Die BP übernimmt Veba Oel und Aral

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Die BP übernimmt Veba Oel und Aral
Die BP übernimmt
Veba Oel und Aral
Post Merger Integration und Unternehmenskultur
Achim Weiand
Ber telsm a n n Stiftung
2|
Inhalt
Vorwort
4
Danksagung
7
1. Unternehmenskultur und
M&A-Aktivitäten
2. Die Fallstudie
8
18
- Die beteiligten Unternehmen
18
- Strategischer Hintergrund
24
- Strategische Integration
28
- Strukturelle Integration
32
- Kulturelle Integration
36
- Personelle Integration
54
3. Lessons learned
- Das Fazit aus Unternehmenssicht
60
60
- Abschließende Anmerkungen
des Autors
62
Biografien
64
Quellenverzeichnis
65
- Literaturverzeichnis
65
- Interviews
67
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie enga-
- Bildnachweise
67
giert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit
sowie internationale Verständigung und fördert das friedliche Mit-
Der Autor
68
einander der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will
sie alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das
Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete,
gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der
Bertelsmann AG. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet operativ und ist
unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral.
|3
Vorwort
Vorwort
Martin Spilker
Petra Köppel
Ein Blick auf die Schlagzeilen der Tagespresse
aktionen.1 Grund hierfür ist in den Augen der
verrät, welche Großereignisse derzeit im Wirt-
Wirtschaftsprüfer mangelndes Integrations-
schaftsgeschehen die maßgeblichen sind: Das
management und -umsetzung. Integration umfasst
Übernahmeangebot der E.ON an Endesa, die
komplexe Prozesse, die im Vorfeld des Vollzugs
Übernahme von Arcelor durch Mittal, die Inte-
der Fusion oder der Akquisition zu planen sind.
gration von Reebok in Adidas-Salomon, die Über-
Darüber hinaus ist in der Umsetzung mit ver-
nahme der Hypo-Vereinsbank durch Unicredit,
schiedenen Unwägbarkeiten und Widerständen
die Schlacht um Schering, der Verkauf der japa-
zu rechnen, die sich aus der Zusammenführung
nischen Vodafone-Tochter an Softbank und so
verschiedener Unternehmen oder Unternehmens-
weiter und so fort. Fusionen und Übernahmen
einheiten ergeben. Dabei sind Strategie und
prägen die Wirtschaftslandschaft und sind deut-
Organisation als Treiber zu sehen, die Rahmen
liche Indizien für einen internationalen Wettbe-
und Orientierung geben. Entscheidend ist jedoch
werb. Auf der Suche nach neuen Märkten und
ebenso eine bewusste Gestaltung der Unterneh-
Kunden fusionieren Unternehmen zu größeren
menskultur(en), die einen eigenständigen Beitrag
und schlagkräftigeren Gebilden. Doch auch um
dazu leistet, dass Führungskräfte und Mitarbeiter
Märkte zu sichern und Synergien zu nutzen,
den merger oder die Akquisition tragen und ein
sehen sich Unternehmen nach fusionswilligen
Gerüst für das neue Unternehmen entsteht. Zu
Partnern und Übernahmekandidaten um. Mit
häufig wird dieser Aspekt vernachlässigt, aber
der Ausschaltung von Konkurrenten, der Bünde-
insbesondere in internationalen Kooperationen
lung von Aktivitäten, Größenvorteilen und Kom-
dann schmerzvoll in der post merger-Phase er-
petenzvorsprüngen rechnen sich die Unterneh-
fahren. Unterschiedliche Kulturen auf nationaler,
men bessere Chancen am in- und ausländischen
regionaler, ethnischer und unternehmerischer
Markt aus. Es reicht nicht mehr, im eigenen Land
Ebene können zu Differenzen, Wahrnehmungs-
konkurrenzfähig oder auch Marktführer zu sein;
sperren und Ablehnungshaltungen führen, die
Produktion, Entwicklung und Vertrieb und im
kostspielige Konflikte verursachen, Manager vor
erheblichen Maße Finanzierung sind immer
unlösbare Probleme stellen und nicht zuletzt
mehr im internationalen Gefüge zu sehen und
den M&A scheitern lassen.
zu steuern.
Entscheidungen zu internationalen M&A werden
daher aufgrund von finanziellen und produktionswirtschaftlichen Aspekten getroffen. Ob
die errechneten Vorteile jedoch auch zum Tragen
kommen, hängt von einer Reihe weiterer Einflussfaktoren ab, die außerhalb der messbaren und
4|
direkt kontrollierbaren Reichweite der Analysten
1 Ernst & Young AG (2006) – Handeln wider besseres
liegen. So missraten nach einer Umfrage von
Wissen. Warum viele Transaktionen scheitern, ohne es zu
Ernst & Young 50 % der Unternehmenstrans-
müssen. Stuttgart
Vorwort
In diesem Zusammenhang gilt es, einen genaue-
ethnische Zugehörigkeit im Vordergrund, sodass
ren Blick darauf zu werfen, wie eine Integration
es schnell zu einer Auseinandersetzung zwischen
aus der unternehmenskulturellen Perspektive
„den Einheimischen“ und „den Anderen“, seien
angegangen wird. An erster Stelle steht die Frage:
es die Japaner, die Briten oder die Franzosen es-
Ist eine neue, einheitliche Unternehmenskultur
kaliert. Vor allem sind dann umso mehr landes-
erwünscht? Der eindeutige wirtschaftliche Vorteil,
kulturelle Denk- und Verhaltensweisen zu berück-
dass die beiden vorher unabhängigen Unterneh-
sichtigen, die nur bedingt vom Unternehmen zu
men miteinander vollkommen verschmelzen,
beeinflussen sind. In diesem Falle bietet sich
besteht in der Angleichung von formalen und
eine Symbiose an, in der beide Kulturen ent-
informalen Prozessen und Strukturen, die eine
sprechend der Rahmenbedingungen sinnvoll
barrierelose und schnelle Abwicklung über
verknüpft werden, gemeinsam wachsen und
Bereiche und Einheiten hinweg ermöglichen.
Spielraum für regionale, markt- oder produkt-
Auch die Identifizierung aller Mitarbeiter mit dem
spezifische Besonderheiten lassen.
einen Unternehmen kann zu größerer Kohäsion,
Motivation und positiver Außenwirkung führen.
Eine solche Lösung ist bei der Integration von
Auf der anderen Seite verzichtet man auf diese
Veba Oel und Aral durch die BP gewählt worden.
Art und Weise auf die für besondere Märkte,
Die BP stand vor der Herausforderung, deutsche
Kunden oder Produkte herausgebildeten Kompe-
und britische Unternehmenseinheiten zu einem
tenzen, die in der jeweiligen Kultur der vorherigen
neuen hochleistungsfähigen Unternehmen zu-
Unternehmen verankert waren und eventuell ein
sammenzuführen, um sich einerseits neue
Kaufgrund gewesen sind. Oft sind Marke und
Zugänge zu erschließen, andererseits ohne durch
Image eng mit der Identifikation der Mitarbeiter
Aufgabe von Marken und Identitäten Märkte zu
mit ihrem Hause verbunden und ein Wettbewerbs-
verlieren. Die Integration wurde zeitnah zur
vorteil. Sollen diese Besonderheiten abgeschafft
formellen Übernahme angestoßen, vor allem
und durch eine als womöglich fremd und unpas-
durch eine aktive und offene Kommunikations-
send empfundene Unternehmenskultur ersetzt
politik und passgenaue Maßnahmen für die ver-
werden, bedeutet dies einerseits im gleichen Zuge
schiedenen Zielgruppen. Dabei wurde zugestan-
einen Verlust des eben geschilderten ökonomi-
den, dass der Prozess des Zusammenwachsens
schen Nutzens. Andererseits wird das von den
keine Sache von Tagen oder Wochen ist, sondern
Angehörigen der übernommenen Unternehmung
eine langfristige und dynamische Angelegenheit.
als fehlende Wertschätzung, als Missachtung
Darauf stellte sich die BP ein und ist nun stolz
und Eroberung wahrgenommen und rundweg
darauf, nach einer Zeit, die sicherlich auch durch
abgelehnt. Was dann als gemeinsames Ziel und
Turbulenzen geprägt war, von Erfolgen zu
gemeinsame Identität gedacht war, schlägt ins
berichten und Lernerfahrungen weiterzugeben.
