Zwischen Business und purer Schaulust
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Zwischen Business und purer Schaulust
AutomatenMARKT | März 2000 | Märkte ATEI in London: Zwischen Business und purer Schaulust Direkt nach der IMA waren Neuheiten auf der ATEI dünn gesät. Ein Stimmungsbericht, der nicht nur deutsche Aussteller berücksichtigt. Die ATEI-Nachricht schlechthin aus deutscher Sicht war das überraschende Ausscheiden von Dr. Ludwig Möhlmann als Geschäftsführer der Nova. Seinen Part als Sprecher der Geschäftsführung übernimmt zusätzlich Udo Nickel. Der ausgewiesene Experte im Bereich Unterhaltungsspielgeräte skizzierte auch gleich den Nova-Fahrplan für die nahe Zukunft. Eine wichtige Rolle spielt dabei Christian-Hans Bültemeier, der bisher auf die Finanzen der Nova ein Auge hatte. „Bültemeier passt vom Alter her in unser Führungsteam und wir beide liegen voll auf einer Wellenlänge“, so Nickel über den Controller. Er möchte seine langjährigen Erfahrungen weitergeben und gemeinsam soll das große Schiff Nova wieder auf Kurs gebracht werden. Dazu möchte man in erster Linie den Absatz von Geräten aus dem Mutterhaus forcieren. Produkte wie Happy Touch, Black Jack und Roulette sollen bei den Exportumsätzen der Der Clou beim Eighteen Wheeler von Nova zukünftig einen größeren Anteil Sega: Der Beifahrer darf die Hupe erwirtschaften. Nova als „der betätigen. Exportarm der Gauselmann-Gruppe“ (Nickel). Dazu dient auch das neu eröffnete Büro in London, das von John Brennan geleitet wird. Auch das Thema Pinball 2000 ist – wie bereits in der vergangenen Ausgabe gemeldet – noch nicht endgültig vom Tisch. Sollte es weitergehen, kann sich die Fachwelt auf ein neues Gerät von Designer Pat Lawler freuen, der im vergangenen Jahrzehnt etwa mit Addams Family für Furore sorgte. Bültemeier ist seit viereinhalb Jahren in der Espelkamper Unternehmensgruppe in verschiedenen Positionen tätig. Bei der Nova soll er auch in Marketing und Verkauf eingebunden werden. Mehr Verantwortung wird ebenso Christian Schmidt vom Vertrieb übertragen. So sind bereits jetzt wichtige Weichen gestellt, wenn im Sommer Ulrich Bösel aus der Geschäftsführung ausscheidet. Der im Moment einzig verbliebene Flipperproduzent, Gary Stern, freute sich über guten Zuspruch bei beiden Messen – IMA und ATEI. Striker Xtreme, der Fußballflipper, wurde in London nicht nur bei der Nova gezeigt, sondern auch bei Electrocoin. Dass der Flipper es schwer hat in diesen Zeiten, ist unbestritten. Fest steht aber auch, dass Striker Xtreme stets umlagert war und gern gespielt wurde. „Wir wollten mit unserer Präsenz zeigen, wie wichtig der europäische Markt für uns ist“, so Stern, der den von vielen Aufstellern bemängelten hohen Preis seines Produktes einzig und allein im Dollarkurs begründet sieht. Zukünftig können bei Stern Pinball Incorporated zwei verschiedene Modelle gleichzeitig gefertigt werden. „Wir geben den Aufstellern, was sie wollen“, beschreibt der Geschäftsführer seinen kundenfreundlichen Kurs. Der South-Park-Flipper erlebt zurzeit aufgrund der hohen Nachfrage in den Staaten seine dritte Auflage. Ulli Künnecke von der Elektro-Mobiltechnik GmbH (EMT) kommt kaum zum Luft holen. Denn zwischen IMA und ATEI liegt die Bremer Interschau, auf der er seine Kiddie Rides ebenfalls präsentierte. Seine Neuheiten sind zum einen eine Harley Davidson, zum anderen das Space Bike, womit das Star-Wars-Thema