Hausarbeit von Julia Bumann - MKW Blog

Transcription

Hausarbeit von Julia Bumann - MKW Blog
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für
Medienkulturwissenschaft
JUGENDWAHN UND GESELLSCHAFT
EINE KULTURWISSENSCHAFTLICHE ANALYSE AM BEISPIEL VON
OSCAR WILDES „DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY“
Hausarbeit im Rahmen des Seminars
„Le langage de la folie-Wahnsinn, Kunst, Gesellschaft“
Eingereicht bei:
Carolin Abeln
Eingereicht von:
Julia Bumann
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ....................................................................................................................... 3
2 Geschichte des Jugendwahns ......................................................................................... 4
2.1 Versuch einer Kategorisierung der Begriffe Wahn und Jugendwahn ..................... 4
2.2 Jugendwahn im historischen Kontext ..................................................................... 6
3 Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“ ............................................................. 8
3.1 Das Gesellschafts-und Weltbild Oscar Wildes ....................................................... 8
3.2 Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ ........................................................ 9
3.3 Betrachtungsweisen von Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“ ............ 10
4 Jugendwahn im kulturwissenschaftlichen Vergleich ................................................... 12
4.1 Umgang mit Jugendwahn in der heutigen Gesellschaft ........................................ 12
4.2 Die Wahrnehmung von Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“ im ....... 13
Vergleich mit dem medialen Gesellschaftsbild des 21. Jahrhunderts .......................... 13
5 Fazit .............................................................................................................................. 14
6 Literaturverzeichnis...................................................................................................... 16
6.1 Primärliteratur: ...................................................................................................... 16
6.2 Sekundärliteratur: ................................................................................................... 16
7 Antiplagiatserklärung .................................................................................................... 18
2
1
Einleitung
„Jugend! Jugend! Es gibt absolut nichts auf der Welt als Jugend!“
1
In der
Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts ist der Jugendwahn der Gesellschaft
allgegenwärtig. Die Werbung verspricht künstliche Verlängerung der Jugend, sei es mit
Hilfe von Haarwuchsmitteln, Anti-Aging Cremes oder operativen Eingriffen. Die Angst
vor dem Alter und der Wunsch nach ewiger Jugend und Schönheit eröffnen einen
vielfältigen Markt, der in den vergangenen Jahrzehnten stark angewachsen ist. Film und
Fernsehen werden von jungen, schönen Menschen dominiert, die nie alt zu werden
scheinen. Zumindest äußerlich wird versucht, das Altern so lange wie möglich
hinauszuzögern. So versuchte beispielsweise Michael Jackson bis zu seinem Tod als
Junge durchzugehen und Stars wie Madonna bemühen sich, mit Mitte 50 noch immer wie
20 zu wirken. 2 Der Jugendwahn der Gesellschaft hat seinen bisherigen Höhepunkt
erreicht. Doch die Sehnsucht nach ewiger Jugend, ebenso wie der Wahnsinn selbst, ist
kein Phänomen der Moderne, sondern so alt wie die Menschheit selbst. Das einführende
Zitat stammt aus Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“, der 1890 erstmals
veröffentlicht wurde.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Jugendwahn kulturgeschichtlich einzuordnen und anhand
des Literaturbeispiels „Das Bildnis des Dorian Gray“ zu veranschaulichen. Dafür wird
zunächst versucht, die Begriffe „Wahn“ und „Jugendwahn“ zu definieren und sie in den
historischen Kontext einzuordnen. Im nachfolgenden Kapitel soll betrachtet werden,
inwiefern Oscar Wilde sich in seinem Werk „Das Bildnis des Dorian Gray“ mit den
Begriffen Wahn und Jugendwahn auseinandersetzt und welches Gesellschaftsbild er in
diesem Zusammenhang skizziert. Ausgehend von Oscar Wildes Werk folgt der Übergang
zu den aktuellen Entwicklungen des Jugendwahns in der heutigen Gesellschaft. Als
Beispiel für die kulturelle und historische Entwicklung des Jugendwahns dient der
abschließende Vergleich der Darstellungsweise von Jugendwahn in Oscar Wildes „Das
Bildnis des Dorian Gray“ mit der Darstellung des Jugendkults in der Medienwelt des 21.
Jahrhunderts.
1
2
Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, S. 36.
Vgl. Ingrid Füller, Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit.
3
2
Geschichte des Jugendwahns
2.1
Versuch einer Kategorisierung der Begriffe Wahn und Jugendwahn
„Wo jeder feste Punkt fehlt, kann der Wahnsinn ebenso gut Vernunft
und das
Bewusstsein vom Wahnsinn heimliche Gegenwart, Kriegslist des Wahnsinns selbst
sein.“3 In seinem Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“ erklärt Michel Foucault, dass die
Unterscheidung
zwischen
Wahnsinn
und
Vernunft
einer
kulturellen
und
gesellschaftlichen Entwicklung zugrunde liegt. Er vertritt die Auffassung, dass es eine
Art Ausgangszustand gab, in dem Wahnsinn noch nicht durch die Trennung zwischen
Vernunft und Unvernunft festgelegt war. Foucault macht deshalb deutlich, dass die
Vorstellungen von Wahnsinn ein Produkt historischer und kultureller Bedingungen sind.
