanzierung dieses
Ölprojektes nur einen bewaffneten Konflikt und mehr
Elende für die Menschen gebracht.
Im September 2008 zog sich die Weltbank aus dem Pro­
jekt zurück, nachdem der Tschad seinen Kredit vorzeitig
6.2
Der Bau der Pipeline brachte nicht den erhofften
Reichtum, zumindest nicht den Betroffenen.
Foto: Martin Zint
zurückgezahlt hatte. Die Weltbank erklärte ihren Rückzug
damit, dass die tschadische Regierung schwerwiegende
Änderungen an dem System gemacht hatte, das eine
faire Verteilung der Öleinkünfte sicherstellen sollte. Die
Weltbank beklagte, dass Kapazitätsmangel und das Feh­
len des politischen Willens von Seiten der tschadischen
Regierung das Ziel untergrüben, die Öleinkünfte zur
Armutsbekämpfung zu nutzen. Eine Schwierigkeit, vor
der die Zivilgesellschaft schon seit 12 Jahren warnte.
Die Europäische Investitionsbank hat im Dezember 2008
auf ihrer Webseite mitgeteilt, dass auch sie überlegt,
ob sie sich vom Kredit an die tschadische Regierung
zurückziehen soll.21 Im Dezember 2009 gab es dazu nach
Auskunft der Bank noch keinerlei neue Entwicklung.
Zum „Ende des Gasabfackelns“ äußerte sich die Be­
schwerdestelle (Inspection Panel) der Weltbank. Sie war
im April 2006 von 12 in Südwest-Nigeria betroffenen
Dorfgemeinschaften angerufen worden, die eine
Beschwerde einreichten. Das Inspection Panel stellte
in seinem Bericht im April 2008 fest, dass die WeltbankDokumentation „falsche Erwartungen“ bezüglich des Ein­
flusses der WAGP auf die Reduktion des Gasabfackelns
im Nigerdelta wecke. Da die Kosten, das assoziierte Gas
aus der Ölförderung zur Nutzung umzuwandeln statt es
abzufackeln, hoch sind, trägt die WAGP nur bescheiden
zur Reduktion bei. Das Panel vermutete, dass die überaus
positive Darstellung der Reduktion des Gasabfackelns
das Projekt politisch populärer machen sollte. Darü­
ber hinaus stellte das Inspection Panel fest, dass die
Beschwerden der Betroffenen bezüglich mangelhafter
Entschädigung und der fehlenden Berücksichtigung von
Auswirkungen der Gasförderung im Nigerdelta gerecht­
fertigt waren. Zudem bemängelte das Inspection Panel,
dass die Projektprüfung nur die direkte WAGP-Gaspipe­
line betrachtet hatte, nicht die existierende Pipeline, mit
der das Gas aus dem Nigerdelta zur WAGP transportiert
wird. In einer Reaktion des Weltbankmanagements im
Juni 2008 weigerte sich die Weltbank diesem letzten
Problem Rechnung zu tragen. Andere Fragen wie die
nicht ausreichende Entschädigung für die Betroffenen,
Umsiedlungsprobleme und die fehlende Veröffentlichung
der Umweltverträglichkeitsstudie in lokal verständlicher
Form versprach das Weltbank-Management anzugehen.24
Die Europäische Investitionsbank hat die Finanzierungs­
entscheidung für die WAGP getroffen, während die Be­
schwerde beim Inspection Panel lief. Deshalb machte sie
zur Bedingung, dass die Beschwerde zufrieden stellend
gelöst sein müsse, bevor der Kredit ausgezahlt werden
könne. Im September 2008 sah sie dies als erfüllt an.
Im Dezember 2008 lieferte die Pipeline ihr erstes Gas.
Die Fertigstellung hatte sich seit Baubeginn 2005 immer
wieder verzögert, was an der politischen Instabilität im
Nigerdelta lag, wie auch an Schäden an der Pipeline und
technischen Problemen durch den hohen Wassergehalt
im Gas. Zusätzlich gab es politischen Streit grundsätz­
licher Art um das Projekt, da viele Nigerianer in Frage
stellten, warum Gas exportiert werden soll, wenn nur we­
niger als 40 Prozent der Nigerianer Zugang zur sowieso
schon unzuverlässigen Stromversorgung haben.
An dieser Frage setzten auch aktuelle Meldungen
aus Nigeria an: im Dezember 2009 beschwichtigte die
Regierung Investoren, dass der „Domestic Masterplan“
keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung der
WAGP haben werde.25 Dieser setzt den Schwerpunkt auf
die Nutzung von Gas vorrangig in Nigeria, statt auf den
Export. Investoren sorgen sich nun, ob genügend Gas für
den Export zur Verfügung gestellt werden kann, damit
sich die teure Investition rechnet. Denn steigender Bedarf
von Gas für den nigerianischen Markt führte dazu, dass
weniger Gas für die regionale Pipeline zur Verfügung
gestellt werden konnte. Die Frage der „Energiesicherheit
für wen?“ stellt sich also auch im regionalen Kontext.
Die Westafrikanische Gas-Pipeline (WAGP)
6.3
Bei der Westafrikanischen Gaspipeline handelt es sich
um eine 678 km lange Pipeline, die Gas von den Gas­
feldern im westlichen Nigerdelta über Benin und Togo
nach Ghana transportiert. Im wesentlichen verläuft die
Pipeline im Golf von Guinea, nur etwa zehn Prozent der
Pipelineroute sind überland in Nigeria, Benin, Togo und
Ghana gebaut.
die Kosten des Projekts werden auf 590 Millionen US$
geschätzt. Die Weltbank und ihr Versicherungsarm MIGA
gaben im November 2004 Garantien über 125 Millionen
US$ für Ghana. Die Europäische Investitionsbank schloss
sich im Dezember 2006 mit 75 Millionen Euro für die
ghanaische Regierung an.22
Realisiert wird das Projekt von WAPCo, die Projekt­
gesellschaft gehört zu 50 Prozent Shell und Chevron
sowie der staatlichen nigerianischen Ölgesellschaft,
Das Projekt wurde mit zwei Argumenten massiv be­
worben: einerseits würde es dem Gas-Abfackeln im
Nigerdelta ein Ende bereiten und außerdem sei es das
erste westafrikanische Projekt, das dem regionalen
21 www.eib.org/projects/news/chad-cameroon-oil-pipeline.htm?
lang=-en
22 www.eib.org/projects/news/west-african-gas-pipeline.htm?
lang=-en
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Das Gilgel Gibe Wasserkraftprojekt in Äthiopien
Äthiopien gehört zu den Ländern, in denen weltweit die
wenigsten Menschen Zugang zu modernen Energiedienst­
leistungen haben. Für Energie hängt das Land hauptsäch­
lich von traditioneller Biomasse ab. Laut Weltbank haben
nur 16 Prozent der Äthiopier Zugang zu Strom26 und der
Unterschied zwischen städtischer und ländlicher Bevöl­
kerung ist enorm: in der Stadt haben über 80 Prozent der
Bevölkerung Zugang zu Strom, auf dem Land jedoch nur
2 Prozent, wobei 17 von 20 Äthiopiern auf dem Land leben.
Äthiopien verfügt über Stromerzeugungskapazitäten von
783 MW, wovon die acht Staudämme zur Stromerzeugung
über 85 Prozent ausmachen.
23 Friends of the Earth International „The myths of the west african gas
pipeline” Januar 2006,
www.foei.org/en/resources/publications/oil-mining-and-gas/2000-2007/
wagp-inet.pdf/view?searchterm=10%20myths
25 allAfrica.com, „West Africa: ‚West African Gas Pipeline not
threatened by Domestic Masterplan’”, 8.12.2009,
http://allafrica.com/stories/printable/200912090677.html
24 Bank Information Center „West Africa Gas Pipeline comes online at
last”, Dezember 2008, www.bicusa.org/en/Project.39.aspx
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
26 „World Bank’s little Data Book on Africa”, 2007
21
20
Die äthiopische Regierung hat jedoch ehrgeizige Pläne
zum Ausbau des Stromnetzes: 2005 veröffentlichte sie
einen nationalen 25-Jahre-Energie-Masterplan. Der
Plan identifiziert 3,4 Milliarden US$ Investitionsbedarf
zwischen 2005 und 2015, wovon 2,4 Milliarden US$ in
neue Energieerzeugungsanlagen fließen sollen. Die
geplante Steigerung von Energieerzeugungskapazitäten
geht dabei sogar über den nationalen Bedarf hinaus und
setzt auf Energieexport. Dementsprechend sieht der Plan
Stromverbindungen zwischen Äthiopien und Sudan sowie
Äthiopien und Kenia vor.