Gegenteil um und fördert Ablehnung und Aufbau
(psychologischer) Grenzen zwischen dem, was
zusammenwachsen soll. In internationalen Übernahmen steht dabei häufig die nationale oder
|5
Vorwort
Achim Weiand hat in seiner Fallstudie Hinter-
Die eingangs geschilderten internationalen
und Beweggründe der Akquisition recherchiert,
Transaktionen werden in den nächsten Jahren
die verschiedenen Bereiche der Integration be-
weiter ansteigen und das nationale Wirtschafts-
gleitet und mit Erfahrungsberichten der Beteilig-
geschehen bestimmen. Umso wichtiger ist ein
ten angereichert. Ein Herzstück dieser Arbeit
aktives und bewusstes Management, das sich
stellen die Aktivitäten und Maßnahmen der in-
über die Rahmenbedingungen und Herausforde-
ternen Kommunikation dar, denen in diesem
rungen von M&A, deren Abwägung über finan-
Integrationsprozess eine zentrale Rolle für den
zielle Analysen hinausgeht, im Klaren ist und
Erfolg dieses Unterfangens zukommt. Achim
über ein Repertoire an möglichen Handlungs-
Weiands Ergebnisse belegen die Relevanz einer
weisen für eine erfolgreiche Integration verfügt.
Verknüpfung von ökonomisch fundierten Ent-
Die Berücksichtigung und Nutzung von Unter-
scheidungen mit konkreten Integrationsmaß-
nehmenskultur als ein Pfeiler des Erfolgs ver-
nahmen im strategischen, strukturellen, kultu-
steht sich dann von selbst.
rellen und personellen Bereich.
Die Schaffung einer Unternehmensidentität unter
unternehmenskulturellen Gesichtspunkten verMartin Spilker
Petra Köppel
ment. Hier zeichnet sich eine Schnittstelle zum
Leiter des Kompetenz-
Projektmanagerin
Projekt „Unternehmenskulturen in globaler In-
zentrums Unterneh-
Kompetenzzentrum
teraktion“ ab, das sich der Untersuchung der
menskultur / Führung,
Unternehmenskultur /
verschiedenen Perspektiven und Ansatzpunkte
Persönlicher Referent
Führung,
von Unternehmenskultur widmet. Dieses greift
von Liz Mohn,
Bertelsmann Stiftung,
u. a. die Rolle von Unternehmenskultur in inter-
Bertelsmann Stiftung,
Gütersloh
nationalen Unternehmenskooperationen wie
Gütersloh
weist auf das Gewicht von Unternehmenskultur
und ihrer aktiven Gestaltung durch das Manage-
2
strategischen Allianzen, global vernetzten Projekten oder Lieferanten-Kundenbeziehungen auf,
um verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu
generieren.
2 Zu weiterer Projektinformation siehe Bertelsmann
Stiftung (2006) – Unternehmenskulturen in globaler
Interaktion, www.unternehmenskultur.org.
6|
Danksagung
Danksagung
Ich bedanke mich bei Wilhelm Bonse-Geuking,
Aufsichtsratsvorsitzender und ehemaliger
Vorstandsvorsitzender der deutschen BP, sowie
bei Dr. Uwe Franke, Vorstandsvorsitzender der
deutschen BP, für die Möglichkeit, eine Fallstudie
über diese hochinteressante Integration schreiben
zu können.
Mein besonderer Dank gilt Britta Kopfer, Manager
Internal Communications bei der deutschen BP,
für ihre kompetente und tatkräftige Unterstützung
sowie für die Vermittlung von Kontakten und
Informationen.
Achim Weiand
|7
Unternehmenskultur
1. Unternehmenskultur
und M&A-Aktivitäten
Unbestritten in betriebswirtschaftlicher For-
zu einer umfangreichen, kostspieligen und
schung wie Praxis ist mittlerweile der Beitrag
zeitaufwendigen Befragung der Mitarbeiter?6
von Unternehmenskultur zum Unternehmens-
Oder bleibt es beim Fünf-Zeiler des externen
erfolg. Sackmann definiert dabei den Begriff der
Unternehmensberaters, der seine ersten
Unternehmenskultur folgendermaßen: „Der
Eindrücke niederschreibt?
Kern oder die unsichtbare Basis einer Unternehmenskultur besteht aus jenen grundlegenden,
kollektiven Überzeugungen, die das Denken,
3 Sackmann, Sonja A. & Bertelsmann Stiftung (2004) – Er-
Handeln und Empfinden der Führungskräfte
folgsfaktor Unternehmenskultur. Wiesbaden: Gabler. S. 24
und Mitarbeiter im Unternehmen maßgeblich
4 Sackmann (in Sackmann, Sonja A. & Bertelsmann
beeinflussen und die insgesamt typisch für das
Stiftung (2004) – Erfolgsfaktor Unternehmenskultur.
Unternehmen bzw. eine Gruppe im Unternehmen
Wiesbaden: Gabler. S. 27 ff.) definiert vier zentrale
sind.“ Offen bleiben aber trotz der mittlerweile
Funktionen einer Unternehmenskultur: 1) Reduktion
verstärkten Forschungsbemühungen zur
von Komplexität, 2) Bereitstellung eines Orientierungs-
Unternehmenskultur, ihren Funktionen4 und
rasters für koordiniertes Handeln, 3) Stärkung der Identi-
Ausprägungen wichtige Fragen:
fikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, 4) Sicher-
3
stellung von Kontinuität.
—
Wie sieht eine „gute“, erstrebenswerte
5 Sackmann definiert zehn zentrale Kriterien einer Unter-
Unternehmenskultur konkret aus? Gibt es
nehmenskultur (in Sackmann, Sonja A. & Bertelsmann
sogenannte „zentrale Kriterien“ , die bran-
Stiftung (2004) – Erfolgsfaktor Unternehmenskultur.
chen- oder sogar länderübergreifend gültig
Wiesbaden: Gabler. S. 44): 1) Gemeinsame Zielorientie-
sind? Müssen sich nicht zwangsläufig die
rung, 2) Verantwortung gegenüber der Gesellschaft,
Unternehmenskulturen eines kleinen,
3) Haltungen, Überzeugungen und Werte, 4) Unabhän-
regional agierenden Mittelständlers und
gigkeit und Transparenz der Unternehmensaufsicht,
diejenige eines international agierenden
5) Partizipatives Führungsverhalten, 6) Unternehmer
Großunternehmens aufgrund unterschied-
im Unternehmen, 7) Führungskontinuität, 8) Adaptions-
licher Mitarbeiter- und Kundenstrukturen,
und Integrationsfähigkeit, 9) Kundenorientierung,
aufgrund unterschiedlicher Größenver-
10) Shareholder-Orientierung
hältnisse und des Einsatzes verschiedener
6 Vgl. dazu die ausführliche und detaillierte Darstellung
Steuerungsmechanismen unterscheiden?
unterschiedlicher Ansätze (z. B. den Organizational
Haben nicht nationale Kulturen entschei-
Culture Inventory oder das Denison-Organisationskul-
denden Einfluss auf eine damit jeweils
turmodell) bei Sackmann, Sonja A. (2006) – Assessment,
lokal eingefärbte Unternehmenskultur
Evaluation, Improvement: Success through Corporate
und vereiteln so internationalen Groß-
Culture. Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung.
konzernen die erwünschte einheitliche
Gütersloh sowie die gekürzte Variante in Bertelsmann
5
—
8|
Unternehmenskultur in allen Kontinenten?
