Argumentieren im Deutschunterricht

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Argumentieren im Deutschunterricht
Erfolgreich argumentieren im
Deutschunterricht
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Argumentierendes Schreiben: Beispielaufgaben für die ZP 10
Übersicht
1. Ausgangslage und Zielstellung
2. Das entwickelte Prüfungsformat im Überblick
3. Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
4. Spezifische Anforderungen der Beispielaufgabe für Realschule
und Gesamtschule E-Kurs
5. Praxis-Tipps zum Erstellen der Aufgaben
6. Förderung von Teilkompetenzen
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Ausgangslage
Anforderungen des Kernlehrplans:
„Die Schülerinnen und Schüler sollen am Ende der
Sekundarstufe I in der Lage sein, ihre Sprache schriftlich
und mündlich bewusst und differenziert zu gebrauchen.
Sie sollen sach-, situations- und adressatengerecht
sprechen und schreiben und die Wirkung der Sprache
einschätzen können. Sie sollen über unterschiedliche
Schreibformen verfügen, deren Funktion kennen und mit
ihrer Hilfe ihre Argumentations- und Analysefähigkeiten
entwickeln.“
(Kernlehrpläne NRW, identischer Wortlaut für Haupt-, Real- und Gesamtschule, Gymnasium G8)
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1. Ausgangslage
• Aufgabentyp 3 in NRW: eine (ggf. auch textbasierte)
Argumentation zu einem Sachverhalt erstellen
• Aufgabenpraxis: freie Erörterung, textgebundene EÖ
mit z. T. umfangreicher Textbasis, Dominanz der stark
formalistischen Pro-Contra-EÖ
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Ausgangslage
Fachliche Vorüberlegungen zur Aufgabenkonstruktion
(wissenschaftliche Begleitung: Dr. Iris Winkler, Uni Jena)
Probleme u. a.:
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bei der textgebundenen EÖ: Vermengung von Lese- und
Darstellungsleistung
Bei der freien EÖ: fehlendes sachbezogenes Wissen
fehlender Argumentationszusammenhang
(Adressat, Ziel?) => Anforderungen an „schlüssiges
Argumentieren“?
Focus Endprodukt, kein Erfassen argumentationsspezifischer
Teilleistungen
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Ausgangslage
Fachliche Vorüberlegungen zur Aufgabenkonstruktion
(wissenschaftliche Begleitung: Dr. Iris Winkler, Uni Jena)
Ziele
• Verknüpfung von Lese- und Darstellungsleistung verringern
• Inhaltliche Entlastung und Anregung ohne komplexe Textbasis
bieten
• Qualitative statt rein formale Anforderungen an die Schlüssigkeit von
Argumentationen stellen
=> Argumentieren in situativen Zusammenhängen
• Erreichen von Teilanforderungen beim arg. Schreiben sichtbar
machen und würdigen
• Aufgabenschwierigkeit gezielt variieren (Aufgaben für 4
Abschlussniveaus!)
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2. Das entwickelte Prüfungsformat im Überblick
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Klare situative Einbettung:
Vorgabe von Anlass, Ziel, Adressat der Argumentation
„Argumente“-Liste:
Vorgabe einer Liste mit Aspekten, die zum Stützen der
Schreiberposition im Kommunikationskontext unterschiedlich gut
geeignet sind
Erste Teilaufgabe:
mit Blick auf Schreibziel u. Adressat besonders geeignete Aspekte
aus der Liste auszuwählen; Auswahl begründen
Zweite Teilaufgabe:
den argumentativen Text unter Rückgriff auf Vorarbeiten
(Auswahlaufgabe) verfassen
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Situative Einbettung
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„Argumente-Liste“
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Erste Teilaufgabe
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Zweite Teilaufgabe
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Was leistet die Argumente-Liste?
