Familiengründer - Investors Marketing

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Familiengründer - Investors Marketing
manager magazin vom 21.01.2011
Autor:
Böschen, Mark
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Rubrik:
Seitentitel:
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Jahrgang:
Nummer:
120 bis 127
Private Banking
Private Banking
Private Banking
Zeitschrift
2011
2
Reichweite:
140.034 (gedruckt) 104.584 (verkauft)
108.791 (verbreitet)
0,66 (in Mio.)
Vermögensverwaltung
Familiengründer
Immer mehr reiche Deutsche überlassen ihr Geld nicht den Banken, sondern kümmern sich mit
Family Offices selbst darum. Jetzt können auch weniger Betuchte ihr Geld auf diese Weise
mehren.
Am Rande eines Bad Homburger Villenviertels, in dem die blanken Klingelschilder an den Toren keine Namen verraten, steht ein großer Bau aus Glas und
Beton. Wer hineinwill, muss an ihm
vorbei: Harald Quandt. Gleich doppelt
wacht er im Foyer des nach ihm benannten Hauses, auf zwei Porträts von PopArt-Künstler Andy Warhol.
Christian Stadermann (45) geht mehrmals täglich daran vorbei, auf dem Weg
zu seinem Schreibtisch mit den zwei
Bloomberg-Monitoren, die ihm Kurse
von Anleihen und Aktien anzeigen. Der
Ex-Banker ist Geschäftsführer von HQ
Trust, einem der ältesten deutschen Vermögensverwalter für Superreiche seiner
Art. Das Besondere an der Firma: Der
HQ Trust ist ein Multi Family Office. Er
verwaltet nicht nur das Milliardenvermögen der vier Harald-Quandt-Töchter immerhin rund eine Milliarde Euro -,
sondern kümmert sich auch um das Geld
anderer Anleger. Einzige Voraussetzung: Sie müssen mindestens 50 Millionen Euro mitbringen.
Stadermann hat reichlich zu tun, denn
immer mehr Familien suchen seine
Dienste. "Derzeit läuft eine zweite
Gründungswelle von Family Offices",
sagt er. Die erste Welle hatten vor mehr
als 20 Jahren unter anderem die QuandtErbinnen mit ihrem Vermögensverwalter gestartet.
Heute ist es viel einfacher und günstiger, ein sogenanntes Single Family
Office für die eigene Familie zu gründen. Das kümmert sich um Kernfunktionen wie die Beaufsichtigung der Wert-
entwicklung von Depots. Mit der Anlagestrategie beauftragen solche Familienbüros häufig Multi Family Offices wie
HQ Trust. Diese Arbeitsteilung ist für
beide Seiten lohnend: Die einen brauchen keine teuren Experten vorzuhalten,
die anderen lasten ihr Humankapital
besser aus.
Rund 400 Single Family Offices, die nur
eine Familie bedienen, und 50 Multi
Family Offices gibt es hierzulande,
schätzt Peter Schaubach, Wirtschaftsprofessor und Vermögensforscher an der European Business School
in Oestrich-Winkel. Und die Zahl steigt.
Rund 6000 Deutsche mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Euro je
Familie nutzen bereits die Dienste eines
Family Office, schätzt der ResearchAnbieter Investors Marketing. Die
exklusiven Geldverwalter steuern ein
Gesamtvermögen von mehr als 180 Milliarden Euro - das ist mehr, als die zur
Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft DWS hierzulande verwaltet.
Was aber macht Family Offices für vermögende Anleger so attraktiv? Für wen
lohnt sich ein Familienbüro? Und wer
sollte besser die Finger davon lassen?
Fest steht: Verlierer der neuen Familienpolitik sind die Banken. Sogar Industriellen-Clans, die jahrzehntelang auf die
Geldhäuser vertraut haben, nehmen ihr
Vermögen jetzt selbst in die Hand.
