nummer 8 frühjahr 2005 - Städtische Galerie Nordhorn

Transcription

nummer 8 frühjahr 2005 - Städtische Galerie Nordhorn
NUMMER 8
FRÜHJAHR 2005
D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E
D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E
THEMENHEFT
Adrian Schiess –
Andreas Gefeller
PORTRAIT
Dieter Hansmann –
Der Wüstensohn
KUNSTSCHULE
Fünf-Jahres-Bilanz
3
Editorial
Willkommen!
IMPRESSUM
Inhalt
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Herausgeber
Städtische Galerie Nordhorn
Vechteaue 2, 48529 Nordhorn
Tel.: (0 59 21) 97 11 00
Fax: (0 59 21) 97 11 05
[email protected]
Editorial
Lieblingsbilder Helena Hoon und Hans-Joachim Naber
Reportage So reich und doch so arm – Nordhorns Kultur geprüft
Standpunkt Claudia Herstatt: Malen, malen, malen
Was ist eigentlich… Pop Art?
Portrait Der Wüstensohn – Dieter Hansmann
schöne Tipps
Themenheft Adrian Schiess – Andreas Gefeller
kunstwegen „Caprimoon” von Tobias Rehberger
Redaktion
Daniel Klause (verantwortlich)
Andre Berends
Inge Kaiser
Thomas Kern
Roland Nachtigäller
Dagmar Thiel
Fotos
Jürgen Lüken (S. 1, 4, 5, 10, 11, 12, 26, 28,
29, 32, 33, 34)
Werner Westdörp (S. 1, 7, 27)
Andre Berends (S. 6, 27)
Walter Hundehege (S. 24)
Titel
Freigabe des vorletzten Teilstücks der
A31 von Ochtrup-Nord bis Schüttorf
im Sommer 2004.
Kunstschule Kinderkram? Die Fünf-Jahres-Bilanz
Illustrationen
Frank Ulmer
Galerie Zwei Regialogen in Nordhorn
Gestaltung
Lorena Volkmer
Kochkünstler
Druck
A. Hellendoorn KG, Bad Bentheim
Gerdine Frenck: Beist-Mehlpüt
Bücherecke
Der andere Blick … vor die Wand
Die bunte Seite
„schön”erscheint mit
freundlicher Unterstützung
des Landes Niedersachsen.
Die Reden sind gehalten, die Champagnerflaschen geleert, die
Lachshäppchen verzehrt. Nun ist er also endlich geschafft, der
Lückenschluss! Und was kommt jetzt? Geht es nach den Tourismusstrategen im Nordhorner Kreishaus, sollen künftig Scharen urlaubsreifer Ruhrgebietler auf dem schönen neuen Asphaltband gen Norden
rollen, das Münsterland links und rechts liegen lassen und die Grafschaft ansteuern. Der passende Werbeslogan ist bereits gefunden:
„Die Grafschaft – einfach näher“. Ein wichtiges Verkaufsargument
für einen Kurztrip an Vechte und Dinkel soll dabei die Kunst sein.
schön zeigt, dass Kunst und Tourismus bereits heute mit dem Projekt
„Regialog“ gemeinsame Wege gehen. Der kunstwegen-Tipp
beschreibt eine besonders ruhige und verborgene Station der Skulpturenreihe: den Caprimond in Lage.
Fragt man Kulturtouristen nach ihren Eindrücken, so sind die
meisten begeistert vom kulturellen Angebot in der Grafschaft. Aber
was denken eigentlich junge Grafschafter über Kunst und Kultur
in ihrer Heimat? Was wünschen sie sich und auf was könnten sie
genauso gut verzichten? schön hat diese Fragen angehenden
Abiturienten aus Nordhorn gestellt.
Viel Spaß
Daniel Klause
Lieblingsbilder
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Dieses Bild
finde ich gut …
Helena Hoon
Alter 55
Familienstand verheiratet, 2 Kinder
Beruf Industriekauffrau
m Flur von Helena Hoon begrüßt die Besucher ein Bild von Otto Pankok. Doch um
den berühmten Gildehauser Maler, dessen
Museum sich in unmittelbarer Nachbarschaft
befindet, geht es diesmal nicht. Das Lieblingsbild der stellvertretenden Bentheimer Bürgermeisterin ist ein ganz persönliches und hat
einen Ehrenplatz im Wohnzimmer: Das Ölgemälde zeigt die Großmutter ihres Mannes,
Ottilie Hoon, die bis zu ihrem frühen Tod 1912
in der Familien-Villa am Neuen Weg gelebt hat.
Ende des 19. Jahrhunderts kam Ottilie Hoon
aus der Nähe von Dortmund als Hausmädchen
I
nach Gildehaus. Sie war sehr kunstbeflissen
und literarisch interessiert, was vor über 100
Jahren im Dorf eher ungewöhnlich war. Der
Weberei-Besitzer Wilhelm Hoon verliebte sich
in die junge mittellose Frau und heiratete sie.
Trotz aller Standesunterschiede führten sie
eine glückliche Ehe, bis Ottilie Hoon 1912 im
Alter von etwa 40 Jahren an Tuberkulose starb.
Nach vielen Umwegen und Stationen bei
anderen Familienangehörigen fand das Portrait vor zehn Jahren den Weg zurück in die
Heimat. „Es war in einem desolaten Zustand“,
sagt Helena Hoon. Sie und ihr Mann ließen das
Bild damals komplett restaurieren. Es zeigt
eine Frau vor dunklem Hintergrund, deren helles Gesicht hervortritt, während der Unterkörper wie ins Nichts verläuft. Wer das Ölbild
malte, ist unbekannt. „Ein bisschen erinnert es
an den Stil Lenbachs“, ergänzt Ehemann Wilhelm Hoon. Der 1904 gestorbene Maler Franz
von Lenbach war berühmt für seine Portraits,
die das Antlitz aus einem dunklen Raum hervorleuchten ließen.
Helena Hoon lässt sich auch im Alltag gern
von Kunst inspirieren. Sie mag insbesondere
Toulouse-Lautrec und Feininger. Ihre Ahnin, die
Kunstliebhaberin Ottilie Hoon, würde sich über
folgendes Detail vermutlich freuen: Ihr Portrait
hängt neben einem Sekretär, auf dem Helena
Hoon stets ein Bild aus einem Kunstband aufgeschlagen liegen lässt. „Das Motiv wechselt
und hängt immer von der Jahreszeit oder der
Stimmung ab“, sagt sie. Während es draußen
schneit, kündigen an diesem Tag die Seerosen
von Monet schon den Frühling an.
Bei allem Interesse für große Künstler hat
das Bild ihrer Schwiegergroßmutter eine
besondere Bedeutung. Für Helena Hoon geht
auch nach rund 100 Jahren etwas Magisches,
Faszinierendes von dem Portrait aus: „Die
Großmutter gehört zu uns und wacht über
uns“, sagt sie. „Es ist einfach schön, dass sich
der Kreis nach so langer Zeit schließt und OttiDagmar Thiel
lie Hoon wieder Zuhause ist.“
Hans-Joachim Naber
Alter 59
Familienstand verheiratet, 3 Kinder
Beruf Kaufmann
as Telefon klingelt und eine freundliche
Stimme fragt, ob denn der Interviewtermin
um 10 Uhr mit Herrn Naber von mir noch wahrgenommen werden könne. So freundlich
gelingt es manchen Menschen, dem
Gesprächspartner die Peinlichkeit eines versäumten Termins zu ersparen. Natürlich soll
das Gespräch stattfinden! Zu neugierig bin ich
D
auf die Sammlung der Kuriositäten, der Plakate
und Unikate. Zu viel schon habe ich von der
Sammelleidenschaft meines Gesprächpartners
gehört. Also, nichts wie hin!
Im Betrieb angekommen fällt sofort die
intensive Farbgebung auf: ein kräftiges Gelb,
aufgehelltes Mintgrün. Dazwischen Bilder, Plakate und Vitrinen mit Miniaturen sowie Indus-
Lieblingsbilder
trieprodukte vergangener Jahrzehnte: Radios,
Haartrockner, kurzum: Dinge, die eine Vergangenheit haben! Dann betreten Hans-Joachim
Naber, wenig später seine Frau Ingrid den
Raum – und sofort herrscht eine entspannte,
sehr ‚erzählerische’ Atmosphäre. Von gemeinsamen Reisen berichten sie, von Erfahrungen
und Erlebnissen, die sie und ihre Weltsicht
prägten. Schnell wird klar: Dieses Weltbild ist
facettenreich, ist reich an positiven Erfahrungen mit anderen Menschen. Anders formuliert:
Die Welt der Nabers ist lebendig, sie ist im
positiven Sinne ‚bunt’. Und in diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch hier die
Frage, welches „Lieblingsbild”, welches Objekt
ausgewählt und vorgestellt werden wird.
