FHN Schriftenreihe Heft 3 Herrmann 08 06 2007 01
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FHN Schriftenreihe Heft 3 Herrmann 08 06 2007 01
Nordhäuser Hochschultexte Schriftenreihe Betriebswirtschaft Frank Herrmann Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen ein Enterprise Ressource Planning System am Beispiel von SAP R/3 Heft 3 – 2007 Die Schriftenreihe Betriebswirtschaft der Fachhochschule Nordhausen dient der regelmäßigen Veröffentlichung aktueller und praxisnaher Forschungsergebnisse. Ziel ist die anschauliche Verknüpfung zwischen betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis. Die Schriftenreihe Betriebswirtschaft richtet sich an Dozenten und Studenten der Hochschulen, aber auch an Mitarbeiter in Unternehmen, die sich mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigen. Herausgeber: Prof. Dr. Andreas Scharf Herausgeberbeirat: Prof. Dr. Jörg Arnsmeyer Dr. Georg Baumbach Prof. Dr. Reinhard Behrens Dipl.-Oec Dipl-Soz. Bernd Feuerlohn Prof. Dr. Gerd Gille Prof. Dr. Dietmar Knies Prof. Dr. Bernd Lemser Prof. Dr. Uwe Saint-Mont Prof. Dr. Marcus Schäfer Prof. Dr. Sabine Seibold-Freund Prof. Dr. Thomas Tegen Prof. Dr. Jörg Wagner Prof. Dr. Stefan Zahradnik Fachhochschule Nordhausen • Nordhäuser Hochschultexte • Schriftenreihe Betriebswirtschaft Weinberghof 4 • 99734 Nordhausen • Tel.: 03631-420-503 • Fax: 03631-420-817 E-Mail: [email protected] • Internet: www.fh-nordhausen.de Autor: Dr. Frank Herrmann lehrt Informationstechnik und Produktionslogistik und ist Direktor am Innovationszentrum für Produktionslogistik und Fabrikplanung (IPF) an der Fachhochschule Regensburg E-Mail: [email protected] Herrmann, F.: Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen - ein Enterprise Ressource Planning System am Beispiel von SAP R/3; in: Scharf, A. (Hrsg.): Nordhäuser Hochschultexte – Schriftenreihe Betriebswirtschaft, Heft 3/2007. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetztes ist ohne Zustimmung der Herausgeber nicht zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Aufgabenstellung, Zielsetzung und Einordnung in die wissenschaftlichen Arbeiten zur Simulation von Unternehmensprozessen............................................... 1 2. Regelung von Prozessen durch ERP-Systeme .............................................................. 5 3. Systemarchitektur von SIM-R/3 ..................................................................................... 6 4. Beispielprozess.................................................................................................................... 8 5. Simulationsuntersuchungen............................................................................................ 10 6. Weitere Entwicklungen ................................................................................................... 13 7. Zusammenfassung und Ausblick................................................................................... 14 1. Aufgabenstellung, Zielsetzung und Einordnung in die wissenschaftlichen Arbeiten zur Simulation von Unternehmensprozessen Wie die Bemühungen von Organisationen wie die Arbeitsgemeinschaft Simulation (ASIM) der Gesellschaft für Informatik und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in Gestalt von Richtlinien sowie die große Anzahl einschlägiger Publikationen zur Simulation zeigen, ist die Simulation ein wichtiges Analyseinstrument für die Planung und den Betrieb von Produktionsund Logistiksystemen (z.B. Rabe/Hellingrath 2001, Wenzel 2000). Im Rahmen einer „digitalen Fabrik“ können so Fertigungsanlagen am Bildschirm durchgetestet und optimiert werden, um die volle Anlagenkapazität zu erschließen und rechtzeitig Fehlerquellen zu entdecken, die ansonsten im Fabrikalltag zu sehr hohen Kosten führen. Grundlage jedes Simulationsexperiments ist ein Modell des zu untersuchenden Systems, beispielsweise eines Lagers oder einer Fertigungslinie. Dabei werden die Bearbeitungen (an Arbeitstationen) und Bewegungen (durch Transportsysteme) von Lagergütern bzw. von Werkstücken realitätsnah nachgebildet. Über Lasttests können realistische logistische Kennzahlen prognostiziert werden, Engpässe oder etwaige Konflikte wie Verklemmung (Deadlock) können aufgezeigt werden; auch eine Visualisierung der Abläufe ist möglich. Entscheidende Anforderung an das Modell ist, dass es sich ähnlich wie das Originalsystem im Hinblick auf Zielkriterien wie Servicelevelgrade, Auslastung, etc. verhält. Durch ihre Erfüllung werden auch in der industriellen Praxis solche Simulationsergebnisse als realistisch eingestuft und sind als Grundlage für z.T. weit reichende Investitionsentscheidungen wie die Planung und Gestaltung einer Werkshalle weitestgehend akzeptiert. Üblicherweise werden die realen Abläufe durch Warteschlangennetze nachgebildet, in denen die prozessbedingten Streuungen von Größen wie Bearbeitungszeiten mit Hilfe stochastischer Verteilungen wie etwa der Exponentialverteilung oder der Standardnormalverteilung angenähert werden (Amann, 1994). Darüber hinaus können externe Einflussfaktoren wie beispielsweise Kapazitätsausfall oder Absatzschwankungen ebenfalls als stochastische Größen modelliert werden. Die Regelungsentscheidungen an den Warteschlagen erfolgen dann durch einfache Prioritätsregeln wie „FirstIn-First-Out (FIFO)“. Ein solches Vorgehen ist für die Dimensionierung bzw. zur Layoutplanung von Produktionsanlagen sicher ausreichend. Bei der Verbesserung von Prozessen sind die Verfahren zur Entscheidungsfindung selbst Gegenstand von Simulationsuntersuchungen. Die Literatur zu quantitativen Planungsverfahren für die Produktionslogistik weist eine hohe Sensibilität der Lösungsgüte gegenüber selbst leichten Änderungen der Informationen nach. Bei French (1986) wird dies als Einfluss unbekannter Alternativen bezeichnet und durch das folgende Beispiel illustriert: “Suppose that a man walks into a restaurant and sees from the menu that there are only two possible main courses, rumb steak or roast chicken. He decides to have the chicken. The waiter arrives and announces that there is also Today's Special, Dover sole with a white wine and herb sauce. Immediately the man changes his mind and chooses the steak.