Dabei konzentrieren sich die Stromausbaupläne fast aus­
schließlich auf den Ausbau von Wasserkraft und setzen in
keiner Weise auf die Diversifizierung der Stromquellen,
trotz eines geschätzten Potenzials von 1000 MW für
Geothermie. Auch der Ausbau von Solar- und Windkraft
ist im Plan nicht vorgesehen, allerdings wurde Mitarbei­
terinnen der Organisationen International Rivers Network
und Campagna per la Riforma della Banca Mondiale im
November 2007 von Regierungsmitarbeitern wiederholt
mitgeteilt, dass es inzwischen Pläne für Windkraftanla­
gen im Umfang von 80-120 MW gebe. Würden die Was­
serkraft-Ausbaupläne wie geplant umgesetzt, beliefe sich
der Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung Äthio­
piens auf 96 Prozent. Dies würde das Land enorm anfällig
machen für die Gefahren, die der Klimawandel mit sich
bringt, vor allem durch Dürren. Bereits im Jahr 2003 litt
Äthiopien unter der schwersten Dürre seit 20 Jahren, die
den Wasserstand in den Staudämmen sinken ließ und
für sechs Monate schwerwiegende Stromrationierung
nötig machte. Neben der Gefahr von Dürren besteht das
Problem, dass die Kapazitäten der existierenden Dämme
durch starke Versandung zurückgehen, da die Flüsse viel
Sand und Schlamm führen, wegen der losen Böden, ver­
stärkt durch die vorherrschende Entwaldung und Erosion.
Zu den geplanten bzw. zum Teil bereits realisierten
Projekten gehört das Gilgel Gibe (GG) Projekt am Gibeund Omofluss im südwestlichen Äthiopien. Der Omo
entsteht aus dem Zusammenfluss des Gibe- und des
Gojebflusses und fließt über knapp 600 km nach Süden
in den Turkanasee an der kenianischen Grenze. Der
Gilgel Gibe Damm und das Gilgel Gibe II Projekt befinden
sich am Gilgel Gibe Fluss. Während Gilgel Gibe ein klas­
sischer Staudamm zur Erzeugung von 184 MW ist, stellt
GG II einen 26 km langen Tunnel dar, der Wasser aus
dem Staudammreservoir auf Turbinen leitet und 428 MW
erzeugen soll. GG III soll 150 km weiter stromabwärts am
Omofluss gebaut werden und eine Leistung von 1870 MW
erzeugen. Alle drei Projekte befinden sich im gleichen
Flussbecken und wurden bzw. werden von der italieni­
schen Baufirma Salini Construttori realisiert.
GG und GG II sind fertig gestellt, obwohl der Tunnelbau
für GG II immer wieder mit schwerwiegenden Bauprob­
27 www.eib.org/projects/pipeline/2004/20040290.htm?lang=-de
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Stellen, wo Probleme oder Beschwerden vorgetragen
werden können. Versprochene Schulen und Gesund­
heitszentren, die neu gebaut werden sollten, wurden
nicht realisiert, sondern nur existierende renoviert. Zu­
dem haben die Umsiedlungsdörfer keinen Stromzugang,
dabei führen die Hochspannungsleitungen direkt über sie
hinweg.
Turkanasee, dessen Wasserstand sinken wird,
wenn Gilgel Gibe III gebaut wird.
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
lemen zu kämpfen hatte, eine Maschine, die den Tunnel
bohren sollte, blieb monatelang stecken und war nicht
mehr zu bewegen, weshalb die Arbeiten ruhen mussten.
GG III befindet sich in der Prüfphase. Die Europäische
Investitions­bank hat den Bau von GG mit 41 Millionen
Euro gefördert, den Bau von GG II mit 50 Millionen Euro27,
zudem hat sich der Projektbetreiber Ethiopian Electric
Power Corporation bereits mit der Bitte um einen Kredit
für GG III an die EIB gewandt, über diesen Antrag ist
jedoch noch nicht entschieden.
Zu den Problemen mit GG und GG II gehören schwer­
wiegende Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe
an die italienische Baufirma Salini Construttori. Die
italienische Entwicklungszusammenarbeit vergab einen
Entwicklungskredit über 220 Millionen Euro an Äthiopien
für den Bau von GG II, nachdem Salini bereits ohne
Ausschreibung den Zuschlag für das Projekt erhalten
hatte. Dies brachte im Januar 2007 die römische
Staatsanwaltschaft auf den Plan, die sich nun mit der
Angelegen­heit befasst. Auch für den Bau von GG III
hat Salini bereits einen Vertrag erhalten, ohne dass es
eine öffentliche Ausschreibung gegeben hätte. Die EIB
beschied den Kredit für GG II positiv, ebenfalls, nach­
dem Salini die Verträge bereits erhalten hatte. Die EIB
erklärte ihr Engagement damit, dass sie für den von ihr
finanzierten Teil (elektromechanische Ausrüstung) eine
internationale Ausschreibung verlangt habe.
Hinzu gesellen sich „klassische“ Probleme von Dämmen:
die Umsiedlung Betroffener auf schlechtere Flächen als
die, die sie verlassen mussten (sumpfige Gebiete von
schlechter landwirtschaftlicher Qualität), fehlende Über­
wachung der negativen Umsiedlungseffekte und fehlende
Bei GG III stellen sich zudem weitere Fragen: der dort
produzierte Strom soll im Wesentlichen nach Kenia
exportiert werden, also nicht für die Verbesserung der
Lebensbedingungen von äthiopischen Armen sorgen. In
der Projektgegend werden bestenfalls vorübergehende
Jobs im Bau für die Bevölkerung herausspringen. Kenia­
ner bekommen jedoch nicht nur den Strom von GG III: die
Turkana Region in Kenia ist eine Halbwüstengegend, wo
der Turkanasee die einzige Quelle für frisches Wasser
sowohl für die Menschen wie auch das Vieh ist. Zahlrei­
che Menschen am See leben vom Fischen. Um GG III auf­
zustauen, wird viel Wasser zurückgehalten. Dies führt zu
einem erwarteten Sinken des Wasserspiegels um 7 bis 10
Meter im Turkanasee mit schwerwiegenden Auswirkun­
gen auf Wasserqualität und Fischbestand, was Konflikte
zwischen den Anrainern des Sees schüren kann.
Umgesiedelte Dorfbewohner
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
Quelle: Counter Balance „The Gilgel Gibe Affair – an analysis
of the Gilgel Gibe hydroelectric projects in ethopia“, Juni 2008
6.4
Der Bujagali Staudamm in Uganda
Bujagali ist der Name der Wasserfälle bei Jinja in Ugan­
da, nahe der Stelle, wo der Nil den Viktoriasee verlässt.
Diese Bujagali-Wasserfälle sind eine sich über mehrere
Kilometer erstreckende Folge von Stromschnellen, die
eine nationale Sehenswürdigkeit darstellen und in den
letzten Jahren touristisch erschlossen wurden.
Sie werden jedoch im Bujagali Staudamm versinken.
Das geplante Staudammprojekt soll 250 MW Leistung
erbringen und voraussichtlich knapp 800 Millionen
US-Dollar kosten. Wegen schwerwiegender Korruptions­
probleme lag das Projekt eine Reihe von Jahren brach.
Zwischen April und Mai 2007 bewilligten jedoch die EIB
(92 Millionen Euro)28, die Weltbank Gruppe (360 Millionen
US-Dollar) und die Afrikanische Entwicklungsbank
(110 Millionen US-Dollar) Kredite und Bürgschaften für
das Projekt. Das Projekt wird von Bujagali Energy ent­
wickelt, einem Joint Venture zwischen den kenianischen
Industrial Promotion Services und der amerikanischen
Firma Sithe Global Power. Bauarbeiten werden vom
italieni­schen Konzern Salini durchgeführt.
28 www.eib.org/projects/news/eib-board-of-directors-approvesfinancing-of-bujagali-hydroelectric-project.htm?lang=-de und
www.eib.org/projects/press/2008/2008-002-eib-lends-usd-136-millionfor-bujagali.htm?lang=-de
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Durch die Überschwemmung der Bujagali Wasserfälle
– die von den Menschen Ugandas als nationaler Schatz
angesehen werden – wird der Staudamm einen kulturell
und spirituell besonders bedeutenden Ort für das Volk
der Basoga versenken. Das Projekt wird zudem den
Lebensraum von etwa 6.800 Menschen gefährden, die
Fischbestände negativ beeinflussen und fruchtbares
Agrarland sowie Inseln von hoher biologischer Vielfalt
überschwemmen.
Das Bujagali Projekt wird auch aus ökonomischen
Gründen kritisiert, lokale und internationale Aktivisten
engagieren sich seit Jahren gegen den Damm: Einerseits
wegen der erwarteten negativen Auswirkungen auf die
bedrohten Fischbestände sowie den lokalen Tourismus
in dem betroffenen Gebiet. Darüber hinaus wegen des
Potentials von Bujagali, den Viktoria-See zu schädigen
und wegen des absehbaren Problems, dass das Projekt
keinen für die Mehrheit der ugandischen Bevölkerung
bezahlbaren Strom liefern wird. Denn die Kosten des
Bujagali Projekts haben sich zwischen dem ersten
23
22
6.5
Betroffene haben noch viele kritische Punkte.
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
Die Bujagali-Stromschnellen werden im Staudamm
verschwinden.