„Wahnsinnig ist man nur in Bezug auf eine gegebene Gesellschaft. Der soziale Konsensus
begrenzt die fluktuierenden Zonen der Vernunft und Unvernunft.“ 4 Er beschreibt die
Tabus, Verbote und Trennungen im Umgang mit dem Wahnsinn, die sich in einer Kultur
bilden:
5
„Die Geschichte des Wahnsinns zu schreiben wird also heißen: eine
Strukturuntersuchung der historischen Gesamtheit – Vorstellungen, Institutionen,
juristische und polizeiliche Maßnahmen, wissenschaftliche Begriffe – zu leisten, die einen
Wahnsinn gefangen hält, dessen ungebändigter Zustand in sich selbst nie
wiederhergestellt werden kann.“6
Die Erklärungsversuche und Definitionen von Wahnsinn sind ebenso vielfältig wie die
unterschiedlichen Erscheinungsformen von Wahnsinn. Bis heute gibt es keine
einheitliche Definition. Das gesteht auch Foucault ein: „Es gibt kein angeblich noch so
objektives oder sich allein auf die Wissenschaft stützendes Wissen vom Wahnsinn.“ 7 Aus
diesem Grund werden in dieser Arbeit verschiedene
Betrachtungsweisen von Wahnsinn aufgezeigt. Der Begriff „Wahn“ kann etymologisch
vom altgermanischen Wort „wan“ abgeleitet werden, was zunächst soviel wie
„begehren“, „erstreben“ oder „ersehnen“ bedeutet. Im Lauf der Jahrhunderte kam es zu
einer Bedeutungsverschiebung hin zu „fälschlicher Glaube“, „Einbildung“ oder
„Täuschung.“ „Wahn ist ein krankhafter und für das normale Denkvermögen meist
widerlegbarer Glaube, wobei wir unter Glaube das Festhalten an einer Vorstellung infolge
3
Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, S. 7.
Ebd., S. 8.
5
Vgl. Regina Becker-Schmidt, Die Gesellschaft und die Wahnsinnigen, S. 7.
6
Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, S. 13.
7
Ebd., S. 162.
4
4
affektiver und nicht infolge logischer Nötigung verstehen.“
8
Nach diesem
Definitionsversuch von Franz Keller ist Wahn auf „ein Missverhältnis zwischen Affekt
und logischer Kraft“ 9 zurückzuführen, der sich in unterschiedlichen Wahnformen,
beispielsweise Hysterie oder Melancholie, äußern kann.
10
Eine Untersuchung des
Wahnproblems des Psychologen und Psychiaters Manfred Spitzer hat ergeben, dass es
keine allgemein akzeptierten Aussagen oder Definitionen darüber, was Wahn ist, gibt.
Diese Erkenntnis steht jedoch im Gegensatz zum allgemeinen Konsens darüber, was
Wahn sein kann. Spitzer vertritt die Ansicht, dass trotz Definitionsproblemen in der
klinischen Praxis bestimmte Kriterien von Wahnsinn erfüllt werden können. 11 In der
Psychiatrie fand der Begriff „Wahn“ erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts Anwendung.12
Auch Eitelkeit und Hochmut können sich in wahnhaften Formen äußern, in Form von
verstärkter
Selbstbezogenheit,
übertriebenem
Anerkennungsbedürfnis
oder
der
Entstehung einer Scheinverwirklichung. 13 In diesem Zusammenhang entstehen auch
Schönheits-und Jugendwahn, denen vor allem die Angst vor dem Alter und vor dem Tod
zugrunde liegt. 14 Zahlreiche Untersuchungen haben sich damit auseinandergesetzt, ob
gewisse Wahnformen zu bestimmten Zeiten in unterschiedlichen Kulturen mit
abweichenden Häufigkeiten auftreten. Doch „der Jugendkult ist der Geschichte der
europäischen Ideen und Werteentwicklung zutiefst eingeschrieben.“ 15 Diese Arbeit
konzentriert sich jedoch auf die Erscheinungsformen von Jugendwahn in der Gesellschaft
des westlichen Europas, dessen historische Entwicklung im Folgenden dargestellt werden
soll.
8
Franz Keller, Eitelkeit und Wahn. Eitelkeit als Charakterschwäche und als Größen-und
Verfolgungswahn, S. 49.
9
Ebd., S. 50.
10
Ebd.
11
Vgl. Manfred Spitzer, Was ist Wahn? Untersuchungen zum Wahnproblem, S. 1.
12
Vgl. Harald Blonski, Entstehung und Geschichte des Begriffs „Wahn“, S. 15.
13
Vgl. Ebd., S. 29.
14
Vgl. Elisabeth Hellmich, Forever young? Die Unsichtbarkeit alter Frauen in der
Gegenwartsgesellschaft, S. 27.