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Entlastung der Schreibenden beim Bereitstellen von Inhalten
⇒ vertiefte Auseinandersetzung mit den Argumenten
Impulse zur Generierung neuer Einsichten
Anforderung mit Bezug zur Lebenswelt
⇒ Überprüfen von vielfältigen Argumenten als Voraussetzung zur
Meinungsbildung
Auswahlaufgabe
⇒ Sichtbarmachen von Teilleistungen bei der Bewältigung des
Schreibprozesses
⇒ Hinweise für gezielte weitere Förderung
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3. Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Die Aufgaben sind nicht zwingend einfach!
Regulierung der Aufgabenschwierigkeit erfolgt u. a. durch
• Bekanntheitsgrad des/der Adressaten
• Textsorte
• Thema/Gegenstandsbereich
• Liste
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Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Gegenstandsbereich: Komplexität
Ein Themenbereich
Æ mit klarer Eingrenzung
Mehrere Themenbereiche,
z. B. „Durchführung einer ganz
bestimmten Art von Casting in
der Schule?“ statt „Sinn und
Unsinn von Castingshows
generell?“
Æ mit nur geringer Eingrenzung
Æ und/oder hoher Komplexität
jeden Bereichs z. B. „Internet
vs. Printmedien als
Informationsquelle für Referate“
Aufgabenschwierigkeit
gering
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hoch
Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Gegenstandsbereich: Anforderungen ans Vorwissen
Allgemeines Vorwissen genügt:
Realitätsnahes Thema
aus dem unmittelbaren
Erfahrungsbereich der S.,
Spezielles und differenziertes
Vorwissen erforderlich:
z. B. „Internet vs. Printmedien
als Informationsquelle“
z. B. „Handy-Verwendung
auf dem Schulgelände“
Aufgabenschwierigkeit
gering
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hoch
Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Liste: Oberflächenmerkmale
• geringe Anzahl von Aspekten
• klar und eindeutig formulierte
Stichpunkte
• hohe Anzahl von Aspekten
• zu knappe bzw. abstrakte und
dadurch unklare oder mehrdeutige
Formulierungen
• zu ausführliche Formulierungen
• floskelhafte Wendungen
Aufgabenschwierigkeit
gering
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hoch
Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Liste: Eignung der Aspekte im gegebenen Kontext
(Geringe Anzahl geeigneter Aspekte)
(Ausreichende Anzahl
geeigneter Aspekte)
Offensichtliche Relevanz
bzw. eindeutige Irrelevanz
Scheinbare Relevanz oder
potentielle, aber nur durch
entsprechende Anreicherung/
Differenzierung herstellbare Passung
(→ Verallgemeinerungen, Phrasen!)
Aufgabenschwierigkeit
gering
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hoch
Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
Liste: Inhaltliche Bezüge zwischen den Aspekten
Zugehörigkeit der Aspekte
zu verschiedenen relevanten
Oberkategorien
Zugehörigkeit der Aspekte
zu wenigen Oberkategorien: d. h.
inhaltliche Überschneidungen
der Aspekte
Aufgabenschwierigkeit
gering
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hoch
4. Spezifische Anforderungen der Beispielaufgabe
für Realschule und Gesamtschule E-Kurs
Informationen aus der Aufgabenstellung herausfiltern
und Vorwissen aktivieren (1)
Thema:
Verwendung von Handys auf dem Schulgelände soll verboten werden
Differenzierung:
- Schulweg und außerschulische Bereiche vs. Schulgelände
(Klassenraum/Unterricht und Schulhof-Schulgebäude/Pausen)
- Verbot der Verwendung bedeutet nicht, dass die Mitnahme von
Handys verboten wird
Positionen:
Eltern/Lehrer: Verbot, Handys auf dem Schulgelände zu verwenden
Schüler: Pro Verbot oder Contra Verbot
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Informationen aus der Aufgabenstellung herausfiltern
und Vorwissen aktivieren (2)
•
Schreibanlass:
Aufforderung zur Meinungsäußerung durch die Elternpflegschaft
•
Kommunikationsziel:
- Meinungsäußerung zum Thema „Verwendung von Handys auf dem
Schulgelände“
- den Elternpflegschaftsvorsitzenden überzeugen
•
Adressat:
Elternpflegschaftsvorsitzender
•
Textsorte:
Brief
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Das Schreibziel setzen
Die Aufgabe verlangt eine Positionierung gegenüber der res dubia,
die folgende impliziten Fragen voraussetzt:
•
Pro-Argumentation:
„Welche Vorteile sind mit einem Verwendungsverbot von Handys
verbunden?“
•
Contra-Argumentation:
„Zu welchem Nutzen (für Schüler/innen) und unter welchen
Bedingungen kann die Verwendung auf dem Schulhof/ und/oder in
den Pausen erlaubt werden?“ (Welche Nachteile sind mit einem
Verwendungsverbot von Handys verbunden?)