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
Finanzantrag und seiner Genehmigung verdoppelt. Frank
Muramuzi von der National Association of Professional
Environmentalists in Uganda, erläutert: „Die hohen
Projektkosten werden die vorhandenen Finanzen zur
ländlichen Elektrifizierung weiter verringern. Uganda hat
bereits den teuersten Strom der Region, und die letzten
Gebührenerhöhungen haben den Strom für viele Leute
unerschwinglich gemacht.”
Die National Association of Professional Environmenta­
lists hat deshalb gemeinsam mit weiteren ugandischen
Organisationen eine Beschwerde sowohl beim Inspection
Panel der Weltbank als auch bei der Europäischen
Investitionsbank eingereicht. Die EIB etwa vertritt in ihren
Auswahl-Richtlinien, dass eines der Ziele ihrer Förderung
im Energiesektor sei, den Zugang der Bevölkerung von
Entwicklungsländern zu modernen Energiequellen zu
stärken, besonders bei den Ärmsten. In der Beschwerde
legen die Organisationen dar, dass das Risiko sehr groß
ist, dass das Projekt weniger Strom als vorhergesagt zu
einem höheren Preis produzieren wird. Eine Überschät­
zung der Kapazität des Staudamms in Kombination mit
schlechten Bedingungen des Power Purchase Agree­
ments bedeutet, dass sich nur wohlhabende Ugander
den Strom werden leisten können. Das Inspection Panel
der Weltbank, bei dem die Beschwerde bereits 2007
29 „Over-priced Bujagali Dam ro raise power costs”
www.bicusa.org/en/Article.11594.aspx
30 www.kfw-entwicklungsbank.de/DE_Home/Laender_Programme_
und_Projekte/Subsahara-Afrika/Uganda/Leuchtturmprojekt_1.jsp
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
eingereicht wurde, bestätigt Probleme mit dem Power
Purchase Agreement und stellte fest, dass die in der
Wirtschaftlichkeitsstudie angesetzten Tarife auf voraus­
sichtlich zu niedrig angesetzten Projektkosten beruhen.29
Zudem wurden beim Design des Dammes mögliche Aus­
wirkungen des Klimawandels durch geänderte Nieder­
schläge oder Wasserstände nicht berücksichtigt. Die
Tücken dieses Herangehens zeigen zwei andere ugandi­
sche Staudämme (Nalubaale und Kiira): sie produzieren
weniger als die Hälfte des veranschlagten Stroms30, da
die angenommenen Niederschläge viel zu hoch angesetzt
waren. Klimaaufzeichnungen seit 1950 zeigen, dass die
Niederschläge in der Region um 6,6 Prozent zurück­
gegangen sind.31
Hinzu kommen Probleme der Betroffenen, die teilweise
dem Projekt zugestimmt hatten in der Annahme, dass
sich damit ihr Lebensstandard verbessern würde.
Sie stellen nun fest, dass sie nicht fair und adäquat
entschädigt wurden, viele Versprechungen der Projekt­
betreiber nicht eingelöst werden (aus den lokalen Dorf­
gemeinschaften etwa wurde niemand auf der Baustelle
eingestellt) und sie negative soziale und wirtschaftliche
Auswirkungen erleben, die nicht oder nicht hinreichend
gelöst wurden.
31 Süddeutsche Zeitung „Darwins Badewanne läuft aus” 7.3.2007,
www.sueddeutsche.de/wissen/552/324418/text/
Energie-Infrastruktur für Bergbau
Neben der Frage, wer innerhalb der Bevölkerung
letztendlich von Energieinfrastruktur profitiert, stellt
sich zudem immer wieder die Frage, für wen überhaupt
Energie bereitgestellt wird. Motraco II ist ein Beispiel für
dieses Phänomen. Die EIB hat dieses Projekt finanziert
(13,5 Millionen Euro 2002 und 2003), das dem Ausbau
und der Verbesserung von Stromübertragungsanlagen
für den Stromverbund zwischen der Republik Südafrika,
Swasiland und Mosambik dienen soll.32 Nach Recherchen
von Amis de la Terre geht es dabei jedoch nicht um den
Energiezugang der regionalen Bevölkerung, sondern
um das große Aluminiumbergwerk Mozal in Mosambik,
dem die EIB ebenfalls einen Kredit über 22 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt hat. Motraco II dient dem
Zweck, dass Mosambik südafrikanischen Strom für Mozal
importieren kann. Mozal produziert jährlich eine Million
Tonnen Aluminium, die nach Europa exportiert werden
6.6
und verbraucht dafür mindestens doppelt soviel Energie
wie der ganze Rest von Mosambik.33 Zusammengefasst
vergibt die EIB in diesem Fall Millionenkredite, damit ein
Bergwerk Zugang zu Strom hat in einer Gegend, wo der
lokalen Bevölkerung genau dieser Zugang fehlt.
In Mauretanien gibt es einen ähnlichen Fall, dort vergab
die EIB 2004 einen Kredit über 22,5 Millionen Euro für das
neue Dieselkraftwerk Guelbs34, dessen ausschließliches
Ziel es jedoch ist, Bergbauprojekte mit Strom zu versor­
gen, nicht die lokale Bevölkerung.
Da die EIB insgesamt im Bereich Bergbau sehr aktiv ist
(zwischen 2000 und 2009 gingen über 40 Prozent der
Kredite für Industrieprojekte in AKP Staaten an Bergbau­
projekte), werden im Folgenden noch zwei Beispiele für
Bergbauprojekte vorgestellt.
Das Tenke Fungurume Projekt
Das Tenke-Fungurume Bergbauprojekt in der Demo­
kratischen Republik Kongo (DR Kongo) nutzt eines
der größten Kupfer-Kobalt- Vorkommen weltweit. Der
US-amerikanische Konzern Freeport McMoRan (ehemals
Phelps Dodge) und Tenke Mining aus Kanada halten
gemeinsam Mehrheitsanteile an dem Projekt. Im Juli
2007 genehmigte die EIB hierfür ein Darlehn von bis zu
100 Millionen Euro.35 Sie hat die Auszahlung des Darlehns
an die Bedingung geknüpft, dass die gesamte Finanzie­
rung des Projektes steht, sowie daran, dass die kongo­
lesischen Behörden eine schriftliche Erklärung abgeben,
dass nach Abschluß der Überprüfung der Verträge (s.u.)
keine Einwände gegen das Projekt vorliegen.36
Rechtliche Grundlage des Tenke- Projekts ist ein Vertrag
zwischen der Regierung und dem Bergbaukonsortium.
Der Vertrag ist einer von 60 Verträgen, die während des
Krieges im Kongo von der damaligen Übergangsre­
gierung unterzeichnet wurden. Eine interministerielle
Kommission untersuchte diese Verträge, denn sie stehen
im Verdacht, folgende Probleme zu enthalten: Unre­
gelmäßigkeiten, einschließlich fehlender Transparenz,
versteckte Interessenskonflikte, fragliche Zahlungen
sowie Vertragsbestimmungen, die für die Regierung der
DR Kongo höchst unvorteilhaft sind. Die Kommission be­
stätigte Ende 2007 neun schwerwiegende Probleme mit
dem Tenke-Vertrag und verfügte, dass der Vertrag neu
verhandelt werden müsse. Dieser Prozess ist bis Ende
2009 noch nicht abgeschlossen, die Bedingungen für
die Auszahlung des EIB Kredits sind also nicht gegeben.
Die kongolesische Zivilgesellschaft kritisiert, dass der
Verhandlungsprozess intransparent und unklar ist.
Die EIB erklärt ihr Engagement bei Tenke folgender­
maßen: „Die DR Kongo braucht dieses Projekt und die
Steuer­einnahmen, die es schaffen wird, dringend. Des Weiteren wird das Tenke-Projekt dazu beitragen, die wirtschaftliche Erholung zu stärken und das Vertrauen der internatio­
nalen Investoren wiederherzustellen. Das Projekt fördert
das Wirtschaftswachstum, ohne das es keine nachhaltige
Verringerung der Armut geben kann, durch die Entwicklung
der Privatwirtschaft.“37 Die aktuellen Vertrags­bedingungen
erlauben jedoch den internationalen Investoren Steuer­
befreiung für 16 Jahre und großzügige Beraterverträge.
Es ist fraglich wie das Projekt zur Erfüllung der Ziele
des Cotonou-Abkommens beitragen soll (Armuts­
bekämpfung und Förderung nachhaltiger Entwicklung),
da der Abbau von Mineralstoffen regelmäßig mit enor­
men Problemen einhergeht. Er kann nur unter guter
Regierungsführung, strikten Umweltauflagen und klarem
Schutz der Menschenrechte zur Linderung von Armut
beitragen. Diese Bedingungen sind allesamt in der
DR Kongo noch nicht gegeben.
32 www.eib.org/projects/loans/2001/20010443.htm?lang=-de
35 www.eib.org/projects/pipeline/2007/20070004.htm?lang=-de
33 Programm auf RFI (Radio France International) 28. Juni 2006, von
Dalila Berritane. http://rfi.fr/actufr/articles/078/article_44700.asp
36 www.eib.org/projects/news/tenke-fungurume-mining-projectdemocratic-republic-of-congo-drc.htm?lang=-de
34 www.eib.org/projects/pipeline/2003/20030052.htm?lang=-de
37 ebd.