Prominentestes Beispiel: die Familie
Henkel, Mehrheitseigentümer des
gleich- namigen Düsseldorfer Konsumgüter- herstellers. Erst 2006 gründeten
sie das Henkel Family Office. Die
Schaltzentrale der 8,5 Milliarden Euro
schweren Ver-mögensverwaltung befindet sich in einem mit roten Steinplatten
verkleideten Zweckbau in der HeinrichHeine-Allee, gegenüber der Düsseldorfer Oper. Dort wacht Kai-Arne Jordan
(43) als Geschäftsführer zusammen mit
sieben Kollegen über das Vermögen der
Waschmitteldynastie.
Warum aber braucht die heute ein Familienbüro, Herr Jordan? "Die Familienmitglieder wollten systematisch ihre
Erfahrungen mit Vermögensverwaltern
austauschen, nicht nur sporadisch auf
Familientreffen", sagt der Geldmanager.
"Aus der Idee ist dann viel mehr geworden."
Aber nur, weil die Idee auch bei den
Kosten überzeugte. Denn die Erben von
Fritz Henkel (1848 bis 1930) halten
nicht nur Konzernchef Kasper Rorsted
zum Sparen an, sondern auch ihre Vermögensverwalter.
"Der Gesamtaufwand sollte geringer
sein als das, was die Banken vorher an
unseren Kunden verdient haben", sagt
Jordan. "Wenn die Kosten für Wertpapierhandel und Gebühren so stark sinken, dass die Eigentümer mit den Einsparungen das Family Office bezahlen
können, hat der Kunde ohne Mehrkosten einen eigenen Ansprechpartner für
sein Vermögen."
Die Kosten sind tatsächlich überschaubar. Wer sein Geld einem Multi Family
Office anvertraut, zahlt für die reine
Verwaltung des Vermögens eine moderate Gebühr: Üblicherweise sind es
weniger als 0,5 Prozent pro Jahr. Dazu
kommen in vielen Fällen erfolgsabhängige Gebühren.
Die meisten Family-Office-Kunden
bringen dreistellige Millionenvermögen
mit, zeigt die Studie "Mythos Family
Office 2010", eine Umfrage unter 64
Family Offices in Deutschland und der
Schweiz, die das Bayerische FinanzZentrum gemeinsam mit den Finanzdienstleistern Complementa und J. P.
Morgan Asset Management erstellt hat.
Nur jedes zehnte der befragten Family
Offices verwaltet weniger als 300 Millionen Euro. Die Hälfte der exklusiven
Vermögensverwalter steuert zwischen
300 Millionen und einer Milliarde Euro.
Fast 40 Prozent von ihnen haben sogar
mehr als eine Milliarde Euro in den
Depots.
Banken verlangen bei der Topklientel
einen ähnlichen Obolus wie die Family
Offices, nehmen darüber hinaus aber
gern versteckte Gebühren. Zu diesem
Zweck kaufen sie häufig hauseigene
Fonds für die Depots oder kassieren
hohe Aufschläge beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren, wenn sie die
Aufträge an die Kollegen im bankeigenen Handelssaal vergeben.
Doch der Druck auf die Provisionen der
Banker wächst. Denn die exklusive
Form der Geldverwaltung durch ein
Family Office ist längst auch für deutlich kleinere Vermögen verfügbar. Bei
Feri Family Trust zum Beispiel geht es
ab fünf Millionen Euro Anlagevermögen los, sagt Katja Liese, die für die
strategische Unternehmensentwicklung
von Feri Family Trust verantwortlich
ist.
Feri Family Trust ist das zweite Multi
Family Office, das aus dem QuandtImperium hervorgegangen ist. Seit 2006
gehört Feri mehrheitlich zum Finanzvertrieb MLP. Das Unternehmen residiert
im Haus am Park, einem gläsernen Bau
am Rande der Bad Homburger Innenstadt.
Feri-Kunden brauchen keine eigenen
Mitarbeiter für ihre Vermögensverwaltung mehr. "Manche nutzen zwar eine
Sekretärin", sagt Katja Liese. "Aber die
meisten delegieren sämtliche Aufgaben
an uns."
Dazu gehört vor allem die Anlagestrategie, also die Aufteilung des Vermögens
auf Aktien, Anleihen, Immobilien und
andere Anlageklassen (siehe Grafik
rechts). Dann vergeben die FamilyOffice-Manager Mandate an Spezialisten, die einzelne Investments auswählen, und überwachen deren Arbeit.