15
Leopold Rosenmayr, Alter und Jugend: Historische Ideen, soziale Realisierung,
S. 68.
5
2.2
Jugendwahn im historischen Kontext
„Die Spannung zwischen Geburt, Jugend, Alter und Tod beschäftigte die Menschen schon
immer, jedoch war Alter(n) fortdauernd mit Tabus besetzt.“16 Sowohl in der Bildenden
Kunst als auch in der Literatur zeigt sich die historische Entwicklung der
gesellschaftlichen Einstellung dem Alter gegenüber. Sie ist das Ergebnis historischer
Traditionen, die bis in die heutige Gesellschaft fortwähren.17
Schon in der Antike versuchten die Menschen ihre Körper so lange wie möglich jung zu
halten, durch Sport und Bäder in heißen Quellen. Sogenannte Statuen der Kouroi – der
jungen Männer – waren Idole der griechischen Stadtstaaten. Sie wurden als Zeichen der
Entfaltung der kulturellen Macht aufgestellt.18 Auch Hippokrates, der als Begründer der
Medizin als Wissenschaft gilt, rief zu einer maßvollen Lebensweise auf, um den Körper
so lange wie möglich jung und gesund zu halten. Die griechische Mythologie beschäftigte
sich ebenfalls bereits mit der Angst vor dem Verfall des Körpers. So kann zum Beispiel
Eos, die Göttin der Morgenröte, den physischen Verfall ihres einst sehr attraktiven
Liebhabers Tithonos nicht ertragen. Aus Mitleid über sein Dahinsiechen wird er
schließlich von Zeus in eine Zikade verwandelt.19
Im Mittelalter wurde der alternde Körper im Motiv der Lebenstreppe im Verlauf der
dargestellten Lebensphasen zunehmend abstoßender und hässlicher dargestellt. Die
Stufen sind Symbol für den Abstieg des Menschen hin zum Tod. 20 Im Spätmittelalter
stellte der Theologe und Philosoph Meister Eckhart eine Theorie der Verjüngung auf: Die
Seele ist laut Meister Eckhart ewig jung, aber sie wird durch ihre Arbeit mit dem Körper
ermüdet. Daher ist das Altern ein Belastungsprozess der Seele durch den Körper. Der
Mensch kann der Theorie nach ewig jung sein, er muss nur regelmäßig wieder zu seiner
Jugend erweckt werden.21 Ein weiteres Symbol für die Sehnsucht der Menschen nach
ewiger Jugend stellt das 1546 entstandene Gemälde Der Jungbrunnen von Lucas Cranach
dar. Es zeigt alte Frauen, die zu einem Bad kommen und das Becken auf der anderen Seite
als wieder jung und schön gewordene Mädchen verlassen.22
16
Uta Tschirge, Anett Grüber Hrcan, Ästhetik des Alters, S. 19.
Vgl. Ebd., S. 28.
18
Vgl. Leopold Rosenmayr, Alter und Jugend: Historische Ideen, soziale Realisierung, S. 68.
19
Vgl. Ingrid Füller, Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit.
20
Vgl. Uta Tschirge, Anett Grüber Hrcan, Ästhetik des Alters, S. 78f.
21
Vgl. Leopold Rosenmayr, Alter und Jugend: Historische Ideen, soziale Realisierung, S. 71.
22
Vgl. Ingrid Füller, Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit.
17
6
In der Renaissance entwickelte sich erstmals ein ambivalentes Bild des Alters. Einerseits
wurden alte Menschen zwar als würdig und weise dargestellt, gleichzeitig fand jedoch
auch die Hässlichkeit und Abscheulichkeit der Darstellungen des alten Körpers ein bis
dahin unbekanntes Ausmaß. Die Schriftsteller Erasmus und Marot schrieben
beispielsweise von „stinkenden Gerippen“ und „wandelnden Leichnamen.“ 23 Im 17.
Jahrhundert versuchten Künstler wie Rembrandt oder Van Dyck die Hässlichkeit des
Alters zu betonen statt zu vertuschen, da sie den gealterten Körper als besonders
ausdrucksstark erachteten. Gleichzeitig stellte der alte Körper für Maler wie Reni und De
Bisschop eine Art von Hässlichkeit dar, die geschönt werden musste. 24 Der Wunsch nach
Schönheit und Jugendlichkeit blieb allgegenwärtig. Goethe beispielsweise glorifiziert in
seinem Faust die Jugendlichkeit, indem der alte Faust als Opfer seiner Endlichkeit
erscheint und versucht diese mit Hilfe des Teufels zu überwinden.25
Im 19. Und 20. Jahrhundert wurden die Darstellungen vielfältiger und es können keine
repräsentativen Aussagen gemacht werden. Jedoch ist die Moderne davon geprägt, dass
viele Darstellungen die Realität verleugnen und beschönigen. So malte sich
beispielsweise Goya mit 70 Jahren als 50-Jährigen. 26 Ebenfalls vorherrschend ist die
Angst vor dem Verfall der körperlichen Schönheit: „Man wird nicht schöner, wenn man
älter wird“ schrieb Erich Kästner. Und auch Thomas Manns Protagonist in „Der Tod in
Venedig“ ist angeekelt vom Anblick seines alternden Körpers und verehrt einen
adonisgleichen Jugendlichen.27 Eines der bekanntesten Werke, das sich mit Jugendwahn
auseinandersetzt, ist „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde. Die Angst vor dem
physischen Verfall und die damit zusammenhängende Unfähigkeit seelisch zu reifen hat
sich seit dem Jahr 2000 sogar in der Psychologie als „Dorian-Gray-Syndrom“ etabliert.28
Inwiefern die Verherrlichung der Jugend bis hin zum Wahn in diesem Roman
Anwendung findet soll im Folgenden erläutert werden.
23
Uta Tschirge, Anett Grüber Hrcan, Ästhetik des Alters, S. 82.
Vgl. Ebd., S. 79f.
25
Vgl. Ebd., S. 82.
26
Vgl. Ebd.
27
Vgl. Ebd., S. 80ff.
28
Vgl. Burkhard Brosig, Was beschreibt das Dorian-Gray-Syndrom?