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
25
24
Neben dem industriellen ist der artisanale Bergbau
in der Deomkratischen Republik Kongo verbreitet.
Bergbauverträge aus den Bürgerkriegszeiten mussten
auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft werden.
Die Mufulira Hütte.
Foto: Anne Sophie Simpere
Die Mufulira Hütte.
Foto: Jan Capelle
Foto: Anne Sophie Simpere
Foto: Jan Capelle
Ein groß angelegtes Tagebauprojekt wie Tenke bringt be­
trächtliche ökologische und soziale Auswirkungen. Umso
wichtiger wären umfassende Information und Konsulta­
tion mit der betroffenen Bevölkerung. Die Erfahrung zeigt
jedoch, dass es hierbei schwere Defizite gab: Dokumente
über das Projekt und seine Auswirkungen wurden nur auf
Französisch zur Verfügung gestellt gegenüber Menschen,
von denen ein großer Teil leseunkundig ist und die nur
Suaheli sprechen. Zudem hatten die betroffenen Dorf­
gemeinschaften zu wenig Zeit, das Projekt hinreichend
zu studieren und diskutieren. Darüber hinaus mussten
Menschen ihre Dörfer verlassen, ohne umgesiedelt
zu werden und monatelang in Zelten leben, bis sie die
6.7
Gegend verließen. Und selbst die, die Arbeit in der Mine
fanden, gehören nicht zu den Gewinnern, da die Löhne
sehr niedrig sind, Überstunden nicht bezahlt werden und
die meisten Arbeiter nicht angemeldet werden. Es wur­
den einige Schulen und Brunnen renoviert, was jedoch
eher symbolische Projekte sind.38
Was die Umweltauswirkungen angeht, stimmt es nicht
optimistisch, dass Freeport McMoRan, Mehrheitsanteil­
nehmer am Tenke Konsortium ist. Denn der weltweit
größte Kupferhändler wurde 2006 vom norwegischen
Pensionsfonds aus Umweltgründen als Firma, in die
investiert werden darf, ausgeschlossen.39
Die Mopani Kupferhütte in Sambia
Sambia ist ein rohstoffreiches Land im südlichen
Afrika. Die tragenden Wirtschaftssektoren sind die
Landwirtschaft sowie Kupfer- und Kobaltbergbau und
–verhüttung. Die Bergbauaktivitäten finden vor allem im
Copperbelt, einem Bergwerksdistrikt im Norden, statt.
1969 war Sambia ein Land mittleren Einkommens mit
einem der höchsten Bruttosozialprodukte Afrikas, höher
als das von Brasilien oder Südkorea zu der Zeit.
Mit dem Fall des Kupferpreises ab Mitte der 70er Jahre
geriet das Land jedoch in eine wirtschaftliche Krise. In
den 90er Jahren verbanden Weltbank und IWF Kredite an
Sambia mit der Auflage, die Privatisierung der staatlichen
Kupfergesellschaft zu prüfen und umzusetzen. Auch die
Entschuldung wurde an diese Privatisierung gebunden.
Deshalb wurde die staatliche Kupfergesellschaft (ZCCM
Zambian Consolidated Copper Mines) Ende der 90er Jah­
38 Counter Balance „Soul mining: the EIB’s role in the TenkeFungurume mine, DRC”, September 2008
39 „Freeport investor quits” November 2006,
http://dte.gn.apc.org/71fre.htm
re in sieben Einheiten (sechs Minen und eine Schmelze)
zerschlagen und verkauft. Die größte Mine wurde als
Mopani Copper Mines (MCM) an zwei kanadische Berg­
bauunternehmen verkauft.40
2005 gewährte die EIB Mopani Copper Mines Plc ein
Darlehn über höchstens 50 Millionen Euro für den
Neubau und die Modernisierung der Kupferhütte in
Mufulira.41 Die EIB argumentierte, dass das Projekt das
Wirtschaftswachstum stimulieren und die Armut redu­
zieren sowie Arbeitsplätze in Mufulira sichern würde.
Der Beitrag des Bergbausektors zum Wirtschaftswachs­
tum und zur Armutsreduktion in Sambia ist nach der Pri­
vatisierung jedoch höchst zweifelhaft. Die von Christian
Aid 2007 veröffentlichte Studie „A rich seam: who benefits
from rising commodity prices?“ legt dar, dass die Berg­
baugesetzgebung Sambias, die zwischen 1997 und 2000
im Vorfeld der Privatisierung zwischen Regierung und
Bergbauunternehmen ausgehandelt wurde, sehr niedrige
Förderabgaben und Steuern für die Firmen vorsieht.
Die Weltbank untersuchte 2004 die Steuerbedingungen
in verschiedenen Sektoren Sambias und fand, dass
Bergbauunternehmen praktisch keine Steuern zahlten.
Dies lag an marginalen Förderabgaben von 0,3 Prozent,
Eingangsunternehmenssteuersätzen von 25 Prozent und
zahlreichen Abschreibungsmöglichkeiten, um diesen Satz
weiter zu senken.
Die geringen Steuereinnahmen und die der Privatisierung
folgenden massenhaften Entlassungen machten jedoch
auch die Regierung nachdenklich. In „A rich seam“
äußert sich ein Vertreter des sambischen Bergbaumi­
nisteriums skeptisch: „We would do it differently. There
were a large number of people who were being laid off in the
process of privatisation to the extent that the general public
40 Christian Aid, “A rich seam: who benefits from rising commodity
prices?” Januar 2007
42 Christian Aid, “A rich seam: who benefits from rising commodity
prices?” Januar 2007, Seite 24
41 www.eib.org/projects/pipeline/2004/20040101.htm?lang=-de
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Und auch die Zulieferer zu den Bergbauunternehmen
konnten nicht wie früher zum Wirtschaftswachstum
beitragen. Sie verloren im Rahmen des Privatisierungs­
prozesses Kunden, da die ausländischen Investoren eher
bei heimatlichen Firmen kauften wie der Vorsitzende der
Handelskammer von Kitwe in „A rich seam“ darlegt:
„All the people who were supplying, lost. [The new mine
owners] started afresh and it was with a view to create
deliberate confusion so that they could benefit at the end
of the day, not just by lowering costs but by the managers
themselves getting the contracts. So the manufacturing
sector was destroyed. People who used to manufacture for
the mines could no longer manufacture because these guys
were now buying from South Africa and from all over the
place and disregarding the people who were already there …
Though the new mine owners are from different countries,
there is one approach in common – that they would prefer
to buy goods from firms based in their home countries. So
when you hear that they have invested US$ 500 million, the
net effect on the local economy is virtually zero.“42
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
27
26
7. Welche Entwicklung
und für wen?
Die geschilderten Projekte zeigen exemplarisch auf,
welche grundlegende Frage bei Entwicklungsprojekten
immer wieder auftaucht. Wer profitiert? Diese Frage ist
gerade bei Energie- und Bergbauprojekten relevant,
die mit schwerwiegenden negativen ökologischen und
sozialen Auswirkungen einhergehen.
felt like, what was in it for them in the privatisation? It was
like foreigners were just coming over to take over and run
and get fat cheques while the local people were thrown into
unemployment and they were not seeing anything coming
on.“43 Dementsprechend erließ die sambische Regierung
2008 eine neue Steuergesetzgebung, um unerwartete
Gewinne (windfalls) zu besteuern und weniger Abschrei­
bungsmöglichkeiten zuzulassen, was die Unternehmen
jedoch nicht ohne weiteres akzeptieren.
Die Mopani Kupferhütte macht keine Ausnahme beim
fraglichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum. Auch dort
wurden zahlreiche Arbeiter entlassen, von denen, die
ihre Arbeit behielten, sind viele bei Subunternehmen
angestellt. Das bedeutet, dass sie zwar die gleiche Arbeit
wie Festangestellte machen, aber deutlich weniger
verdienen. Außerdem haben sie keinen Zugang zu den
gleichen Leistungen wie Festangestellte, etwa freie medi­
zinische Versorgung.
Die EIB führte als weiteren Grund für ihr Engagement in
der Mopani Kupferhütte an, dass die Modernisierung eine
massive Reduktion von Schwefeldioxid bedeuten würde.
Mitglieder der Counter Balance Koalition besuchten
jedoch im März 2009 die Projektregion und erfuhren von
Menschen aus der Nachbarschaft der Anlage, dass nach
wie vor große Mengen Schwefeldioxid in die Atmosphäre
entlassen werden. Diese verursachen Atemwegs­
reizungen und -entzündungen sowie Asthmaanfälle. Auch
den von Mopani Copper Mine versprochenen Beitrag zu
Wohnungen, Schulen und Gesundheitsservice konnten die
Counter Balance Vertreter nicht ausmachen.
Neue Mine, neues Glück?
Positiveres konnten sie von der Lumwanamine berichten.