Festes Ritual bei jeder Topvermögens-
verwaltung ist der monatliche Anlageausschuss, so auch beim Focam Family
Office. Bereits 1999 hatte Andreas
Jacobs (47), Spross der Bremer Kaffeeund Schokoladen-Dynastie, den Vermögensverwalter gegründet. Chef von
Focam ist Jakobs-Freund Christian von
Bechtolsheim (50). Eine seiner wichtigsten Aufgaben: die Auswahl der einzelnen Manager, die jeweils einen Teil des
Vermögens mehren sollen.
Der Auswahlprozess ist rigoros. Wer
das Geld der Kunden betreuen möchte,
muss zuvor einen sogenannten Schönheitswettbewerb überstehen. "Wenn
eine Familie zum Beispiel einen Aktienexperten für Asien sucht, machen wir
drei bis fünf Vorschläge für die Endauswahl", sagt Focams Anlagechef Thorsten Querg (49). "Diese Manager
möchte die Familie, insbesondere bei
größeren Mandaten, dann auch persönlich kennenlernen."
Danach überwacht Focam, ob die externen Manager ihre Vorgaben auch einhalten. Gute Family Offices verfügen
über Software, die das Vermögen bei
allen mandatierten Verwaltern zusammenfassen und analysieren kann. So
können sie Klumpenrisiken erkennen.
Dadurch war es dem Henkel Family
Office möglich, die beauftragten Fondsmanager früh anzuweisen, alle griechischen Staatsanleihen in den Depots der
Familie zu verkaufen - bevor die Kurse
ins Bodenlose fielen.
Diese Arbeitsweise ist für ordentliche
Family Offices mittlerweile typisch: Sie
treffen die Entscheidungen über den
Kauf oder Verkauf von Wertpapieren,
die Banken übernehmen nur noch die
technische Abwicklung. Der Anteil der
von Kunden selbst gemanagten Depots
bei den Privatbanken ist allein von 2007
bis 2008 von 62 auf 66 Prozent gestiegen, belegen die jüngsten verfügbaren
Daten der Beratungsgesellschaft Booz &
Co. Dagegen hat sich die Zahl der Vermögensverwaltungsmandate, bei denen
die Bank allein entscheidet, im gleichen
Zeitraum fast halbiert, von 26 auf 15
Prozent.
KEIN WUNDER, dass der Kunden- und
vor allem Provisionsschwund im Geldgewerbe für Gesprächsstoff sorgt. So
auch bei der Euroforum-Konferenz Private Banking und Family Office im feinen Hamburger "Hotel Louis C. Jacob",
einem der wichtigsten Treffen der Privatbankenzunft.
Es ist Anfang Dezember 2010, vor den
Fenstern des Konferenzraums fahren die
Containerschiffe auf der Elbe an der
verschneiten Airbus-Werft vorüber.
Drinnen im Saal ist die Stimmung
ebenso eisig.
"Die Finanzkrise hat das Vertrauen der
Kunden in die Banken massiv gestört",
erklärt Rolf Tilmes, Dekan der European Business School, der versammelten Finanzgemeinde. "Die Kunden
ändern ihr Verhalten: Immer mehr
Wohlhabende verwalten ihr Vermögen
selbst."
Aus dem Publikum, rund 200 Banker
und Vermögensverwalter, kommt kein
Widerspruch, sondern Zustimmung.
Family Offices hätten das Geschäftsmodell der Privatbanken aufgebrochen,
sagt Thomas Borghardt (44), bei der
Deutschen Bank verantwortlich für die
Betreuung der wichtigsten Kunden im
Geschäftsbereich Private Wealth Management auf dem Heimatmarkt. "Family
Offices wurden zur Ordnung des Vermögens gegründet", sagt Borghardt.
"Jetzt werden sie zu Vermögensverwaltungen" - und damit vom Partner zur
erbitterten Konkurrenz der Banken.
Die anderen Institute machen ähnliche
Erfahrungen. "Wenn wir für Family
Offices arbeiten, werden wir enger
geführt als früher, so wie alle", diagnostiziert Franz Angermann (43), der bei
UBS Deutschland für die Betreuung
großer Privatvermögen und Single
Family Offices zuständig ist.
