Molkerei Berchtesgadener Land

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Molkerei Berchtesgadener Land
Molkerei Berchtesgadener Land
„Bio muss fair kalkuliert sein“
Helmut Pointner ist Geschäftsführer der Milchwerke Berchtesgadener Land im
bayerischen Piding. Mit seinem Sohn Bernhard bereitet er einen langfristig angelegten Wechsel an der Führungsspitze vor.
Herr Pointner, wem gehört die Molkerei Berchtesgadener Land?
Vor über 80 Jahren haben sich einige Bauern um Piding zusammengetan und eine
Molkereigenossenschaft gegründet. Sie wollten neben der Erzeugung die Verarbeitung und Vermarktung selbst in die Hand nehmen. Inzwischen sind rund 1850 Bauern
aus der Region entlang des Grünlandgürtels der Alpen zwischen Isar und Salzach
Mitglieder und Eigentümer und liefern ihre Milch an die Genossenschaft. Mehr als
400 davon wirtschaften heute anerkannt ökologisch.
Was ist ein fairer Preis für Biomilch?
Ein fairer Preis für Biomilch zeichnet sich dadurch aus, dass er für alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten nachhaltig ist, also den Fortbestand und die Entwicklung
der Bauern, der Molkerei und des Handels ermöglicht. Beste Qualität zum Nulltarif
wird es nicht geben, Fantasiepreise wird der Verbraucher nicht bezahlen. Unser Ziel
ist es, Grundnahrungsmitteln in Bioqualität fair und damit nachhaltig zu kalkulieren.
Die Molkerei ist als erstes Unternehmen von Naturland mit dem Bio+Fair-Siegel
zertifiziert worden. Für welche Inhalte steht das neue Zeichen?
Das Zeichen ist eine Bestätigung für die schon immer fairen Beziehungen zu den
Milchlieferanten, die nachweislich im Durchschnitt der letzten 5 Jahren den national
höchsten Milchpreis von ihrer Molkerei erhalten haben. Ehrlich und fair ist auch die
Kommunikation mit dem Verbraucher. Der weiß genau, woher der Rohstoff Bio-Milch
kommt und wo er verarbeitet wurde. Alle Naturland Fair Milchspezialitäten werden
am einzigen Standort in Piding aus dem regional erfassten Rohstoff Naturland Milch
hergestellt.
Übrigens: Die Biomilch von Berchtesgadener Land finden Sie in Ihrem Biomarkt auch
unter der Marke dennree.
Mit Fairness und Tradition in die Zukunft
Die Milchwerke Berchtesgadener Land verkaufen seit 35 Jahren Biomilch aus
der Alpenregion. Trotz hoher Erfassungskosten zahlen sie ihren Bauern in der
Bergregion seit Jahren die höchsten Milchpreise. Der faire Umgang mit den
Er-zeugern wird nun mit dem neuen Naturland-Fair-Label besiegelt. Die Pidinger Molkerei ist damit als erstes deutsches Unternehmen nach den Bio und Fair
Kriterien von Naturland zertifiziert.
„Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, bringt Helmut Pointner, Geschäftsführer der Milchwerke Berchtesgadener Land die Erfolgsstrategie auf den Punkt. Die
klein strukturierte Landwirtschaft in den Alpen hatte nie eine Chance, den Markt über
die Menge zu beeinflussen. Im immer enger werdenden Markt behauptet sich die
Molkerei durch eine klare Qualitätsstrategie. „Wir können am Markt nur durch unsere
besondere Milchqualität bestehen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen haben
höchste Gehälter an Omega-3-Fettsäuren bestätigt. Unsere Chance lag darin, dem
Verbraucher diesen Qualitätsunterschied klar zu machen“, erläutert Pointner. „Diese
Überzeugungsarbeit ist uns in den letzten Jahrzehnten gelungen. Dadurch konnten
wir die nötige Wertschöpfung erzielen, die bei den höheren Produktionskosten in
dieser Region auch notwendig sind.“
Damit ist es der Molkerei zugleich immer wieder gelungen, national den höchsten
Milchpreis an die Mitgliedsbetriebe auszuzahlen. Wie eine aktuelle Erhebung der
Fachzeitschrift top agrar ermittelte, zahlte Berchtesgadener Land im Mittel der letzten fünf Jahre und auch im Jahr 2009 den höchsten Erzeugerpreis aller deutschen
Molkereien. Dies gelte zudem nicht nur für einige Bauern, die Milch für einzelne fair
ausgelobte Produkte liefern. „Bei uns bekommen alle Bauern für jeden Liter Milch
den bundesweit besten Milchpreis“, erläutert Pointner seine Definition von echter
Fairness. Bereits 2006 hatten die Milchwerke die „Naturland Kriterien Faire Partnerschaften“ erfüllt und wurde dafür ausgezeichnet. Im Februar 2010 werden die ersten
zertifizierten Produkte nach den neuen Naturland Fair Richtlinien vorgestellt.