Diese Mine liegt außerhalb des Copperbelt im Nord­
westen Sambias und soll ganz neu erschlossen werden.
Die EIB vergab 2006 einen Kredit von etwa 80 Millionen
Euro an das Projekt.44 Der Betreiber ist die Lumwana
43 ebd., Seite 23
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Mangelhafte Arbeitsbedingungen in der Mine.
Foto: Petr Hlobil (CEE Bankwatch Network)
Mining Company (LMC). LMC bezog die drei traditionellen
Oberhäupter der Region in Fragen der Umsiedlung und
Kompensation sowie in die Vergabe von Arbeiten rund um
den Bau der Mine ein. Das Unternehmen veranstaltete
Trainings über die sinnvolle Verwendung von Kompen­
sationsgeldern und versprach Reparaturen an den
Straßen der Region.
Jedoch zeigt auch dieses Projekt, dass die Erwartungen
an Entwicklungsprojekte oft nur schwer mit der Realität
einhergehen. So ist die Mehrheit der Arbeitsplätze nur
vorübergehend, für die Phase des Aufbaus der Mine,
bedeutende negative Auswirkungen zeichnen sich
jedoch jetzt schon ab: so beginnen wegen des Bergbaus
Brunnen auszutrocknen und die Lebenshaltungskosten
deutlich zu steigen.
Die Beispiele zeigen, dass sich die Frage danach,
wer profitiert auf wessen Kosten, innerhalb von Gemein­
schaften, Ländern, Regionen wie auch Kontinenten
stellt: wer bekommt in Sambia einen Job und für wie
lange? Kann sich den Bujagali-Strom jemand leisten
außer den wenigen ugandischen Besserverdienern?
Soll das nigerianische Gas vorrangig helfen, die dortige
Bevölkerung zu versorgen, oder haben die Menschen in
Ghana das Recht auf dieses Gas, solange sie es zahlen
können? Soll ein energiearmes Land wie Äthiopien einen
riesigen Staudamm für den Stromexport nach Kenia
bauen? Müssen Menschen im Tschad oder in Kamerun
mit gesteigerten Konflikten den Preis für Öl zahlen, das in
Amerika oder Europa konsumiert wird? Rechtfertigt die
Investition internationaler Bergbauunternehmen in der
Demokratischen Republik Kongo oder in Sambia, dass
sie Ländern die Vertragsbedingungen diktieren und damit
enorme Profite abschöpfen?
Die geschilderten Beispiele sind, wie so viele Entwick­
lungsprojekte, auf den Export ausgerichtet, die Entwick­
lungsländer sollen (besser) in den Weltmarkt integriert
werden und selbst, wenn nur wenige profitieren, werden
die das Geld schon im Land ausgeben, so dass es auch
andere Bevölkerungsschichten erreicht – der klassische
Trickle-Down Effekt, an den auch die Europäische
Investitionsbank glaubt. Im Prinzip ist damit jedes Wirt­
schaftswachstum gut, die Umverteilung läuft von ganz
alleine.
Und in einem entscheidenden Punkt, der für die sambi­
sche Wirtschaft vorteilhaft sein könnte, verhält sich
LMC unnachgiebig. Unternehmensvertreter erklärten
Counter Balance bei einem Treffen, dass sie davon
ausgehen, dass die nachgebesserte Steuergesetzgebung
Sambias für sie nicht gelte. Wie oben geschildert, ver­
sucht die Regierung mit dieser geänderten Gesetzgebung
dafür zu sorgen, dass mehr von den Gewinnen der
Bergbauunternehmen für den sambischen Staatshaus­
halt zur Verfügung stehen. LMC argumentiert jedoch,
dass sie eine komplett neue Mine erschließen und diese
neue Gesetzgebung deshalb für sie nicht zutreffe.
Gerade das Beispiel der schwergewichtigen Schwellen­
länder wie China, Indien oder Brasilien zeigt jedoch,
dass große Wachstumsraten mit fataler Armut einher­
gehen können und meist gerade die Ärmsten am
schwersten unter Umweltproblemen zu leiden haben.
Auf Projekt­ebene profitieren oft gerade die am stärksten
negativ Betroffenen am wenigsten.
44 www.eib.org/projects/pipeline/2004/20040146.htm?lang=-de
45 Les Amis de la Terre „European Investment Bank: six years of
financing the plundering of Africa” November 2007
Und in einer globalisierten Welt, werden Gewinne aus
Unternehmungen oft eben nicht im Land re-investiert,
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
sondern landen in off-shore Finanzzentren, Steueroasen
und werden an die Aktionäre der Unternehmen ausge­
schüttet, die oft im Norden sitzen.
Dies zeigt besonders der Bergbausektor: viele Unter­
nehmen, die Kreditnehmer der EIB sind, sind Tochter­
unternehmen, oder Joint Ventures mit bedeutendem An­
teil großer internationaler Bergbaukonzerne. Freunde der
Erde Frankreich (Les Amis de la Terre) hat Unternehmen,
die in den letzten Jahren Kredite von der EIB erhalten
haben, untersucht und eine Liste des Who-is-who inter­
nationaler Bergbaukonzerne und -händler gefunden:
Glencore International (Schweiz), First Quantum Minerals
(Kanada), Equinox Minerals (Australien und Kanada),
Freeport McMoRan (USA), Kenmare Ressources (Irland),
BHP Biliton (Australien), Brunner Mond Group (Groß­
britannien).45 Dies sind nicht gerade die notleidenden
Unternehmen, die dringend Gelder einer öffentlichen
Bank brauchen, weil sie anderweitig keine Finanzierung
zusammen bekommen. Und gleichzeitig sind dies Unter­
nehmen, die so machtvoll verhandeln können, dass viel
mehr Profite an ihre Anteilseigner gehen, als an die Men­
schen, die mit den konkreten negativen Auswirkungen
ihrer Arbeit leben müssen.
Gerade in der Entwicklungszusammenarbeit muss bei
ungleicher Stärke der Partner darauf geachtet werden,
dass die Interessen der Schwächeren gewahrt bleiben.
Da die EIB bei ihrer Arbeit außerhalb der EU ein klares
entwicklungspolitisches Mandat hat, gilt dies auch für
sie.
Im Bereich der Energiefinanzierung, zu der sie etwa im
Rahmen der Afrika-EU-Energiepartnerschaft beitragen
soll, muss dies ebenfalls gelten. Da die EIB im Rahmen
dieser Partnerschaft zur Energiesicherheit beitragen soll,
muss die Frage lauten: zu wessen Energiesicherheit?
Wie in Kapitel 5.2 geschildert, vermissen Vertreter der
deutschen und afrikanischen Zivilgesellschaft bei der
Partnerschaft einen klaren Fokus auf die Armen und wie
sie mit Energie versorgt werden sollen.
In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen Blick
in die Zukunft zu werfen, auf zwei Projekte, die für
die Energie­sicherheit herangezogen werden sollen: den
Grand Inga Damm in der Demokratischen Republik
Kongo (DRC) und die Trans-Sahara Pipeline.
29
28
7.1
Grand Inga
Wie bei so vielen Entwicklungsprojekten klingt die Idee
zuerst einmal nicht schlecht: das enorme Potenzial des
Kongoflusses nutzen, um der kongolesischen Bevöl­
kerung Zugang zur Stromversorgung zu ermöglichen.
Aktuell haben nur 5 – 7 Prozent der Kongolesen direkten
Zugang zu Strom. Wer wollte das Recht der Afrikaner
in Frage stellen, ihre eigene Entwicklung vorwärts zu
bringen?
Die Weltbank geht davon aus, dass Grand Inga 500 der
900 Millionen Afrikaner mit Strom versorgen könnte und
dazu noch die Industrie verschiedener Länder auf dem
Kontinent. Denn der Inga Komplex ist der Knotenpunkt
der kongolesischen Energieerzeugungsmöglichkeiten.
Der Ingastandort liegt im Westen des Landes, etwa
300 km flussabwärts von Kinshasa mit einem vermuteten
Strompotenzial von 40.000 – 45.000 MW. Bei einer Konfe­
renz in London im April 2008, die sich mit den Realisie­
rungsmöglichkeiten von Grand Inga auseinandersetzte46,
wurde präsentiert, dass Grand Inga eine Kapazität von
39.000 MW haben solle, indem dort 52 Stromgeneratoren
von je 750 MW installiert werden. Im Vergleich: der
Drei-Schluchten-Staudamm in China verfügt über eine
Gesamtkapazität von 18.200 MW.
Dabei geht es nicht nur darum, einen enormen Stau­
damm zu bauen, sondern auch Exportrouten für den
dort erzeugten Strom. Diese sollen von Inga nach Süden
verlaufen, über Angola und Namibia nach Südafrika, eine
weitere Route ebenfalls nach Südafrika verliefe über
Sambia und Simbabwe, eine dritte nach Nigeria. Damit
jedoch nicht genug: eine vierte Exportroute soll eine
Hochspannungsleitung nach Norden sein: durch Kongo
Brazzaville und Zentralafrika durch den Sudan und die
Sahara nach Ägypten und von dort durchs Mittelmeer
nach Europa. Über insgesamt 5800 km.