Angermann wie auch seine Kollegen
kennen die Ursachen für den Gründerboom bei Family Offices nur allzu gut:
Interessenunterschiede zwischen Banken und Kunden. Während die Kunden
vor allem Anlageprodukte nach ihren
Bedürfnissen wollen, interessiert Banker naturgemäß auch, wie viel dabei für
sie hängen bleibt. Die Folge: Allzu oft
haben die Geldhäuser bei der Verwaltung von Kundengeldern an ihre eigene
Gewinn- und-Verlust-Rechnung
gedacht.
VON DEM NOBELHOTEL und der
Banker-konferenz sind es nur wenige
Kilometer elbaufwärts bis zu Hamburgs
teuerster Einkaufsstraße Neuer Wall, wo
einer der Gewinner des Branchenumbruchs sein Quartier hat: Lange Assets
& Consulting. Dem Vermögensmanager Thomas Lange (44) fließen stetig
neue Gelder zu, auf mehr als 200 Millionen Euro ist das von ihm verwaltete
Kapital be-reits gestiegen. Unter anderem zählt Verlagserbe John Jahr (45)
zum Kreis der Mandanten.
Während die verbliebenen Bankkunden
ihren Beratern enge Vorschriften auferlegen, und Verbraucherministerin Ilse
Aigner noch dazu bei jedem Beratungsgespräch das leidige Erstellen von
Gesprächsprotokollen verlangt, hat
Lange bei seinen Kunden freie Hand.
Mit den lästigen Protokollen, die
Finanzberater seit 2010 ausfüllen müssen, hat er nichts zu schaffen. "Das
Beratungsgeschäft, bei dem Kunden die
Entscheidungen selbst treffen, haben wir
2009 aufgegeben", sagt er.
Lange redet kaum mit seinen Kunden.
"Die geben uns keine Anlageklassen
vor, sondern Renditeziele. Denen ist
dann egal, wo wir investieren." Dieses
Vertrauen haben er und seine acht Kollegen sich in den vergangenen Jahren
erarbeitet: Risikoscheue Kunden hatten
2010 7 bis 8 Prozent Rendite, Mutigere
konnten sich sogar über 14 bis 17 Prozent Plus freuen.
Doch um hohe Gewinne geht es Lange
derzeit nicht. "Unser Fokus ist im
Moment: Wie kann ich vermeiden, Geld
zu verlieren?"
Ein ähnlich unabhängiger Arbeitsstil
zeichnet auch Jens Spudy (48) aus,
Gründer und Geschäftsführer der Spudy
& Co. Family Office GmbH. "Wir
arbei-ten bevorzugt mit bankunabhängigen Fondsgesellschaften und Vermögensverwaltern zusammen, da diese
ohne größere Einschränkungen durch
Konzernvorgaben ihre Entscheidungen
treffen können."
Spudy war selbst Banker, jahrelang
beriet er für die Deutsche Bank wohlhabende Kunden. 1994 wagte er den Ausstieg und gründete sein Unternehmen,
das heute in einer frisch renovierten
Jugendstilvilla an der Hamburger
Außenalster residiert. Seinen Co-Gesellschafter Randolph Kempcke warb
Spudy erst vor einem Jahr vom Multi
Family Office UBS Sauerborn ab.
Gemeinsam hüten sie mehr als 3,5 Milliarden Euro Kundengeld.
Bankeigene Fondsanbieter wie DWS
oder Deka finden sich auf Spudys Empfehlungsliste kaum. Für Aktieninvestitionen setzt er auf Warren Buffetts
Finanzkonglomerat Berkshire Hathaway oder auf den Aktienfonds Carmignac Investissement, mit dem der Franzose Edouard Carmignac seit dem Start
1989 das Geld der Anleger mehr als verzehnfacht hat. Als Spezialisten für
Nebenwerte, also Aktien mit geringer
Marktkapitalisierung, nutzt Spudy die
US-Boutique Royce und die dänische
Sparinvest. Anleihemandate lässt er zum
Beispiel vom am Bodensee beheimateten Peter Huber und dessen Fondsgesellschaft Starcapital verwalten.