24
7
3
Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“
3.1
Das Gesellschafts-und Weltbild Oscar Wildes
„Basil Hallward is what I think I am: Lord Henry what the world thinks of me: Dorian is
what I would like to be,“ 29 schrieb der irische Schriftsteller Oscar Wilde an einen
Bewunderer. Wilde lag nicht nur sehr viel daran, sich selbst in seinen Werken zu
inszenieren, sondern auch daran, seine Werke der Welt erklären zu wollen. 1854 wurde
er in Dublin geboren. Er studierte klassische Literatur am Trinity College in Dublin und
anschließend am Magdalen Collge in Oxford – beides mit glänzendem Erfolg.30 Während
seiner Zeit in Oxford vertiefte Wilde seine „Begeisterung für das Griechentum und den
damit verbundenen homoerotischen Kult männlicher Schönheit als eine Form des
ästhetizistischen Protests gegen die Banalität viktorianischer Existenz.“31 Nach seinem
Studium ließ Wilde sich 1880 in London nieder, wo er sich schnell einen Namen als
Dandy32 und Vertreter des Neuen Hedonismus33 machte. 1884 heiratete der homosexuelle
Oscar Wilde Constance Lloyd, mit der er zwei Kinder hatte. Wilde arbeitete zunächst für
die Paul Mall Gazette und anschließend als Herausgeber der Zeitschrift „Womans
World“34 Außerdem veröffentlichte Wilde regelmäßig eigene Werke. Bekannt wurde vor
allem eine Märchensammlung, die er für seine Söhne geschrieben hatte, sowie seine
Gesellschaftskomödien, zum Beispiel „The Importance of Being Earnest“ oder „An Ideal
Husband.“35
Die Ideen und Motive, die in Wildes Märchen und Erzählungen bereits anklingen, fasste
er 1890 in seinem ersten und einzigen Roman zusammen: „Das Bildnis des Dorian
Gray“36 erregte großes Aufsehen und gilt als eines der Hauptwerke Oscar Wildes und
spiegelt sein Gesellschaftsbild wider. Es wird sowohl der Hedonismus im Viktorianismus
29
Diana Tappen-Scheuermann, Literarischer Narzissmus, S. 142.
Vgl. Michael Patrick Gillespie, The Picture of Dorian Gray – „What the world thinks of me“,
S. 12.
31
Manfred Pfister, Oscar Wilde: The Picture of Dorian Gray, S. 27.
32
Der Begriff des „Dandy“ fand hauptsächlich in England gegen Ende des 20. Jahrhunderts
Anwendung. Das „Sachwörterbuch der Literatur“ von Gero von Wilpert definiert den „Dandy“
als Typ des eleganten, extravaganten und egozentrischen Lebe-und Genussmenschen mit seinem
Horror vor dem Alltäglichen und Trivialen.
33
Nach dem Duden wird der Begriff „Hedonismus“ folgendermaßen festgelegt: „Anschauung,
nach der das höchste ethische Prinzip das Streben nach Sinnenlust und -genuss ist, das private
Glück in der dauerhaften Erfüllung individueller physischer und psychischer Lust gesehen wird.“
34
Vgl. Michael Patrick Gillespie, The Picture of Dorian Gray, S. 13.
35
Vgl. Noreen Doody, Facts and Fictions of Life, S. 34.
36
Der englische Originaltitel des Romans lautet „The picture of Dorian Gray.“
30
8
und die Dekadenz der englischen Oberschicht thematisiert, als auch der Ästhetizismus,
den Wilde proklamierte. 37 Das Vorwort des Romans kann als eine Hymne auf den
Ästhetizismus betrachtet werden. 38 Wilde verachtete die viktorianische Gesellschaft
zwar, war jedoch gleichzeitig immer sehr bemüht um das Bild, das sie sich von ihm
machte.39 „Wie der Dandy, der im Dorian Gray und in seinen Dramen eine so wichtige
Rolle spielt, brauchte er ein Publikum, vor dem er sich in Szene setzen konnte und das er
gleichzeitig durch seine Missachtung provozieren und durch seinen Witz und Charme
fesseln wollte.“40 Kritiker stellten auch immer wieder autobiografische Bezüge zu „Das
Bildnis des Dorian Gray“ her. Zudem wurde das Werk 1895 sogar in einem Prozess
wegen Unzucht gegen Wilde verwendet, weil er sexuellen Kontakt mit jungen Männern
gehabt hatte. Wilde konnte seine Homosexualität im viktorianischen England nur im
Verborgenen ausleben, auch wenn er für seine Zeit ziemlich offen mit seiner Sexualität
umging. Als sie schließlich öffentlich wurde, wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus mit
Zwangsarbeit verurteilt, an deren Folgen er 1900 starb.41
3.2
Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“
„Das Bildnis des Dorian Gray“ erzählt die Geschichte eines außergewöhnlich schönen
jungen Mannes namens Dorian im ausgehenden 19. Jahrhundert, der durch seine
jugendliche Schönheit zur Muse des Malers Basil Hallward wird. Als dieser ein Portrait
von Dorian anfertigt, weist sein Freund Lord Henry Wotton, der großen Einfluss auf
Dorian ausübt, Dorian darauf hin, dass die Schönheit des Portraits, im Gegensatz zur
Schönheit von Dorians sterblichem Körper, unvergänglich ist. Dorian wird im Folgenden
so besessen von der Sehnsucht nach ewiger Jugend, dass er sich wünscht, das Portrait
möge an seiner Stelle altern. Dieser Wunsch geht in Erfüllung, sodass Dorian ein
ausschweifendes Leben ohne jede Hemmungen führen kann, ohne dass sein Körper
Das Magazin „Wissen Digital“ beschreibt Ästhetizismus als eine Kunst- und
Lebensanschauung, die das Schöne gegenüber anderen Werten verabsolutiert und die
Selbstgenügsamkeit der Kunst postuliert.