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Erste Teilaufgabe (Planungsphase des Schreibprozesses):
Argumente beurteilen und auswählen
Fragen zur Analyse der Argumenteliste:
•
Auf welche Bereiche von Schule und Handy können die Argumente
bezogen werden?
•
Sind die Aussagen (bedingt) wahr/falsch? Können sie sinnvoll, d. h. ohne
Übertreibung, ohne Verallgemeinerungen etc. angereichert werden?
•
Ist das Argument für die Klärung der res dubia wichtig?
•
Welches sind die für das Kommunikationsziel wichtigsten Argumente?
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Zweite Teilaufgabe: Text verfassen
Anforderungen:
•
Textsortenwissen aktivieren und an die Kommunikationssituation
anpassen, beim Schreiben anwenden
•
Gewählte Aspekte im Text situationsbezogen plausibel weiter anreichern
•
Ggf. Auswahlentscheidungen revidieren (mit Blick auf Adressat,
Schreibziel, res dubia, Textstruktur)
•
Globale Kohärenz herstellen (Einleitung, Schluss, zielgerichtete und
kohärente Anordnungen der Aspekte)
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MSW
Gelingt die Auswahl der passenden Argumente?
•
Schüler/innen erkennen die im Kommunikationszusammenhang wichtigsten
Aspekte (z. B. Unterrichtsstörungen bzgl. Handyverwendung in der Schule)
•
Probleme bereiten u. a. Aspekte mit persönlicher Relevanz für die
Schüler/innen bei gleichzeitig fehlender Relevanz für die res dubia oder den
Adressaten, z. B.
•
Auswahl Aspekt 1: Markendruck wird verringert
„Handys gelten unter Jugendlichen als Statussymbol.
So wird die Ausgrenzung von Ärmeren verhindert.“
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MSW
Gelingt die Begründung der Argumente ?
•
Schüler/innen kommen bei der Auswahlbegründung über wörtliche Wiedergabe oder
Paraphrase der Listen-Punkte hinaus.
•
Bei der Auswahlbegründung dominiert der Sachbezug (Relevanz des Aspektes
selbst)
•
Die Auswahlbegründungen sind stark erfahrungsbezogen; sie gelingen insbesondere
dann, wenn eine Begründung auf erfahrungsbezogene, konkreter Ebene möglich ist.
•
Die Schüler/innen formulieren vereinzelt auch eine adressatenbezogene
Auswahlbegründung (vgl. das folgende Bsp. zur Entkräftung eines
Gegenargumentes)
„Weil die Eltern sicher der Meinung sind, dass die Verwendung
auch im Unterricht stattfinden würde.“
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Gelingt die Anreicherung der Argumente im Text?
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Listen-Aspekt
Unterrichtsstörungen
Auswahlbegründung
„Insbesondere Gewaltfilme und Filme die andere bloßstellen
kommen immer häufiger vor. Der Schulhof ist einer der
Hauptverbreitungsplätze hierfür.“
Entfaltung im
Text
„[…] Insbesondere Videos, die andere Schüler bloßstellen z. B.