Gut für weniger betuchte Privatanleger:
Diese Vermögensverwalter sind auch
Nichtmillionären zu Diensten (siehe
Kasten Seite 126).
DASS VIELE SUPERREICHE lieber
soliden jungen Finanzboutiquen vertrauen als den etablierten Privatbanken,
ist freilich neu. Durch die Finanzkrise
und den Zusammenbruch der Privatbank Sal. Oppenheim hat die Zunft
reichlich Kredit verspielt.
In der neuen Geldwelt sind die unabhängigen Vermögensverwalter die Verbündeten der Family Offices. Doch blindes
Vertrauen in die neuen Finanzmächtigen bleibt gefährlich. Nur wer sich
selbst intensiv um seine Finanzen kümmert, kann die richtigen Verwalter für
sein Vermögen finden und verhindern,
Betrügern aufzusitzen. Für diese Aufgabe ist die neue Generation der Unternehmenserben offenbar besser gerüstet
als ihre Vorgänger.
Beispiel Wolf Hartmut Adler. Der 45Jährige hat einst die Adler Modemärkte
geerbt - und längst verkauft. Anstatt sich
mit Textildiscountern zu beschäftigen,
studierte Adler an der US-Eliteuniversität Stanford Wirtschaftswissenschaften,
unter anderem bei Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman und Gastdozenten wie Warren Buffett. Danach
arbeitete er einige Jahre für die Boston
Consulting Group und die Vermögensverwaltung der Schweizer UBS. Heute
leitet Adler von einer Stuttgarter Villa
aus das Fontis Family Office, das auch
für andere Familien offen ist.
Die Finanzkrise hat Adler bestätigt, wie
wichtig ein gesundes Misstrauen gegenüber anderen Vermögensverwaltern ist.
Denn wer viel Geld hat, zieht auch
Scharlatane an. So hatten die Vertriebspartner des US-Betrügers Bernie Madoff
seit 2004 mehrmals in der Stuttgarter
Villa angeklopft und mit Traumrenditen
geworben.
"Deshalb haben wir das nicht ge-macht.
Ich konnte nicht verstehen, warum die
Zahlen so gut waren", sagt Adler. Auch
die hohen Vermittlergebühren, die
Madoff zahlte, waren ihm ein Warnzeichen.
Um Finanzalchemisten wie Madoff zu
durchschauen, hilft es, dass Adler selbst
alles für eine Wall-Street-Karriere mitbringt. Gegen die Arbeit bei einer
Investmentbank entschied er sich am
Ende seines Studiums, nachdem er mit
anderen Absolventen den Handelsraum
einer Wall-Street-Bank besucht hatte.
Adler hatte gehört, wie ein Wertpapierhändler seinem Kunden eine Investition
anpries - und eine Sekunde später, als
der Hörer auf der Gabel lag, über den
dummen Kunden herzog. "In diesem
Moment dachte ich: Ich will meine
Seele nicht verkaufen", sagt er.
Vor allem will Adler nicht selbst der
dumme Kunde sein, bei dem andere ihre
Giftpapiere abladen.
Die Vorbilder der neuen deutschen
Family-Office-Elite sitzen in den Vereinigten Staaten, wo es Familienbüros
nicht erst seit 25 Jahren gibt, sondern
seit mehr als einem Jahrhundert. Die
Szene dort ist viel größer und bietet
Inspiration.
Auch für Johannes Fritz (56), der seit
Jahren das hauseigene Familienbüro des
anderen Quandt-Familienzweigs leitet.
Die Erben von BMW-Eigner Herbert
Quandt, Stefan Quandt und Susanne
Klatten, kommen gemeinsam mit Mutter Johanna auf knapp 17 Milliarden
Euro Vermögen.
Fragt man Fritz nach seiner Einschätzung der Finanzmärkte und seiner Anlagestrategie, empfiehlt er vor allem Tony
Boeckhs Buch "The Great Reflation".
Anthony Boeckh (72) leitet sein eigenes
Family Office und gibt den an Vermögende gerichteten Rundbrief "The Boeckh Investment Letter" heraus. Der
Kanadier hat süddeutsche Vorfahren,
die ihr Vermögen mit der Herstellung
von Malerpinseln verdienten. Er sitzt
fern der Wall Street in einer Bürosuite
mit der Adresse 1002 Sherbrooke Street
West im kanadischen Montreal.