“ Bei Planungsproblemen zeigt sich häufig, dass ein in einer deterministischen Planungssituation optimales Verfahren in einem Konzept der rollenden Planung mit einem zeitlich sich verschiebenden Planungsfenster keine optimale Lösung liefert; z.B. beim Einsatz vom Wagner-Within- 2 Frank Herrmann Verfahren zur Einprodukt-Losgrößenplanung (Tempelmeier, 2002) oder auch beim Einsatz des Johnson-Algorithmus zur Fertigungssteuerung (Herrmann, 1996). Der beobachtete Effekt liegt an dem begrenzten Horizont des zugrunde liegenden Modells und an der expliziten Annahme über die Schnittstellen zur zeitlichen Umwelt. Deswegen kann ein exaktes Verfahren nicht a priori als das Verfahren angesehen werden, das auch unter praxisnahen Einsatz-bedingungen zu den besten Ergebnissen führt; es seien wiederum die Erweiterung des Wagner-Within-Verfahrens von Tempelmeier (2002) und Stadler (2000) bzw. des Johnson-Algorithmus von Herrmann (1996) im Fall der Fertigungssteuerung als Beispiele angeführt. Durch andere Arbeiten (z.B. Nyuis, 2002 oder Gudehus, 2002) lässt sich diese Aussage verallgemeinern: Eine singuläre Betrachtung einzelner Parameter ist oftmals nicht erfolgversprechend, da die Parameter sich in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben können und Parameter, die in Laborsituationen große Auswirkungen haben, in einem Gesamtprozess nur marginale Bedeutung besitzen können. Deswegen besteht das Ziel von SIM-R/3 darin, die Auswirkungen solcher Veränderungen in einem Gesamtprozess, d.h. vom Auftragseingang bis zur Auslieferung, zu analysieren. Für aussagekräftige Ergebnisse ist die Länge des Simulationszeitraums entscheidend. Werden die Kennzahlen Arbeitsschicht für Arbeitsschicht über die bisherige Simulationszeit (also kontinuierlich) neu berechnet, so zeigt sich, dass die Schwankungen in diesen Kennzahlen mit zunehmender Simulationszeit abnehmen. Statistisch signifikante Ergebnisse liegen also dann vor, wenn die Kennzahlen stationär sind (d.h. bei längerer Simulation bleiben die Kennzahlen unverändert). In der Literatur wurde für die systematische Untersuchung von Planungsverfahren die Unterscheidung in deterministische Systeme, bei denen alle Größen vor Beginn der Planung bekannt bzw. fest vorgegeben sind, und semideterministische Systemen, die im Kern obige Überlegungen berücksichtigen, eingeführt. Mittels Simulation wurde die Analyse semideterministischer Systeme in den letzten beiden Jahrzehnten intensiv betrieben. Stellvertretend sei der Aufsatz „Simulationsgestützte Auftragsreihenfolge auf Basis von Prioritätsregeln“ von Schultmann (2002) oder auch Engell/Herrmann (1994) genannt. Anfänglich kamen dabei selbst entwickelte Simulationswerkzeuge, wie beispielsweise in Engell/Herrmann (1994) zum Einsatz. In neueren Arbeiten wird auf Standardsoftware zur Simulation zurückgegriffen; in Schultmann/ Fröhling (2002) handelt es sich um das System eM-Plant. In den genannten Arbeiten werden die Planungsverfahren direkt in die Simulationssoftware implementiert. Teilweise ist die Untersuchung auf einen Ausschnitt aus einen produktionslogistischen Prozess, wie beispielsweise die Reihenfolgeplanung in einem Flexiblen Fertigungssystem, beschränkt. Demgegenüber wurde mit diesem Projekt eine Infrastruktur geschaffen, mit denen die Planungsverfahren von ERP-Systemen analysiert werden können. Die eigentlichen Simulationsexperimente werden nach den etablierten Vorgehensweisen von Engell/Herrmann (1994) oder auch Schultmann/Fröhling (2002) durchgeführt. In SIM-R/3 wird ein realitätsnahes Modell eines produktionslogistischen Prozesses in einem Simulationswerkzeug abgebildet. Auf dem Softwaremarkt werden mehrere Simulationssysteme angeboten, z.B. von Noche/Wenzel (1991). Am häufigsten wird das System eM-Plant der Firma Unigraphics Solutions GmbH (UGS) eingesetzt, weswegen es für SIM-R/3 ausgewählt worden Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 3 ist. Im Zusammenhang mit Prozessen sei erwähnt, dass das Werkzeug ARIS der IDS Scheer AG ein Simulationsmodul, wodurch ein ARIS-Modell ins eM-Plant-System übertragen und dort simuliert wird. Durch die Anbindung von eM-Plant an das R/3-System der SAP AG wird dieser Prozess genauso wie im Unternehmen durch ein R/3-System geregelt. Dadurch hat SIM-R/3 einen Schwerpunkt auf Unternehmensprozesse, die durch SAP R/3 geregelt werden. Eine Integration von einem Simulationssystem in die Planungsverfahren von ERP-Systemen wird in der anwendungsorientierten Forschung auch an anderer Stelle verfolgt. Hauptsächlich soll dabei eine Verbesserung konventioneller ERP-Systeme, Produktionsplanungs- und –steuerungssysteme (PPS-Systemen) und Fertigungsleitstände durch die Integration der Ablaufsimulation in den Planungslauf marktgängiger Systeme erreicht werden. Konventionelle Systeme basieren nach wie vor überwiegend auf Planungsverfahren wie dem klassischen Material Requirements Planning (MRP) z. B. von Loeffelholz (2003) oder Spath et al. (2002). Schwachpunkte bei diesen Verfahren sind die Vernachlässigung der Interdependenzen zwischen den Erzeugnissen sowohl bezüglich der Kosten als auch im Hinblick auf die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Untersuchungen von Tempelmeier (2002) zeigen, dass die Vernachlässigung der kostenmäßigen Interdependenzen zur Folge haben kann, dass die minimalen Gesamtkosten, die bei einem sachlich korrekten Verfahren erreicht werden könnten, erheblich überschritten