Das Thema Fairer Handel war noch vor einigen Jahren eher der Dritten Welt vorbehalten. Inzwischen hat es jedoch, insbesondere für heimische Milchproduzenten, an Bedeutung gewonnen. Fair produzierte Milch hat inzwischen eine feste Käuferschicht
gefunden, die neben dem Umweltaspekt und der Produktqualität auch großen Wert
auf einen fairen Umgang mit den Erzeugern legt. Einen gerechten Milchpreis auszuzahlen, der den Bauernhöfen das Überleben sichert, ist für Pointner ein wichtiger
Faktor im fairen Umgang mit den Erzeugern. „Wir haben Jahrzehnte gebraucht, um
die Verbraucher davon zu überzeugen, dass der Mehrpreis für die Milch gerechtfertigt ist“, erklärt Pointner, der sich vehement gegen eine Senkung der Erzeugerpreise
wehrt. „Der Landwirt braucht einen bestimmten Preis, um Bio produzieren zu
können.“
Zusätzliche Unterstützung erhalten die kleinen Höfe durch das tägliche Abholen der
Milch, denn eine Investition in größere Kühltanks wäre für die meisten Betriebe zu
teuer.
Die 1806 Lieferanten, gleichzeitig die „Besitzer“ der Molkereigenossenschaft,
verfügen über eine durchschnittliche Milchquote von rund 115 000 Kilogramm pro
Betrieb. Die vierfache Menge gilt in der Landwirtschaftsberatung eher als untere
Grenze für einen überlebensfähigen modernen Familienbetrieb. Am Standort Piding
werden jährlich rund 227 Millionen Kilogramm Milch, davon 53 Millionen Kilogramm
Biomilch der Genossenschaftsmitglieder verarbeitet. Bereits im Jahr 1974 haben
die Pidinger begonnen, Biomilch getrennt zu verarbeiten. Als Pointner 1981 in die
Geschäftsführung einstieg, stand er vor der Entscheidung Bio einzustellen: Zu hohe
Erfassungskosten für zu wenig Biomenge sorgten für ein Kostenproblem. Pointner
gab nicht auf, baute die Rohstoffbasis weiter aus und drehte so lange an den Kostenschrauben, bis es sich rechnete. „Unser Ziel ist es, die Molkerei vollständig auf Bio
umzustellen. Auch wenn es noch Jahrzehnte dauert“, hat der Molkereidirektor die
Marschroute für die Zukunft festgelegt. „Unsere Kosten für Biomilch werden natürlich geringer je größer die Milchmenge wird. So würden die Erfassungskosten ohne
Trennsystem deutlich sinken.“ Rund 25 000 Euro kostet das Dreikammer-Trennsystem
pro Tankwagen. Bei jedem Halt wird die jeweilige Betriebsnummer per Laser erfasst
und dann automatisch in die richtige Kammer gefüllt. So können Demeter- und
Naturlandmilch sowie die konventionell hergestellte Bergbauernmilch getrennt
erfasst und verarbeitet werden.
Für die verschiedenen Sortimentslinien führen die Pidinger separate Kostenrechnungen durch. „Wir können genau sehen, welche Produkte, welchen Beitrag zum Betriebsergebnis beitragen. Es gibt keine Quersubventionen. Jede einzelne Linie muss
sich rechnen“, so Pointner. Für Biomilch zahlt die Molkerei derzeit im Vergleich zur
konventionellen Milch einen Aufschlag von 11 Cent je Liter. Pointner ist zuversichtlich,
dass er auf diesem Niveau auch zukünftig bleibt. Für Naturlandmilch wird aktuell 41
und für Demetermilch 42 Cent an die Bauern ausgezahlt. Die Biomilch wird unter der
Marke „Berchtesgadener Land Bio“ sowie unter der Marke „dennree“ im Naturkostfachhandel verkauft. Die konventionelle Bergbauernmilch ist im Lebensmittelhandel
gelistet. „Ein fairer Preis für Biomilch zeichnet sich dadurch aus, dass er für alle an der
Wertschöpfungskette beteiligten nachhaltig ist, also den Fortbestand und die Entwicklung der Bauern, der Molke-rei und des Handels ermöglicht“, argumentiert Pointner.