Hans-Joachim Naber weist auf die vor ihm
auf dem Tisch liegenden Kataloge: Alchimia!
Memphis! Na klar – diese Entscheidung ist folgerichtig. Und sofort wird verständlich, warum
sich in den Firmenräumen keine tristen weißen
Wände, kein so genannter Klassiker und damit
keines der – für Büros – schon fast obligatorischen Bauhausmöbel befinden.
Ettore Sottsass und Alessandro Mendini, die
mit ihrem Radical Design das Erscheinungsbild
und die Formensprache der siebziger und achtziger Jahre prägten, sind für Hans-Joachim
Naber maßgebend. Jene Protestbewegung des
Designs, welche schon Mitte der sechziger
Jahre begann, die verstaubten und verkrusteten Gestaltungsstrukturen der europäischen
Nachkriegsgesellschaften aufzurütteln. Hinzu
kommt, dass Hans-Joachim Naber persönlich
mit Michele de Lucchi bekannt ist, der mit seinen Lampen Designgeschichte schrieb. Von
daher ist das Verständnis für das revolutionäre
Denken dieses ‚schrägen’ Designs, für die ausgefallene Farbkomposition und das ungewöhnliche Detail natürlich besonders nachvollziehbar.
Der als Lieblingsobjekt ausgewählte „Tisch
Brasil“, 1981 von Peter Shire entworfen, steht
im Wohnzimmer. Nicht isoliert, nicht präsentiert, keine Ikone: ein farbenfrohes Gebrauchsobjekt, das im Alltag unentbehrlich geworden
ist. Alltag und Design, Leben und Kunst – kein
Widerspruch, sondern Selbstverständlichkeit!
Thomas Kern
Reportage
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Reportage
So reich und
doch so arm
Jugendliche stellen Kunst und Kultur
in Nordhorn auf den Prüfstand
unst ist nicht messbar“, sagt Karin Heidinger-Pena, Mitarbeiterin der Städtischen
Galerie Nordhorn. Aus diesem Grund erhielten
die Kinder und Jugendlichen in der Kunstschule
auch kein Zeugnis. Klingt verlockend: Eine
Schule ohne schlechte Noten – dafür aber mit
vielen Vorteilen: Kein Schüler muss sich an
einem Projekt aufhalten, das ihn langweilt und
anödet. Niemand wird unter Leistungsdruck
gesetzt. Genie und Wahnsinn zwängen sich
nicht in ein enges Korsett aus Aufgaben, sondern können sich völlig frei entfalten.
Ein tolles Angebot sei das, das die Städtische Galerie Kindern und Jugendlichen unterbreite, meint Kirsten Wilmink, Schülerin des
Kunstleistungskurses am Gymnasium Nordhorn. Eigentlich schade, dass sie selbst fast
schon ein wenig zu alt für den Besuch der
Kunstschule sei. Denn dass Kreativität durchaus einer Bewertung unterworfen sein kann,
bekommt die 18-Jährige schwarz auf weiß
mitgeteilt – nicht jedes Haus hat sich so konsequent vom Zensurensystem emanzipiert
wie die Kunstschule in der Städtischen Galerie
Nordhorn.
Nun werden in der „Alten Weberei“ aber
auch keine Abiturzeugnisse ausgestellt. Vielmehr geht es dem Team um Karin HeidingerPena darum, den Nachwuchs auf Kunst auf-
K
Stellten sich den Fragen von „schön”: die Schüler
des Kunstleistungskurses am Gymnasium Nordhorn
merksam zu machen, den Blick für das Besondere zu schärfen und Kultur erleben zu lassen.
Das biete wohl nicht jede Kommune vom Kaliber der Vechtestadt ihrem Nachwuchs – ein
Pluspunkt für Nordhorn, findet Kirsten Wilmink
und erntet dafür die Zustimmung ihrer zehn
Mitschülerinnen im alten Zeichensaal des
Gymnasiums.
Müssten sie der gesamten Kunst und Kultur
in Nordhorn allerdings ein Zeugnis ausstellen,
würde es nicht nur Lob und Anerkennung regnen. Zwar gebe es ausreichend Angebote für
Kinder und Jugendliche, jungen Menschen im
Alter von 18 bis 25 Jahren falle es aber schwer,
in Nordhorns kleiner Kulturwelt Fuß zu fassen.
„Es liegt vielleicht daran, dass wir keine Universitätsstadt sind“, munkelt Katharina Scholten – dort sei das Angebot viel ausgewogener.
So vermissen die Schülerinnen zum Beispiel
ein schönes Szene-Café mit guter Musik und
Die Pluspunkte im Nordhorner Kulturprogramm: Veranstaltungen im Konzert- und Theatersaal (links) und das Straßenkulturfest in der Fußgängerzone.
gelegentlichen Ausstellungen. Kein hipper
Schülerschuppen, keine antike Rentnerbude –
lediglich eine nette Bleibe mit angenehmer
Atmosphäre für gute Gespräche unter jungen
Menschen. Das fehle in Nordhorn nun schon
seit längerem. Genau wie ein breitgefächertes
Kinoprogramm, das nicht nur aus Blockbustern
bestehe, sondern auch kleinen Filmen eine
große Chance gebe. Dennoch gehe von den
Lichtspieltheatern Nordhorns allein optisch ein
architektonischer, im Detail versteckter Reiz
aus, sagt Andrea Arends.
Besser als das Leinwandprogramm schneiden die Aufführungen der Nordhorner Bühnen
ab, allen voran die Angebote des Konzert- und
Theatersaals und der Theaterwerkstatt. In guter Erinnerung ist den Gymnasiastinnen dabei
noch die Aufführung des Musicals „Good Bye
Klein Amerika“, das sich um die Textilgeschichte der Region dreht. Überhaupt sehe
man in der Vergangenheit Nordhorns noch
eine große Chance schlummern. Mit dem
Povelturm und der „Alten Weberei“ habe
die Stadt lediglich einen Grundstein gelegt.
Aber diese Chance könnte leichtfertig verspielt werden. „Es wäre schade, wenn die alten
Fabrikgebäude auf dem Rawe-Gelände abgerissen werden“, warnt Katharina Lindschulte.
Schließlich verberge das frühere Textilimperium auf der Cityinsel sicher noch ein paar
architektonische Leckerbissen. Eine Entdeckungstour durch die gespenstischen Ruinen am Ufer
der Vechte würde die Klasse nicht ablehnen –
ganz im Gegensatz zu den Plänen, das historische Industrieviertel einem neuen Einkaufszentrum zu opfern.
Wie schnell ein intaktes Stadtbild empfindlich Schaden nehmen kann, zeige schließlich
der Brunnen in der Hauptstraße. Die ursprüngliche Konstruktion sei zwar bei den Nordhornern nur auf wenig Gegenliebe gestoßen, sei
aber immer noch besser als der Felsenteich,
der nun die Fußgängerzone ziere, kritisiert Inga
Biel. Allerdings wäre ein pompöser Springbrunnen auch keine bessere Lösung für ein neues
City-Wahrzeichen: „Ich stelle mir etwas Schlichtes vor: Vielleicht nur ein paar Steinplatten,
über die das Wasser läuft.“
Ein weitaus erfolgreicheres Kapitel Grafschafter Kulturgeschichte sei da schon eher
mit dem Kleinkunstfestival „Nordhorn staunt
und lacht“ geschrieben worden, meint Melanie Hutzen. Es sei für eine Stadt wie Nordhorn
nicht selbstverständlich, regelmäßig ein so
überregional anerkanntes Straßenfest auf die
Beine zu stellen. In diesem Zusammenhang
erinnert die 19-Jährige auch an Musiknächte,
die sich wohltuend an ein junges Publikum
richteten, das Diskotheken und Jugendzentrum
bereits entwachsen sei.
Aktionen wie diese seien allerdings nur ein
Tropfen auf den heißen Stein – Nordhorn dürfe
insbesondere jungen Menschen gerne noch
etwas mehr bieten. Da sind sich die Schülerinnen einig. Betrachte man allerdings das Kunstund Kulturangebot für alle Altersgruppen, so
stehe die Kreisstadt im Vergleich zu anderen
Städten in der Region ziemlich gut da. „Solide
Leistung. Könnte besser sein, wenn die Hausaufgaben erledigt werden. Auf Beschluss der
Konferenz versetzt.“ Und darauf kommt es bei
Andre Berends
einem Zeugnis ja an.
