Gefahrstoffverordnung
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Gefahrstoffverordnung
QM IN DER GYNÄKOLOGISCHEN PRAXIS Gefahrstoffverordnung Teil I: Pflichten von Praxisinhabern im Umgang mit Gefahrstoffen Stephan Romanowski, Manfred Stumpfe Unser zweiteiliger Beitrag beschäftigt sich mit der Gefahrstoffverordnung, die auf Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in Arbeitsbereichen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege Anwendung findet. Im Praxisalltag geraten diese Vorschriften häufig aus dem Blick. Ihre Umsetzung ist jedoch wichtig, um Mitarbeiter, Patienten und Umwelt vor einer Gefährdung durch Gefahrstoffe zu schützen. Zudem kann die Nichtbeachtung der Gefahrstoffverordnung gravierende Konsequenzen haben – auch rechtliche. Denn per Gesetz sind Sie zur Einhaltung der Gefahrstoffverordnung verpflichtet. Dieser Beitrag soll Ihnen helfen, die gesetzlichen Forderungen in die Praxis umzusetzen. Der erste Teil vermittelt Grundwissen zu Gefahrstoffen und liefert einen Überblick über Ihre Aufgaben im Umgang damit. Gefahrstoffe, also Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften, finden sich nicht nur in der chemischen Industrie, sondern in nahezu allen Bereichen unseres beruflichen und privaten Lebens. In Deutschland sind wahrscheinlich mehr als 50.000 Gefahrstoffe im Handel. Wichtige Voraussetzungen für den risikofreien Umgang mit Gefahrstoffen sind die Kenntnis ihrer Eigenschaften und die daraus abgeleiteten richtigen Schutzmaßnahmen, d.h. nur wenn Sie die Gefahrstoffe in Ihrer Praxis kennen, können Sie Ihren Pflichten im Umgang damit auch nachkommen. hen, können Gefahrstoffe sein, z.B. Stäube, die beim Schleifen von Werkstücken im zahntechnischen Labor auftreten oder auch Verbrennungsprodukte, die dort beim Betreiben von Auswachsöfen entstehen. Hersteller müssen gefährliche Stoffe und Zubereitungen, die sie in den Verkehr bringen, einstufen und entsprechend der Einstufung verpacken und kennzeichnen. (Ausgenommen hiervon sind nicht kennzeichnungspflichtige Stoffe wie Arzneimittel und Medizinprodukte.) Die wichtigsten Elemente der EUweit vorgeschriebenen Gefahrstoffkennzeichnung sind die Gefahrstoffsymbole (s. Abb. 1) und die „Risikound Sicherheitssätze“ (R- und S-Sätze). Letztere sind kodierte Warnhinweise, z.B. „R 62: Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen;“ oder „R 63: Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen.“ Eine vollständige Liste finden Sie unter der Internetadresse http://de.wikipedia.org/wiki/ R-_und_S-Sätze. PRAXIS + ÖKONOMIE QM in der gynäkologischen Praxis Beispiele für Gefahrstoffsymbole ätzend explosionsgefährlich leichtentzündlich hochentzündlich umweltgefährlich brandfördernd giftig sehr giftig gesundheitsschädlich reizend Wie erkenne ich Gefahrstoffe? Gefahrstoffe sind nach § 4 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) alle Stoffe und Zubereitungen, die ein oder mehrere Gefährlichkeitsmerkmale aufweisen (s. Abb. 1). Auch Stoffe, die erst bei der Herstellung oder Verwendung von Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen entste- Abb. 1: Die als Gefahrstoffsymbole verwendeten Piktogramme, die einen leicht erkennbaren Hinweis zum Umgang mit dem betreffenden Stoff geben sollen, sind innerhalb der EU standardisiert. FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 1 79 PRAXIS + ÖKONOMIE In bestimmten Fällen obliegen „Verpackung und Kennzeichnung beim Umgang“ mit Gefahrstoffen allerdings Ihnen selbst (§ 23 GefStoffV). Werden z.B. gefährliche und kennzeichnungspflichtige Stoffe zur Aufbewahrung vom Herstellergebinde in andere Behältnisse umgefüllt, müssen die Behältnisse mindestens mit der Bezeichnung des Stoffs, dem Gefahrensymbol und der Gefahrenbezeichnung gekennzeichnet werden. Was muss ich als Praxisinhaber beachten? Der korrekte Umgang mit Gefahrstoffen ist in der GefStoffV und in umfangreichen technischen Regeln (TRGS) gesetzlich festgelegt. Speziell für den Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur humanmedizinischen Versorgung, also