Boeckh ist überzeugt, dass Anleger seit
der Finanzkrise alles anders machen
müssen als vorher: "Denn wir leben in
einer neuen Geldwelt, in der nichts mehr
ist wie zuvor", sagt er. Die alte Regel
"Kaufe und halte" ist ungeeignet für die
neuen, turbulenten Zeiten, in denen
Aktien gleich zweimal innerhalb eines
Jahrzehnts die Hälfte ihres Werts verlieren können, so wie es in den Jahren
2000 und 2008 geschehen ist.
Für die kommenden Monate erwartet
Boeckh jedoch steigende Aktienkurse,
weil die Notenbanken mit ihrer Niedrigzinspolitik die Spekulation an den Börsen anheizen. Doch sollten Anleger
wegen der ungelösten Staatsschuldenkrise wachsam bleiben, warnt er.
"Es geht darum, ständig mit dem Kapital hin- und herzujonglieren: Zwischen
sicheren Anlagen wie deutschen Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit und nahezu
null Rendite sowie riskanten Anlagen
wie Aktien und Hochzinsanleihen, die
noch Rendite versprechen", sagt Boeckh. Damit, so der Kanadier, sind viele
Banker überfordert. Entsprechend wichtig ist ein ausgeklügeltes Controlling.
Der Schweizer Rudolf K. Sprüngli,
Nachfahre des gleichnamigen SchokoClans, ist sich deshalb für die Buchhaltung nicht zu schade. "Ich mache
auch das Controlling, ich habe mich so
organisiert, dass ich das schaffe", sagt
er. Den externen Managern macht er
genaue Vorgaben für den Portfoliomix,
einschließlich Renditeziel. Oft bestimmt
Sprüngli sogar, in welche Unternehmen
seine Vermögensverwalter investieren
sollen.
DOCH SELBST Sprünglis Maß an
Autar-kie reicht einigen nicht mehr, die
ihre finanzielle Selbstständigkeit auf die
Spitze treiben. Diese Reichen erledigen
fast alles im eigenen Familienbüro, auch
die Auswahl einzelner Aktien. Sie
kooperieren vorwiegend mit anderen
Family Offices, die ausschließlich
einem Clan dienen.
Zwei dieser neuen Family-Office-Netzwerker haben am Rosenheimer Platz in
München ihren Sitz: die Zwillinge Thomas und Andreas Strüngmann (60).
Große Ansprüche können sie sich leisten, denn seit dem Verkauf ihres Nachahmer-Medikamentenherstellers Hexal
an den Schweizer Konzern Novartis vor
sechs Jahren gebietet jeder von ihnen
über knapp zwei Milliarden Euro - und
zwar zu einem guten Teil über ihre
Athos Service GmbH.
Die Strüngmanns sind beinahe täglich
bei den zehn Angestellten ihres Family
Office. "Externe Berater haben wir stark
reduziert", sagt Thomas Strüngmann.
"Wir tauschen uns mit anderen Family
Offices aus, auch international."
Das funktioniert etwa so: Derzeit möchten die Brüder ihren Immobilien-anteil
von 10 auf 15 Prozent erhöhen. Aber
nicht im überteuerten München, sondern in Asiens Wachstumsmärkten.
"Dabei hilft uns der Experte eines anderen Family Office, dem folgen wir bei
unseren Immobilieninvestments", sagt
Thomas Strüngmann. "Dafür investiert
der bei uns in Biotech."
Eine Bank besucht Strüngmann fast nur
noch, wenn er einen Geldautomaten
braucht.
IM NAMEN DER QUANDTS
Christian Stadermann (45) lenkt die
Milliarden des HQ Trust in Bad Homburg. Rund die Hälfte des Kapitals
steckt derzeit in Private Equity und Hedgefonds, ein Viertel in Sachwerten wie
Rohstoffen und Immobilien, der Rest in
Anleihen und Aktien.