Standpunkt
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Malen, malen,
malen
von Claudia Herstatt
ilder lassen sich in der zeitgenössischen
Kunst heutzutage auf vielerlei Arten erzeugen: am Computer, mit der Digital- oder Videokamera, mit Licht, aus dem Internet heruntergeladen und bearbeitet. Hatten die beiden letzten documenta-Ausstellungen 1997 und 2002
suggeriert, das seien nun die angesagten
künstlerischen Medien neben großräumigen
Installationen, da drehte sich bereits wieder
das Rad.
Der Siegeszug der immer wieder turnusmäßig todgesagten Malerei begann fast parallel
zur documenta 11. Dort war aber kein Neo
Rauch zu sehen, kein Eberhard Havekost, nicht
einmal ein Martin Kippenberger. In einem Seitenkabinett allenfalls der Belgier Luc Tuymans.
Aber die Saat des eigentlich erst postum
akzeptierten Kippenberger und der Erfolg der
so genannten Leipziger Schule um Neo Rauch
ging in einem Maße auf, wie es wohl niemand
so recht erwartet hätte: Es wird gemalt auf
Teufel komm raus.
Und es scheint wieder einmal so zu sein,
dass man sich streiten kann, was denn nun
zuerst da war: das Bedürfnis nach dem malerischen Gestus oder die schnelle Reaktion der
Vermarkter auf den Bedarf der angesagten
„Flachware“. Die Sammler griffen schnell zu
und verhalfen ihren frischen Ankäufen auch
nicht minder schnell zu musealen Ehren. In der
Ausstellung „Heißkalt“ mit aktueller Malerei
aus der Sammlung Scharpff in der Hamburger
Kunsthalle hingen 2004 erst zwei Jahre zuvor
gemalte großformatigen Trolle und Ungetüme
in einer abenteuerlichen Mischung aus Edvard
Munch, Cobra und Comics des 1973 in Stuttgart geborenen André Butzer.
B
Von der Akademie weg wurde Jonathan
Meese zum Superstar. Dabei war seine TrashMalerei mit verquaster Runenbeschriftung
durchaus gewöhnungsbedürftig.Andere junge
Maler bekennen sich inzwischen offen zum
Kitsch, so nach der Devise: weg mit den schweren ökologischen und politischen Themen, her
mit den süßen Kuscheltieren, die etwa ein Martin
Eder in großen Formaten in Öl badet. Erst kürzlich waren seine großformatigen Gemälde auch
im Kunstverein in Lingen zu sehen.
Zu den Shootingstars gehören auch die beiden Baselitz-Schüler Norbert Bisky und die Koreanerin SEO. Er fasziniert eine hippe Sammlerklientel mit seinen wie Lichtgestalten am Meer
plantschenden Boys in aufgehellten Ferienfarben, sie verwebt fernöstliche Inhaltlichkeit mit
expressivem Pinselstrich.
Das zu beobachten ist interessant. Prognostizieren mag zwar keiner, was morgen davon noch
Bestand haben wird. Die Auswirkungen der
schnell hingepinselten, auch finanziell erfolgreichen Blitzkarrieren, beispielsweise einer Elisabeth
Peyton einerseits und der aktuellen Hinwendung
des einflussreichen Sammlers Charles Saatchi zur
Malerei andererseits, wird wohl den Trend weiter
beflügeln. Die Menge der auf den Markt flutenden, teils noch feuchten Leinwände, ist indes kein
Kriterium für Qualität. Lange sah man nicht so viel
schlechte Malerei im Kometenschweif der Stars.
Das hat auch zur Folge, dass im Malereirausch andere, vielleicht zeitgemäßere Techniken
weniger beachtet werden. Dabei faszinieren die
Ausnahmen umso mehr: Noch bis zum 28. März
zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt das Werk
von Carsten Nicolai im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kunst. Eines seiner „Bilder“ ist so
Was ist eigentlich ...
Pop Art?
Claudia Herstatt,
56, lebt als freie
Kunstjournalistin
in Hamburg und
schreibt u. a. eine
wöchentliche
Kolumne für
„Die Zeit”
verführerisch schön wie die weiß in weiß geschlämmten, mit Watte, Baumwolle, Filz und
Glaswolle strukturierten und unterfütterten
„Flächen der Freiheit“ von Piero Manzoni in den
50er Jahren.Aber die strukturierte, reliefartige
Oberfläche ist Form gewordene Musik in einer
Wellenwanne mit Milch. Die in das Becken eingeleiteten Sinusschwingungen lassen immer
neue Strukturvarianten entstehen.
Ralf Peters, Kunstpreisträger der Stadt Nordhorn 1995 und dort erst vergangenes Jahr in
Kooperation der Städtischen Galerie Nordhorn
und dem Kunstverein Grafschaft Bentheim mit
neuen Arbeiten zu sehen, setzt konsequent auf
die Untersuchung gesellschaftlicher Phänomene,
wie den Traumurlaub oder das Wohnen in
anonymen Silos.Am Computer bearbeitet er vorgefundenes „plastisches Bildmaterial“, wie es
im Katalog heißt, so virtuos, dass Illusion und
Realität zu skeptischen Projektionen gerinnen.
Man kann hier nur die Frage stellen, warum
eben derzeit die analytischen Denkmodelle und
ihre künstlerischen Resultate weniger gefragt
sind als die Bilder mit dick aufgetragener Farbe
und Motiven aus Phantasiewelten, wie bei
Daniel Richter. Der Grund könnte sein, dass sie
einen sozusagen mehr anspringen, als dass man
sich in sie hineindenken müsste. Es könnte auch
sein, dass viele sie deshalb gerne um sich versammeln, weil sie eine geradezu körperliche Präsenz verströmen. Das ganz im Gegensatz zu dem
offensichtlich satt gesehenen Aufstieg der zeitgenössischen Fotografie und den Black Boxes
mit Video-Arbeiten.Aber auch wenn die Malerei
nun wieder ganzen oben zu stehen scheint – die
Nebenwege des allseits Gepriesenen können
gelegentlich viel interessanter sein.
[ pop-a’t; amerik.: populäre Kunst ]
George Segal
The Restaurant Window I
(Das Restaurantfenster I),
1967
Figuren aus Gips,
Restaurantfenster, Holz,
Metall, Plexiglas,
Neonröhren, Stuhl, Tisch
Roy Lichtenstein
I Know …, Brad (Ich weiß …, Brad),
1963
Öl und Magna auf Leinwand
itat Karin Thomas: Die Pop Art „integriert
in den sechziger Jahren die Eigenschaften
moderner Verbrauchskulturen in die Bildsprache und benutzt dafür die ästhetische Dimension der Reklameglamour mit grellen und
psychologisch wirksamen Effekten und Figurationen, um den optischen Reiz moderner
Umwelt mit sachgerechter Klarheit zu artikulieren.“ Verstanden? Also noch einmal:
Z
Sechziger Jahre?
Klar! J. F. Kennedy, dann Johnson! Vietnam,
Martin Luther King, Rassenunruhen …
Moderne Verbrauchskulturen?
USA vor allem, Großbritannien, aber natürlich
auch in anderen Teilen der Welt: Kaufen,
kaufen, Autos, essen, Mode, Urlaub, Beatles,
Rolling Stones: Leben, genießen, komme,
was wolle!
Ästhetische Dimension?
Malerei, Skulptur, Environment, Happening,
Siebdruck, Film, Collage, Musik …
Reklame- ?
o.k. – Werbung, Werbeplakate, Werbespots:
grelle Farben, Frauen mit Hochfrisuren,
„… mein Hüfthalter bringt mich um!“
„Die große weite Welt der Stuyvesant“
… Campell’s Suppen!
-glamour?
Schick, edel, blendend, auffällig – da wird
einem doch etwas vorgemacht! Oder etwa
nicht?
Psychologisch wirksame Effekte?
Oho! Jetzt passiert etwas, ohne dass wir es
merken!
Figurationen?
Wird da etwa eine Figur dargestellt! Vom
Menschen? Na klar, und wie: Comics! Comics!
Comics!
Optischer Reiz?
Interessant ist nur, was sichtbar ist! Die Oberfläche zählt!
Richard Hamilton, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Claes Oldenbourg, George Segal,
Robert Rauschenberg, James Rosenquist, Ed
Ruscha, Andy Warhol oder Tom Wesselmann,
sie alle wollen „ohne jede Illusion die Dinge
selbst zu Wort kommen lassen“ (Andy Warhol).
Das geschieht mit seriellen Siebdrucken
berühmter Zeitgenossen, mit ‚Malen nach Zahlen’, mit überdimensional vergrößerten Comic
Strips oder mit gemalten, rasterartigen Vergrößerungen trivialer Bildgegenstände, mit grellen
Collagen, mit so genannten Combine-Paintings
(Malerei kombiniert mit Objekten) oder mit
Repliken von Campell’s Suppendosen, einer
allseits beliebten Mahlzeit. Nichts ist zu banal,
nichts ist zu simpel, um nicht dargestellt zu
werden. Die zeitgenössische Zivilisation,
geprägt von Konsum und Krieg, von einsetzender Hippie-Kultur und Gewalt wurde mit scharfem Blick obduziert und mit den geadelten
Techniken der Alltagskultur ins Bild gesetzt.