Stiftung (2006) – Messen, werten, optimieren. Erfolg
Wie kann man Unternehmenskulturen
durch Unternehmenskultur. Ein Leitfaden für die Praxis.
praktikabel messen? Gibt es Alternativen
Gütersloh
Unternehmenskultur
—
8
Welches Instrumentarium an Maßnahmen
nehmenskulturen. Oft sind bereits die der Inte-
steht dem Praktiker zur zielgerichteten
gration vorausgehenden Phasen unzureichend
Schaffung oder Beeinflussung einer
in der Abarbeitung: Die Planungsphase9 kommt
Unternehmenskultur zur Verfügung? Wie
zu kurz oder bei der Durchführungsphase wird
beispielsweise eine cultural due diligence10 nicht
groß sind eigentlich die Möglichkeiten zur
Beeinflussung einer Unternehmenskultur?
7
realisiert. In der Integrationsphase lässt sich
dann nur mit Not reparieren, was vorher ver-
Ungeachtet dieser offenen Fragen steht jedes
säumt wurde. Im Folgenden interessiert, welche
Unternehmen vor der Herausforderung, aktiv
prinzipiellen Möglichkeiten Unternehmen haben
und zielgerichtet seine Unternehmenskultur zu
zur Gestaltung einer Integration.
entwickeln. Eine besondere Herausforderung
stellen dabei Mergers & Acquisitions (M&A)
dar, weil bei ihnen zwei (oder mehrere) Unternehmenskulturen aufeinander treffen und eine
7 Vgl. die Argumentation von Blazejewski, Susanne &
Entscheidung getroffen werden muss, wie das
Dorow, Wolfgang (2005) - Unternehmenskulturen in glo-
neue Unternehmen in Zukunft arbeiten soll.
baler Interaktion. Ein Leitfaden für die Praxis. Heraus-
Ist ein Deal aber erst einmal geschlossen, dann
gegeben von der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh. S. 15 ff.
richtet sich die öffentliche und unternehmensin-
8 Vgl. etwa Ernst & Young AG (2006) – Handeln wider
terne Aufmerksamkeit wieder anderen Themen
besseres Wissen. Warum viele Transaktionen scheitern,
zu – und viele Deals scheitern in der folgenden
ohne es zu müssen. Stuttgart; Grube, Rüdiger & Töpfer,
Integrationsphase. Deshalb soll im Folgenden
Armin (2002) – Post Merger Integration. Erfolgsfaktoren
ein Blick geworfen werden auf die Integrations-
für das Zusammenwachsen von Unternehmen. Stuttgart.
phase als oft vernachlässigte, aber letztendlich
S. 43–52; Koch, Thomas (2002) – Post Merger-Manage-
entscheidende Seite von M&A-Aktivitäten und
ment. In Picot, Gerhard (2002) – Handbuch Mergers &
die spezielle Bedeutung der Unternehmens-
Acquisitions, Planung, Durchführung, Integration.
kultur in ihr.
Stuttgart: SchäfferPoeschel. S. 383–406
9 Beispielsweise die Analyse des eigenen Unternehmens,
In der Integration der Unternehmen sollen
die Analyse von Wettbewerbern und der Branchenent-
die vorher identifizierten Synergien realisiert
wicklung sowie die Analyse von Motiven und Ziel-
werden; allzu oft schlägt dies jedoch fehl.
setzungen für M&A-Aktivitäten.
Gründe für dieses Scheitern sind unter anderem
10 Zur Cultural Due Diligence vgl. Schneck, Ottmar &
das Fehlen einer klaren Strategie in Bezug auf
Zimmer, Alexander (2006) – Cultural Due Diligence. In
das übernommene Unternehmen, dysfunktiona-
Wirtz, Bernd W. (Hrsg.) (2006) – Handbuch Mergers &
le Konkurrenz um leitende Positionen, das Über-
Acquisitions. Wiesbaden: Gabler. S. 585–610 oder Höge-
gehen der Interessen der Mitarbeiter, die
mann, Bernd (2005) – Cultural Due Diligence. In Berens,
Unterschätzung der Langwierigkeit des Inte-
Wolfgang, Brauner, Hans W. & Strauch, Joachim (2005) –
grationszeitraums sowie die mangelnde Berück-
Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen. Stuttgart.
sichtigung der oftmals unterschiedlichen Unter-
4., überarbeitete und erweiterte Auflage. S. 539–564
|9
Unternehmenskultur
Haspeslagh und Jemison11 waren die ersten
Unternehmens oder des kleineren Fusions-
Forscher, die systematisch den Möglichkeiten
partners vollständig absorbiert (Absorption,
der strategischen Gestaltung einer Integration
Assimilation oder Kulturübernahme), um die
nach Mergers & Acquisitions nachgegangen
Grenzen zwischen den Unternehmen aufzu-
sind. Als wichtigstes Ziel von M&A-Aktivitäten
lösen. Entscheidend sind hier nach Haspeslagh
definieren sie dabei die Schaffung von Mehrwert
und Jemison der Wille des stärkeren Unterneh-
durch das neue Unternehmen, relativ gesehen
mens, seinen Willen durchzusetzen, sowie die
zum Wert der voneinander unabhängigen Unter-
notwendige hohe Integrationsgeschwindigkeit.12
nehmen vor der Fusion oder der Akquisition.
Der Transfer von strategisch wichtigem Wissen
Erhaltungsstrategien werden hingegen ge-
ist eine wichtige Quelle zur Schaffung von Mehr-
wählt bei einer geringen strategischen Abhän-
wert. Dieser Transfer reicht von der Koppelung
gigkeit zwischen den Unternehmen und einer
von Einkaufsvolumen über die Übertragung
hohen Notwendigkeit, eine organisatorische
von funktionellem oder Management-Know-how
Autonomie zu gewähren. Die Hauptaufgabe des
bis hin zum totalen Zusammenlegen aller
übernehmenden Unternehmens besteht hier
Ressourcen. Nach Haspeslagh und Jemison stei-
darin, die wichtigen Vermögenswerte des über-
gen mit zunehmender Zusammenarbeit der
nommenen Unternehmens zu erhalten; dazu
Unternehmen die entstehenden Synergien; es
zählen neben den materiellen Vermögens-
wird allerdings auch wegen der notwendigen tie-
werten (Produktionsanlagen, Lagerbestände,
fen Eingriffe in Strukturen und Prozesse der
Gebäude etc.) vor allem die „flüchtigen“ imma-
beteiligten Unternehmen immer schwieriger,
teriellen Vermögenswerte (wie beispielsweise
diese Synergien zu erreichen. Dieser erste, die
Wissen und Motivation von Management und
Wahl einer Integrationsstrategie beeinflussende
Mitarbeitern). Die Auswirkungen auf die Unter-
Faktor wird von ihnen die strategische Ab-
nehmenskultur des übernommenen Unterneh-
hängigkeit der Unternehmen in Bezug auf die
mens sind in der Regel unwesentlich und werden
Schaffung von Mehrwert genannt. Paradoxer-
nur vorsichtig vorgenommen; beide Kulturen
weise kann aber bei einer Integration genau die-
werden oftmals nebeneinander bestehen (Er-
ses strategisch wichtige Wissen zerstört werden;
haltung, stand alone oder Kulturpluralismus).