Es ist für ihn ein Zeichen für die langfristigen und auf Nachhaltigkeit ausgelegten
Handelsbeziehungen. So arbeitet Berchtesgadener Land mit dem Hause dennree
schon seit über 35 Jahren erfolgreich zusammen.
Neben der Förderung ihrer Mitglieder muss eine Genossenschaft Rücklagen für notwendige Investitionen bilden. In dieser Hinsicht haben die Pidinger ihre Hausaufgaben vorbildlich gemacht.
Seit dem Neubau auf der grünen Wiese im Jahr 1986 wurden rund 100 Millionen
Euro in modernste Produktionstechnik, Hochregallager und Gebäude investiert. So
sind alle Produktionsbereiche an eine elektronische Hängebahn angeschlossen, die
die Ware automatisch zur nächsten Station weiterleitet. „Das System war nicht billig,
zahlt sich aber jetzt im Drei-Schichtbetrieb mit bis zu 1200 produzierten Paletten pro
Tag aus“, erklärt Helmut Pointer.
Auch auf der Kapitalseite ist das Unternehmen gut aufgestellt. „Wir arbeiten ausschließlich mit Eigenkapital“, erklärt der gelernte Banker Pointner zufrieden. So
investiert die Molkerei in diesem Jahr umfangreich in die Kommunikation mit dem
Endverbraucher und startet mit einer umfangreichen Imagekampagne für die
Marke Berchtesgadener Land. Neu gebaut wurde zudem ein Verwaltungstrakt in
Piding. Mit einem neuen milchwirtschaftlichen Labor sowie zusätzlichen Sozial- und
Kommunikationsräumen hat die Genossenschaft den jüngsten Bauabschnitt gerade
abgeschlossen. Im modernen Konferenzraum sollen zukünftig Besuchergruppen über
die Molkerei und die Bauernhöfe im Berchtesgadener Land informiert werden. Bereits die Architektur des neuen Eingangsbereiches dokumentiert eine interessante
Verbindung von Tradition und Modernität: In der Lounge laden Designer-Stahlhocker
mit braun-weiß geflecktem Kuhfell vor der Kulisse einer alten Almhütte zum
Gedankenaustausch ein.
Zukunftsorientiert zeigt sich die Molkereigenossenschaft auch im langfristig angelegten Generationswechsel an der Führungsspitze. So will Helmut Pointner in den nächsten zwei Jahren seinen Nachfolger systematisch einarbeiten. Der Molkereivorstand
hat dafür aus zahlreichen Kandidaten Pointners Sohn Bernhard ausgewählt. Der studierte Betriebswirt war zuvor neun Jahre bei einem anderen bayerischen Premiumhersteller aus der Automobilbranche tätig. Für Bernhard Pointner weist die Zielgruppe
beider Unternehmen durchaus Überschneidungen auf: „Die Kunden sind sehr qualitätsbewusst und durchaus bereit, mehr Geld auszugeben, wenn ein entsprechender
Mehrwert geboten wird.“ Der designierte Nachfolger durchläuft als Vorstandsassistent seit Jahresbeginn alle Bereiche der Molkerei. „Hier sind die Entscheidungswege oft schneller und flexibler und die Gremien kleiner“, hat Pointner
Junior bereits einen deutlichen Unterschied zur Konzernstruktur ausgemacht. Vielleicht auch ein Grund, warum sich die mittelständische Molkerei entgegen allen
Expertenprognosen so erfolgreich im Markt behaupten kann.
Die Molkerei in Zahlen
Die Molkerei-Genossenschaft Berchtesgadener Land gehört
den an sie liefernden Landwirten, die Mitglieder sind:
Anzahl der Milchlieferanten: 1806 (davon 273 Lieferanten aus Österreich)
Bergbauern: 780
Demeter-Bauern: 95
Naturland-Bauern: 323 (davon 68 aus Österreich)
Umsatz
2009 ca. 160 Mio. Euro inkl. Frischdienst
davon Bio: 23,5 Prozent
davon Export: 12,6 Prozent
Rohmilchaufkommen:
2009 ca. 227 Mio. kg
davon Bio: ca. 53 Mio. kg
Absatzstruktur
Konventioneller Lebensmittelgroßhandel
Naturkostgroßhandel
Mitarbeiter
inkl. Frischdienst: 300
davon Auszubildende:10
Logistik:
Tankwagen mit zwei bis drei Kammer-Trennystem: 20
reine Bio-Tankwagen: 5
Anzahl Bio-Hänger: 5