Thomas Kern
Portrait 10
11
Der Wüstensohn
Reisen ins Nichts inspirieren den
Nordhorner Künstler Dieter Hansmann
n klaren Nächten kann Dieter Hansmann aus
dem kleinen Dachfenster seines Ateliers den
Sternenhimmel sehen: Im Giebel seines Hauses
auf dem Povelgelände träumt er sich dann weit
weg. Seit fast 20 Jahren lebt der Künstler in
Nordhorn, den Blick in ferne Welten möchte
der 49-Jährige aber nicht missen. Zweimal hat
sich der Studienrat am Nordhorner Gymnasium
deshalb für längere Zeit vom Schuldienst beurlauben lassen: für ein Jahr 1995 und für sechs
Monate 2000/2001. „Zeiten fürs Reisen“
nennt Hansmann diese Abschnitte, in denen
er im Ausland gelebt und gearbeitet hat.
Während dieser Auszeiten zieht es Hansmann meist in die Wüste. Einöden im Himalaja,
in Indien, Namibia, Botswana und den USA hat
er bereits besucht. „Ihre Stille, Weite und Kargheit zieht mich an“, sagt er. Je einsamer, desto
besser: Hansmanns Lieblingswüste ist die
Kalahari in Botswana, die trockenste Wüste der
Welt. „Da ist überhaupt nichts“, lautet seine
kurze Formel des Glücks. Die Leere dient zur
I
Inspiration, zur Ideenfindung. „Bilder zur
Wüste“ heißen Zyklen, die aus diesen Erlebnissen entstanden sind. In karger Farbigkeit versuchen sie, die Wüsten zu fassen.
Hansmann arbeitet dabei nicht aus irgendeiner Lust oder einer Zufälligkeit heraus: Ein
ganzer Zyklus entsteht vorher fertig im Kopf
und wird dann konsequent umgesetzt. „Als
Künstler muss man etwas von der Welt sehen“,
sagt er über die Anregungen zu seiner Arbeit.
Und trotzdem ist Hansmann mit seiner Frau
und den beiden Söhnen in der Grafschaft
längst heimisch geworden.
Hansmanns abstrakte Malerei entsteht
meist in Öl- oder Acrylfarbe. Aber auch als Bildhauer von Skulpturen aus Beton, Holz und
Metall hat er sich in der Grafschaft einen
Namen gemacht. Aus seiner Hand stammen
zum Beispiel so unterschiedliche Werke wie die
Lärmschutzmauer als Betongroßplastik an der
Nordhorner Parkpalette, die sieben Holzstelen
für das anonyme Gräberfeld auf dem Südfried-
hof oder die Installation „Über die Sonne“ im
Nordhorner Marienkrankenhaus. Ein Ort, den
Hansmann immer wieder gerne besucht, ist
das Marientor, eine Großskulptur aus Beton,
Blattgold und Marienfigur. „Mein Lieblingswerk“, nennt er die durch eine schnurgerade
Allee weithin sichtbare Wallfahrtsstation zwischen Lohne und Wietmarschen.
Seit 1986 arbeitet der gebürtige Einbecker
als Studienrat am Gymnasium Nordhorn.
Hansmann hat Kunst an der Universität Osnabrück und der Hochschule für Bildende Künste
in Braunschweig studiert. Als Lehrer ist er sich
des Privilegs bewusst, nicht ausschließlich mit
seiner Kunst Geld verdienen zu müssen. Seine
überwiegend abstrakten Werke zeichnet ein
spezieller Blick auf die Wirklichkeit aus. Ein
Beispiel dafür ist ein Exponat, das er für den
Kunstverein Neuenhaus anlässlich dessen
zehnjährigen Jubiläums 2003 geschaffen hat.
„Bilder zeigen, die man nicht zeigt“, nennt
Hansmann das Motto dieser Arbeit: Bilder in
Dieter Hansmann an seinem Lieblingswerk: dem Marientor auf dem Walfahrtsweg zwischen Lohne
und Wietmarschen
In der Lingener Johanneskirche gestaltete Dieter Hansmann den Altarraum, die Malereien an der Empore und die Fenster im Kirchenschiff.
28 Keilrahmen stehen wie Bücher in einem
Bücherregal – und sind also nicht wirklich
anzuschauen. Sehen und Nichtsehen, Realität
und Imagination heißen Hansmanns Themen.
Auch in der Johanneskirche in Lingen, in der
Hansmann unter anderem den Altarraum,
Malereien an der Empore und die Fenster im
Kirchenschiff gestaltete, findet sich eines seiner bevorzugten Motive, der gebrochene Blick
auf die Wirklichkeit: Die farbigen Fenster aus
gebrochenem Glas verzerren die Sicht, sodass
eine neue Wahrnehmung beim Blick nach
draußen entsteht. „Ich möchte die Sinne für
die Kluft zwischen eigener Wahrnehmung
und der Realität schärfen“, so Hansmann.
Der Mensch sehe die Wirklichkeit immer mit
eigenen Augen – und deshalb manchmal nur
das, was er sehen will.
Aus diesem Grund hat sich Dieter Hansmann bewusst für die abstrakte Malerei entschieden, die die Möglichkeit einer freieren
Interpretation bietet. Er ist aber zugleich
Portrait
bestrebt, verschiedene Ebenen in der Kunst zu
vereinen. Sein auf einer Italienreise entstandener Zyklus „Blumenbilder“ umfasst monochrome Bilder in den Farben italienischer Balkonpflanzen. Zu jedem Bild gehört auch eine
erklärende Tafel, auf der die jeweilige Blume
naturkundlichen abgebildet ist: Abstrakte und
abgebildete Wirklichkeit stehen sich direkt
gegenüber. Bilder aus diesem Zyklus sind im
Altenheim Uelsen zu sehen.
Dem hintergründigen Künstler ist es wichtig, dass seine Kunst unaufdringlich im Raum
steht. „Ein Künstler soll nicht sich selbst präsentieren, sondern einer Räumlichkeit huldigen, ihr ein bestimmtes Licht und eine spirituelle Atmosphäre geben“, sagt er. In Kirchen
arbeitet Hansmann deshalb besonders gerne:
„Einer der wenigen Orte, wo Ruhe und Besinnung ist.“ Seine sakrale Kunst ist an vielen
Orten der Region zu finden: In der gotischen
Katharinenkirche in Osnabrück hat er die Deckenmalerei gestaltet, in der Kapelle in Wettringen ist die Installation „Über den Himmel“
zu sehen: Ein über sechs Meter langes Bild, das
den Himmel in unterschiedlichen Abstraktionsgraden zeigt: Wolken und Himmelsfarben in
Schattierungen und Nuancen. Die Ausstellung
„Konjunktionen“ beschäftigte sich 1994 mit
der 600-jährigen Geschichte des Klosters Frenswegen, ebenfalls entworfen hat er den Marienaltar der St.-Elisabeth-Kirche in Nordhorn.
Nicht zuletzt der Kirche verdankt Hansmann
den Zugang zur Kunst: „Durch die katholische
Erziehung habe ich meinen Blick für Bilder
erhalten“, sagt er, der als Kind fasziniert vor
dem Kreuzweg stand, wenn der Pastor die
zwölf Stationen und Bilder erklärte. Auch seine
Vorliebe für Zyklen, die zwischen fünf und 20
Einzelbilder umfassen, führt Hansmann ebenso
auf diese Kreuzweg-Erfahrungen zurück wie
seine Methode des „Schritt-für-Schritt-Arbeitens“: Drei oder vier übereinander liegende
dünne Farbschichten führen zu Modulationen
des Bildes. Das Auge des Betrachters entdeckt
manchmal nur bei genauem Hinsehen Nuancen, die bei einem flüchtigen Eindruck verborgen bleiben: Erst ein so gebrochener Blick
erfasst alle Dimensionen.
Dagmar Thiel
schöne Tipps 12
25
kunstwegen
Abstraktes nimmt
Gestalt an
er die Räume des Meppener Kunstkreises im Kunstzentrum
Koppelschleuse betritt, wird derzeit mit den Werken zweier
freischaffender Künstlerinnen aus der Region konfrontiert. In vier aufeinander folgenden Räumen zeigen Carola Rümper und Heidrun
Kohnert großflächige Bildkreationen und keramische Ziegelgefäße und
Skulpturen.