Aufnahmen von Partys, auf denen jemand stark alkoholisiert die
Kontrolle über sich selbst verliert sind für die Geschädigten eine
große Erniedrigung. Gerade erst letzte Woche wurde ein Schüler
beim Toilettengang heimlich gefilmt und fand schließlich sein
Video auf zahlreichen Handys wieder. Gerade diese Fälle sollten
auch Sie nachdenklich machen. Ihr Sohn könnte ein Opfer des
Handywahns werden.“
MSW
Gelingt das Herstellen globaler Textordnung? (1)
Bsp. Erörterungsschema vs. Brief
Sehr geehrter Herr Benning,
verschiedene Konfliktsituationen an der Schule haben zu Überlegungen
bei Eltern und Lehrern geführt, die Verwendung von Handys auf dem
Schulgelände zu verbieten.
Einige Eltern und Schüler befürworten es die Handynutzung auf dem
Schulgelände zu verbieten, andere sind voll und ganz dagegen.
Es sprechen sehr viele Gründe gegen die Nutzung des Handys auf
dem Schulhof. […]“
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Gelingt das Herstellen globaler Textordnung? (2)
Bsp. Einleitung mit Adressatenbezug und deutlicher Positionierung
„Sehr geehrter Herr Benning,
Aufgrund zahlreicher Konfliktsituationen und Diskussionen im Elternrat
und auch zwischen Lehrern und Schülern möchte ich Ihnen meinen
Standpunkt zum Thema „Verwendung von Handys in der Schule“ nahe
bringen. Ich lehne die Verwendung von Handys im schulischen Rahmen
ab und werde Ihnen im Folgenden meine Bedenken und Argumente
zu diesem Thema erläutern.“
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5. Praxis-Tipps zum Erstellen der Aufgaben
Checkliste „Situationsvorgabe“:
• Nähe der res dubia zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler
• Anschaulich: Nötige Kriterien zur Beurteilung der Argumente
müssen ableitbar sein.
• Knapp: Nicht zu viele überflüssige Informationen
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Praxis-Tipps zum Erstellen der Aufgaben
Checkliste „Argumenteliste“
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Ausreichend viele geeignete Aspekte
Klare und eindeutige Formulierungen
Möglichkeiten zur Generierung neuen Wissens
Unterschiedlich gute Eignung der Aspekte
Keine inhaltlichen Überschneidungen
Keine Verallgemeinerungen/Übertreibungen
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Beispielhafte Teilkompetenzen
• Bei der Auswahl der Argumente: Berücksichtigung der res dubia,
des Adressaten und des Schreibziels
• Bei der Auswahlbegründung: Perspektive (Schreiber, Adressat)
• Beim Verhältnis von Planungsleistung und Endprodukt:
Korrespondenz / Weiterentwicklung
⇒ Bezug zur Gesamtaufgabe
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Teilkompetenzen fördern: Mögliche Aufgaben (PD 214)
Anordnen von Argumenten
• „Ordne die Argumente nach ihrem inhaltlichen Zusammenhang
und bilde Überschriften für die jeweiligen Gruppen.“
• „Ordne die Argumente innerhalb der Gruppen nach Pro und
Kontra.“
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Teilkompetenzen fördern: Mögliche Aufgaben
Adressatenbezogenes Auswählen geeigneter Aspekte:
• „Welche Argumente der Liste können zusammengefasst bzw.
gestrichen werden?“
• „Welche Argumente stellen Unter-/Übertreibungen oder
Pauschalisierungen dar und müssen umformuliert werden?“
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Teilkompetenzen fördern: Mögliche Aufgaben
Anreichern der gewählten Argumente:
• Argumenteliste, die sich auf 2 Schreibaufträge mit
unterschiedlichen Adressaten beziehen:
– 1. Brief an Eltern
– 2. Artikel für Schülerzeitung
• „Welche Argumente sind für den Brief an die Eltern, welche für
die Schülerzeitung relevant?“
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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