38
Vgl. Michael Patrick Gillespie, The Picture of Dorian Gray – „What the world thinks of me“,
S. 54f.
39
Vgl. Manfred Pfister, Oscar Wilde: The Picture of Dorian Gray, S. 25.
40
Ebd.
41
Vgl. Michael Patrick Gillespie, The Picture of Dorian Gray – „What the world thinks of me“,
S. 15.
37
9
irgendwelche Spuren davonträgt. Er wird zunehmend grausamer und verfällt schließlich
dem Wahnsinn, der damit endet, dass er das Portrait zerstört und daraufhin stirbt.42
3.3
Betrachtungsweisen von Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“
„Ich weiß jetzt, wenn man sein gutes Aussehen verliert, [...] verliert man alles.“43 Dorian
Gray ist sich zu Beginn der Handlung seiner Wirkung auf die Umwelt und der Bedeutung
seines Aussehens nicht bewusst. Erst Lord Henry Wotton zeigt ihm, wie wichtig
Aussehen und Jugend für seine Stellung in der Gesellschaft ist. Die Ausstrahlung, die er
durch seine jugendliche Schönheit hat, eröffnet ihm viele Möglichkeiten. Insbesondere in
der gehobenen Gesellschaft des englischen Adels verleiht sie ihm Zutritt und
Aufmerksamkeit.
„Dann war Lord Henry Wotton mit seiner seltsamen Hymne auf die Jugend
gekommen, seiner schrecklichen Warnung vor deren Kürze. Sie hatte ihn bewegt,
und nun, als er auf den Schatten seines eigenen Liebreizes blickte, durchzuckte
ihn die volle Realität dieser Beschreibung.“44
Als Dorian diese Wirkung realisiert, erwacht der Wunsch nach ewiger Jugend in ihm.
„Ewige Jugend, unendliche Leidenschaft, feine und geheime Vergnügen, wilde Freuden
und noch wildere Sünden – das alles sollte er haben. Das Portrait sollte die Last seiner
Scham ertragen: Das war alles.“ 45 In einem unüberlegten Moment der Angst spricht
Dorian seinen verheerenden Wunsch aus. Als er zum ersten Mal eine Veränderung in der
Erscheinung des Portraits bemerkt und realisiert, dass sich sein Wunsch erfüllt hat,
erschrickt er zunächst. „Er hatte den wahnsinnigen Wunsch geäußert. [...] Ganz plötzlich
war auf sein Gesicht der scharlachrote Fleck gefallen, der wahnsinnig macht.“46 An dieser
Stelle wird bereits vorausgedeutet, dass Dorian durch seinen Wunsch nach ewiger Jugend
dem Wahnsinn verfallen wird. Durch den Einfluss des hedonistischen Lord Henry führt
Dorian im Verlauf der Handlung ein zunehmend ausschweifendes Leben, wobei er sein
Aussehen, welches unverändert jung und schön bleibt, skrupellos ausnutzt. Seine Jugend
verleiht ihm Macht und Einfluss. „Anmut besaß er und die weiße Reinheit der Knabenzeit
und eine Schönheit, wie die alten griechischen Marmorstatuen sie (uns) bewahrten. Es
42
Vgl. Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray.
Ebd., S. 39.
44
Ebd., S. 38.
45
Ebd., S. 136.
46
Ebd., S. 117f.
43
10
gab nichts, was man nicht mit ihm tun konnte.“ 47 Die Verehrung Dorians macht deutlich,
welchen Stellenwert Jugendlichkeit in Oscar Wildes Roman einnimmt. Immer wieder
wird auch durch Äußerungen der anderen Charaktere deutlich, wie wichtig Jugend für die
gesellschaftliche Stellung ist und welche Bedeutung der Wunsch nach ewiger Jugend in
ihrem Leben einnimmt: „Um wieder jung zu werden, würde ich alles auf der Welt tun
außer Übungen machen, früh aufstehen oder ehrbar sein. Jugend! Etwas Vergleichbares
gibt es nicht. Das Gerede von der Unwissenheit der Jugend ist absurd,“ 48 sagt zum
Beispiel Lord Henry. Die Einstellung der Charaktere des Romans gibt wieder, welches
Gesellschaftsbild Wilde erfuhr. Doch Dorians ewige Jugend ist nur äußerlich. Den Verfall
seiner Seele und seines Geistes kann auch er nicht aufhalten. Die Veränderungen in
Dorians Seele durch sein skrupelloses Handeln werden durch das Portrait
widergespiegelt. Den Höhepunkt seiner Grausamkeit erreicht Dorian in dem Moment, in
dem er seinen Freund Basil Hallward umbringt, da dieser sein Geheimnis entdeckt. In der
Folge dieser Gräueltat ist Dorian Gray endgültig nicht mehr Herr seiner selbst. Besonders
deutlich macht diese Entwicklung die Äußerung Sir Alan Campbells, den Dorian darum
bittet, den Leichnam Basils für ihn zu vernichten: „Du bist wahnsinnig, Dorian. [...] Ich
sage dir, du bist wahnsinnig – wahnsinnig, dir einzubilden, ich würde auch nur einen
Finger krümmen, dir zu helfen, wahnsinnig, mir dieses monströse Geständnis zu
machen.“49 Es gelingt Dorian trotz seines nach wie vor makellosen Aussehens nicht, die
Hässlichkeit und Grausamkeit seiner Seele zu verbergen und zerbricht schließlich an
dieser Trennung von Körper und Geist. „Was war die Jugend bestenfalls? Eine grüne,
unreife Zeit, eine Zeit seichter Launen und kranker Gedanken. Warum hatte er ihr Kleid
getragen? Die Jugend hatte ihn verdorben.“50 Trotz äußerlich ewiger Jugend kann auch er
schließlich dem Tod nicht entgehen.