Carola Rümper, geboren in Bremerhaven mit Studium in Kunst- und
Literaturwissenschaften und Malerei ist seit 1999 als freischaffende
Künstlerin tätig. Ihre eigenwilligen Fantasiegestalten entstehen aus
Zeichnungen, die sie im Freien anfertigt, dann jedoch formverändert auf
ihre großflächigen Bilder aufbringt. Auf unifarbenem, grundiertem
Hintergrund, der noch die Pinselführung erkennen lässt, werden dem
Betrachter schwarze Gestalten und Formen augenfällig, die teilweise an
Schatten- oder Comicfiguren erinnern, jedoch auch eigene Assoziationen zulassen. Selbst die Leinwand an sich verwendet sie als gestalterisches Element, indem Rümper mehrere kleinere, in Acrylfarben gesetzte
Untergründe zusammensetzt und aus der Vielzahl dieser Einzelelemente
ein großes Ganzes kreiert. Schwarze Figuren in vielfältigem Formenreichtum fügen sich aneinander, ergänzen und berühren sich und bilden
so ein harmonisches Ganzes.
Heidrun Kohnert, geboren in Aachen mit Studium der Bildhauerei
und Keramik, arbeitet seit 1989 in ihrer eigenen Werkstatt. Die freischaffende Künstlerin verwendet sie für ihre Objekte in erster Linie Ziegelstein, dem sie durch Zerschneiden, Verformen und durch Umkehrung der
Innen- und Außenwände Form und Gesicht gibt. So entstehen architektonische Werke wie Häuser, Hausboote und Gefäße in Kleinformat.
Diese erinnern an in Felswände geschlagene Wohnungen mit kleinen
W
Fenster- und Türöffnungen. Andere wirken wie italienische Palazzi mit
Arkaden und Innenhöfen. Beiden gemeinsam ist der Eindruck, vor einer
uneinnehmbaren Festung zu stehen. Die doppelwandigen Vasen und
Schalen fordern dagegen dazu auf, langsam mit der Hand die Formen
nachzufühlen und die Gefäße zum Klingen bringen zu wollen. Scheinbar
Abstraktes und Unbestimmtes nimmt in Kohnerts Werken Form und
Gestalt an.
Inge Kaiser
Die Ausstellung ist noch bis zum 28. März geöffnet.
Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++
n Kunstverein Lingen Kunsthalle, Kaiserstraße, bis 20. März: „Cross Border NL–D“, Installationen von Saskia Boelsums und Peter Veen,
Malerei von Rudy Lanjouw, dienstags, mittwochs, freitags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonnabends und sonntags von
11 bis 17 Uhr. n Meppener Kunstkreis Koppelschleuse, bis 28. März: „Kunst aus der Region“ mit Werken von Carola Rümper (Malerei) und
Heidrun Kohnert (Keramik); 1. bis 22. April: „Erde-Wasser-Feuer-Luft“; 30. April bis 29. Mai: Werke von Svenja Ritter in der Serie „Junge Kunst“,
dienstags und donnerstags 14.30 bis 17 Uhr, freitags und sonnabends 14.30 bis 17.30 Uhr, sonntags 11 bis 17 Uhr. n Stadthaus Meppen bis
4. März, „Menschen und Leid“, Bilder von Piotr Sylwester Wolfram, montags bis mittwochs von 8 bis 16 Uhr, donnerstags von 8 bis 17.30 Uhr,
freitags von 8 bis 12.30 Uhr. n Otto-Pankok-Museum im Alten Rathaus, Gildehaus, bis Ende Mai, „Zigeunerbilder“ – Kohlezeichungen,
Holzschnitte und Plastiken von Otto Pankok. mittwochs 15 bis 17 Uhr, sonnabends und sonntags 14 bis 17 Uhr. n Kunstverein Grafschaft
Bentheim Neuenhaus, Hauptstraße 37, mittwochs bis sonnabends, 15 bis 18 Uhr, sonntags, 11 bis 18 Uhr; März bis 17. April: „Siegfried Hentke
– Objekte“; 20. 5. bis 31. 7.: „Stadtlandschaften“ – Malereien von Megan Craig. n Kloster Bentlage Rheine, bis 6. März, „Reiner Hanke –
Zeichenhaft“, sonnabends und sonntags von 10 bis 17 Uhr. n Städtische Galerie Nordhorn Alte Weberei, 22. Mai bis 10. Juli: „Modellräume –
Bühnen, Spielfelder, Versuchsanordnungen”, dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, sonnanbends von 14 bis 18 uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr.
„Caprimoon ’99“
Tobias Rehberger
och ein letzter Blick auf den Lageplan:
Am Ende der Eichenallee ein paar hundert
Meter geradeaus, dann rechts abbiegen und
noch einmal hundert Meter geradeaus – nicht
weiter schwierig. Wenn aber das Licht der
Autoscheinwerfer erlischt, ist man an einem
dunklen Winterabend heilfroh, den Wagen mit
einer zuverlässigen Taschenlampe verlassen zu
haben. Im Wald von Lage sind Autos tabu. Und
Straßenlaternen offensichtlich auch.
Der Mondschein nimmt hinter dicken Wolken eine Auszeit. Es ist finster, fast gruselig. Der
Wind rauscht durch die kahlen Äste, der dünne
Lichtkegel der Leuchte wandert an dicken
Baumstämmen entlang. Dann ein abgeerntetes Feld. Der schmale Fußweg schmiegt sich an
den Ackerrain, Büsche knistern sanft. Zwischen
den Bäumen ebnet auf der rechten Seite plötz-
N
lich eine Lücke den Weg zur kunstwegenStation „No Peep Hole“.
Die Streben des Stahlgerüsts ächzen im
Wind. Hinter der breiten Fotowand macht der
Pfad eine Biegung. Die Taschenlampe scannt
eine Anhöhe: Große Bäume, hohes Gras, strohiges Schilf. Am Ende der bizarren Feldoase steht
auf einer grün schimmernden Betonplatte eine
Bank, etwa zwei Meter breit, mit einladender
Sitzhöhe. Als Rückenlehne dient ein Streifen
Beton, der aus dem Fundament wie mit großer
Kraft und gegen alle Materialgesetze nach
oben gebogen worden zu sein scheint.
Über dem Sitzmöbel pendelt eine runde
Kugel. Doch ähnlich seinem älteren Kollegen
am Firmament nimmt der „Mann im Mond“
auch in Lage gelegentlich einen Abend frei:
Das weiße Glas bleibt dunkel. Nicht, weil die
Birne kaputt wäre. Vielmehr hat es damit zu
tun, dass es vor exakt sechs Jahren auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri am Golf von
Neapel ebenso zappenduster war, wie an diesem Winterabend in Lage.
Tobias Rehbergers „Caprimoon“ wiederholt
die Mondzeiten des Jahres 1999 auf den Tag
genau. Es ist eine Herausforderung, die Gedanken im fahlen Schein der Taschenlampe in
warme Gefilde schweifen zu lassen. Der Wind
pfeift eiskalt. Im Sommer dürfte es etwas leichter sein, die Augen zu schließen und sich in den
Süden zu träumen. So richtig spannend ist die
Nachtwanderung aber wohl nur im Winter –
und mit etwas Glück geht auch bei Schnee, Eis
und Sturm der Mond von Capri über der
Niedergrafschaft auf.
Andre Berends
Kunstschule 26
27
Kunstschule
Kinderkram?
Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn
besteht seit fünf Jahren
rgendwo hier muss es doch sein“, murmelt
Karin Heidinger-Pena und blättert in einem
dicken Aktenordner. Zeitungsartikel, Protokolle, Konzeptzettel – nichts geht verloren. Es
dauert ein paar Sekunden, dann ist die Leiterin
der Kunstschule im Jahr 1998 angekommen.
„Kindergarten Martin Luther / Skulpturenweg“
ist das Blatt überschrieben, das sie aus dem
Ordner zieht. Fast sieben Jahre ist es her, dass
die Städtische Galerie Nordhorn eine erste
Aktion für junge Menschen angeboten hat.
Damals ging es in den Stadtpark.
Mit 20 Fünfjährigen war Karin HeidingerPena zur Station „III – IV / 86“ von Robert
Schad gelaufen. Ein Schiff, eine fliegende
Untertasse oder einfach nur sonderbares
Gewirr erkannten die Kinder in dem rostigen
Vierkantstahl, den der Schwarzwälder 1986
im Stadtpark aufgestellt hatte. Mit Holzhämmern und Plastikrohren rückte die Gruppe
dem Ungeheuer schließlich zu Leibe und tat
genau das, was die Nachwuchsarbeit der
Galerie immer ausgezeichnet hat: Kunst
hautnah mit allen Sinnen erleben.