Gabriele Quandt-Langenscheidt (l., 58),
Colleen-Bettina Rosenblat-Mo (48)
sowie ihren Schwestern Anette-Angelika May-Thies (56) und Katharina Geller-Herr (59) gehört HQ Trust. Die
finanzkundige Gabriele reist mindestens einmal im Monat an und sieht
nach dem Rechten.
LANGE LEINE
Thomas Lange (44) hält nichts davon,
risikoscheuen Kunden wie bisher üblich
fast nur Anleihen ins Depot zu legen.
Seine Kunden geben ein Renditeziel vor
und lassen ihm ansonsten freie Hand.
John Jahr (45), hier mit Ehefrau Maike,
vertraut Lange einen Teil des Vermögens an. Um seine Spielbanken in Hamburg und Wiesbaden kümmert er sich
selbst.
AUF EXPANSIONSKURS
Jens Spudy (48) vergrößert seinen
Machtbereich: Vor einem Jahr luchste er
UBS Sauerborn das Hamburger Team
ab, ein halbes Jahr später kaufte er die
Mehrheit beim Münchener Vermögensverwalter Döttinger/Straubinger.
Klaus Murmann (79) , Ex-Arbeitgeberpräsident, segelt gern. Da trifft es sich,
dass Spudy & Co, an der er beteiligt ist,
direkt an der Außenalster sitzt.
DER SELBSTVERWALTER
Anthony Boeckh (72) hat als Spross
einer Unternehmerfamilie genug eigenes Geld zu behüten und nimmt darum
kein fremdes an. Seine Antwort auf die
Frage, was Anleger seit der Finanzkrise
anders machen müssen, ist
einfach:"Alles".
Wem Family Offices ihr Geld
anvertrauen
Vermögensverwalter, die Rendite
und Risikokontrolle verbinden
Edouard Carmignac
Der Franzose (63) setzte früh auf
Wachstumsmärkte und Rohstoffe.
Kursrückgänge umschifft er mit Absicherungs-kontrakten am Terminmarkt.
Sein Mischfonds Patrimoine (WKN:
A0DPW0) brachte seit 1989 knapp
600 Prozent Plus.
Bert Flossbach
Der Co-Chef (49) der Finanzboutique
Flossbach von Storch scheut Anleihen wie andere Kölner das Altbier.
Wegen drohender Geldentwertung
kauft er für seinen Mischfonds (WKN:
A0M430) Aktien und Gold. "Die
Euro-Krise geht weiter", sagt er und
wappnet sich.
Jens Ehrhardt
Der Gründer (68) von DJE Kapital hat
wie die Kollegen auch Aktien- und
Anleihefonds im Angebot. Auf die
gesamte Anlagestrategie der Pullacher setzt, wer den flexiblen Mischfonds DJE Alpha Global (WKN:
164317) wählt. Rendite seit 2003: 95
Prozent.
Peter Huber
Nach Verlusten in der Finanzkrise
nutzt auch der Gründer (60) von Starcapital Terminmarkt-geschäfte, um
sich gegen einen Crash abzusichern.
Der im Mai 2008 gestartete Mischfonds Huber Strategy 1 (WKN:
A0NE9D) hat das Minus ohnehin wieder aufgeholt.
Abbildung:
Fotonachweis: =
Peter Huber
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Fotonachweis: THOMAS DORN /
LAIF
Edouard Carmignac
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Fotonachweis: OLIVER TJADEN /
LAIF
Bert Flossbach
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Fotonachweis: GETTY IMAGES
Jens Ehrhardt
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© 2011 PMG Presse-Monitor GmbH
Christian Stadermann
OLIVER RUETHER F‹R MANAGER MAGAZIN
Die Schwestern Gabriele Quandt-Langenscheidt (l.) und Colleen-Bettina Rosenblat-Mo
PATRICK LUX / WWW.PATRICK-LUX.DE
Thomas Lange
GULLIVER THEIS F‹R MANAGER MAGAZIN
John und Maike Jahr
JUERGEN JOOST
Jens Spudy
GULLIVER THEIS F‹R MANAGER MAGAZIN
Klaus Murmann
CHRISTOPH EDELHOFF F‹R MANAGER MAGAZIN
Anthony Boeckh
ROGERIO BARBOSA F‹R MANAGER MAGAZIN
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