Kokain im Container - VerkehrsRundschau.de

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Kokain im Container - VerkehrsRundschau.de
Recht + Geld Drogenschmuggel
Picture Alliance/dpa/Carmen Jaspersen
KokainimContainer
Experten schätzen, dass nur fünf Prozent der Drogenschmuggel nach Deutschland ans Licht kommen
Drogenschmuggel bedroht
zunehmend die Transportkette.
Welche Folgen es für den Spediteur hat, wenn ihm Rauschgift
untergejubelt wird, und welche
Rechte er hat, wenn er dadurch
ins Visier des Zolls gerät.
M
an kann es nicht riechen und es ist
schwer zu entdecken: Kokain gelangt am 14. April 2014 auf einem
Frachtschiff nach Bremerhaven. Als die Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) eine
Ladung aus Ecuador kontrollieren, werden
sie stutzig: In einem der 20 kontrollierten
Seefrachtcontainer entdecken sie zwischen
den Bananenkisten Reisetaschen. Darin: 120
Kilogramm weißes, kristallines Pulver.
Die Fundmenge ist außergewöhnlich hoch.
Im Vorjahr wurden etwa im Hamburger
Hafen 427 Kilogramm und bundesweit 1314
Kilogramm Kokain vom BKA sichergestellt.
Die Masche der Schmuggler ist hingegen
nicht ungewöhnlich. Immer wieder wird
Kokain versteckt zwischen legalen Waren
auf dem Wege des gewerblichen Güterver-
kehrs nach Deutschland transportiert. Im
Januar waren in Berliner Aldi-Filialen 140
Kilo des Rauschgifts in Bananenkartons gefunden worden, Schwarzmarktwert: sechs
Millionen Euro. Dorthin war der Stoff über
den Hamburger Hafen gelangt.
Komplizen verschaffen den Zugang
Die Liegezeit der Container in Europa nutzen hiesige Abnehmer oder Zwischenhändler, um sie wieder in ihren Besitz zu bringen.
Entweder durch Komplizen, die Zugang zu
den Containern haben, oder man knackt die
Transportbehältnisse einfach.
Wer Drogen in größeren Mengen
einführt, dem drohen mindestens
zwei Jahre Freiheitsstrafe
Der Rauschgiftschmuggel auf dem Seeweg
nach Deutschland ist eher die Ausnahme,
wobei mitunter aber beträchtliche Summen
transportiert werden. Weitaus häufiger nutzen die Schmuggler Routen auf dem Landweg – am häufigsten über die tschechische
oder niederländische Grenze. Ein Teil des
Rauschgifts gelangt dabei per LKW zu uns
– ähnlich wie im oben beschriebenen Fall in
oder hinter Tarnladung versteckt.
Egal, welche Methode zum Einsatz kommt:
Die Schmuggler agieren zunehmend cleverer. Und sie werden immer dreister. Deshalb
hat der Zoll die Kontrollen in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt.
Doch die deutschen Behörden haben kaum
eine Chance, allen verdeckten Drogenlieferungen nach Deutschland und Europa auf
die Spur zu kommen. Pro Jahr treffen allein
in Hamburg zehn Millionen Seecontainer
ein. Sie werden aus Kapazitätsgründen nur
stichprobenartig kontrolliert. Am Ende,
schätzen Fachleute, bleiben bis zu 95 Prozent aller unerlaubt eingeführten Betäubungsmittel unentdeckt.
Laut Gesetz ist lediglich Vorsatz strafbar
Wenn Rauschgift gefunden wird, hat das
Folgen für die Beteiligten in der Transportkette – mitunter sogar strafrechtliche Konsequenzen. „Das Risiko, dass der Zoll auch
gegen den Spediteur, den von ihm beauftragten Transportunternehmer und dessen
Leute ermittelt, besteht immer“, erklärt Sylvain Lermen, Rechtsanwalt in der Kanzlei
Obst und Lermen in Koblenz. Sie gehörten
bei einem Drogenfund im Frachtschiff oder
LKW nun einmal zum Kreis der Verdächtigen. „Es gibt mehrere Personen, die versucht haben könnten, das Rauschgift an den
Strafverfolgungsbehörden vorbei einzuführen: zum Beispiel der Fahrer, der Reeder
oder Dritte“, sagt der Jurist. Aufgabe der Beamten sei es dann, Beweise zu finden, um
die Täter überführen zu können.