beispielsweise verlassen Schlüsselpersonen das
Unternehmen, weil Arbeitsweisen und Prozesse
einschneidend verändert werden sollen. Dieser
zweite, die Wahl einer Integrationsstrategie
bestimmende Faktor ist das Ausmaß, in dem die
organisatorische Autonomie der Unternehmen
bewahrt werden muss, um den erwarteten
Mehrwert zu schaffen. Es ergeben sich folgende
vier Möglichkeiten einer Integrationsstrategie:
Absorptionsstrategien in Bezug auf das übernommene Unternehmen werden gewählt bei
10 |
einer hohen strategischen Abhängigkeit beider
11 Haspeslagh, Philippe C. & Jemison, David B. (1991) -
Unternehmen und wenig Notwendigkeit, dem
Managing Acquisitions. Creating Value Through
akquirierten Unternehmen eine organisatori-
Corporate Renewal. New York: Free Press. S. 145
sche Autonomie zu gewähren, um die erwarte-
12 Zur Bedeutung der Integrationsgeschwindigkeit vgl.
te Wertsteigerung zu realisieren. Bei dieser
insbesondere Gerpott, Thorsten J. (1993) – Integrations-
Strategie wird dann auch in der Regel die
gestaltung und Erfolg von Unternehmensakquisitionen.
Unternehmenskultur des aufgekauften
Stuttgart
Unternehmenskultur
Bei einer hohen strategischen Abhängigkeit der
Bei der Symbiose soll sich nach und nach aus
Unternehmen und einer hohen Notwendigkeit,
den beiden alten Kulturen eine neue, gemein-
eine organisatorische Autonomie zu gewähren,
same Kultur entwickeln (Kulturmischung,
werden beide Unternehmen zuerst nebeneinan-
Neugestaltung oder partielle Integration).
der bestehen und sich später nach und nach
zu einem neuen Unternehmen entwickeln
Eine vierte Möglichkeit einer Integrations-
(Symbiose). Dies ist die komplexeste Form einer
strategie bietet das Modell der (Finanz-)Holding,
Integrationsstrategie mit den höchsten
bei der es wegen der geringen strategischen
Herausforderungen. Diese Unternehmens-
Abhängigkeit keinen Einfluss der Holding auf
entwicklung benötigt die Erhaltung von Grenzen
das operative Geschäft der Tochterunternehmen
zwischen den Unternehmen und gleichzeitig
und damit auch keinen Einfluss auf die Unter-
das Durchbrechen von eben diesen Grenzen.
nehmenskulturen gibt.
Abbildung 1: Vier Möglichkeiten einer Integrationsstrategie13
hoch
Erhaltung
Symbiose
Holding
Absorption
Notwendigkeit der
organisatorischen
Autonomie
Strategische Abhängigkeit
niedrig
Synergien durch
Übertragung von
Übertragung von
Zusammenlegung
Kombination (Ein-
Management-
funktionalem
der Ressourcen
kauf, Kapitalkraft...)
Know-how
Know-how
hoch
13 Haspeslagh, Philippe C. & Jemison, David B. (1991) Managing Acquisitions. Creating Value Through
Corporate Renewal. New York: Free Press. S. 145
| 11
Unternehmenskultur
Lucks und Meckl führen – bezogen auf den
post merger-Integration – die Vor- und Nachteile
Umgang mit den Unternehmenskulturen in der
der drei wichtigsten Integrationsvarianten auf:14
Tabelle 1: Integrationsstrategien mit ihren Vor- und Nachteilen
Kombination aus
bestehenden
Kulturen – Kulturmischung/Symbiose
Pro
Kontra
• Der entstehende Kulturschock in beiden Unternehmen ist gering.
• Bereiche des Denkens,
Handelns und Empfindens
sowie Prozesse und
Strukturen, die bislang als
selbstverständlich galten,
sind neu zu verhandeln.
• Das Entstehen einer
gemeinsamen Kultur
führt zu einem stärkeren
Zusammenwachsen beider
Unternehmen.
• Der intensive Know-howAustausch führt zu
einer Verbesserung der
operativen Exzellenz.
Übernahme der
Kultur eines
Partners – Kulturübernahme/
Absorption
• Schnellster
Integrationsansatz.
• Nur ein Partner muss mit
einer neuen Kultur
vertraut gemacht werden.
• Gefahr der Lähmung der
Organisation aufgrund
von langsamen, da
meistens im Konsens getroffenen Entscheidungen.
• Dieser Integrationsansatz
ist sehr aufwendig umzusetzen und zeitintensiv.
• Der Kulturschock tritt
massiv bei dem übernommenen Unternehmen
auf; Gefühl des Verlusts
und der Fremdbestimmung.
• Die Frage wird nicht
gestellt, ob die übernom mene Kultur wirklich die
bessere ist; diese Frage
wird über den Einsatz von
Macht entschieden.
• Erhaltung der unternehmensspezifischen
Schwächen des übernehmenden Unternehmers.
Beide Kulturen
bestehen gleichberechtigt nebeneinander – Kulturpluralismus/Erhaltung
• Der Kulturschock bleibt
bei beiden Unternehmen
aus.
• Die bisherigen Tätigkeiten
können (fast) nahtlos wie
bisher fortgesetzt werden.
14 Ergänzt nach Lucks, Kai & Meckl, Reinhard (2002) –
Internationale Mergers & Acquisitions. Der prozessorientierte Ansatz. Berlin u. a.: Springer. S. 152
12 |
• Die beiden Kulturen sind
schwierig zu kontrollieren;
es entstehen wenig oder
gar keine kulturell
bedingten Synergien.
Unternehmenskultur
Unabhängig von der Entscheidung, welche die-
tierung der Maßnahmen absichern.15 Bei einer
ser Integrationsstrategien vom Top-Management
Integration müssen allerdings unterschiedliche
gewählt wird, erscheint es wichtig, eine Systematik
Teilbereiche voneinander abgegrenzt werden,
beim Vorgehen in der post merger-Integration zu
die jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen, den
berücksichtigen. Denn zu oft werden Inte-
Einsatz unterschiedlicher Diagnoseinstrumente
grationsmaßnahmen eingesetzt, ohne danach zu
verlangen und auch entsprechend auf ein anderes
fragen, ob sie einen Beitrag liefern zu einem
Set von Integrationsmaßnahmen zurückgreifen.
vorab definierten Integrationsziel. So sollte nach
In Anlehnung an Vogel16 sollen im Folgenden
der 1) Festlegung des Integrationsansatzes
vier Teilbereiche einer Integration beschrie-
2) eine Diagnose der Ausgangslage in beiden
ben werden: die strategische Integration, die
Unternehmen erfolgen, um dann zielgerichtet
strukturelle Integration, die kulturelle Integra-
den 3) Einsatz von Interventionen planen und
tion und die personelle Integration der beteilig-
durchführen zu können. Eine 4) fortlaufende
ten Unternehmen.