47
Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, S. 51.
Ebd., S. 269.
49
Ebd., S. 212.
50
Ebd., S. 275.
48
11
4
Jugendwahn im kulturwissenschaftlichen Vergleich
4.1
Umgang mit Jugendwahn in der heutigen Gesellschaft
„Medien
konstruieren
Wirklichkeit.“
51
Durch
die
Vielfalt
der
Darstellungsmöglichkeiten in den Neuen Medien verschwimmen die Grenzen zwischen
Realität und Virtualität. Mit der Erfindung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts
begann ein Bildzeitalter in dem Schönheit und Jugend eine große Bedeutung einnehmen.
52
„Dieser Prozeß der Visualisierung im Zeitalter der elektronischen Kommunikations-
und Massenmedien durchzieht im 20. Jahrhundert den gesamten Gesellschaftskörper.“53
Durch die Erfindung des Films und die rasende Entwicklung des Internets wurde das
Spektrum der Darstellungsmöglichkeiten zusätzlich erweitert. Die Qualität der Bilder ist
so gut, dass auch die kleinsten Mängel des menschlichen Körpers sichtbar werden. Doch
durch den hohen Standard der technischen Entwicklung können diese Mängel retuschiert
und beseitigt werden. Auf diese Weise entsteht ein neues Wirklichkeitsbild. Der
menschliche Körper wird bis zur Perfektion inszeniert. Als Maßstab für Perfektion gelten
dabei vor allem Jugend und Schönheit. 53
Gleichzeitig wächst die Angst vorm Alter. Viele Menschen haben Hemmungen das Wort
„Alter“ zu verwenden. Stattdessen werden Bezeichnungen wie SeniorInnen, älter,
Ruhestand oder dritte Lebensphase verwendet. Zurückzuführen ist diese Angst auf das
Altersbild, das in der Gesellschaft vorherrscht: Jugend wird gleichgesetzt mit
Leistungsund Arbeitskraft, sie bestimmt das Selbstgefühl und den Platz in der
Gesellschaft.
54
Alte Menschen haben keinen gesellschaftlichen Nutzen mehr.
Insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels werden sie zu einer Last für die
jüngeren Menschen.55 Es ist ein paradoxes Weltbild, in dem niemand alt sein möchte,
obwohl sich alle wünschen, möglichst lange zu leben. Die Angst vor dieser Entwicklung
führt dazu, dass viele dem Jugendwahn verfallen. Jede Form von Altern wird zu
kaschieren und zu verstecken versucht. Werbung und Medien propagieren ein
ungeschriebenes Gesetz mit unzähligen Mitteln, die ewige Jugend versprechen. Die
51
Uta Tschirge, Anett Grüber Hrcan, Ästhetik des Alters, S. 55.
Vgl. Ebd., S. 52. 53
Ebd.
53
Vgl. Ebd., S. 54.
54
Vgl. Hilmar Hoffmann, Ein Gespräch über Jugend, Alter und Tod, S. 9.
55
Vgl. Elisabeth Hellmich, Forever young? Die Unsichtbarkeit alter Frauen in der
Gegenwartsgesellschaft, S. 28.
52
12
Medienbilder verändern die Selbstwahrnehmung der Menschen. Jugendlichkeit ist zu
einer Qualität geworden, die es um jeden Preis einzuhalten gilt.
Die Folgen des Drucks der durch die Darstellungen in den Medien ausgeübt wird, zeigen
sich nicht zuletzt im manischen Verhalten von Stars, die krankhaft versuchen, den Idealen
gerecht zu werden. Donatella Versace, Madonna oder Demi Moore inszenieren sich mit
Mitte 50 noch immer wie junge Frauen von Mitte 20 und der Rest der Gesellschaft
versucht, seinen Idolen nachzueifern. Wer heutzutage auf Verjüngungskuren, Haare
färben etc. verzichtet, riskiert es, schräg angesehen zu werden.
56
In den vergangenen
Jahren sind durch diese Entwicklung die Generationsgrenzen immer mehr
verschwommen, sodass Eltern, die sich ausdrücken und kleiden wie ihre Kinder,
mittlerweile zum Alltagsbild gehören.57 Und der Druck auf die Gesellschaft so lange wie
möglich schön und jung zu sein, steigt weiter an.
Krankhafte Erscheinungen wie Sport- und Magersucht, sowie das „DorianGraySyndrom“ gehören zu den Hauptproblemen der heutigen Psychiatrie.