werden. Eine Vernachlässigung der kapazitätsmäßigen Interdependenzen zwischen den Produkten führt zu in der Regel nicht zulässigen, d.h. undurchführbaren Produktionsplänen. Dieser Tatbestand ist wesentlich gravierender und äußert sich bei der Umsetzung eines Produktionsplans darin, dass es zu Verspätungen und Nichteinhaltungen von Kundenaufträgen kommt. In den Unternehmen wird versucht, derartige systemimmanente Planungsmängel durch das Erfahrungswissen der Planer auszugleichen. Die dynamischen Randbedingungen dürften dennoch zu einem sehr suboptimalen Betrieb der Produktion führen. In den oben genannten Arbeiten besteht die Idee darin, dem Planer Entscheidungshilfsmittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe die Komplexität und Dynamik der aktuellen Planungssituation über einen kurzen Zeithorizont dargestellt und analysiert werden kann. So können mit Hilfe der Ablaufsimulation kapazitive und zeitliche Zusammenhänge und deren stochastische Störgrößen in verschiedenen Planungsalternativen realitätsgetreu und ereignisdiskret dargestellt werden. Dies ermöglicht eine exakte Beurteilung bestehender Abläufe ohne Störung des laufenden Betriebs (Rauh, E. et al.., 1998 und Mertins/Rabe., 2000). Konkrete Arbeiten zu diesen Ansätzen finden sich in Wanner/Czarnietzki (2006), Hampel/Müller (2003), Schaaf (2005) und Schuh (2006) wieder. Das an der RWTH Aachen entwickelte simulationsunterstützte PPS-System (Schuh, 2006) ist ein erfolgreiches Beispiel für einen solchen Ansatz. Seine Skizzierung soll die grundlegende Vorgehensweise dieses Ansatzes näher erläutern. Ausgehend von der Aufgabenreferenzsicht des Aachener PPS-Modells sowie den grundlegenden Anwendungsszenarien und Einsatzpotenzialen der Simulation wurde zunächst der organisatorische Handlungsrahmen aufgestellt. Dazu wurden die Überschneidungsbereiche der Ablaufsimulation innerhalb der PPS identifiziert und die resultierenden Aufgabenerweiterungen in einem Aufgabenmodell der simulationsunterstützten Produktionsplanung und –steuerung zusammengeführt. Da sich Produktionsunternehmen in ihrer Ablauforganisation unterscheiden und die Aufgabeninhalte im Prozesszusammenhang differieren, wurde ein Prozessreferenzmodell definiert, welches die typenbezogene Ablauforganisation der simulationsunterstützten 4 Frank Herrmann Produktionsplanung und –steuerung abbildet und damit den organisatorischen Handlungsrahmen für dieses Konzept abbildet. Wie bereits erwähnt, bezieht sich Ablauf- bzw. Materialflusssimulation grundsätzlich auf die Nachbildung kapazitiver und zeitlicher Zusammenhänge (Amann, 1994) und berücksichtigt darüber hinaus externe Einflussfaktoren wie beispielsweise Kapazitätsausfall oder Absatzschwankungen als stochastische Größen. Vor diesem Hintergrund lassen sich relevante Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung auf der Ebene des Referenzmodells dadurch identifizieren, dass sie die entsprechenden Planungsobjekte einer Mengen-, Termin- bzw. Kapazitätsplanung berühren. Zudem sind auf der langfristigen Planungsebene die Planungsobjekte der simulativen Fabrikplanung (z. B. Ressourcenstruktur oder Steuerungsregeln) von besonderer Bedeutung. Hinsichtlich dieser Planungsobjekte können mit Hilfe der dynamischen Ablaufsimulation innerhalb der PPS-Aufgaben insbesondere eine Dynamisierung von Planungsparametern und die daraus resultierende Erhöhung der Planungsgenauigkeit als Einsatzpotenziale erschlossen werden. Die Erhöhung der Planungsgenauigkeit ergibt sich dabei aus einer gleichzeitigen, gleichberechtigten und dynamischen Einplanung mehrerer beschränkt verfügbarer Ressourcen im Sinne einer Simultanplanung. Während bei klassischen MRP-Systemen im Rahmen der Mengen-, Termin- und Kapazitätsplanung mit fixen Vorlauf- und Übergangszeiten gerechnet wird, sind diese Zeiten ein dynamisch ermitteltes und beeinflussbares Ergebnis der Simultanplanung (VDI, 2000). Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verbesserung der klassischen Planungsmöglichkeiten liegt in der szenariobasierten Validierung und Visualisierung der kapazitiven und materialflussseitigen Auswirkungen von Planungsentscheidungen. Indem diese Auswirkungen vor dem Hintergrund des unternehmensspezifischen Zielssystems prospektiv bewertet werden können (VDI, 2000), zielen diese Einsatzpotenziale insbesondere auf eine Erhöhung der Planungssicherheit. Diese detaillierte Erläuterung zeigt, dass mit der Kopplung zwischen ERP-System und Simulationssystem bei diesen Arbeiten eine grundlegend andere Zielsetzung als beim SIM-R/3-System verfolgt wird. Ein mit dieser Ausarbeitung vergleichbarer Ansatz wurde bei der Untersuchung von SAP R/3 (Dispositions-) Parameter bei: Dittrich et al. (2003) gewählt. Dort wurde ein nicht näher beschriebenes, selbst entwickeltes Simulationssystem eingesetzt. Demgegenüber beschreibt diese Arbeit eine Anbindung an ein kommerziell verfügbares Simulationswerkzeug und erleichtert dadurch einen Einsatz für Kooperationsprojekte zwischen Industrieunternehmen und dem Labor für Informationstechnik und Produktionslogistik. Ferner profitiert SIM-R/3 von den Weiterentwicklungen an dem R/3-System und dem eM-Plant-System gleichermaßen. SIM-R/3 ermöglicht somit eine systematische Analyse von Parametereinstellungen, vor allem für Planungsverfahren, im R/3-System anhand eines unternehmensspezifischen Prozesses. Dies ermöglicht realistische Tests des R/3-Systems sowohl vor der in Betriebnahme als auch Parallel zum laufenden Betrieb. SIM-R/3 unterstützt somit eine weitere Optimierung eines einmal etablierten Prozesses. Erfolgt dies nicht, wird ein vorhandenes ERP-System mit der Zeit zunehmend ineffektiver genutzt, da sich die Einsatzbedingungen eines ERP-Systems und auch Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 5 die planerischen Anforderungen an ein