Evaluation der Ergebnisse soll die Zielorien-
Abbildung 2: Teilbereiche einer Integration
Strategische Integration
Kulturelle Integration
Strukturelle Integration
Personelle Integration
15 Vgl. den Ansatz von Blazejewski, Susanne & Dorow,
Wolfgang (2005) – Unternehmenskulturen in globaler
Interaktion. Ein Leitfaden für die Praxis. Bertelsmann
Stiftung (Hrsg.). Gütersloh
16 Siehe Vogel, Dieter H. (2002) – M & A, Ideal und
Wirklichkeit. Wiesbaden. S. 254
| 13
Unternehmenskultur
Als am wichtigsten angesehen werden hierbei
Aufgaben, Darstellung in Flowcharts oder Kom-
zweifellos die strategische und die strukturelle
munikationsdiagrammen) und Prozesskosten-
Integration, die meistens auch zeitlich als erste
rechnungen. Maßnahmen zur Prozessneuge-
erfolgen. Ohne die beiden anderen Teilbereiche
staltung sind dann die Festlegung von neuen
der kulturellen und der personellen Integration
Abläufen, Verantwortlichen und Zuständigkeiten.
allerdings wird ihr Erfolg nur kurzfristig sein.
Diese vier Teilbereiche einer Integration werden
Die kulturelle Integration ist ein wichtiger, aber
nachfolgend beschrieben, jeweils mit ihren Zielen,
schwierig zu managender Integrationsbereich,
den entsprechenden Diagnoseinstrumenten und
da ihr wertmäßiger Beitrag zu einer „gelungenen“
den zugeordneten Maßnahmen.
Integration schwer zu messen ist und sich die
Wirkung dieser Maßnahmen oft erst mittel- oder
Bei der strategischen Integration als einem der
langfristig zeigt. Bei der kulturellen Integration
wichtigsten Integrationsbereiche, der bei allen
können mehrere Zielebenen mit ihnen jeweils
vier beschriebenen Integrationsstrategien zum
zugeordneten Instrumenten/Maßnahmen unter-
Tragen kommt, geht es um die Konsolidierung
schieden werden. Geht es um das reine Fakten-
der unternehmensstrategischen Absichten der
wissen der Mitarbeiter („Wissen“), so kommen
beteiligten Unternehmen, eine operative, ge-
klassische Kommunikations- und Trainings-
schäftsfeldbezogene Strategieumsetzung sowie
instrumente zum Einsatz wie beispielsweise
um den Transfer strategischer Ressourcen und
Newsletter oder Zeitung zu Integrationsthemen,
Fähigkeiten. Zum Einsatz bei der Diagnose
Vorstandsrundschreiben, E-Mails „an alle“, der
kommen hierbei alle klassischen Instrumente
Einsatz von chatrooms im firmeneigenen
des strategischen Managements (z. B. SWOT-
Intranet, fachgebundene Trainings oder das
Analyse, Portfolio-Analyse, Wertkettenanalyse,
Schaffen von sogenannten „Gelben Seiten“ mit
Benchmarking).17 Die Maßnahmen bestehen bei-
Ansprechpartnern in beiden Unternehmen und
spielsweise in der Angleichung der Strategien
deren Expertise. Soll hingegen die Einstellung
beider Unternehmen oder einer Neupositionie-
der Mitarbeiter („Wollen“) verändert werden,
rung des übernommenen Unternehmens. Ent-
dann reichen noch so gut gestaltete Information
scheidungen der strategischen Integration werden
und Kommunikation nicht aus. Dann kommen
oftmals bereits vor dem formellen Vollzug der
beispielsweise Führungskräfte-Konferenzen,
Akquisition getroffen und direkt nach der
Maßnahmen der Teamentwicklung oder Abtei-
formellen Übernahme vom übernehmenden
lungsworkshops zur konkreten Gestaltung der
Unternehmen ohne Mitwirkungsmöglichkeiten
Zusammenarbeit zum Einsatz. Eminent wichtig
des übernommenen Unternehmens umgesetzt.
sind auch die persönliche Sichtbarkeit der
Führungskräfte im Integrationsprozess sowie
Die strukturelle Integration soll eine leistungs-
die Einbindung der Mitarbeiter in den Integra-
fähige Aufbau- und Ablauforganisation gewähr-
tionsprozess statt des ausschließlichen Einsatzes
leisten und liefert somit das organisatorische
unternehmensexterner Berater. Der weitaus
Skelett der neu gestalteten Organisation. Zur
schwierigste Zielbereich bei der kulturellen Inte-
Diagnose eignen sich hier Darstellungen der
gration ist die Veränderung des Verhaltens der
Strukturen (Organigramm, Analyse von Füh-
Mitarbeiter („Können“ und – schließlich ent-
rungsspannen, Analyse formaler und informaler
scheidend – „Machen“). Erwünschte Verände-
Beziehungen), Prozessdarstellungen (z. B. Datengewinnung über Selbstaufschreibungen von
17 Vgl. etwa die Darstellung bei Simon, Hermann & von
der Gathen, Andreas (2002) – Das große Handbuch der
Strategieinstrumente. Werkzeuge für eine erfolgreiche
Unternehmensführung. Frankfurt: Campus
14 |
Unternehmenskultur
rungen im Verhalten müssen durch geeignete
mens- oder Führungs-)Werte durch das Top-
Belohnungs- und Sanktionsmechanismen unter-
Management, Beförderung von Führungskräften
stützt werden. Dazu gehören beispielsweise
mit exemplarischem Rollenverständnis etc.19
neue Zielvereinbarungen mit Führungskräften,
die Neugestaltung und Abstimmung von
Beförderungssystemen mit neuen Werten oder
Verhaltensregeln, das Feedback über erhobene
Daten, Rollenanalysen, Veränderungen in
Strukturen, Prozessen, Verantwortlichkeiten und
Beziehungen und – letztendlich auch –
Versetzungen oder Entlassungen.
Klassische Diagnoseinstrumente für die kulturelle
Integration sind: Interviews/Gruppeninterviews,
Diagnoseworkshops, Mitarbeiterbefragungen
über Fragebogen (schriftlich oder online-gestützt,
eventuell mit Fallstudienset), Dokumenten-
18 Vgl. etwa Doppler, Klaus & Lauterburg, Christoph (1994) –
analyse (z. B. der Leitlinien oder der Visionen
Change Management, Frankfurt am Main: Campus.
der Unternehmen), Kundenbefragungen oder
S. 170 ff.; Block, Peter (1997): Erfolgreiches Consulting.
Prozessbeschreibungen.
18
Die Maßnahmen der
Das Berater-Handbuch. Frankfurt am Main, New York:
kulturellen Integration überdecken sich v. a. bei
Campus. S. 186 ff.; Königswieser, Roswitha & Exner,
den eher „weichen“ Themen mit denjenigen der
Alexander (1998): Systemische Intervention. Stuttgart:
personellen Integration. Sie sollten wie alle
Klett-Cotta; French, Wendell L. & Bell, Cecil H. jr. (1990) –
anderen Maßnahmen immer vor dem Hintergrund
Organisationsentwicklung. Bern/Stuttgart: Haupt. S. 58 f.