Stromleitungen dieser Dimension würden große
ökologische und soziale Auswirkungen nach sich ziehen,
da die Schneise, die sie durch den enorm artenreichen
kongolesischen Regenwald schlagen, illegale Abholzun­
gen und Jagd sowie weitere Zerstörung des Waldes nach
sich ziehen. Ebenso hätten sie großen Einfluss auf das
Leben der Bantu und Pygmäen, die vom Wald für ihre
Subsistenz abhängen.
So enorm wie die Dimension des Projektes sind auch
seine anvisierten Kosten, sie kletterten von 50 Milliarden
US$ vor ein paar Jahren bis auf 100 Milliarden US$ im
Jahr 2009. Wie diese Summe zusammenkommen soll, ist
nicht klar. Eine der in London präsentierten Möglichkei­
ten ist eine Public-Private-Partnership, oder die Reali­
sierung Grand Ingas als unabhängiger Energieproduzent
(Independent Power Producer IPP), wobei das Projekt von
46 www.worldenergy.org/work_programme/regional_programme/
africa/grand_inga/1339.asp
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
einem komplett privaten Konsortium realisiert werden
würde. Dies würde zwar der kongolesischen Regierung
ersparen, enorme Schulden auf sich zu laden, sie würde
jedoch auch die Kontrolle über die Nutzung des erzeug­
ten Stroms aus der Hand geben.
Da Anschluss ans Stromnetz und Zahlungsfähigkeit in
Europa höher sind, liefe das Projekt statt 500 Millionen
Afrikaner zu versorgen, eher darauf hinaus, Strom durch
Länder zu transportieren, in denen bis zu 500 Millionen
Afrikaner leben. Vom Strom werden diese wohl nur die
Hochspannungsleitung zu sehen bekommen. Technisch
wäre der Transport über eine so lange Strecke kom­
plettes Neuland. Wechselstrom, der in der elektrischen
Energieversorgung gewöhnlich genutzt wird, kann nur
über Leitungen bis maximal 2000 km transportiert
werden, danach wird der Verlust zu groß. Deshalb müsste
der Strom für den Transport in Gleichstrom verwandelt
werden, jede Nutzung setzt dann ein Umspannwerk vor­
aus. Jedes Dorf, das an der Leitung liegt und vom Strom
profitieren wollte, bräuchte ein eigenes Umspannwerk.
Relativ viel Aufwand für relativ wenig Gewinn, was die
Realisierung unwahrscheinlich macht.
Eine Realität, die Dorfbewohner an den existierenden
Staudämmen Inga I und II heute schon erfahren. Während
sie um ungeklärte Entschädigungen kämpfen, verläuft
über ihren Köpfen die Stromleitung und bringt die Ener­
gie von Inga zu den Minen von Katanga im Südosten des
Landes.
Überhaupt lohnt ein Blick auf die bereits realisierten
Teile des Inga-Komplexes. Die Staudämme Inga I und
II wurden 1972 bzw. 1982 fertig gestellt, sie haben eine
theoretische Kapazität von zusammen 1775 MW (351 MW
Inga I und 1424 MW Inga II). Mitglieder der Counter
Balance Koalition besuchten die Dämme im Juli 200947
und erfuhren, dass sie gemeinsam tatsächlich nur 710
MW produzieren (weniger als eine der 52 geplanten
Turbinen von Grand Inga), wovon 420 MW nach Kinshasa
gehen, 210 MW zu den Katanga-Minen und teilweise wei­
ter Richtung Südafrika, während den Rest lokale Städte
erhalten. Die Staudämme produzieren nur mit etwa 40
Prozent ihrer Kapazität, weshalb internationale Geber wie
Weltbank und Europäische Investitionsbank Kredite für
die Rehabilitation gegeben haben. Bisher mit magerem
Erfolg. Zudem wurden die neuen Kredite leider nicht ge­
nutzt, um den Menschen, die in den umliegenden Dörfern
seit 1958 um ausstehende Entschädigungen kämpfen, zu
ihrem Recht zu verhelfen.
Ein großer Teil des Stroms von Inga 1 und 2
geht an die Minen in Katanga.
Foto: Jan Capelle
Exportrouten für den Ingastrom.
Foto: Jan Capelle
Konstellation von Grand Inga das gleiche erwarten.
Sollte das Projekt realisiert werden, wird es am wenigs­
ten der Energieversorgung der Kongolesen dienen.
7.2
Es wird hoch gehalten als Projekt für die Energiesicher­
heit – ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es dabei vor
allem um die europäische Energiesicherheit geht.
Trans-Sahara Pipeline
Die Trans-Sahara Pipeline kann es in der Länge nicht mit
dem von Grand Inga geplanten Kabel aufnehmen, kommt
aber auch auf eine Strecke von über 4000 Kilometern.
Sie soll Gas aus dem Nigerdelta durch Nigeria und Niger
nach Algerien bringen, von wo es durchs Mittelmeer nach
Europa (Spanien und Italien) transportiert werden soll.
Die Idee stammt bereits aus den 70er Jahren, gewann
jedoch in den letzten Jahren an Schwung. Die Euro­
päische Union ist an dem Projekt sehr interessiert, in der
Hoffnung, ihre Abhängigkeit von russischem Gas
(das über 40 Prozent der EU Gasimporte liefert) zu redu­
zieren.
Die bisherigen Erfahrungen mit Inga entsprechen also
dem Muster anderer Projekte, wo die lokal Betroffenen
am wenigsten profitieren. Und für die Zukunft lässt die
So unterzeichneten die Europäische Kommission und die
Afrikanische Union im September 2008 eine gemeinsame
Erklärung, dass die EU eine Milliarde Euro für zwei Jahre
zur Verfügung stellt, damit afrikanische Länder ihre
Energienetze ausbauen können und Energieverbindungen
zwischen Afrika und Europa fördern wie die Trans-Sahara
Pipeline. Diese Erklärung stellt bezeichnenderweise den
ersten konkreten Schritt zur Umsetzung der Afrika-EUPartnerschaft dar.48
47 Counter Balance „Conrad’s Nightmare – The World’s Biggest Dam
and Development’s Heart of Darkness” November 2009
48 „EU to help Africa expand energy sector” 9.9.2008,
http://euobserver.com/9/26709
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Die Trans-Sahara Pipeline soll bisher neun Milliarden
Euro kosten und im Prinzip ab 2015 jährlich bis zu 30
Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa liefern. Ob der
Termin 2015 gehalten werden kann, ist sehr fraglich.
So unterzeichneten Nigeria, Niger und Algerien erst im
Juli 2009 ein Abkommen, um die Arbeit an dem Projekt
beginnen zu können.
Und ob das Kalkül der EU aufgeht, von russischem Gas
unabhängig zu werden, ist ebenfalls fraglich, denn der
russische Energiekonzern Gazprom vereinbarte im Juli
2009 mit Nigeria, 2,5 Milliarden US$ in dessen Gas- und
Ölsektor zu investieren. Darüber hinaus hat Gazprom,
genau wie die Ölkonzerne Total, ENI und Royal Dutch
Shell Interesse daran geäußert, gemeinsam mit der
Nigerian National Petroleum Corp. und der algerischen
Sonatrach die Trans-Sahara Pipeline zu bauen.49
Neben der Auseinandersetzung darum, wer sich an dem
Pipeline-Konsortium beteiligt, muss sich diese jedoch
noch mit ganz anderen Schwierigkeiten auseinander­
setzen, denn alle drei Länder, durch die die Pipeline führt,
49 „Trans-Sahara pipeline fuels ‘gas war’” 29.7.2009,
www.upi.com/Science_News/Resource-Wars/2009/07/29/Trans-Saharapipeline-fuels-gas-war/UPI-95761248882668/
31
30
8. Neue Wege für die EIB?
haben interne bewaffnete Konflikte: Nigeria im Nigerdel­
ta, Niger mit Tuareg-Rebellen und in Algerien wie auch
der südlichen Sahara sollen Al-Kaida-Gruppen operieren.
Die nigerianische Regierung erklärt, dass sie die Gas­
felder und die Pipeline militärisch sichern will, was ihr
jedoch im Nigerdelta bereits nicht gelingt und wo sich die
Frage stellt, wie dies in drei Ländern und über mehrere
tausend Kilometer gelingen soll.
7.3
Die Frage danach, wie viel nigerianisches Gas der Ent­
wicklung des Landes dienen und wie viel in den Export
gehen soll, wurde in Nigeria schon im Zusammenhang
mit der Westafrikanischen Gas Pipeline kontrovers
diskutiert. Wenn große Mengen zusätzlich in den Export
nach Europa fließen, wird die Diskussion umso hitziger
werden.