eingesetztes ERP-System zwangsläufig mit der Zeit ändern. Nach Berensmann (2005) wird ein einmal automatisierter Prozess - sofern es sich nicht um physische Prozesse, sondern um Software handelt - oft nie wieder in Frage gestellt bzw. weiter optimiert. Aufgrund der obigen Überlegungen müsste eine Weiterentwicklung bzw. Optimierung an dem realen Unternehmensprozess über einen längeren Zeitraum getestet werden, was aus Zeitgründen nicht möglich ist. Somit besteht ein Bedarf nach einem Simulationssystem wie SIM-R/3. Die gewählte Architektur in SIM-R/3 ist so flexibel, dass auch andere ERP-Systeme an das eMPlant-System angebunden werden können; auch die Ersetzung von eM-Plant ist möglich, aber nach der aktuellen Planung nicht vorgesehen. Eine solche beabsichtigte Erweiterung erlaubt auch einen Benchmark zwischen ERP-Systemen und führt zu dem geplanten Simulations-, Test- und Benchmarking-System für ERP-Systeme (SIM-ERP). Damit können Investitionsentscheidungen in ERP-Software abgesichert werden. Im Folgenden wird zunächst die Regelung eines Prozesses durch ein SAP R/3-System beschrieben. Daraus wird eine Arbeitsweise von SIM-R/3 abgeleitet. Auf dieser Grundlage folgt die Beschreibung der Systemarchitektur. Anhand eines Beispielsprozesses wird seine Arbeitsweise erläutert. Die Planung und Auswertung von Simulationsexperimenten wird begründet. Typische Barrieren beim Einsatz von Simulationsuntersuchungen in der industriellen Praxis motivieren eine wichtige Weiterentwicklung. Im Ausblick werden die geplanten weiteren Arbeiten vorgestellt. 2. Regelung von Prozessen durch ERP-Systeme In einem Produktionsunternehmen folgt die Regelung der Produktion auf Maschinen- bzw. Anlagenebene (zusammengefasst als Arbeitsstationen) durch betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware wie einem Enterprise Ressource Planning System (ERP-System). Es sei erwähnt, dass ein MES-System eine häufig anzutreffende Alternative darstellt. Bei einer weitgehenden IT – Unterstützung gibt ein ERP–System über ein Bedienungsterminal jedem Werker den als nächstes zu bearbeitenden Teilauftrag vor (s. c in der Abb. 1). Ein Teilauftrag besteht aus einem oder mehreren Vorgängen eines Produktionsauftrags und wird nun von einem Werker bearbeitet (s. d in der Abb. 1). Nach einem Bearbeitungsende wird der Teilauftrag über ein Bedienerterminal zurückgemeldet, wobei die produzierte Gutmenge und der entstandene Ausschuss stets anzugeben sind (s. e in der Abb. 1). Zusätzlich werden weitere Eingaben verlangt, aus denen charakteristische Daten berechnet werden (s. f in der Abb. 1). Wichtige Beispiele hierfür sind auftragsbezogene Daten wie Start und Ende eines Arbeitsgangs, maschinenbezogene Daten wie Störzeiten nach Dauer und Ursache, werkzeugbezogene Daten, lagerbezogene Daten wie Zuund Abgänge, mitarbeiterbezogene Daten usw.. Eine detaillierte Auflistung befindet sich bei Scheer (1997). Nun startet dieser Prozess von neuem. 6 Frank Herrmann Regelt den Produktionsprozesss ERP - System c Teilauftrag Statusinformationen f Bearbeitung Eingabe von Rückmeldedaten e d h Automatisch durch Aufruf i von R/3Transaktionen und Anstoßen von Aktionen in eM-Plant BDE - Terminal Anstoß c der BearbeiWerker tung SAP R/3 ProduktionsProzess Regelstrecke Maschine / Anlage g eM-Plant Abbildung 1: Regelung der Produktion auf Maschinen- /Anlagenebene durch ein ERP-System wie SAP R/3 In dem Piloten wird - wie gesagt - der eigentliche Produktionsprozess, die Regelstrecke, durch ein Simulationswerkzeug abgebildet; nämlich das eM-Plant-System (s. g in Abb. 1). Als ERP-System kam das R/3-System der SAP AG zum Einsatz (s. h in Abb. 1), da die SAP AG mit ihrem R/3System der Marktführer für betriebliche Standardsoftware ist. Die Rolle von Werkern wird ebenfalls durch das eM-Plant-System übernommen. Dazu stößt SIM-R/3 für einen (als nächstes zu bearbeitenden) Teilauftrag entsprechende Aktionen im eMPlant-System an und umgekehrt bewirken Ergebnisse im eM-Plant-System (wie beispielsweise das Bearbeitungsende eines Arbeitsgangs) einen Aufruf von geeigneten R/3-Transaktionen (s. i in Abb. 1). Damit erlaubt SIM-R/3 die Regelung produktionslogistischer Prozesse durch ein R/3System über einen langen Zeitraum. Das gleiche Vorgehen wurde auf einen Gesamtprozesses – d.h. vom Auftragseingang bis zur Auslieferung – übertragen. Dies ermöglicht statistisch signifikante empirische Untersuchungen über die Auswirkungen von R/3-Parametern (wie Dispositionsparameter, Losgrößenverfahren oder Verfügbarkeitsverfahren) auf Leistungskennzahlen (wie Termineinhaltung oder Kapitalbindung) eines Gesamtprozesses. 3. Systemarchitektur von SIM-R/3 Für die oben beschriebene kooperative Verarbeitung zwischen dem SAP R/3-System und dem eM-Plant-System müssen beide Informationen ausgetauscht werden. Für ein reibungsloses Zusammenspiel und einen reibungslosen Informationsaustausch bedarf es einer Koordination der einzelnen Softwarekomponenten. Für die Kommunikation und Koordination existieren verschiedene Ansätze bei: Bengel (2000). Die einfachste Interaktion ist eine Nachrichtenübertragung. Danach würde ein Ereignis im eMPlant-System zum Start einer R/3-Transaktion als Nachricht an das R/3-System gesendet. Umgekehrt würden Ergebnisse der Ausführung einer R/3-Transaktion als Nachricht zurück zum Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 7 eM-Plant-System gesendet. Für eine solche Kommunikation zwischen dem SAP R/3-System und dem eM-Plant-System sind Nachrichtenübertragsysteme erforderlich. Der de facto-Standard für Netzwerkapplikationen auf TCP/IP-Netzen sind sogenannte TCP/IPSockets. Es handelt sich um auf einem Betriebssystem liegende Nachrichtenübertragungsysteme. Sie basieren auf dem Internet-Protokoll, erlauben einen einfachen auf „send“ und „receive“ basierenden Nachrichtenaustausch und werden