aufgegriffen wird. Volltreffer? Gary Stern (links) und Sales/Marketing-Manager Jolly Backer sind beim Striker Xtreme optimistisch. „Auch wir müssen uns an die großen Trends anhängen, um Erfolg zu haben“, schildert Künnecke seine Strategie, mit der er auch zukünftig fahren will. Die ATEI bezeichnet er als „die Messe überhaupt“ und sieht im Gegensatz dazu die IMA als reine Nationalmesse. Obwohl ihm sein Gefühl signalisiert, dass in London weniger Besucher als noch im vergangenen Jahr anwesend waren. Was allerdings auch mit einem neuen Standplatz zusammenhängen kann. London ist für EMT, das mehr als die Hälfte seines Umsatzes im Ausland erzielt, enorm wichtig. Neben den Märkten USA und Skandinavien erfreuen sich die Kiddie Rides im Moment in der Türkei größter Beliebtheit. Die Stuttgarter Firma ITEMS hat ebenfalls Kinder als Zielgruppe im Visier. Mit ihren Touch Line Kinder-Terminals will das Unternehmen kindgerechte, pädagogisch durchdachte Spiele mit Witz und Verstand bieten. Geschäftsführer Volker Lorenz zeigte sich mit dem Kundeninteresse jedoch weniger zufrieden als die Kollegen. Anders bei der Georg Spellmann GmbH, wo der Messeverlauf höchst positiv gesehen wird. Nachdem man in dem Hannoveraner Unternehmen die Kooperation mit Deith Leisure beendet hat, ist man erstmals allein in London vertreten, um die internationalen Geschäfte anzukurbeln. Und die scheinen viel versprechend. „Unsere Messegäste sind an unseren Produkten sehr interessiert und suchen ausführliche Informationen und Beratung“, gibt Olaf Gudewill seine Eindrücke wieder. Besonders für das Spellmann Bowling, also die Full-Size-Bahn, liegen eine Menge Anfragen vor. Unter dem Dach des Londoner Earls Court werden nicht nur die neuesten Spielautomaten präsentiert. Separate Veranstaltungen für Fahrgeschäfte und Casinobedarf runden das Angebot ab. Entsprechend liegen die Zahlen für die drei Tage bei über 20 000 Besuchern. Damit herrscht natürlich auch auf den Gängen der ATEI ein reges Treiben. Die Stände sind insgesamt klein. Großbauten werden von den Ausstellern vermieden. Im Vordergrund stehen die englischen Geld-Gewinn-Spiel-Geräte – so genannte AWP‘s, also amusement with prices – und natürlich Simulatoren in allen Variationen. Sega zum Beispiel hat das Rad der Fahrsimulatoren neu erfunden. Es ist jetzt mit 48 Zentimetern Durchmesser von beträchtlichem Ausmaß, denn der Spieler nimmt in der Kabine eines Trucks Platz. Mit dem „18-Wheeler“ muss der Fahrer seine Fracht sicher ans Ziel bringen. Verschiedene Strecken stehen zur Auswahl, und ein virtueller Rivale hat nichts Besseres zu tun, als ihn ständig von der Piste zu rammen. Schnelligkeit ist Trumpf in Front eines 50-Inch-Monitors, aber auch Geschick. Denn jeder Crash beschädigt die zu transportierende Ladung, und das bedeutet im Ziel Punktabzug. Entsprechend ihrer Produktpalette präsentierte sich die Gauselmann-Tochter Atronic unter dem Dach der Casinomesse. Neben der Casino-Exhibition in Las Vegas ist die Veranstaltung in London die wichtigste ihrer Art. Slot machines Marke Atronic werden weltweit vertrieben. Im Moment konzentriert sich das Team um Michael Gauselmann auf die Erschließung weiterer australischer Bundesstaaten. Auffällig war der Stand von NSM Music in London. Aufgrund der wichtigen Märkte Großbritannien und USA war die ATEI-Präsenz Pflicht. Neuheiten waren die ISDNMusikboxen „Virtua Trax“ und „Sound Icon“. Diese Wandgeräte