Energiesicherheit
Beide Beispiele für zukünftige Energieprojekte drehen
sich damit, entgegen aller entwicklungspolitischen
Rhetorik, um europäische Energiesicherheit. Denn die
Europäische Union hat große Angst davor, dass ihr die
Energie ausgeht. Die Förderung von Öl und Gas in Europa
geht zurück, während der Energieverbrauch steigt. Die
Europäische Kommission schätzt, dass die Importabhän­
gigkeit bei Energie von 50 Prozent 2007 auf 65 Prozent
2030 steigen wird.50 Die EU könnte massiv darauf setzen,
den Energieverbrauch in Europa zu senken, indem öffent­
licher vor dem Individualverkehr, sparsamere Geräte und
Gebäudesanierung enorm gefördert werden.
EU bedeutet: „identifying infrastructure of major importance to [EU] energy security and then ensuring its construction“.51 Dies soll politisch gefördert werden, indem
„Energie“ ein zentrales Element aller EU Außenbeziehun­
gen wird und ist wichtig für die geopolitische Sicherheit,
wirtschaftliche Stabilität und soziale Entwicklung, so die
Kommission52. Bei der finanziellen Realisierung soll die
europäische Hausbank EIB helfen, wie sie das bereits in
der Vergangenheit getan hat.
Dies würde jedoch regulatorische Eingriffe, Industrie-,
Verkehrs- und letztendlich Wirtschaftsumbau bedeuten.
Und da ein solcher Umbau mächtige Gegner (von der
Auto- und Flugindustrie bis zu sämtlichen energieintensi­
ven Unternehmen) auf den Plan brächte, setzt die
EU lieber darauf, neue Energiequellen zu erschließen:
von Grand Inga, über die Trans-Sahara Gaspipeline bis
zu Pipelines aus dem Osten wie die Baku-Tbilisi-Ceyhan
oder die Nabucco-Pipeline. In ihrer „Second Strategic
Energy Review“ vom November 2008 formuliert die Kom­
mission dies aus. Sie erklärt, was dies außerhalb der
Es gibt grundlegende Kritik an den Aktivitäten der EIB,
vor allem bei ihren außer-europäischen Aktivitäten.
Während sie bei Finanzierungen innerhalb der EU eu­
ropäisches Recht einhalten muss, sind die Sozial-, und
Umweltstandards außerhalb der EU weniger klar und
verbindlich, womit sie einigen Interpretationsspielraum
lassen. Hinzu kommt die Frage nach dem Entwicklungs­
modell, welchem die Bank folgt. Die Auswahl an Fallbei­
spielen zeigt, dass die EIB in den Regionen, in denen sie
operiert, wiederholt nicht zur Förderung nachhaltiger
Entwicklung beigetragen hat.
In diesem Zusammenhang ist es besonders besorgnis­
erregend, dass die EIB nur wenig Kapazität besitzt, um
ihre Projekte gründlich zu prüfen und noch weniger
Kapazität, um ein Monitoring während der Umsetzung
der Projekte gerade außerhalb der EU zu gewährleisten.
Die EIB lobt sich dafür, eine „schlanke Institution“ mit
wenig Mitarbeitern zu sein, sie beschäftigt etwa 1.500
Mitarbeiter (im Verhältnis zu 10.000 Angestellten bei der
Weltbank, obwohl die deutlich weniger Geld vergibt) Die
Zahl der Angestellten ist darüber hinaus nicht proportio­
nal zum vergebenen Volumen gewachsen. Dies lässt den
Mitarbeitern wenig Zeit für Projektprüfung, Monitoring
und Evaluierung. Das bankinterne Anreizsystem belohnt
Mitarbeiter, die ein großes Kreditvolumen vergeben
haben, dieses Anreizsystem richtet sich nicht danach, ob
Projekte qualitativ gut sind. Als schlanke Institution hat
die EIB wenige Niederlassungen außerhalb der EU, was
die Beurteilung der Bedingungen und Realitäten
vor Ort erschwert, diese jedoch haben einen großen
Einfluss darauf, wie Erfolg versprechend und umsetzbar
Projekte sind.
Auch werden die von der EIB finanzierten Aktivitäten in
Entwicklungsländern nicht so gut dokumentiert wie die
anderer internationaler Finanzinstitutionen (etwa bei
Weltbank oder Asiatischer Entwicklungsbank). Während
des Projektzyklus werden wenige Informationen ver­
8.1
Rohr für die Baku-Tbilisi Ceyhan Pipeline.
Foto: Hannah Ellis (Friends of the Earth)
50 Europäische Kommission, „An Energy Policy for Europe”, Januar
2007
51 Europäische Kommission, Second Strategic Energy review,
November 2008 zitiert in Counter Balance
„Conrad’s Nightmare – The World’s Biggest Dam and Development’s
Heart of Darkness” November 2009, S.17
Die Möglichkeiten für Betroffene, sich bei Problemen an
eine unabhängige Beschwerdestelle wie das Inspection
Panel der Weltbank zu wenden, gibt es nicht, sondern
nur eine EIB-interne Beschwerdestelle. Eine bedeutende
Verbesserung hierbei ist, dass inzwischen der europäi­
sche Ombudsmann auch Fälle von EIB-Finanzierungen
außerhalb der EU prüfen kann. Allerdings passiert dies
auf eigene Initiative des Ombudsmanns, womit nicht eine
immer ansprechbare, unabhängige Instanz für Betroffene
existiert wie bei anderen Entwicklungsbanken.
Proteste zum 50. Geburtstag der EIB.
Foto: Liza Gabry (Amis de la Terre)
Die Entscheidung des EuGH
Natürlich ist die EIB keine Entwicklungsbank im engeren
Sinne, da ihre Hauptaufgaben innerhalb der EU liegen
und sie dort explizit als Investitionsbank tätig ist. Jedoch
ist unbestreitbar, dass ihre Aktivitäten außerhalb der EU
eine entwicklungspolitische Dimension haben.
In AKP-Staaten ist die Arbeit der EIB vom CotonouAbkommen geleitet, welches festlegt, dass die EIB
darauf hinarbeiten soll, die Armut zu vermindern und
abzuschaffen und dabei nachhaltige Entwicklung sowie
52 ebd.
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
öffentlicht. Insbesondere die Finanzverträge, in denen
die Verantwortlichkeiten der Projektträger festgelegt
sind, werden unter Verschluss gehalten. Dies verhindert
eine öffentliche Beurteilung der Projekte hinsichtlich der
Einhaltung von Verantwortlichkeiten und Zielen.
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
die Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft be­
rücksichtigen soll. In den ALA Ländern, Zentralasien und
den Nachbarländern regeln externe Mandate die Arbeit
der EIB. In der Vergangenheit wurde das Europäische
Parlament bei Entscheidungen des Rates bezüglich des
externen Mandats der EIB nur konsultiert, das Parlament
konnte jedoch nicht mitentscheiden.
Gegen diese Praxis reichte es Klage beim Europäischen
Gerichtshof (EuGH) ein, der dem Parlament am 06. No­
33
32
vember 2008 Recht gab und damit das existierende exter­
ne Mandat des Rates von 2006 für die EIB aufhob. In dem
Urteil fordert der EuGH, dass innerhalb der nächsten 12
Monate neu über das Mandat entschieden werden muss,
auf einer anderen rechtlichen Basis, nämlich indem das
Europäische Parlament mitentscheidet und nicht mehr
nur konsultiert wird.
Der Beschluss des EuGH bedeutet einen historischen
Fortschritt dahin, dass die EIB die EU GemeinschaftsZiele der Entwicklungszusammenarbeit auch bei ihren
8.2
Tätigkeiten in Asien, Lateinamerika, Beitritts- und Nach­
barländern fördern soll.
Wegen der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni
2009 wurde jedoch das aktuelle Mandat bis zum 31. Ok­
tober 2011 verlängert. Die Europäische Kommission wird
dem Parlament einen ersten Entwurf für ein erneuertes
Mandat am 30. April 2010 vorlegen. Danach wird der Ent­
wurf im Parlament diskutiert und muss bis August 2011
verabschiedet werden.
Ein erster Schritt muss klären, welche Ziele der EU
Politik die EIB fördern soll, wozu eine Überprüfung der
verschiedenen Mandate und ihrer Widersprüche gehört.
Die Spannbreite geht von Verbesserung der europäischen
Energiesicherheit, Erhöhung der Präsenz europäischer
Firmen weltweit, bis zum Umweltschutz und der Er­
reichung der Millenium Entwicklungsziele. Im Idealfall
mögen Finanzierungen allen diesen Zielen dienen, oft
jedoch gibt es Widersprüche. Widerstreitende Ziele gibt
es natürlich auch in der EU Politik an sich, wo die Global
Europe Strategie zur Förderung europäischer Firmen
im gobalen Wettbewerb in Konflikt zu Zielen des euro­
päischen Konsens für Entwicklung steht.
Kurzfristig braucht die EIB strikte do-no-harm Politiken,
um Entwicklungs- und Menschenrechtszielen zu dienen
und negative Auswirkungen von Finanzierungen vor Ort
zu minimieren.