„Die Ermittler des Zolls, der Polizei oder der
Staatsanwaltschaft müssen dem Speditionsoder Transportunternehmer aber bedingten
Vorsatz nachweisen können, weil laut Gesetz nur wissentliche und gewollte Handlungen strafbar sind“, sagt Norbert Drude,
Präsident des Zollkriminalamtes (ZKA).
Grob fahrlässige Handlungen wie die Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten strafrechtlich hingegen
keine Folgen, versichert er.
„Das Betäubungsmittelgesetz sieht bei der
unerlaubten Einfuhr von nicht geringen
Mengen von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vor“,
erklärt Lermen. Je nach Schwere ihres Vergehens müssten Drogenschmuggler mit bis
zu 15 Jahren Gefängnis rechnen.
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Drogenschmuggel Recht + Geld
Die Täter stammen oft aus dem Ausland
„In dem Moment, in dem wir einem Fahrer
oder einem Reeder die Kenntnis nachweisen können, dass er Rauschgift transportiert, wird er strafrechtlich verfolgt und in
diesem Zusammenhang häufig auch festgenommen“, bestätigt Wolfgang Schmitz
vom ZKA.
Er erinnert sich an einen Fall, in dem die
Täter aus dem Ausland stammten und in
Hamburg eigens ein Transportunternehmen gründeten, um verdeckt Drogendeals
abwickeln zu können und das Rauschgift in
alle möglichen Staaten in Europa weitertransportieren zu können. „Hier handelte es
sich aber um organisierte Kriminalität“, erklärt der Zollfahnder. Vergleichbare Strukturen gäbe es im deutschen Transportgewerbe nicht. „Die meisten Unternehmen
wissen gar nicht, dass Schmuggler ihnen
Rauschgift untergeschoben haben.“
Für Güterverkehrsunternehmen ist es recht
schwierig, Schmuggelware zu erkennen: Die
Spediteure bekommen meistens gefälschte
Frachtpapiere ausgehändigt. Und die Angestellten des Transporteurs oder des Reeders
können anhand der Verpackungen und Gebinde nur bedingt nachvollziehen, womit sie
es genau zu tun haben.
Schmitz beruhigt deshalb: „Wenn wir keinen Anhaltspunkt haben, dass Spediteur,
Transporteur oder Fahrer etwas von den
Drogen mitbekommen haben, sind wir mit
unseren Ermittlung schnell durch.“ Anders
sehe das zum Beispiel aus, wenn der Zoll die
Handynummer des Abnehmers in der Anrufliste des Fahrers finde, ungeplante Zwischenstopps feststelle, ein Spürhund anschlage oder sich beim Röntgen konkrete
Hinweise auf Verstecke im LKW ergeben.
Verzögerungen muss man hinnehmen
„Der Zollverantwortliche hat bei einer Kontrolle eine Mitwirkungspflicht. Das heißt,
die Behörden dürfen die der zollamtlichen
Überwachung unterliegenden Waren in
dem ihnen notwendig erscheinenden Rahmen auf Einhaltung der zum Umgang mit
ihnen erlassenen Vorschriften und Auflagen
prüfen“, erklärt Schmitz.
Um die Prüfung der Waren zu ermöglichen,
müsse das Transportmittel für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt werden.
Die am Transport beteiligten Unternehmen
tel. Bis zum Abschluss der Ermittlungen
kann es Wochen oder Monate dauern, in
komplexen Einzelfällen sogar Jahre. Je nach
Dimension des Drogenschmuggels können
die Beamten den Fahrer auch in Untersuchungshaft nehmen, sofern Verdunklungsoder Fluchtgefahr besteht.