einer vorab erfolgten Zieldefinition ausgewählt
19 Vgl. Blazejewski, Susanne & Dorow, Wolfgang (2005) –
werden. Maßnahmen zur kulturellen Integration
Unternehmenskulturen in globaler Interaktion. Ein
sind beispielsweise: schnelle, offene und umfas-
Leitfaden für die Praxis. Gütersloh. Sie machen sieben
sende Information der Mitarbeiter (z. B. über
Ansatzpunkte für eine kulturelle Integration bei interna-
Mitarbeiterzeitschriften, über schriftliche oder
tional agierenden Untenehmen aus: 1) Cultural Vision -
elektronische Newsletter oder über ein firmen-
schriftliche Fixierung der Unternehmensgrundwerte;
eigenes Business-TV), Kennenlernen des anderen
anschauliche, kreative Kommunikation der Grundwerte;
Unternehmens und seiner Mitarbeiter (z. B. über
Beschränkung auf maximal fünf bis sieben Grundwerte;
Betriebsbesichtigungen, Feiern oder gemeinsame
Übersetzung in die Landessprachen, Grundwerte opera-
Kulturveranstaltungen, away-days für komplette
tionalisieren 2) Local Dialogue – lokale Perspektive sys-
Abteilungen), intensive Kommunikation mit den
tematisch einbeziehen; lokale Operationalisierungen;
Mitarbeitern auch über Hierarchiegrenzen hin-
Konflikte kooperativ lösen 3) Visible Action – Werte
weg (z. B. über townhall-meetings, Führungs-
leben; Grundwerte emotional vertreten 4) Communicator –
kräfte-Konferenzen oder ein gemeinsames Mittag-
Dialogplattformen institutionalisieren; Verständigungs-
essen von Top-Managern mit Mitarbeitern), Maß-
fähigkeit herstellen; Kommunikationsstil konsequent
nahmen der Personalentwicklung (z. B. Team-
internationalisieren; global taugliche Artefakte 5) Cultural
training für neu zusammengesetzte Abteilungen,
Ambassador – Rotationsprogramme verstetigen; Flexibilität
kultursensibilisierende Trainings bei grenzüber-
zulassen; Roundtrip organisieren; Einbindung vor Ort
schreitenden mergers, Coaching von Führungs-
sicherstellen 6) Open Sky – Führungspositionen interna-
kräften, Job-Rotation zum Akquisitionspartner),
tionalisieren; globale Auswahlverfahren umsetzen;
Erarbeitung und Kommunikation neuer Grund-
Imageprobleme im Ausland abbauen 7) Compliance -
werte/Führungsleitlinien und entsprechender
Verbindlichkeit der Grundwerte; Kulturtauglichkeit
Anreizsysteme, Vorleben der neuen (Unterneh-
prüfen; Kontrolle und Sanktionierung
| 15
Unternehmenskultur
Die personelle Integration verfolgt ein umfang-
sein, dass die Top-Führungskräfte aller Tochter-
reiches Zielpaket. Hierzu gehören in der Regel
unternehmen in dem Bewusstsein handeln, Teil
der Umgang mit Personalüberhang (oder -unter-
eines größeren Ganzen zu sein, ihre Unterneh-
deckung), die Handhabung unterschiedlicher
mensstrategien auf die Strategie der Mutterge-
Human-Resource-Regelwerke, die Kooperation
sellschaft abstimmen und somit eine gemeinsame
mit mehreren Arbeitnehmervertretungen, die
Identität entwickeln. In dieses Spannungsfeld
schnelle Besetzung der Führungspositionen, das
zwischen mehreren Unternehmenskulturen ge-
Erhalten der Leistungsträger (statt: „exit of the
raten deshalb meistens nur die Top-Führungs-
best, merger of the rest“) sowie einer motivierten
kräfte; die unmittelbar am Produkt oder beim
Belegschaft mit einer hohen Arbeitszufriedenheit.
Kunden tätigen Mitarbeiter der Tochterunter-
Als Diagnoseinstrumente kommen infrage: die
nehmen werden daher selten als Zielgruppe von
Analyse der zugrunde liegenden arbeitsrecht-
solchen kulturellen Integrationsmaßnahmen aus-
lichen Vertragswerke (z. B. Tarifverträge, Betriebs-
gemacht. Wichtig erscheint es daher, bei allen
vereinbarungen, Arbeitsverträge, Sozialpläne etc.),
Integrationsmaßnahmen die Frage zu stellen,
die Analyse von personalpolitischen Grundsätzen,
wie wichtig die Entwicklung einer einheitlichen
die Analyse von Personalstruktur und -kosten,
Unternehmenskultur auf allen Hierarchieebenen
die Analyse der vorhandenen Qualifikationen
eines Unternehmens ist oder ob es nicht aus-
etc. Da Synergien bei den meisten M&A-Aktivi-
reicht, für die Top-Führungskräfte eine gemein-
täten auch über Entlassungen von Mitarbeitern
same Identität aufzubauen, ansonsten aber ver-
realisiert werden, sind die Maßnahmen der per-
bindende Elemente zwischen der Unternehmens-
sonellen Integration meistens negativ besetzt:
kultur der Muttergesellschaft und denjenigen
Interessenausgleich und Sozialplan bei betriebs-
der Tochtergesellschaften herzustellen und eine
bedingten Kündigungen, Personalauswahl (z. B.
partielle Autonomie der Subkulturen zuzulassen.
20
über ein Management-appraisal), Einrichten einer
Jobbörse, Gründen einer Transfergesellschaft,
Umzugsregelungen, Frühpensionierungen, Altersteilzeitregelungen, Abfindungsregelungen oder
das Auslaufen befristeter Verträge.
Was bei den bisher dargestellten Ansätzen zur
Integration allerdings wenig bedacht wird, ist
die Tatsache, dass große Unternehmen mit eigenständig am Markt operierenden Tochterunternehmen21 in der Regel Subkulturen neben der
Unternehmenskultur der Muttergesellschaft ausbilden. Diese Subkulturen erfüllen eine wichtige
16 |
Funktion, vermitteln sie doch den Mitarbeitern
20 Vgl. hierzu die Checkliste zu einer Due Diligence bei
der Tochterunternehmen eine eindeutige und
Berens, Wolfgang, Brauner, Hans W. & Strauch, Joachim
konkrete Identität mit diesem Unternehmen und
(2005) – Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen.
seinen Produkten oder Dienstleistungen. Die
Stuttgart. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage.
Unternehmensleitung der Muttergesellschaft
S. 857–860
wird hier keine Notwendigkeit zum Eingreifen
21 Vgl. beispielsweise die großen Automobilunternehmen
sehen, solange diese Subkulturen nicht dysfunk-
DaimlerChrysler oder Ford, die mehrere Marken getrennt
tional werden, indem sie beispielsweise den
führen, das Handelsunternehmen Metro mit seinen
Transfer von Know-how oder Mitarbeitern zwi-
verschiedenen Vertriebskanälen oder das Versicherungs-
schen den Teilkonzernen behindern. Wichtig aus
unternehmen Ergo mit seinen unterschiedlichen Versi-
der Sicht der Muttergesellschaft wird es alleine
cherungsunternehmen.
Unternehmenskultur
Abbildung 3: Eingangsbereich des neuen BP-Aral-Gebäudes in Bochum
Die nachfolgende Darstellung der Integration von
Veba Oel und Aral durch und in die Deutsche BP
orientiert sich an der hier vorgenommenen Einteilung einer Integration in die vier Teilbereiche
einer strategischen, strukturellen, kulturellen
und personellen Integration. Vielen Darstellungen
von Integrationen mangelt es gerade bei dem
kulturellen Teilbereich an Konkretheit, sodass
weder die angewendete Methodik nachvollzogen
noch die Sinnhaftigkeit der angewendeten
Maßnahmen überprüft werden können. Deshalb
verwendet diese Darstellung im Kontext der
Schriftenreihe der Bertelsmann Stiftung zu Unternehmenskulturen viel Raum für die ausführliche
Darstellung der kulturellen Integration mit ihren
einzelnen Maßnahmen und deren Methodik.