von jedem Betriebssystem angeboten. Neben dieser Lösung für die Rechnerkommunikation ist es erforderlich, dass die Softwaresysteme eM-Plant und SAP R/3 diese Nachrichten verstehen. Im Fall von eM-Plant wurde die vom Hersteller zur Verfügung gestellte Socket-Schnittstelle eingesetzt. Eine solche SocketSchnittstelle steht im SAP R/3-System nicht zur Verfügung. Deswegen werden beim SAP R/3System die fraglichen Aufträge wie Kundenaufträge, Planaufträge, Fertigungsaufträge oder Lageraufträge direkt über sogenannte Business Application Programming Interfaces (BAPIs) verändert. Bei den BAPIs handelt es sich um eine Standardschnittstelle, die von SAP für solche Aufgaben realisiert worden ist. Nur wenn keine BAPIs zur Verfügung stehen – z.B. für die Umwandlung von einem Planauftrag in einen Fertigungsauftrag – werden geeignete R/3Transaktionen über eine Batch-Input Mappe aufgerufen. Für diese Kommunikation ist ein spezielles Programm (ein sogenannte Middleware) notwendig, welches Nachrichten vom eM-Plant-System interpretiert und die entsprechenden BAPIs bzw. Transaktionen in Form eines sogenannten „remote function calls (RFC)“ ausführt. Da die Programmiersprache Java diverse Klassen zur Socket-Programmierung besitzt, wurde dieses Programm in Java geschrieben. Im Detail sendet das eM-Plant-System Nachrichten über seine Socket-Schnittstelle an die Middleware (s. 1 in Abb. 2, linker Teil). Wie gerade dargestellt, erfolgt über einen „remote function call (RFC)“ (s. 2 in Abb. 2) eine Änderung von Objekten im R/3-System. Die Middleware interpretiert ferner die Rückmeldungen (im Sinne von Ergebnissen) vom R/3-System (s. 3 in Abb.2) und sendet eine geeignete Nachricht wie z.B. „vorgangRueck_complete“, als Information über eine erfolgreiche Rückmeldung im R/3-System, an das eM-Plant-System (s. 4 in Abb. 2). Für die Ausführung von BAPIs bzw. Transaktionen sind z.T. umfangreiche Informationen notwendig. Um den Kommunikationsaufwand durch das Senden der Nachrichten gering zu halten, werden nur Grundinformationen über Nachrichten übertragen. Die restlichen Informationen werden in einer Datenbank abgespeichert. Diese Daten werden vom eM-Plant-System über ihre ODBC-Schnittstelle (Open Database Connectivity) in eine Oracle Datenbank geschrieben werden (s. 5 in Abb. 2), und von der Middleware werden die erforderlichen Daten beim Aufsetzen des RFCs aus der Oracle Datenbank gelesen (s. 6 in Abb. 2). Beispielsweise werden Kundenaufträge (K-Auf) durch eine so genannte Quelle im eM-Plant-System erzeugt und, wie in der Abbildung 2 (rechter Teil) dargestellt, zunächst in eine Tabelle im eM-PlantSystem und in eine Tabelle in der Oracle Datenbank geschrieben. Dann wird dieser Kundenauftrag im eM-Plant-System wieder gelöscht. Im nächsten Schritt wird dieser Kundenauftrag über ein BAPI im R/3 angelegt. Für die Kommunikationsrichtung vom R/3-System zum eM-Plant- 8 Frank Herrmann System werden quasi umgekehrt Daten von der Middleware in die Oracle Datenbank geschrieben und vom eM-Plant-System werden Daten ebendort ausgelesen. Abbildung 2: Systemarchitektur von SIM-R/3 (links) und Ablauf „Kundenauftrag erzeugen“ (rechts) Die Architektur ist insoweit flexibel, als in SIM-R/3 jedes der beteiligten Systeme - eM-Plant, SAP R/3 und Oracle - durch ein anderes mit einem ähnlichen Funktionsumfang ersetzt werden kann. Die Schnittstellen sind ggf. anzupassen. Im Fall der Datenbank ist der Aufwand deswegen moderat, da SQL-Anweisungen verwendet worden sind, die generell in Datenbanken zur Verfügung stehen (open SQL) und nicht Oracle-spezifisch (native SQL) sind. Beim Einsatz eines alternativen ERP-Systems ist mit einem höheren Aufwand zu rechnen. Eine vergleichbar günstige Situation liegt dann vor, wenn das alternative ERP-System eine dem BAPI-Konzept vergleichbare Schnittstelle besitzt. In jedem Fall kann die Middleware unverändert bleiben. 4. Beispielprozess Durch einen sehr einfachen Produktionsprozess werden Tische in vier Varianten produziert. Jeder Tisch besteht aus Tischbeinen, einer Tischplatte und einer Lackmischung aus zwei verschiedenen Lacken. Der Produktionsablauf hat die nachfolgend beschriebene Gestalt und ist in Abbildung 3 dargestellt; das Bild zeigt zugleich die Nachbildung des Prozesses im eM-PlantSystem. Zwei Rohmateriallager dienen zur Lagerung von Tischbeinen und Tischplatten (Baustein „Lager Holz“) und den beiden Lacken (Baustein „Lager Lack“). Zur Herstellung eines Tisches werden zunächst an 4 Beinen und einer Platte Bohrungen vorgenommen und anschließend werden diese Zwischenprodukte zu einem Tisch montiert. Mit einer zwischenzeitlich erstellten Lackmischung wird der Tisch lackiert und nach dem Trocknen wird er im Fertigteilelager (Baustein „Lager Fertigteile“) eingelagert. Jeder der sechs Arbeitsschritte wird auf einer eigenen Arbeitsstation ausgeführt; s. die Bausteine „Bohren Tischbeine“, „Bohren Tischfläche“, „Montieren“, „Mischen“, „Lackieren“ und „Trocknen“ in Abbildung 3. Diese sechs Stationen bestehen aus einer Spezial- Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 9 maschine und einem Werker zur Bedienung der Maschine. Halbfabrikate bleiben im Produktionssystem d.h., sie werden nicht in einem Lager zwischengespeichert. Sie werden in Eingangs- und Ausgangspuffern vor und nach der Bearbeitung durch die Arbeitsstationen gelagert. Diese Puffer sind durch entsprechende Bausteine im eM-Plant-System abgebildet. Auf ihre Darstellung in der Abbildung 3 wurde zugunsten einer höheren Übersichtlichkeit verzichtet. Die Puffer werden nach dem FIFO – Prinzip gesteuert. Abbildung 3: Produktionsablauf Der Geschäftsprozess dieses Modellunternehmens hat folgende Gestalt und ist in Abbildung 4 dargestellt: Ein eintreffender Kundenauftrag (s. 1 in Abb. 4) über ein bestimmtes Fertigerzeugnis (Tisch) oder der errechnete Planprimärbedarf (s. 2 in Abb. 4), durch eine Absatzplanung (bzw. Beschäftigungsglättung) im R/3-System (oder einem anderen ERP-System), kann möglicherweise nicht aus dem Lagerbestand gedeckt werden. In einem solchen Fall ist ein entsprechendes Los zu produzieren. Abbildung 4: Gesamtprozess Eine solche Losbildung aus den vorliegenden Kunden- bzw. Primärbedarfen erfolgt durch einen MRP-Lauf (Material Requirements Planning) im R/3-System. Als Ergebnis ergeben sich Planaufträge (s. 3 in Abb. 4) für die Fertigung, die von der Disposition in Fertigungsaufträge umgesetzt werden. Zudem müssen die Komponenten, also der Sekundärbedarf des Tisches in ausreichender Menge bei Lieferanten bestellt werden. Die einzelnen Bestellpositionen (s. 4 in Abb. 4) werden an den Einkauf (s. 5 in Abb. 4) versandt, der daraus eine Bestellung (s. 5 in Abb. 4) für den Lieferanten erstellt. Für geringwertige und gut verfügbare Materialien ist eine Bestellung laut 10 Frank Herrmann Meldebestand vorgesehen. Sobald die einzelnen Komponenten zur Verfügung stehen, kann mit der Fertigung (s. 6 in Abb. 4) begonnen werden. Die einzelnen Schritte der Fertigung müssen jeweils im R/3–System zurück gemeldet werden (s. 7 in Abb. 4). Sind die Fertigerzeugnisse erstellt, werden diese ins Lager befördert (s. 8 in Abb. 4). Ist eine Auslieferung (s. 9 in Abb. 4) eines Kundenauftrags möglich, so wird diese automatisch veranlasst. Danach wird dieser Kundenauftrag über die Prozessschritte Fakturierung und Zahlungseingang-Ausgleichen abgeschlossen. Folgender zeitlicher Ablauf (s. Abb. 5) wird simuliert: Im Unternehmen wird werktags von 6 bis 18 Uhr produziert. Um 8 Uhr werden Bestellanforderungen im System für die Materialien erzeugt, bei denen am Vortag um 18 Uhr festgestellt wurde, dass der Meldebestand unterschritten worden ist. Um 10 Uhr liest der Einkauf die Bestellanforderungen aus dem System aus, fasst diese zusammen und erstellt darauf Bestellungen für die Lieferanten. Um 20 Uhr wird der MRP Lauf gestartet. 08:00 Uhr Erzeuge Bestellanforderungen 10:00 Uhr Erstelle Bestellungen 00:00 Uhr 18:00 Uhr Überprüfe Meldebestand 20:00 Uhr geplanter MRP-Lauf 00:00 Uhr 06:00 Uhr Produktionsbeginn Abbildung 5: Zeitlicher Prozessablauf Kundenaufträge treffen - wie üblich - zufällig im Laufe eines Tages ein (s. auch den Abschnitt über Simulationsuntersuchungen). Daher werden im Szeanrio „Kundenauftrag erzeugen“ durch einen Zufallsgenerator im eM-Plant-System zu zufälligen Zeitpunkten BEs erzeugt. Diesen werden erneut per Zufallsgenerator zufällige Mengen und Wunschliefertermine zugeordnet, wodurch Kundenaufträge entstehen. Im eM-Plant-System sind die gängigsten Verteilungfunktionen implementiert, mit denen die Realität weitestgehend nachgebildet werden kann. 5. Simulationsuntersuchungen Es ist zu erwarten, dass die Simulationsergebnisse zum einen durch den Grad der Auslastung (der Kapazitäten) des Produktionssystems und zum anderen durch den Termindruck beeinflusst werden. Ein Maß für die Auslastung ist die Nettobelastung der einzelnen Kapazitäten durch das erzeugte Produktionsprogramm, welches aus Kundenaufträgen und Planprimärbedarfen besteht. Da die Planprimärbedarfe durch das Verfahren zur Produktionsprogrammplanung bestimmt werden, unterliegen ausschließlich die Kundenaufträge einem Zufallsprozess. Planprimärbedarfe sind im Grunde zu erwartende Kundenaufträge; so wird ein eintreffender Kundenauftrag gegen einen (oder mehrere) Planprimärbedarf (-e) verrechnet. Da Unternehmen über längere Zeiträume nicht Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 11 gleichmäßig mit Aufträgen versorgt werden dürften, wird die Kundenauftragsgenerierung mit einer Belastungsamplitude je (Produktions-) Ressource von bis zu 30 Prozent vorgenommen. Der Zufallsprozess wird dabei so angelegt, dass der Mittelwert der aktuellen Netto-Belastungsgrenzen über jeweils fünf Perioden einer vorgegebenen mittleren Belastungsgrenze entspricht. Die Soll-Endtermine (bzw. Wunschliefertermine) der Kundenaufträge werden aufgrund einer stochastisch ermittelten Solldurchlaufzeit vorgegeben, so dass ein realitätsnahes, inhomogenes Termindruckgefüge zustande kommt. Es sei betont, dass die Endtermine der Planprimärbedarfe durch ein Verfahren zur Produktionsprogrammplanung errechnet werden, da – wie oben erwähnt – Planprimärbedarfe durch ein Verfahren zur Produktionsprogrammplanung bestimmt werden. Für repräsentative Aussagen von Simulationsergebnissen ist ein hinreichend langer Simulationszeitraum notwendig, durch den sich die auszuwertenden Zielfunktionen sicher im eingeschwungenen Zustand befinden. Dieser bewirkt insbesondere, dass Schwankungen beim Anlauf und Abschalten des Systems die erzielten Messergebnisse nicht signifikant beeinflussen. Die Ermittlung des Simulationszeitraum erfolgt durch die Analyse von Pilot-Simulationsläufen mit der „First In First Out“-Regel. Hierzu wird das Einschwingverhalten der Zielfunktionen über einen extrem hohen Zeithorizont aufgezeichnet. Der Zeitpunkt, ab dem alle Zielfunktionen innerhalb eines Toleranzbereichs von ±2% ihres asymptotischen Endwertes liegen, wird als Simulationszeitraum definiert. Da die FIFO-Regel eine einfache und ineffiziente Steuerungsregel ist, kann davon ausgegangen werden, dass bei Anwendung der in der Regel anspruchsvolleren Verfahren im ERP-System ein solcher ein geschwungener Zustand der auszuwertenden Zielfunktionen durch einen kürzeren Simulationszeitraum erreicht wird. In Engell et al. (1994) erwies sich ein Simulationszeitraum von 1000 Schichten als repräsentativ. Im Vordergrund der Untersuchung steht weniger die absolute, sondern vielmehr die relative Leistungsfähigkeit der Verfahrensvarianten, d. h. die Differenz der Stichprobenmittelwerte. Deswegen kann durch die Verwendung identischer Zufallsreihen bei den Simulationen verschiedener Verfahren