4.2
Die Wahrnehmung von Jugendwahn in „Das Bildnis des Dorian Gray“ im
Vergleich mit dem medialen Gesellschaftsbild des 21. Jahrhunderts
Der Traum von der ewigen Jugend fasziniert die Menschen. Das Motiv des alterslosen
Jugendlichen wird auch heute noch immer wieder aufgegriffen, beispielsweise durch den
„Twilight-Trend“ des wunderschönen, makellosen und ewig jungen Vampirs.58 Für die
Romanfigur Dorian Gray scheint sich der Wunsch nach ewiger Jugend zu erfüllen. Sein
Begehren nach ewiger Jugend und Schönheit ist so groß, dass er dazu bereit ist, große
Opfer dafür zu bringen. Lange Zeit scheint es, als würde sich sein Wunsch erfüllen. Doch
seine Jugend und Schönheit sind oberflächlich. Lediglich sein Körper bleibt jung,
während seine Seele grausam und alt wird. Diese Spaltung von Körper und Geist ist die
Ursache für Dorians Wahnsinn. Er ist ein alter Mann, der im Körper eines jungen
Menschen gefangen ist. Doch seine Jugendlichkeit verleiht ihm Macht und Einfluss. Auch
aktuelle Untersuchungen haben belegt, dass attraktive, jung und dynamisch wirkende
56
Vgl. Ingrid Füller, Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit.
Vgl. Petra Apfel, Jugendwahn. Die ewigen Girlies.
58
Vgl. Ex-Models, Bis(s) zum Jugendwahn.
57
13
Menschen im Leben leichter ihre Ziele erreichen und mehr Privilegien genießen. 59
„Jugend, Dynamik, Effektivität und Leistung [...] sind die Merkmale einer kurzlebigen
Gesellschaft, der Erlebnisgesellschaft, die diese im Leitbild ‚Jugendlichkeit’ postuliert.“
61
Jung zu sein wurde zu einem absoluten Wert erhoben, vor allem da die Jugend auch als
Phase der Selbstverwirklichung gilt.60
Dorians jugendliches Äußeres ist jedoch nur Schein, er ist ebenso künstlich wie die
manipulierten Bilder, die in der heutigen Werbung präsentiert werden. In seinem Umfeld
wird er als Ideal betrachtet, ebenso wie die fast vollkommen künstlich hergestellten Bilder
der Werbung das Schönheitsideal der heutigen Gesellschaft prägen. Doch ebenso wie eine
Schönheitsoperation verleiht auch Dorians „wahnsinniger Wunsch“61 ihm nicht die ewige
Jugend, sondern lässt ihn nur jünger aussehen. In seinem Wahn verliert er sich selbst,
seine Identität und seine Persönlichkeit. Wie es um seine Seele steht, zeigt die
monsterhafte Erscheinung des Portraits. Durch sein Aussehen gelingt es Dorian sehr
lange, seinen geistigen Zustand vor der Welt zu verbergen: „Einmal hatte er ihr gesagt, er
sei böse, worauf sie ihn ausgelacht und erwidert hatte, böse Leute seien immer alt und
hässlich.“62 Wird diese Darstellung auf den Jugendwahn des 21. Jahrhunderts übertragen,
so könnten auch die zahlreichen Opfer von übertriebenen Verjüngungsmaßnahmen als
monsterhafte Schatten ihrer selbst betrachtet werden. Ein Exempel für eine solche
Veränderung stellt auch an dieser Stelle Michael Jackson dar, dessen Erscheinungsbild
aus seiner Jugend sich nach zahlreichen chirurgischen Eingriffen nur noch erahnen ließ.
5
Fazit
Wahnsinn und Gesellschaft sind im Verlauf der Menschheitsgeschichte so eng
miteinander verschmolzen, dass sie nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet
werden können. Ebenso ist auch die Sehnsucht nach ewiger Jugend und Schönheit fester
Bestandteil der historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Der Verlauf
der Geschichte zeigt deutlich, wie sehr dieser Wunsch die Gesellschaft beeinflusst hat
und noch bis in die Gegenwart Bestand hat. Die Angst vor dem Tod und der
59
Vgl. Füller, Ingrid: Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit 61
Uta Tschirge, Anett Grüber Hrcan, Ästhetik des Alters, S. 73.
60
Vgl. Ebd.
61
Ebd., S. 117.
62
Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, S. 273.
14
Vergänglichkeit des Körpers treibt viele Menschen in wahnhafte Zustände. Diese Ängste
versuchen Schriftsteller und Künstler in ihren Werken zu verarbeiten. Der Roman „Das
Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde zeigt deutlich, welche Bedeutung der
Jugendwahn bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert einnahm. Der Vergleich mit den
aktuellen Entwicklungen der Gegenwart beweist, dass sich das Idealbild des
menschlichen Körpers nur geringfügig verändert hat. Ein junger Mann von
außergewöhnlicher Schönheit und mit großem Einfluss auf die Gesellschaft – in einem
Film oder Werbespot des 21. Jahrhunderts wäre Dorian vermutlich Politiker oder
Manager. Als Maß für den perfekten Körper gilt dabei nach wie vor allem eines: Jugend!