Da wird geguckt, gefühlt, geschnuppert,
gehört und manchmal auch geschmeckt. Die
frisch gewonnenen Eindrücke verarbeiten die
Kinder dann in eigenen kleinen Kunstwerken –
und die sind im Herbst 1998 noch im Künstlerhaus am Rand des Stadtparks entstanden. Erst
ein Jahr später bezog die Galerie die Räume in
I
Die kleinen Laborwühlmäuse in Aktion (oben),
ein Blick ins Mal- und Zeichenlabor.
der Alten Weberei. Dort setzte der damalige
Leiter Martin Köttering seine Vision einer
Kunstschule um. Genügend Platz war über
dem neuen Museum für alte Textilmaschinen
ja vorhanden.
Karin Heidinger-Pena und Sabine Liese
konnten ihre Arbeit im Konzert- und Theatersaal beenden. Dort hatte es nach einem Konzept von Rahel Puffert schon Werkstattnachmittage gegeben. „Wir haben unsere eigene
Ideologie entwickelt“, erinnert sich Karin
Heidinger-Pena. Noch heute drehe sich in der
Kunstschule alles um die Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Die Grundlage ihrer Arbeit
bildeten neben den Ausstellungen in den
Galerie-Pavillons vor allem die vielen kunstwegen-Stationen.
Es sei die kreative Beschäftigung mit junger
Kunst, die das Angebot in ganz Niedersachsen
einzigartig erscheinen lasse – immerhin sind
43 weitere Einrichtungen dem Landesverband
der Kunstschulen angeschlossen. „Doch wir
sind die einzigen, die sich in dieser Form mit
zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen“,
sagt Karin Heidinger-Pena. Sie selbst kann die
Arbeit der Kunstschule schon lange nicht mehr
allein bewältigen: Gemeinsam mit Guido
Mews hat sie das Konzept der Kunstschule
weiterentwickelt und mittlerweile ein Team
von zwölf nebenberuflichen Dozenten um sich
versammelt.
Und die stehen in der Alten Weberei nicht in
einem Klassenraum, sondern arbeiten mit den
Sechs- bis 18-Jährigen in Laboren – schließlich
+ + + + Kunst gratis genießen, heißt es seit diesem Jahr in der Städtischen Galerie Nordhorn. Hintergrund: Im vergangenen November hat der
Stadtrat beschlossen, für Kinder und Jugendliche keinen Eintritt mehr zu erheben. Darüber hinaus ermöglicht der Förderkreis während einer einjährigen Testphase, dass auch Erwachsenen der kostenlose Ausstellungsbesuch gewährt werden kann. + + + + Zur Finissage der Ausstellung von
Adrian Schiess bietet die Galerie wieder ein spannendes Programm: Neben kostenloser Führung durch die Ausstellung, einem Café der Farben
Das Team von Kunstschule und Städtischer Galerie Nordhorn mit freien Mitarbeitern: (stehend, von links) Roland Nachtigäller, Arzu Sevimli, Heike Bluhm, Manfred
Stedtler, Karin Heidinger-Pena, Franziska Kaplan, Monika Müller, Jessica Müller, Silvia Tyrrell, (sitzend, von links): Ulrike Skutta, Astrid Nellner, Guido Mews, Andreas
Bernhardt, Amke Brüning und Hilmar Hermens. Es fehlen Ingrid Berkemeyer, Janette Johannink und Marita Möllers
wird dort geforscht und experimentiert,
ohne am Anfang zu wissen, was am Ende
herauskommt. Der Kreativität sind dabei
kaum Grenzen gesetzt, einen inhaltlichen
und organisatorischen Rahmen steckt Karin
Heidinger-Pena allerdings ab: Das jeweilige
Semesterprogramm ist in einem Flyer
nachzulesen, der sich ausdrücklich an die
Eltern der Kinder und Jugendlichen wendet.
Sie können sich in Ausstellungen über
die Arbeiten und Projekte ihrer Kinder informieren. Am Ende eines jeden Halbjahres lädt
die Kunstschule zu einem Abschlussfest ein.
Ein Zeugnis erhalten die Schüler nicht. Karin
Heidinger-Pena: „Es gibt grundsätzlich keine
Bewertung der Arbeiten, da Kunst überhaupt
nicht messbar ist.“ Die Kinder erleben das
Gefühl, etwas geschafft und geschaffen zu
haben. In den Ferien, zumindest im Sommer,
ist die Kunstschule dennoch an vielen Tagen
geöffnet: Schnupperkurse locken Kinder und
Jugendliche mit ihrem Ferienpass in die Alte
Weberei.
Trotz des gut gefüllten Jahresprogramms,
Aktionen vor Ort und eigener Ausstellungen
in den Pavillons der Städtischen Galerie Nordhorn sind viele Grafschafter aber auch nach
fünf Jahren noch oft überrascht, wenn sie
erfahren, dass es in Nordhorn eine Kunstschule
gibt. Karin Heidinger-Pena räumt ein, dass es
die Musikschulen sind, die in der öffentlichen
Wahrnehmung die Nase vorn haben. Trotzdem
beobachte sie, dass die Akzeptanz der Kunstschule in der Vergangenheit deutlich zugenommen habe. Dies zeige sich allein schon an
den Teilnehmerzahlen und dem breit gefächerten Angebot von zurzeit sieben KunstschulLaboren.
Andre Berends
Das Musical „Als die Raben noch bunt waren”
mit dem Kindergarten von Behring-Straße
und einem kleinen Videoprogramm gibt es auch die Ergebnisse eines Acryl-Workshops zu bestaunen, eine große Kindermalaktion und vorgelesene Geschichten für die Kleinen im Lichtpavillon von Adrian Schiess. Beginn ist am 13. März um 15 Uhr. Zwei Tage vorher bietet die Kunstschule
dazu einen Acryl-Malerei-Workshop für 9–13-Jährige vom 11. bis 13. März an. Die Teilnahme kostet 25 Euro. + + + + 27 Kunstinteressierte haben
an der ersten Galerie-Exkursion im neuen Jahr nach Herford teilgenommen. In Begleitung von Galerieleiter Roland Nachtigäller lernten sie das
Galerie 28
29
… und ein Fest
als Gesellenstück
Erstes Regialogen-Gespann berichtet
von seinen Erfahrungen in der Grafschaft Bentheim
it der Organisation des kunstwegen-Fests
im vergangenen September haben sie ihr
Gesellenstück abgeliefert: ein gemeinsam und
selbständig realisiertes Projekt. „Wir haben
kunstwegen den Menschen wieder ein Stück
näher gebracht“, erinnert sich Manfred Stedtler
stolz. Der 32-Jährige aus Leipzig ist die eine
Hälfte des ersten Grafschafter RegialogenPaars. Die andere Hälfte heißt Monika Müller.
Beide haben den akademischen Grad des
Magister Artium erlangt und standen nach
ihrem Studium ohne Chance auf eine dauerhafte Anstellung da. Der Historiker Stedtler
fand hin und wieder eine zeitlich befristete
Beschäftigung in Museen, die 36-jährige
Kunsthistorikerin aus Pforzheim hatte es noch
schwerer. Nach dem Abschluss der elfmonatigen Weiterbildung zum „Fachreferenten für
Kulturtourismus und -marketing“ hoffen
Müller und Stedtler nun, dass sie zu den 75
Prozent der Absolventen gehören, die eine
feste Anstellung finden.
Katrin Rodrian kannte die Schwierigkeiten
arbeitsloser Akademiker. Speziell für Kulturwissenschaftler mit Abschlüssen in den Fachbereichen Kunstgeschichte, Geschichte, Volks- und
Völkerkunde, Archäologie, Geographie, Niederlandistik und verwandten Fachbereichen hat
die Mitarbeiterin des in Emden ansässigen
M
Vereins zum Erfassen, Erschließen und Erhalten
der historischen Sachkultur im Weser-EmsGebiet daher vor zwei Jahren das Projekt
Regialog ins Leben gerufen. Rodrians Idee:
Die Kreise, Städte und Gemeinden in der WeserEms-Region brauchen Experten, um ihre touristischen und kulturellen Angebote besser
zu vermarkten. Der Kunstbegriff „Regialog“
bedeutet nichts anderes als „Region im Dialog“. Das Geld kommt von den Arbeitsagen-
turen, aus dem europäischen Sozialfond und
vom Land Niedersachsen.
Damit die Tourismusinstitutionen und die
Museen gleichermaßen von dem Projekt profitieren, werden im Vorfeld Regialogen-Paare
gebildet. Beide Regialogen arbeiten jeweils die
Hälfte ihrer elfmonatigen Projektzeit in der
Tourismus- und die andere Hälfte in der Kultureinrichtung. Bei Halbzeit wird gewechselt. In
der Grafschaft fanden sich mit dem in der
Städtischen Galerie Nordhorn angesiedelten
„offenen Museum kunstwegen“ und dem
Fremdenverkehrsverband Grafschaft Bentheim unter dem Dach der Kreisverwaltung
ein Museum und eine Tourismusinstitution.