auch für Arztund Zahnarztpraxen, wurde die Regel TRGS 525 erstellt. Sie beschreibt in einem ersten Teil, welche Aufgaben Ärzte und Zahnärzte als Arbeitgeber haben, wenn sie Gefahrstoffe einsetzen (s. Kasten). Einige dieser Aufgaben erläutern die nachfolgenden Textabschnitte ausführlich. Ein weiterer Teil der TRGS 525 regelt den Umgang mit Arzneimitteln, In- 10 halationsanästhetika und Desinfektionsmitteln. Bei Interesse können Sie die TRGS 525 vollständig nachlesen (www.chemlin.de/chemie/trgs.htm). Gefahrstoffliste erstellen Zur Erstellung der Gefahrstoffliste gibt es ein neues Formblatt (s. Abb. 2), das nach den neuen gesetzlichen Vorgaben gestaltet ist und in dieser Form geführt werden muss. Es umfasst Gefahrstoffe, die in ärztlichen Praxen häufig vorkommen. Sicherheitsdatenblätter anfordern Sie sind verpflichtet für die verwendeten Gefahrstoffe Sicherheitsdatenblätter anzufordern. Diese bekommen Sie am einfachsten bei Ihren Zulieferern (Apotheke, Firma für medizinischen Praxisbedarf bzw. Laborbedarf), aber natürlich auch direkt vom Hersteller. Sicherheitsdatenblätter ergänzen die Gefahrstoffkennzeichnung des Herstellers und liefern ausführliche Informationen zu den Produkteigenschaften und -gefahren. Das ist wichtig, da Sie zu den Gefahrstoffen die wichtigsten sicherheits- wichtige Punkte für die Praxis Zur Einhaltung der Gefahrstoffverordnung sollten Sie Folgendes tun: n Gefahrstoffe in der Praxis ermitteln (§16 GefStoffV) n Ersatzstoffe und alternative Verfahren prüfen n Gefahrstoffliste erstellen (s. Abb. 1) n Sicherheitsdatenblätter (auch als elektronisches Dokument) anfordern und in das QM-Handbuch einpflegen n Schutzmaßnahmen festlegen n Einhaltung der Luftgrenzwerte für Gefahrstoffe sicherstellen n Betriebsanweisung erstellen (§20 GefStoffV) n Alle Mitarbeiter mindestens einmal pro Jahr im Umgang mit Gefahrstoffen schulen (§7 BGV A1) und Schulung in den QM-Jahresplaner aufnehmen n Schulung zur Gefahrstoffaufklärung als Nachweis dokumentieren n Gefahrstoffliste jährlich prüfen und gegebenenfalls aktualisieren 80 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 1 technischen Kennzahlen kennen müssen, z.B. MAK-Wert (höchstzulässige Konzentration), Flammpunkt, Zündtemperatur, Gefahrenklasse laut der Verordnung brennbare Flüssigkeiten (VbF). Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass die Angaben im Sicherheitsdatenblatt stimmen, sofern Ihnen keine anders lautenden Informationen vorliegen. Für kennzeichnungspflichtige sowie gefährliche Stoffe und Zubereitungen müssen Hersteller, Einführer oder Vertreiber gewerblichen Kunden bei Erstlieferung kostenlos Sicherheitsdatenblätter zur Verfügung stellen. Diese müssen in Form und Inhalt den Vorgaben für EG-Sicherheitsdatenblätter entsprechen (§14 GefStoffV und TRGS 220: Sicherheitsdatenblatt für gefährliche Stoffe und Zubereitungen). Sie müssen in deutscher Sprache verfasst und mit Datum versehen sein. Benötigen Sie zur Gefahrenbeurteilung weitere Informationen, die über die Angaben im Sicherheitsdatenblatt hinausgehen, können Sie diese nach §16 (3) der GefStoffV vom Hersteller verlangen. Auch für Arbeitsstoffe ohne Sicherheitsdatenblatt, z.B. Arzneimittel und Medizinprodukte, muss der Hersteller auf Anfrage entsprechende Informationen geben. Einige Hersteller liefern für solche Stoffe freiwillig Sicherheitsdatenblätter mit. Betriebsanweisung erstellen Der Begriff „Betriebsanweisung“ wird in Unfallverhütungsvorschriften seit längerer Zeit verwendet und ist inzwischen bei den Berufsgenossenschaften festgelegt worden. Betriebsanweisungen sind Anweisungen und Angaben, die Sie als Betreiber bzw. Verwender von Einrichtungen, technischen Erzeugnissen, Arbeitsverfahren, Stoffen oder Zubereitungen für Ihre Mitarbeiter erstellen, um Unfälle und Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Wenn Sie Betriebsanwei- lfd. Bezeichnung des Gefahrstoffes Nr. Einstufung des Gefahrstoffes oder Angabe der gefährlichen Eigenschaften Mengenbereiche des Gefahrstoffes im Betrieb (Durchschnitt, z.B. L/Jahr; kg/Jahr) Arbeitsbereiche, in