| 17
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
2. Die Fallstudie
Am 16.07.2001 gab es eine überraschende Presse-
Die beteiligten Unternehmen: BP und
mitteilung: Die E.ON AG aus Düsseldorf würde
Deutsche BP einerseits, E.ON, Veba Oel
Anteile ihrer Öltochter Veba Oel aus Gelsenkirchen
und Aral andererseits
an die BP plc, London, verkaufen und im Gegenzug von der deutschen BP AG deren Anteile an
Die spätere BP plc wurde 1909 unter dem Namen
der Firma Gelsenberg erhalten. Beide Tauschob-
Anglo-Persian Oil Company (APOC) von William
jekte waren der breiteren Öffentlichkeit kaum
Knox D'Arcy gegründet, der allerdings im
bekannt – hinter ihnen versteckten sich allerdings
späteren Geschäftsverlauf der APOC keine weitere
Unternehmen, mit denen fast jeder Deutsche
Rolle mehr spielen sollte.22 Die Burmah Oil
irgendwann schon einmal als Verbraucher zu
Company erwarb von D'Arcy – begünstigt durch
tun hatte und die jeweils eine sehr hohe Marken-
die hohen Anlaufverluste der Erdölexploration
bekanntheit mit einem hohen Marktanteil
in Persien – 97 % der Stammaktien und wurde
verbanden: Die Aral AG aus Bochum und die
im Jahr 1914 von der britischen Regierung als
größtem Anteilseigner abgelöst. Erst 1987 wurde
Abbildung 4: Logos der beteiligten Unternehmen BP, Veba Oel und Aral
Ruhrgas AG aus Essen. Die folgende Fallstudie
diese staatliche Beteiligung bis auf eine winzige
beleuchtet das Vorgehen bei der Integration von
Restbeteiligung reduziert. Die APOC, 1935 erst in
Veba Oel und deren Tochterunternehmen Aral in
Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) und 1954
die Deutsche BP. In einem ersten Schritt werden
die BP plc und die Deutsche BP sowie die E.ON
AG mit ihren Töchtern Veba Oel und Aral kurz
22 Vgl. zur folgenden Darstellung des Unternehmens
porträtiert. Anschließend erfolgt die Schilderung
und seiner Strategie Deutsche BP AG (2005) – Geschichte
der Integration von Veba Oel und Aral in die
der BP international, www.deutschebp.de/sectiongeneric
Deutsche BP.
article.do?categoryId=2010185&contentId=2015044,
Abfrage am 04.11.2005 sowie Liedtke, Rüdiger (2005) –
Wem gehört die Republik 2006? Frankfurt. a. M. S. 150 ff.
18 |
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
schließlich in British Petroleum umbenannt, er-
Im Jahr 1987 gelang der BP dann ein Quanten-
schloss als eine der ersten Ölgesellschaften auf-
sprung: Die BP übernahm die restlichen Anteile
grund einer vom Schah von Persien gekauften
an der Standard Oil Company of Ohio und eta-
Konzession Erdölvorkommen im Nahen Osten.
blierte sich damit als erster europäischer Wett-
Das Unternehmen blieb in den ersten Jahren
bewerber auf dem größten Einzelmarkt der Welt -
seiner Existenz schwerpunktmäßig vor allem im
dem US-amerikanischen Markt. Zudem verkaufte
Nahen Osten aktiv, musste aber nach der Verstaat-
die britische Regierung ihre restlichen Anteile
lichung aller ausländischen Aktivitäten durch die
an der BP in Höhe von 37,5 %, die so zu einer
iranische Regierung im Jahr 1951 eine verstärkte
der großen Publikumsgesellschaften wurde.
Internationalisierung seiner Aktivitäten angehen,
Ende 1987 folgte mit dem Kauf der britischen
um den Ausfall der Erdöllieferungen aus dem
Britoil eine der ersten Akquisitionen, die BP zu
Iran auszugleichen. So kamen neben Kuwait und
einer der größten Erdölgesellschaften machen
dem Irak ab 1969 auch Alaska (mit einer 25 % -
sollten. Die spektakulärste Aktion war der merger
Beteiligung an der Standard Oil Company of Ohio),
mit Amoco (USA) im Jahr 1998, der bis dahin
Nigeria sowie bedeutende Felder in der Nordsee
größte merger mit einem Kaufpreis von rund
hinzu. In den 50er-Jahren begann für die BP eine
55 Milliarden US $. Die neue Gesellschaft hieß
Phase der Diversifikation des Unternehmens, als
nun BP Amoco. Dieser merger wurde aber im
Versuche unternommen wurden, aus Öl Protein
Jahr 1999 durch die Übernahme von Mobil (# 4
zu machen. BP hatte schließlich eigene Unterneh-
weltweit) durch Exxon (# 2 weltweit) für rund
mensbereiche mit Aktivitäten wie Nahrungsmittel,
87 Milliarden US $ getoppt. Bei BP folgten die
Reinigungsmittel sowie Körperpflegeprodukte.
Übernahmen der US-amerikanischen Atlantic
Weiterhin begann BP, sich im Bereich der Mine-
Richfield (ARCO), des 50 %-Anteils der Bayer AG
ralien zu engagieren und kaufte beispielsweise
an dem vormals gemeinsamen Joint Venture BP
Kupferproduzenten auf. Der Aufbau eines Kohle-
Köln GmbH (früher EC Erdölchemie GmbH), des
geschäfts in den USA folgte. BP war demzufolge
Schmierstoffanbieters Burmah Castrol und der
in den 80er-Jahren ein unverbundener Misch-
Vastar. Im Jahr 2000 generierte BP dank dieser
konzern mit Aktivitäten bei Erdöl, Petrochemie,
starken externen Wachstumsphase einen Umsatz
Kohle, Kupfer, Tierfutter, Informatik und vielem
von rund 148 Milliarden US $ mit einem Über-
anderen. Das Erstarken der OPEC, die Ölkrisen
schuss von rund 12 Milliarden US $ und war
der Jahre 1973 und 1979/1980, sinkende Margen
damit nach Royal Dutch/Shell und ExxonMobil
im Kerngeschäft sowie Überkapazitäten bei den
die drittgrößte Erdölgesellschaft der Welt.23
Raffinerien veranlassten das Management zu
einer Restrukturierung des Konzerns: BP verkaufte nach und nach einen Großteil der NichtKernaktivitäten und konzentrierte sich erneut
23 Vgl. Bonder, Michael & Student, Thomas (2003) –
auf Kohlenwasserstoffe.
Wem gehört was in Europa? Regensburg. S. 71 sowie
BP (2001) annual review 2000. London. S. 14 f. Der
Börsenwert der BP betrug Ende 2000 175 Mrd. US $.
| 19
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
BP war im Jahr 2000 in vier Geschäftszweige
dig von der APOC übernommenen OLEX wurde
gegliedert und machte folgende Angaben zu
später durch Umbenennung die Deutsche Benzin-
ihnen:
und Petroleumgesellschaft. Die OLEX als deutsche
24
Tochter der AIOC hatte 1939 beim Vertrieb von
—
—
—
—
Exploration und Produktion, d. h. alle klassi-
Mineralölprodukten in Deutschland einen Markt-
schen upstream-Aktivitäten im Zusammen-
anteil von 12 %; beim Vertrieb von Petroleum
hang mit der Suche und der Förderung
kontrollierte sie rund 25 % des gesamten Handels.
von Erdöl und Erdgas. Produktionsstätten
Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurden die Mineral-
in 21 Ländern; tägliche Produktion von
ölgesellschaften in die Arbeitsgemeinschaft
1,93 Million Barrel Rohöl und 7,6 Milliarden
Mineralölverteilung zusammengefasst und staat-
cubic feet Erdgas.
licher Leitung unterstellt. Mit der folgenden
Gas, Strom und erneuerbare Energien, d. h.