Galerieleiter Roland Nachtigäller erinnert sich
an die Überlegungen im Vorfeld der Teilnahme
an Regialog. „Wir haben zunächst mit der
Geschäftsführerin des Fremdenverkehrsverbands, Manuela Westhuis, überlegt, wo die
Berührungspunkte unserer Einrichtungen sind.
Die Antwort hieß kunstwegen“, so Nachtigäller. Die Galerie wünschte sich, die Skulpturenreihe regional und überregional bekannter zu
machen und der Fremdenverkehrsverband,
Arbeiteten wechselseitig beim Fremdenverkehrsverband und in der Städtischen Galerie: Monika Müller
und Manfred Stedtler.
Museum MARTa Herford kennen, das zurzeit nach den Plänen des amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry entsteht. Außerdem besuchten
sie die aktuelle Ausstellung mit Bildern von James Ensor. Nach einem Vortrag über Gehrys Position innerhalb der Architekturmoderne stand
noch eine kurze Begegnung mit dem Museumsdirektor Jan Hoet auf dem Programm. + + + + Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine lange
Galerienacht. Nach dem großen Erfolg der Premiere im vergangenen Jahr wird hinter den Kulissen der Städtischen Galerie Nordhorn bereits
Mit der Organisation des kunstwegen-Fests im vergangenen September in Emlichheim lieferte das erste
Regialogen-Gespann sein Gesellenstück im Fach Kultur- und Tourismusmanagement ab.
kunstwegen in sein touristisches Leitbild von
einem sanften Fahrradtourismus einzubauen.
Die Aufgaben der Regialogen Stedtler und
Müller waren vielfältig. Die Kunsthistorikerin
setzte sich während ihrer Zeit beim Fremdenverkehrsverband beispielsweise mit Grafikern
einer Nordhorner Werbeagentur zusammen
und aktualisierte den kunstwegen-Flyer. Stedtler schrieb während seiner sechs Monate in
der Galerie Texte für die neu gestaltete kunstwegen-Homepage. Und er entwickelte neue
Tagestouren, die er zunächst selbst abfuhr,
bevor er sie als neue Angebote für Tagestouristen ins Internet stellte. Der Gebrauch des
Mediums Internet, insbesondere das Programmieren eigener Seiten, lernten die beiden Grafschafter Regialogen mit den emsländischen
Teilnehmern bei einem wöchentlichen PC-Tag
im Meppener Kreishaus. In Oldenburg standen
bei neun so genannten Kompaktseminaren
Themen wie BWL, Museumsmanagement und
Marketing auf dem Stundenplan.
Neben den üblichen Bürotätigkeiten halfen
Stedtler und Müller beim Aufbau und der Eröff-
Galerie
nung von Ausstellungen der Städtischen
Galerie Nordhorn und übernahmen sonntägliche Führungen. Im Zusammenhang mit der
Gruppenausstellung „Daheim in der Fremde –
Fremd in der Heimat“ waren der Historiker und
die Kunsthistorikerin an der Organisation des
umfangreichen Rahmenprogramms mit mehreren Diskussions- und Vortragsveranstaltungen beteiligt. Höhepunkt ihrer elfmonatigen
Weiterbildung zu „Fachreferenten für Kulturtourismus und -marketing“ war das kunstwegen-Fest am 18. September vorigen Jahres.
„Als wir den Auftrag erhielten, das Fest zu
organisieren, hatten wir anfangs schon Bedenken, ob wir das überhaupt schaffen“, berichtet
Monika Müller. Doch während der dreimonatigen Vorbereitung hätten sie immer mehr
Stärken an sich entdeckt. So fiel denn auch ihre
eigene Einschätzung, ob sie es schaffen können oder nicht, positiv aus. Was die beiden
Regialogen an der Grafschaft überrascht und
gefreut hat, waren die kurzen Wege zu Behörden und Firmen. „Der Umgangston war meistens familiär und freundlich“, erinnert sich
Manfred Stedtler, der wie seine Kollegin sagt,
dass er durch das Gelingen des Fests am Kanal
in Emlichheim neues Selbstvertrauen gesammelt habe. Dass sich die Teilnehmer von Regialog wieder etwas zutrauen, weil sie alleine
etwas auf die Beine gestellt haben, ist eines der
Ziele des bundesweit angebotenen Projekts
Regialog.
Auch für die teilnehmenden Institutionen
hat sich Regialog ausgezahlt, wie Galerieleiter
Nachtigäller berichtet. „Wegen des direkten
Drahts zu den Touristikern ist Regialog ein
echter Gewinn für uns. Wir machen auf jeden
Fall weiter mit“, versichert er. Die beiden Nachfolger, die im April in Nordhorn ihre Arbeit aufnehmen, können dabei vom ersten Regialogen-Paar profitieren. Manfred Stedtler und
Monika Müller haben ihre Erlebnisse und
Erfahrungen während der elf Monate in Nordhorn aufgeschrieben, ausgewertet und mit
praktischen Tipps versehen.
Daniel Klause
eifrig am Programm gearbeitet. Die Besucher erwarten u. a. wieder rund um die beiden Galeriepavillons ein großer Kunstbuch-Basar, Lesungen,
Performances, Filme, Infostände, Musik und die Eröffnung des neuen Galerie-Foyers. Auch der Termin steht bereits fest: 29. April 2005. + + + +
Und auch die nächste Ausstellung wirft schon ihre Schatten voraus, die ersten Künstler treffen für Vorbereitungsgespräche in der Stadt ein.
„Modellräume – Bühnen, Spielfelder, Versuchsanordnungen“ eröffnet am Sonntag, den 22. Mai um 11 Uhr.
Kochkünstler 30
31
Beist – Mehlpüt
von Gerdine Frenck
as Rezept habe ich von meiner
Tante Gerdine von der ostfriesischen Nordseeinsel Borkum
erhalten. Und wie sie sagt: „Es
gelingt, oder es gelingt nicht …“
D
Für 2 Personen benötigt man:
3 Eier
1/2 Liter Milch einer Kuh,
die gerade gekalbt hat
(erste Milch nach dem Kalben)
1/2 Pfund Mehl
etwas Salz
einen genähten länglichen
Beutel aus Leinen oder aus
einem Kunstdarm vom
Schlachter
Ähnlich wie bei einem Pfannkuchenteich werden 3 Eier
geschlagen und etwas Salz dazu
gegeben. Dazu kommt die Milch,
die dickflüssiger ist als normale
Milch. Das Mehl wird noch einmal
durchgesiebt, damit keine Klumpen entstehen. Wenn das Mehl
hinzugegeben wurde und alles
vermengt ist, muss man die Konsistenz testen. Der Teig ist nur
dann richtig, wenn er „schwer fließend“ ist. Ansonsten muss noch
etwas Flüssiges oder etwas Festes
von den Zutaten beigefügt werden.
Beim Befüllen des Beutels stellt
man ihn am besten in ein schmales hohes Gefäß (z. B. eine Kanne).
Beim Verschließen müssen oben
ca. 2 cm Luft gelassen werden, da
der Teig sich ausdehnt.
In einen Topf mit Wasser wird
nun ein umgekehrter Teller oder
ein Stück Stoff gelegt. Dies verhindert das Anbrennen des BeistMehlpüts am Topfboden. Eine
Stunde etwa kocht der Beutel nun
im Wasser vor sich hin. Mit einer
Stricknadel sticht man schließlich
in den Beutel. Bleibt kein Teig an
der Nadel zurück, ist das Gericht
fertig.
Der Beutel wird aufgeschnitten
und heraus kommt ein weißes
Gericht. Es wird in etwa 1–2 cm
dicke Scheiben geschnitten und
mit Sirup oder Butter und Zucker
serviert. Guten Appetit!
Gerdine Frenck hat ein feines
Gespür für merkwürdige
Geschichten. Für ihre künstlerische Arbeit ist sie ständig auf der
Suche nach bemerkenswerten
Ereignissen, seltsamen Fotos,
historischen Momenten, an
denen ihre Aufmerksamkeit hängen bleibt. Mit ihren sogenannten „Nachstellungen“ begibt sie
sich gerne in die Rolle von WerbeModels, Filmschauspielern oder
anderen öffentlichen Personen,
um mit augenzwinkerndem Blick
das Absurde, Ungewöhnliche
oder Künstliche der jeweiligen
Posen überdeutlich hervorzukehren. Für das „schön”-Rezept entwickelte sie exklusiv eine Gegenüberstellung von Anthony Perkins
und der schwangeren Künstlerin.