eine Varianzreduktion der Mittelwertdifferenzen erreicht werden (vgl. Bratley et al., 1987). Ein dann zur Überprüfung der statistischen Signifikanz einzusetzendes Testverfahren für abhängige Stichproben liefert im Allgemeinen zuverlässigere Ergebnisse als dies bei unabhängigen Stichproben der Fall wäre. Alle in einem bestimmten Arbeitspunkt durchzuführenden Simulationsläufe erfolgen daher mit denselben Produkt- und Terminreihen. Zur Analyse eines produktionslogistischen Prozesses wird nicht auf das Logistikinformationssystem im R/3-System zurückgegriffen. Stattdessen werden Zielfunktionswerte wie tatsächlicher Endtermin, Lagerbestand am Ende einer Periode (auch der Bestand an angearbeiteten Werkstücken in der Produktion (work in process) oder Leerzeit einer Ressource in einer Periode direkt im eM-Plant-System erhoben. Mit solchen Werten werden dann Größen wie die Terminabweichung oder die Verspätung eines Auftrags, seine Durchlaufzeit, Größen zum Bestand und solche zur Auslastung berechnet. Somit werden die Kennzahlen erhoben, mit denen nach der Literatur die Effizienz von Logistiksystemen beurteilt werden kann. Als effizient gelten Systeme mit einer entsprechend den Unternehmenszielen möglichst optimalen Kombination aus Logistikkosten und Logistikleistung (s. Arnold et al., 2002, Weber, 1993 und Pfohl, 1990). Eine hohe Logistikleistung steht dabei im Zielkonflikt zu geringen Logistikkosten. Die Logistikleistung 12 Frank Herrmann lässt sich über die untergeordneten Ziele geringe Lieferzeit und hoher Lieferservice bewerten. Das Ziel geringe Logistikkosten ist ebenfalls durch zwei untergeordnete Ziele darstellbar, nämlich geringe Bestände und geringe Prozesskosten. Diese Überlegungen sind in der Abbildung 6 zusammengefasst. Abbildung 6: Zielsystem der Produktionslogistik Zur detaillierten Analyse einzelner Programme und Parameter des R/3-Systems wird im Rahmen einer Weiterentwicklung des Systems die Aufzeichnung weiterer Werte implementiert. Beispielsweise ist geplant*, durch Größen wie die Anzahl an Plan- und Fertigungsaufträgen sowie an gearbeiteten und freigegebenen Fertigungsaufträgen die geplanten Aufträge den bearbeiteten Aufträgen gegenüber zu stellen. Das Vorgehen bei der Analyse der belastungsorientierten Auftragsfreigabe bei Wiendahl (2004) ließe sich dadurch auf Systeme anwenden, in denen die neuesten Planungsverfahren eingesetzt werden. In Nyhuis/Wiendahl (2002) wird die Steuerung einer Produktion durch logistische Kennzahlen erläutert. Daher erscheint es sinnvoll, die Messung der Leistung eines Produktionssystems durch ebensolche Kennzahlen zu ermöglichen. Verschiedene Alternativen, an Verfahren und Parametern, können nur dann über Simulationsläufe untersucht werden, wenn die Rechenzeit der Simulationen in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen bleiben. Diese Laufzeiten hängen von der Komplexität des Modells (des Geschäftsprozesses) ab. Im Extremfall ist der Unternehmensprozess komplett in allen Einzelheiten abgebildet. Im ungünstigsten Fall wäre die Laufzeit ähnlich der Abarbeitung des Geschäftsprozesses im täglichen Betrieb. In diesem Fall sind die Rechenzeiten sicher nicht im vertretbaren Rahmen. Deswegen ist ein Modell eines Prozesses zu bilden, welches die gleiche Struktur hat, aber weniger Objekte im Sinne von Produkten, Ressourcen usw. aufweist. Solche Modelle können durch eine Einschränkung auf Engpassmaschinen oder der Clusterung von Produkten, so dass aus jedem Cluster ein Produkt für das Simulationsmodell ausgewählt wird, gebildet werden. Die Anzahl der untersuchten Alternativen kann dadurch reduziert werden, indem die Parametereinstellungen z. B. nicht mehr für jeden Teilestamm separat erfolgen, sondern es werden einheitliche Parameterwerte für ganze Teilecluster vergeben. Hiermit reduzieren sich die konfigurationsrelevanten ERP-Objekte, und die Anzahl der Simulationsexperimente kann auf ein erträgliches Maß verringert werden (vgl. Dittrich/Mertens, 1995). Um einen Eindruck über die Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 13 Größe eines gut simulierbaren Prozesses zu geben, sei der Prozess skizziert, der bei Dittrich et al. (2003) simuliert worden ist. Er basiert auf echten Daten, die der Nürnberger Zweiradhersteller Hercules-Werke GmbH zur Verfügung stellte. Der modellierte Produktionsbereich entspricht einer realen Fertigung mit 39 Betriebsmittelgruppen. Seine Produktpalette umfasst sieben Fahrradmodelle mit insgesamt 49 Varianten. Beim hier verwendeten Beispielprozess dauerte eine Simulation über 1000 Schichten, bei der insgesamt ca. 15000 Aufträge erfüllt wurden, 85 Minuten. Da bei der Implementierung des Piloten der Rechenzeit wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden ist, dürfte eine Laufzeitoptimierung zu einer deutlich geringeren Rechenzeit führen. Damit dürften auch umfangreichere Produktionsprozesse in wenigen Stunden simuliert werden können. Aus der Literatur und in tatsächlichen R/3-Projekten wurden bedeutende Auswirkungen von Parameterseinstellungen beobachtet. So wurde beispielsweise beobachtet, dass eine Variation der Auftragspuffer (zwischen einem und drei Tagen) zu einer signifikanten Schwankung der Kapitalbindung (von über 20%) führte (s. Gronau, 2001). Eine noch deutlichere Reduktion der Kapitalbindung (von bis zu 31%) trat durch eine geringe mengen- und terminmäßige Veränderung von Planprimärbedarfen gegenüber tatsächlichen Kundenprimärbedarfen (Erhöhung der Menge um 10% und Vorziehen des Termins um 3 Tage) auf. Es ist nahe liegend, dass das Ausmaß solcher Einflüsse von dem konkreten Unternehmensprozess abhängt. Durch eine realistische Nachbildung eines konkreten produktionslogistischen Prozesses erlaubt SIM-R/3 eine unternehmensspezifische systematische Analyse solcher Zusammenhänge. 