„Finden wir aber wie in Bremerhaven einzelne Reisetaschen mit Kokain zwischen
Bananenkisten, dann nehmen wir nur die
Schmuggelware heraus und die restliche
Ladung kann kurz danach weitertransportiert werden“, erklärt ZKA-Präsident Drude.
„Die meisten Unternehmen wissen
gar nicht, dass Schmuggler ihnen
Drogen untergeschoben haben“
WOLFGANG SCHMITZ,
Zollkriminalamt
Picture Alliance/dpa/Patrick Lux
Der Mengenbegriff orientiert sich zwar am
Wirkstoffgehalt, den Gutachter ermitteln
müssen. „Bei Lieferungen im Kilobereich
handelt es sich aber so gut wie immer um
nicht geringe Mengen“, erläutert Lermen.
Oft wird Koks zwischen Bananen geschmuggelt
müssen Verzögerungen also dulden. Nicht
hinnehmen müssen sie hingegen Schäden
an der legalen Ware oder am Fahrzeug.
„In den Fällen, in denen der Zoll trotz eindeutiger Hinweise nichts findet und im
Zuge der Prüfung etwas beschädigt, kann
man unter Umständen Schadensersatz verlangen“, erklärt Zollfahnder Schmitz.
Im Zweifel beschlagnahmt der Zoll
Lassen sich die Zweifel an der Unschuld des
Spediteurs, Transporteurs oder Fahrers
nicht ausräumen, wird ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das ist in
der Regel mit Durchsuchungen und der Beschlagnahme von Gegenständen oder Unterlagen verbunden. Die Betroffenen haben
während dieses Ermittlungsverfahrens das
Recht, ihre Aussage zu verweigern oder sich
durch einen Anwalt vertreten zu lassen.
Wenn sich die Drogen bis unter die Decke
stapeln oder das Rauschgift in einer Tarnladung versteckt ist, dann beschlagnahmt der
Zoll in der Regel das gesamte Transportmit-
Unternehmen helfen bei der Aufklärung
Größerer Überzeugungsarbeit bedürfe es
bei den Ermittlungen nur selten. „Bei einem
Verdacht lassen sich die meisten freiwillig
darauf ein, dass der Zoll den Transport der
Schmuggelware bis zum Empfänger überwacht und begleitet, um sich selbst nicht zu
belasten und ins Gerede zu kommen“, erzählt der ZKA-Chef. Umgekehrt ist der Zoll
in vielen Fällen auf die Mithilfe aus dem Güterverkehrsgewerbe angewiesen, damit die
Hintermänner etwaige Observationen nicht
mitbekommen und später dingfest gemacht
werden können. „Insgesamt funktioniert
die Zusammenarbeit sehr gut“, resümiert
der ZKA-Präsident Drude.
Damit dies so bleibt und Schmuggler die
Transportkette in Zukunft seltener stören,
setzt das ZKA auf Prävention. „Wir arbeiten
zum Beispiel bei Aufklärungskampagnen
mit den Branchenverbänden und den Industrie- und Handelskammern zusammen“,
sagt Schmitz. Er rät Güterverkehrsunternehmen, sich vor dem Abschluss neuer Geschäftsbeziehungen über den Auftraggeber
zu informieren. „Außerdem sollte man stutzig werden, wenn ein Kunde außerhalb des
üblichen Rechnungsweges in bar zahlt, unlogische Routen fordert oder Transportmittel und Fahrer ungewöhnlich oft wechseln
möchte“, betont der ZKA-Ermittler. ❙❚■
André Gieße
2 0 1 1 B I S 2 0 1 3 D U R C H D E N Z O L L S I C H E R G E S T E L LT E D R O G E N
Betäubungsmittelarten
Heroin
Opium
Kokain
Amphetamine
Metamphetamin (Crystal)
Haschisch
Marihuana
Sonstige Betäubungsmittel
2011
357
111
1625
532
17
1215
1260
24.495
2012
401
31
1059
313
24
800
1637
24.459
2013
128
275
1052
319
47
725
2415
17.058
Quelle: Zollkriminalamt, alle Angaben in Kilogramm
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