Gerdine Frenck wurde 1965 in
Varel geboren, lebt heute in
Braunschweig und war in der
Städtischen Galerie Nordhorn
2003 mit einer bemerkenswerten
Rauminstallation für die Ausstellung „Plastik, Plüsch und Politik“
zu sehen.
Wenn die Bilder
Versteck spielen
er Wettstreit der antiken Maler Zeuxis und Parrhasios ist Legende:
Der eine malte Kirschen so täuschend echt, dass die Vögel das Bild
zerpickten; der andere bat den Kollegen, den Vorhang vor einem seiner
Bilder zur Seite zu ziehen. Der versuchte es und stellte fest, dass der Vorhangstoff nur gemalt war. In fast allen Epochen findet man Beispiele
dieser Kunst, für die um 1800 der Begriff „Trompe-l'oeil“ aufkam, die
Täuschung des Auges.
In einem opulenten und liebevoll arrangierten Bildband haben
Eckhard Hollmann und Jürgen Tesch gemalte Augentäuschungen von
der Antike bis zur Gegenwart zusammengetragen. Die kleinen Zauberstücke täuschen Räume und Gegenstände, Menschen und sogar Landschaften vor – zum Greifen nah und doch nur Illusion.
Auf 96 Seiten offenbart sich die Kunstfertigkeit aller Maler, die dreidimensionale Welt gekonnt ins Zweidimensionale zu übertragen. Sie lassen die Betrachter immer wieder in die Falle laufen: Das gilt für Jan van
Eyck, Paolo Veronese oder René Magritte ebenso wie für die zeitgenössischen Künstler Duane Hanson oder Hans-Peter Reuter. „Die Kunst der
Augentäuschungen“ ist ein richtig schönes „Bilder-Buch“ und bietet
dank der kurzen und gut geschriebenen Erklärungen zu jeder Abbildung
hintergründigen Lesegenuss.
Dagmar Thiel
D
Eckhard Hollmann,
Jürgen Tesch:
Die Kunst der
Augentäuschung.
Verlag Prestel.
Gebunden,
40 farbige und
20 s/w Abbildungen,
24,95 Euro
Original
oder
Fälschung?
an Vermeer ist einer der rätselhaftesten Maler der Kunstgeschichte.
Erst 200 Jahre nach seinem Tod wächst sein Ruhm ins Maßlose.
Deshalb ist die Empörung groß, als man Ende Mai 1945 in den Niederlanden entdeckt, dass ein Werk Vermeers in Hermann Görings Privatsammlung gelangt ist. Als Drahtzieher des Verkaufs wird der Maler und
Kunsthändler Han van Meegeren verhaftet. Dieser gesteht, das Bild
gefälscht zu haben, und zwar nicht nur das eine, sondern noch sechs
weitere, unlängst wiedergefundene Vermeers, mit denen sich die bedeutendsten Museen der Zeit schmücken. Eigentlich ein Held des Vaterlands, der die Nazis an der Nase herumgeführt hat, wird ihm der Prozess
gemacht. Die Kunstwelt ist erschüttert: Wie konnten sich die Experten
so täuschen lassen? Wie gelang es ihm, alle technischen Analysen
auszutricksen? Selbst nach seinem Geständnis glauben viele, ihr van
Meegeren sei in Wahrheit doch ein echter Vermeer. Luigi Guarnieri
erzählt in seinem Buch „Das Doppelleben des Vermeer“, das im März
im Verlag Antje Kunstmann erscheint, eine ebenso spannende wie
entlarvende Geschichte aus der Welt der Galerien, Sammler und des
offiziellen Kunstbetriebs. Sein eleganter mit feiner Ironie durchsetzter
Stil macht die Lektüre zu einem schadenfrohen Vergnügen. Daniel Klause
J
Luigi Guarnieri:
Das Doppelleben des Vermeer.
Verlag Antje Kunstmann
2005
ANTHONY PERKINS, Don Ornitz, 1960
Gerdine Frenck
Bücherecke
Der andere Blick 32
LÖCHRIG
Ob groß oder klein: Riskieren
Sie ruhig einmal einen Blick.
FUNKTIONAL
Ab in den Trog und a’ Ruah is. Straßen können so
schön sein, wenn man sie nicht hört und sieht.
... vor die Wand
TRUTZIG
Ganz Belgiae ist von den Römern besetzt. Ganz
Belgiae? Nein, an der Grenze zu Germania leistet
ein Dorf voller unbeugsamer Ureinwohner den
Eindringlingen erfolgreich Widerstand.
GROßSTÄDTISCH
Welcher Bahnreisende kennt ihn nicht, den Blick
vor die Wand, die Rückseite der Städte.
KULTIG
TRANSPARENT
Wo sich Siedlungen hinter meterhohem
Beton verstecken, fällt der Blick
ungehindert über Fluss, Wiesen und Äcker.
Niemand hat die
Absicht eine Mauer
zu bauen. Weltgeschehen mitten
in Nordhorn.
Die bunte Seite 34
Alte Meister
SCHONE
Fragen ...
Gerhard Kortmann
Pastor der reformierten
Kirchengemeinde in Nordhorn
Was gefällt ihnen an der Grafschaft am Besten?
Das Plattdeutsch mit seinem Witz.
Etwas, das Sie sammeln: Geschichten und viel Musik.
Ein Künstler oder eine Künstlerin, die Sie sehr schätzen:
Den Kabarettisten und Christenmenschen Hanns-Dieter Hüsch,
der das Schwere leichter sagen kann.
Ein Kunstwerk in der Grafschaft, das Sie berührt hat:
Der „Schwarze Garten“ in Nordhorn, weil er dem traurigen Ort die
richtige Farbe gibt.
Eine Ausstellung, ein Konzert oder Theaterstück,
das Sie nachhaltig beeindruckt hat:
Ein Konzert mit Reinhard Mey in Osnabrück: ein Mann, eine Gitarre,
ein Mikro vor 2000 Zuhörern und alles glasklar zu verstehen.
Einen Ort in der Grafschaft, den Sie lieben:
Den Spöllberg – mit und ohne Kette.
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Ein guter Fußballspieler wie Günter Netzer, der Gitarre spielt wie
Eric Clapton und schlagfertig ist wie Harald Schmidt.
Von welchem Künstler hätten Sie am liebsten ein Bild
im Wohnzimmer? Rita Rossi: “Vivalencia”.
Etwas, was Ihnen an der Religion gefällt:
Die Ahnung, dass es mehr gibt, als das was unsere Augen meinen
zu sehen.
Eine Sache, die Sie gerne putzen:
Mein Auto. In der Waschstraße.
In der Grafschaft fehlt mir immer noch …
Ein Bahnhof in Nordhorn mit guten Anbindungen.
Ein Grund, weshalb Sie aus der Grafschaft wegziehen würden:
Nur wenn die Liebe es will oder der Meeresspiegel steigt.
Sind Sie Mitglied in einem Verein?
Ja, in viel zu vielen ...
Yves Klein: Autobahn 31
Eine schöne Tradition ist …
Der Gottesdienstbesuch am Sonntag.
Sind Sie schon Mitglied?
Seit vielen Jahren wird die Arbeit der Städtischen Galerie Nordhorn
von einem engagierten Förderkreis ideell wie finanziell begleitet.
Er ist ein unverzichtbarer Partner der Galerie für alle kulturellen und
künstlerischen Aktivitäten, die über das gewohnte Maß hinaus gehen.
Im Gegenzug bezieht die Städtische Galerie Nordhorn die Mitglieder
besonders eng in ihre Arbeit mit ein: Angeboten werden Sonderführungen, Essen und Gespräche mit Künstlern im kleinen Kreis, Reisen
zu besonderen Ereignissen außerhalb Nordhorns, Vorabinformationen
oder auch die kostenlose Zusendung des Magazins »schön« direkt nach
Erscheinen. Allen Mitgliedern wird ein reduzierter Eintrittspreis in die
Galerie geboten, und auf die hochwertigen Kataloge erhalten sie im
Erscheinungsjahr einen Sonderrabatt von mindestens 30%.
Rücken Sie näher an die Städtische Galerie Nordhorn heran und stoßen
Sie zu einer interessanten, vielfältigen und aufgeschlossenen Gruppe
kulturinteressierter Menschen. Mit einem Jahresbeitrag von 30
(Schüler u. Studenten 10 ) helfen Sie aktiv mit, dass Kunst und Kultur
in Nordhorn weiterhin lebendig und abwechslungsreich bleiben und
Außergewöhnliches zu bieten haben.
dabei sein
neugierig, aufgeschlossen,
interessiert, engagiert
förderkreis
städtische galerie nordhorn e. v.
herrn dr. hans michael schulz
vechteaue 2, 48529 nordhorn
tel. 05921-97 11 00, fax 97 11 05