Die Halbzeitprüfung des externen Mandates der EIB
8.4
Parallel dazu verläuft ein weiterer Prozess mit Potenzial
für bedeutende Auswirkungen auf die EIB: Das Mandat
zur EIB-Kreditvergabe an Nicht-EU-Staaten (ausge­
nommen die AKP-Länder und Beitrittskandidaten)
wird derzeitig von einem Gremium „weiser Personen“
(Personen mit weit reichender Erfahrung in der Entwick­
lungszusammenarbeit in Institutionen wie OECD, IWF,
KfW, aus Universität und Zivilgesellschaft) untersucht.
Dieser Prozess der Halbzeitprüfung wurde vom Rat vor­
geschrieben, da die EU-Mitgliedsländer unterschiedliche
Sichtweisen zur Rolle der EIB außerhalb der EU hatten,
als 2006 das externe Mandat für 2007–2013 verabschiedet
wurde. Die Halbzeitüberprüfung sollte abwägen, ob die
EIB außerhalb der EU eine sinnvolle Rolle spielt. Die
Prüfung ist entscheidend für die zukünftige Gestaltung
der Bank – Ergebnisse werden für Juni 2010 erwartet.
Die Zivilgesellschaft hat die Europäische Kommission, die
EIB und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, nicht nur eine
technische Bestandsaufnahme zu machen, sondern auch
die Effektivität der EIB als Instrument der EU Zusammen­
arbeit mit Entwicklungsländern zu beurteilen.
Die Finanzierungen der EIB in AKP-Staaten stehen
ebenfalls für 2010 auf dem Prüfstand, wenn eine Über­
prüfung der Investitionsfazilität (IF) erfolgt. Bei dieser
Über­prüfung geht es zunächst einmal um die Relevanz,
Effektivität und Nachhaltigkeit der Aktivitäten, für die
die Fazilität Gelder vergibt. Die Evaluation soll in die
Gestaltung der zweiten Hälfte des IF-Mandats (bis 2013)
einfließen.
Energiesicherheit: beim eigenen Verbrauch ansetzen
Im Bereich der Energiesicherheit sollte die EIB vor allem
die Verbrauchsminimierung fördern. Dies betrifft ihre
Kernaufgaben der Geldvergabe innerhalb der EU. Dort
engagiert sich die EIB bereits im Bereich Erneuerbare
Energien und Energieeffizienz. Sie könnte jedoch eine
entscheidende Rolle beim klimafreundlichen Umbau der
europäischen Wirtschaft spielen, wenn sie ihre Verleih­
aktivitäten radikal an diesem Ziel ausrichten und neue
Prioritäten setzen würde, etwa:
8.5
8.3
Wie die EIB heute strukturiert ist, favorisiert die Bank
in ihren außereuropäischen Aktivitäten die Handels-,
Energie- und Rohstoffprioritäten der EU über Ziele wie
die Förderung globaler öffentlicher Güter, etwa die Stabi­
lisierung des Klimas und die Armutsreduktion.
Es ist daher nun an der Zeit für die EIB und ihre Anteils­
eigner, auf die zunehmende Verantwortung zu reagieren.
Dazu gehört, das altmodische Entwicklungsmodell der
EIB zu überdenken, das allein auf Wachstum und Ein­
kommensschaffung basiert. Denn dieses schafft nur für
wenige Menschen Gewinne und übersieht einen Großteil
der Ärmsten.
Im Lichte der Nahrungsmittel- und Klimakrise wird über­
deutlich, dass es einen grundlegenden Wandel in Rich­
tung nachhaltige Entwicklung geben muss. Wenn die EIB
in diesem Wandel eine Rolle spielen will, muss sie selbst
einen fundamentalen Wandel durchlaufen. Die Institution
wurde vor über 50 Jahren mit gänzlich anderen Zielen
als der Förderung von Entwicklung in Nicht-EU-Staaten
gegründet. Wie sie heute organisiert ist und Geschäfte
macht, ist die EIB ungeeignet dafür, nachhaltige Entwick­
lung in diesen Ländern zu fördern.
Was die Aktivitäten der EIB außerhalb der EU betrifft, hält
Counter Balance eine Diskussion darüber für notwendig,
ob die EIB sich so stark ändern kann, dass sie tatsächlich
einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung
leistet. Dies ist jedoch eine längerfristige Diskussion. Als
kurzfristige Vorschläge für die Aktivitäten der EIB außer­
halb der EU sehen wir folgende Punkte für wichtig an:
1. Der EIB fehlt entwicklungspolitische, menschen­
rechtliche, soziale und ökologische Kompetenz,
da die Mitarbeiter im Wesentlichen einen
wirtschaftlichen und technischen Hintergrund
haben. Im Umweltbereich ist die Expertise in den
letzten Jahren ausgebaut worden, vorsichtig auch
im Bereich Soziales. Für einen positiven Beitrag zur
53 Diese Vorschläge sind detailliert ausgeführt in der Veröffentlichung
“Change the lending, not the climate” von CEE Bankwatch Network,
November 2009
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
• Einhaltung der eigenen Ziele von 50 Prozent des
Verleihs für Energieerzeugung und Steigerung
dieses Anteils;
• Fokus auf Energieeffizienz, vor allem in den neuen
Mitgliedsstaaten;
• Finanzierung von intelligenten Erzeugungssystemen
• Abschied von der Förderung fossiler Energiequellen,
um die Abhängigkeit von diesen zu beenden.53
Außerhalb der EU
Zeit für einen Wandel
Die Rolle der EIB in der europäischen Entwicklungs­
zusammenarbeit hat in den vergangenen Jahren deutlich
zugenommen, ihr wurde eine Vielzahl an Aufgaben und
Mandaten zugeteilt, von denen nicht alle problemlos
miteinander vereinbar sind. Zudem sind die Kapazitäten
der Bank nicht in dem Maße gewachsen, wie sie neue
Aufgaben und größere zu verteilende Geldvolumina
bekommen hat.
• Förderung öffentlicher Verkehrssysteme;
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
Entwicklung und die Berücksichtigung umfassender
entwicklungspolitischer Fragen, über den reinen
Glauben an den Trickle-Down Effekt hinaus, ist jedoch
mehr Expertise unter den Angestellten notwendig.
2. Die EIB sollte ihre Projektprüfung bezüglich
„Entwicklungsaspekten“ verbessern und klare,
überprüfbare Entwicklungsfaktoren (wie Anzahl
der geschaffenen Arbeitsplätze, gebaute Schulen
oder Gesundheitszentren) in die Projektverträge
aufnehmen, um leere Versprechen zu verhindern
und diese Punkte für lokal Betroffene einklagbar zu
machen.
3. Auch im Bereich Menschenrechte sollte die EIB
ihre Projektprüfung verbessern und mögliche
34
menschenrechtliche Auswirkungen sowie
Konfliktpotenziale durch Projekte prüfen.
4. Die EIB wie auch die europäische Kommission
sollten sicherstellen, dass die Verleihaktivitäten der
EIB den nationalen Entwicklungszielen der Länder
entsprechen, in denen Projekte realisiert werden.
5. Um die Aufgaben der EIB klarer und überschaubarer
zu machen und sicherzustellen, dass die EIB
als öffentliche Bank einen klaren Zusatznutzen
bringt, sollte die Bank sich auf einige wenige
Prioritätssektoren konzentrieren und klare
Ausschlussbereiche definieren, in denen die negativen
Effekte die positiven überwiegen und die keinen
Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung bringen. Hierzu
gehören fossile Energien, Großstaudämme sowie der
industrielle Bergbau.
6. Der Bereich der Globaldarlehen macht einen
bedeutenden Anteil an der Finanzierung der EIB aus.
Gleichzeitig ist der Bereich überaus undurchsichtig.
Die EIB sollte Globaldarlehen nur an solche
Finanzintermediäre vergeben, die nicht in OffshoreFinanzzentren agieren, die sich substantiell in lokalem
Besitz befinden und die in der Lage sind, einen
positiven Entwicklungsansatz zu verfolgen, indem sie
Kredite an lokale kleine und mittlere Unternehmen
vergeben.
7. Die EIB sollte sicherstellen, dass Zulieferer aus den
Ländern, in denen Projekte realisiert werden, bei
der Auftragsvergabe berücksichtigt werden, um die
Wirtschaft dort zu unterstützen.
Proteste zum 50. Geburtstag der EIB.
Foto: Liza Gabry (Amis de la Terre)
Der Zeitpunkt für einen Wandel bei der EIB ist günstig,
da Prozesse wie die Erarbeitung des neuen externen
Mandats und die Halbzeitüberprüfung zusammen kom­
men. Dazu sollten das Europäische Parlament und die
Mitgliedsstaaten ihren Einfluss nutzen, um den Wandel,
der notwendig ist, in Gang zu bringen.
8. Die EU sollte sicherstellen, dass der Ombudsmann
hinreichend Mittel hat, um sich auch Beschwerden von
Nicht-EU-Bürgern widmen zu können, wo diese sich
von EIB Projekten negativ betroffen fühlen.
Die EIB braucht mehr entwicklungspolitische Expertise.
Foto: Caterina Amicucci (CRBM)
EU Infrastrukturinvestitionen – Zu wessen Nutzen? | Dezember 2009
www.counterbalance-eib.org
email: [email protected]