werden nicht mehr mit CDs bestückt. Vielmehr werden die gewünschten Stücke direkt aus dem Internet eingespeist. MicroTouch Systems führte auf der ATEI die erste antibakterielle TouchscreenTechnologie vor. CleanScreen ist bei der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) registriert und verhindert, dass sich Bakterien oder andere Mikroorganismen auf der Touchscreen-Oberfläche absetzen können. Die antibakterielle Technologie des CleanScreens stammt von dem amerikanischen Unternehmen AEGIS Environments. „In einem eigens von uns entwickelten Verfahren wird CleanScreen auf die Oberfläche des Touchscreens aufgebracht und verbleibt dort bis zum Ende von dessen Lebenszeit“, erklärt dazu Peter Jones, General Manager von MicroTouch. CleanScreen hinterlässt keinerlei Spuren auf den Händen der Benutzer und nutzt sich bei der Reinigung nicht ab. Eine Innovation, die durchaus für die österreichische Funworld AG von Interesse sein könnte. Das Unternehmen, mit Photo-Play-Touchscreens stark am Markt, präsentierte auf einer großen Fläche diesmal selbst. In Nürnberg war Funworld durch seinen deutschen Vertriebspartner Löwen Entertainment vertreten. Der Stand der Österreicher lag in London am äußersten Hallenrand. Für Karl Salfinger, Vorstand Vertrieb und Marketing bei Funworld, durchaus kein Nachteil: „Für uns als Branchenführer ist der Standplatz unerheblich. Hier ist es ruhiger und man kann sich besser auf die Kundengespräche konzentrieren.“ Durch die Verlegung der IMA nach Nürnberg habe die deutsche Leitmesse ihren internationalen Charakter verloren. So sieht es Salfinger, und er betrachtet London als die „die einzige internationale Messe in Europa“. Im Mittelpunkt des Interesses stand das neue funservice Online-Management-System. Die ganze Welt der Münzprüfer präsentierte das Berliner Unternehmen wh. In diesem Jahr feiern die Spezialisten 75-jähriges Bestehen. Ein Grund, den Sekt schon mal kalt zu stellen. Einen weitereren Grund liefert die Umstellung auf den Euro, die dem Traditionshaus in den kommenden Monaten viel Arbeit bescheren wird. Mit dem neuesten Produkt, dem EMP 800v4, sieht man sich für die nahe Zukunft bestens gerüstet. Besticht das Gerät nicht zuletzt durch 32 aktive Kanäle, Cloning-, Teachmode- und Update-Funktionen. Ebenso wie wh-Münzprüfer war auch die WFE Warenautomaten GmbH sowohl in Nürnberg als auch in London vertreten. Verkaufsleiter Hubert Silberberger freut sich über das internationale Publikum auf der ATEI und dessen weite Streuung. Ein Großteil kam seiner Einschätzung nach aus den Benelux-Staaten, für die der Weg in die englische Hauptstadt unproblematischer ist als nach Bayern. Er favorisiert daher London, denn die Frequenz in Nürnberg war für ihn bescheiden – trotz einiger guter Kontakte. Über die Organisation in Nürnberg ist Silberberger voll des Lobes. Er vergisst aber auch nicht anzumerken, dass „die rasche Folge beider Messen – da noch Abbau, hier schon Aufbau – für kleine Firmen problematisch ist“. Die IMA habe durch ihren Wechsel von Frankfurt in die Frankenmetropole nicht gerade an internationalem Charakter gewonnen, so die Meinung deutscher Fachbesucher auf der ATEI. Das sei auf der Londoner Messe eben ganz anders. Der starke Besucherandrang auf der ATEI wird von den Ausstellern zwar positiv vermerkt. Allerdings gibt es hier auch eine Einschränkung: In London tummelten sich viele branchenfremde Schaulustige.