6. Weitere Entwicklungen Die Arbeiten erfolgten am Innovationszentrum für Produktionslogistik und Fabrikplanung innerhalb eines internen Forschungsprojekts zur Analyse von Planungsverfahren in marktgängigen ERP-Systemen und zum Benchmark zwischen der Planung produktions-logistischer Prozesse durch verschiedene ERP-Systeme. Ein erster Prototyp von SIM-R/3 wurde in circa sechs Mannmonaten realisiert. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die erfolgreiche Anwendung heutiger Simulationswerkzeuge noch des Einsatzes spezialisierter, erfahrener Abteilungen und Simulationsexperten bedarf. Die Erfolgsaussichten für Simulationsanwendungen nicht spezialisierter Abteilungen sind aufgrund der bereits dargestellten Komplexität heutiger Produktionssysteme meist mangelhaft. Wenn Projekte zur Verbesserung des Produktionsbetriebs jedoch durch Methoden zur Erstellung von Simulationsmodellen und durch einfacher zu bedienende Software unterstützt würden, wäre eine erhebliche Steigerung der Erfolgsaussichten dieser Projekte zu erwarten (Korves, 2001, Cisek, 2001, Reinhard, 1997). Hierfür sind Möglichkeiten zu schaffen, welche die Abbildung von Produktionssystemen in Simulationsmodellen und die anschließende szenariobasierte Simulationsdurchführung mit Hilfe einer aufgabenspezifischen Modulentwicklung sowie benutzerdefinierten Umfängen wesentlich vereinfachen. Eine zweite wesentliche Barriere für die Anwendung der Simulationstechnik innerhalb der PPSSystems liegt in der zeitraubenden Erhebung, Bereitstellung und Konvertierung der für eine 14 Frank Herrmann Simulation erforderlichen Daten. Die Aufgaben zur Durchführung einer Simulationsstudie (Datenaufbereitung, Modellierung, etc.) zeigen enge inhaltliche und kausale Überschneidungen mit den Aufgaben des Controllings und der Datenverwaltung. So stehen bereits häufig in der ERP-Datenbank die erforderlichen Informationen (z. B. Stücklisten, Arbeitspläne, Ressourcenstamm, etc.) zum -Aufbau eines Simulationsmodells zur Verfügung (s.Feldmann et al., 1997). Ebenso ist die Informationsaufbereitung bzw. -bewertung im Rahmen des Controllings eine elementare Voraussetzung für die Modellierung bzw. Ergebnisvisualisierung bei der Durchführung einer Simulationsstudie. So soll eine Modul „Initialisierung“ mit den Teilaufgaben Modellierung und Instanziierung als Bindeglied zwischen den Datenaufbereitungs- bzw. Bewertungsfunktionen des Controllings und der Modellbildung für die eigentliche Simulationsuntersuchung entwickelt werden. Dabei wird die Realität durch die Teilaufgabe „Modellierung“ in ein eM-Plant-Modell abgebildet, welches unter Rückgriff auf vordefinierte und hierarchisierte Simulationselemente (z. B. Lager-, Transport- oder Bearbeitungselemente) die realen Produktionsressourcen, -abläufe und Steuerungsregeln repräsentiert. Während der Instanziierung erfolgt die Belegung des Modells mit den aktuellen Leistungsdaten des Systems. Dabei wird den Simulationselementen die geplante Auftragslast (Plan- und Kundenaufträge) zusammen mit den Ausgangswerten der jeweils relevanten Planungsparameter aufgeprägt. 7. Zusammenfassung und Ausblick Die Arbeit zeigt, dass mittels kommerziell verfügbarer Standardsoftware die Regelung produktionslogistischer Prozesse in einem Unternehmen simuliert werden kann. Erste Tests mit einem implementierten Piloten von SIM-R/3 zeigen, dass eine Simulation produktionslogistischer Prozesse über viele Jahre nur wenige Stunden Systemrechenzeit in Anspruch nimmt. Damit sind realitätsnahe Analysen verschiedener Parametereinstellungen, verfügbarer Verfahren etc. im R/3System für realistische Unternehmensmodelle durch statistisch signifikante empirische Untersuchungen möglich. Ebenso können unterschiedliche Produktionsprozesse aufgrund geänderter Produktionsverfahren, Arbeitsschritte und dergleichen mehr analysiert werden. Wegen der flexiblen Systemarchitektur kann das R/3-System durch ein anderes ERP-System ersetzt werden, was einen Leistungsvergleich zwischen ERP-Systemen ermöglicht. Die aktuelle Literatur (z.B. Tempelmeier, 2002) über quantitative Planungsverfahren zeigt, dass substantielle Ergebnisverbesserungen nur durch die Ausnutzung der speziellen Struktur der Planungsprobleme erreichbar sind. Dies impliziert eine Abhängigkeit von der konkreten Unternehmensstruktur. Deswegen sollten solche Algorithmen individuell für ein Unternehmen entwickelt werden und können nicht als Teil von Standardsoftware angeboten werden. Mit SIM-R/3 (und später SIM-ERP) können solche Planungsalgorithmen direkt in das eM-Plant-System integriert werden. Wiederum anhand einer realistische Nachbildung eines konkreten, unternehmensspezifischen produktionslogistischen Prozesses können diese Planungsalgorithmen getestet und insbesondere deren ihre Verbesserungen können gegenüber Lösungen in Standardsoftware quantifiziert werden. Deswegen kann zusammenfassend festgestellt werden, dass das hier vorgestellte Simulationssystem zur Regelung eines Produktionsprozesses mit SAP R/3 (SIM-R/3) einen wichtigen Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 15 Beitrag für eine Kosten-Nutzen-Analyse und Parametrisierung unterschiedlicher produktionslogistischer Strategien für einen konkreten Produktionsprozess leisten kann. Durch Kooperationen mit Industrieunternehmen in der Region Regensburg soll der Einsatz von SIM-R/3 zum Test des R/3-Systems sowohl vor der in Betriebnahme als auch parallel zum laufenden Betrieb evaluiert werden. Um die Potentiale der produktionslogistischen Parameter und Verfahren des R/3-Systems im Detail zu erschließen, werden am Innovationszentrum für Produktionslogistik und Fabrikplanung Experimente mit einem komplexeren Produktionsprozess durchgeführt. Simulation der Regelung von Unternehmensprozessen 17 Literaturverzeichnis Amann, W. 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