denen mit dem Gefahrstoff umgegangen wird (auch Lager) Xn R21/22; Xi R41; R43; N R50; F R11; Xi R36; R67 Xi R36/37/38; N R50; C R34; N R50/53 C R35; Xi R36/38 Xi; F; R11-36-67 Xi; N, R11-41-67 Xn; Xi; R22-38-41-50 1L Labor 2L Labor Poduktname gefährliche Inhaltsstoffe (bei Zubereitungen) 1 Helipur siehe Sicherheitsdatenblätter 2 Sterillium siehe Sicherheitsdatenblätter 3 Mikrozid AF Liquid siehe Sicherheitsdatenblatt F; Xi; R10/11/41/67 1L Labor 5 Gigasept Instru AF siehe Sicherheitsdatenblatt 2L Labor 6 Meliseptol siehe Sicherheitsdatenblatt C; N; R22/50/34 C;N; R21/22/34/50 F; R11; Xi; R41 F; Xi; R11/36/67 C;N; R22/35/50 F, Xi R11-41-67; 50% 1L Labor 7 Propanol siehe Sicherheitsdatenblatt Xn, N R40-63-22-51-53; 3-5% 5 L Xn R22-53-36/38; 5-7% Labor 8 Softa-MAN siehe Sicherheitsdatenblatt F R11; 55% F, Xi R11-41-67; 25% Labor 9 Essigsäure 3% siehe Sicherheitsdatenblatt 10 Methylenblau siehe Sicherheitsdatenblatt 11 Formaldehyd siehe Sicherheitsdatenblatt 12 H2O2 Gepuderte Latexhandschuhe Sanitärreiniger siehe Sicherheitsdatenblatt siehe Sicherheitsdatenblatt 13 14 2L PRAXIS + ÖKONOMIE Formblatt „Gefahrstoffliste“ siehe Sicherheitsdatenblatt Abb. 2: Mit diesem Formblatt erstellen und führen Sie Ihre Gefahrstoffliste in der Praxis. FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 1 81 PRAXIS + ÖKONOMIE Betriebsanweisung gemäß §20 GefStoffV GEFAHRSTOFFBEZEICHNUNG VERHALTEN IM GEFAHRFALL n für ausreichende Belüftung sorgen Reizende Gefahrstoffe z.B. Meliseptol, Helipur, Softa-MAN ERSTE HILFE GEFAHREN FÜR MENSCH UND UMWELT reizend n reizt die Haut und Schleimhaut n Sensibilisierung der Haut möglich n Gefahr ernster Augenschäden n Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen. bei Unwohlsein, Beschwerden oder andauernden Haut- und Schleimhautreizungen Arzt aufsuchen Notruf: 112 SCHUTZMASSNAHMEN UND VERHALTENSREGELN n Vermeiden Sie jeden direkten Kontakt mit Haut, Augen und Kleidung. n Benutzen Sie die zur Verfügung gestellten Hautschutzmittel. n Benutzen Sie die zur Verfügung gestellten Handschuhe, Schutzbrille mit Seitenschutz. n Tragen Sie geeignete, langärmelige Schutzkleidung/Arbeitskleidung. n Kleidung: beschmutzte, getränkte Kleidung sofort ausziehen n Haut: mit viel Seife und Wasser abwaschen n Augen: sorgfältig mit viel Wasser ausspülen, auch unter den Augenlidern n Atemwege: frische Luft zuführen SACHGERECHTE ENTSORGUNG kann unter Beachtung der örtlichen behördlichen Vorschriften entsorgt werden Abb. 3: Betriebsanweisungen dienen als Grundlage für die Unterweisung der Praxismitarbeiter. sungen erstellen, müssen Sie neben den Verhaltensanweisungen, die in einschlägigen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften gefordert werden, auch sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Regeln sowie die speziellen Angaben der Betriebsanleitungen und Sicherheitsdatenblätter des Herstellers berücksichtigen. Einbezogen sein sollten auch der Sach- und Umweltschutz. Mitarbeiter unterweisen Beschäftigte, die mit Gefahrstoffen umgehen, müssen mündlich unterwiesen werden, und zwar tätigkeitsbezogen. Gegenstand der Unterweisung sind z.B. Betriebsanweisung, neue oder geänderte Verfahren, Beschäftigungsbeschränkungen oder Schlussfolgerungen aus aktuellen Unfallereignissen. 82 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 1 Eine Unterweisung muss vor Aufnahme der Beschäftigung und danach mindestens einmal jährlich stattfinden, wobei Sie die Vorkenntnisse und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter berücksichtigen sollten. Überzeugen Sie sich in jedem Fall, dass die Inhalte verstanden wurden. Ihre Mitarbeiter müssen die Teilnahme an der Unterweisung durch Unterschrift bestätigen. Der Unterweisungsnachweis ist zwei Jahre aufzubewahren. Autoren Stephan Romanowski Büro für Arbeitssicherheit Dickenbruchstraße 47 h 58135 Hagen Tel. +49 2331 944437 Fax +49 2331 306988 [email protected] Dr. Manfred Stumpfe Frauenarzt Jeschkenstraße 13 82538 Geretsried Tel. +49 8171 921800 Fax +49 8171 921806 [email protected]