Denn „sie ist das Einzige, was sich zu besitzen lohnt.“63
Der demografische Wandel ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Er begann bereits
Ende des 19. Jahrhunderts prägte das Gesellschaftsbild in Europa. Durch den technischen
Fortschritt sind jedoch zahlreiche neue Darstellungsmöglichkeiten entstanden, durch
welche die Visualität des Körpers an Bedeutung gewonnen hat. Die Neuen Medien prägen
das Gesellschaftsbild des 21. Jahrhunderts maßgeblich, was dazu führt, dass Jugend und
Schönheit auch in der Gesellschaft als Statussymbol gehandelt wird. Es ist ein Ideal, das
im Verlauf der Geschichte nie an Bedeutung verloren hat. Aber obwohl die Mittel, die
uns eine längere Jugend versprechen zahlreich sind, scheint dieses Ziel immer schwerer
zu erreichen zu sein. Denn in den kommenden Jahren wird die Menschheit trotz
Schönheitsoperationen, Fitnessstudios und Kosmetika immer älter werden. Es bleibt
abzuwarten, ob sich das Ideal des vollkommenen Körpers in einer insgesamt älteren
Gesellschaft ändern wird.
63
Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, S. 34.
15
6
Literaturverzeichnis
6.1
Primärliteratur:
Wilde, Oscar: Das Bildnis des Dorian Gray, übersetzt von Eike Schönfeld. Berlin: Insel
Verlag 2014
6.2
Sekundärliteratur:
Apfel,
Petra:
Jugendwahn.
Die
ewigen
Girlies,
publ.
24.03.2010,
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/tid-17634/jugendwahn-dieewigengirlies_aid_490977.html, Stand 02.09.14
Becker-Schmidt, Regina: „Die Gesellschaft und die Wahnsinnigen“, in: Glage, Liselotte;
Rublack, Jörg (Hrsg.), Wahn in literarischen Texten. Frankfurt am Main: R.G. Fischer
1983, S. 7-15
Blonski, Harald: „Entstehung und Geschichte des Begriff ‚Wahn’“, in: Blonski, Harald
(Hrsg.), Wahn und wahnhafte Störungen im Alter. Ursachen, Behandlung, praktische
Hilfen. München: E. Reinhardt 1996, S. 15
Brosig, PD Dr. med. Burkhard: Was beschreibt das Dorian-Gray-Syndrom?,
http://www.dorian-gray-syndrom.org/, Stand 02.09.14
Doody, Noreen: „Facts and Fictions of Life“, in: Jarlath Killeen (Hrsg.): Oscar Wilde.
Dublin: Irisch Academic Press 2011, S. 24-46
Duden: Hedonismus, www.duden.de, Stand 02.09.14
Ex-Models: Bis(s) zum Jugendwahn, publ. 09.08.12, http://www.exmodels.de/bisszumjugendwahn/, Stand 03.09.14
Foucault, Michel: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter
der Vernunft, übersetzt von Ulrich Köppen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch
Verlag 1969, S. 7-16
Füller, Ingrid: Altern und Jugendwahn: Von der Last mit der Vergänglichkeit, publ.
03.12.2012,
http://www.deutschlandfunk.de/altern-und-
jugendwahn.1184.de.html?dram:article_id=223130, Stand 02.09.14
Gillespie, Michael Patrick: The Picture of Dorian Gray – „What the world thinks of me“,
New York: Twayne Publishers 1995
16
Hellmich, Elisabeth: Forever Young? Die Unsichtbarkeit alter Frauen in der
Gegenwartsgesellschaft. Wien: Milena Verlag 2008
Hoffmann, Hilmar: „Ein Gespräch über Jugend, Alter und Tod“, in : Hoffmann Hilmar
(Hrsg.): Jugendwahn und Altersangst. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag 1988, S. 918
Keller, Franz: Eitelkeit und Wahn. Eitelkeit als Charakterschwäche und als Größen-und
Verfolgungswahn. Bern: Buchdruckerei Büchler & Co. 1938
Pfister, Manfred: Oscar Wilde: The Picture of Dorian Gray. München: Wilhelm Fink
Verlag 1986, S. 25-39
Pope Jr., Harrison; Phillips, Katharine A; Olivardia, Roberto (Hrsg.): Der
AdonisKomplex. Schönheitswahn und Körperkult bei Männern. München: Deutscher
Taschenbuch Verlag 2001
Rosenmayr, Leopold: „Alter und Jugend. Historische Ideen, soziale Realisierung“, in :
Hoffmann Hilmar (Hrsg.): Jugendwahn und Altersangst. Frankfurt am Main: Athenäum
Verlag 1988, S. 41- 89
Spitzer, Manfred: Was ist Wahn? Untersuchungen zum Wahnproblem. Berlin,
Heidelberg, New York: Springer-Verlag 1989, S. 1-3
Tappen-Scheuermann, Diana: Literarischer Narzissmus. Spiegelverhältnisse zwischen
Autor, Text und Leser. Marburg: Tectum Verlag 2012, S. 101-145
Tschirge, Uta; Grüber-Hrcan: Ästhetik des Alters. Der alte Körper zwischen
Jugendlichkeitsideal und Alterswirklichkeit. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 1999
Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2013.
Wissen Digital: Ästhetizismus, http://www.wissen-digital.de/, Stand 02.09.14
17
7
Antiplagiatserklärung
Hiermit versichere ich, Julia Bumann, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbstständig
angefertigt habe und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen
gedruckten und elektronischen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder
dem Sinn nach diesen Quellen entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Falle unter
genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.
Sonntag, 07.09.14
18
19