Teilung Deutschlands verlor die OLEX ihre
Bündelung des Gas-Marketings, des Solar-
wichtigen Aktivitäten in Osteuropa sowie – durch
geschäfts und anderer Energieformen wie
Beschlagnahmung – in Österreich und der
z. B. Wasserstoff und Wind. Täglicher Gasab-
Tschechoslowakei. 1950 erfolgte die Fusion der
satz von 14,5 Millionen cubic feet.
OLEX mit der Eurotank zur BP Benzin- und
Verarbeitung und Vertrieb, d. h. alle Down-
Petroleum-Gesellschaft mbH. Frühzeitig erfolgte
stream-Aktivitäten von Handel, Transport
der Wiederaufbau von Raffineriekapazitäten in
über Verarbeitung in Raffinerien und Logistik
Hamburg, in Dinslaken am Niederrhein und im
bis hin zu Vertrieb von Erdöl bzw. Erdölpro-
bayerischen Vohburg. Die BP gründete 1957 mit
dukten. 24 Raffinerien in Eigenbesitz oder
der Bayer AG ein Joint Venture im Bereich der
mit BP-Beteiligung; täglicher Rohöldurchsatz
Petrochemie, die Erdölchemie GmbH in Köln-
von 2,9 Millionen Barrel; 29.000 Tankstellen.
Worringen, und konnte damit eine weitere Stufe
Petrochemie, d. h. Herstellung und Vertrieb
der Wertschöpfungskette abdecken. 1978 konnte
von petrochemischen Produkten, Zwischen-
die BP zudem noch durch ein Tauschgeschäft
produkten und Kunststoffen, basierend auf
mit der Veba AG aus Düsseldorf in die Ruhrgas
den Einsatzstoffen aus den eigenen Raffine-
AG als dem größten deutschen Gasunternehmen
rien. 55 Produktionsstätten weltweit;
einsteigen. Die Veba hatte erst 1974 die Aktien-
Produktion von jährlich 22,1 Millionen Tonnen.
mehrheit an der Gelsenberg AG erworben, die
einen Anteil von rund 25 % an Ruhrgas hatte. Die
Die BP hatte eine Matrix-Organisation, d. h. neben
Mineralöltochter der Veba, die Veba Oel aus Gel-
die vier Geschäftszweige traten die Länder (in
senkirchen, hatte allerdings zu kämpfen mit zu
ihrer Produktions- oder Absatzfunktion) sowie
wenig eigener Exploration, dementsprechend
die betrieblichen Funktionen (z. B. Marketing,
Controlling, Investor Relations, Human Resources).
Die Geschichte der BP in Deutschland datiert
zurück bis in das Jahr 1926, als sich die damalige
20 |
APOC an der 1904 gegründeten Aktiengesellschaft
24 Vgl. BP (2001) – annual report and accounts 2000.
für österreichische und ungarische Mineralöl-
London. Innenumschlagseite sowie Deutsche BP AG
exporte (OLEX) beteiligte.25 Die APOC suchte
(2004) – Über BP. Das Unternehmen. Hamburg
nach Vertriebskanälen für ihre persischen Ölvor-
25 Vgl. Karlsch, Rainer & Stockes, Raymond G. (2003) –
kommen und konnte in bereits bestehende Un-
Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–
ternehmen in Deutschland einsteigen, die auf-
1974. München sowie Deutsche BP AG (2005) – Geschichte
grund des verlorenen 1. Weltkrieges ihre bis-
der BP in Deutschland,
herigen Erdölquellen in Galizien, Rumänien und
www.deutschebp.de/sectiongenericarticle.do?category
im Elsass verloren hatten. Aus der 1931 vollstän-
Id=2010187&contentId=2002475, Abfrage am 04.11.2005
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
hohen Beschaffungskosten für Rohöl, Überkapa-
zu tun hatten, und entwickelte sich zu einem
zitäten in den eigenen Raffinerien und einem
diversifizierten Mischkonzern. Entscheidenden
stagnierenden Marktumfeld. Die Veba entschloss
Einfluss auf die weitere Entwicklung der Strom-
sich, ihre wertvollen Anteile an der Ruhrgas an
unternehmen sollte eine Verordnung der EU
die BP zu verkaufen im Gegenzug für die ver-
haben: Das europäische Parlament verabschiede-
tragliche Zusicherung langfristiger Rohölliefe-
te in 1998 die „Richtlinie für den Elektrizitäts-
rungen durch die BP und die Abgabe von Raffi-
Binnenmarkt“, die die schrittweise Öffnung der
nerieanteilen an die BP, um so ihre eigenen
bis dahin auf nationaler Ebene voneinander
Überkapazitäten abzubauen. Die BP betrachtete
abgeschotteten Strommärkte innerhalb Europas
ihr Engagement bei der Ruhrgas als passive
vorsah. Es entstand mehr Wettbewerb auf natio-
Finanzbeteiligung, die zu einem geeigneten
naler wie internationaler Ebene, sodass alle
Zeitpunkt auch veräußert werden könnte. Die BP
Stromkonzerne ihre bisherigen Strategien über-
in Deutschland hatte somit Aktivitäten in der
prüften. Ebenso wie die Veba aus Düsseldorf
Erdölverarbeitung und der Petrochemie, dem
stellte sich die 1923 als Vereinigte Industrie-
Mineralölvertrieb, dem Schmierstoffgeschäft
Unternehmungen Aktiengesellschaft durch das
sowie – indirekt über die Anteile an der Ruhrgas –
Deutsche Reich gegründete Viag Ende der 90er-
im Gasgeschäft.
Jahre als Mischkonzern mit einer Stromtochter
dar, die in Deutschland stark war, international
Die E.ON AG aus Düsseldorf war der Verhand-
gesehen aber auf den mittleren Rängen landete.
lungspartner der BP. Sie entstand erst am 16. Juni
Auch die übrigen Konzerntöchter waren in ihren
2000 durch die Fusion der beiden deutschen
jeweiligen Branchen eher mittelgroße Spieler.
Mischkonzerne Veba AG, Düsseldorf, und Viag
Vergeblich versuchte die Viag im Jahr 1998 eine
AG, München. Beide Organisationen hatten eine
Fusion mit der schweizerischen Alusuisse-Lonza,
lange Vergangenheit als Konzerne, die vom Staat
die aber an unterschiedlichen Einschätzungen
gegründet wurden und die erst in den 80er-Jahren
der Wertrelationen beider Unternehmen
nach und nach privatisiert wurden. So gründete
scheiterte.
das preußische Reich 1929 die Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks-Aktiengesellschaft
Als Resultat der geänderten Rahmenbedingungen
(Veba AG) als Holding, in die der preußische Staat
vor allem im Strombereich entschlossen sich
die Preußische Elektrizitäts Aktiengesellschaft
beide Unternehmen zum Handeln und schlossen
(PreussenElektra), die Preußische Bergwerks-
im September 1999 eine Grundsatzvereinbarung
und Hütten-Aktiengesellschaft (Preussag) sowie
über den Zusammenschluss beider Unterneh-
seine anderen Bergwerksaktivitäten beispiels-
men in der Form eines merger of equals ab. Als
weise im Ruhrgebiet einbrachte. Mit der
Kernbereiche des neuen Unternehmens E.ON
PreussenElektra als „Stromtochter“ hatte Veba
AG legte der Vorstand die Geschäftsbereiche
eine gesicherte Wettbewerbsposition, da es auf
Energie (mit Strom und Öl) und Chemie fest;
der Stufe der regionalen Verbundunternehmen
alle anderen Aktivitäten sollten entweder über
(RWE, PreussenElektra, Bayernwerk, EnBW, VEW,
Verkäufe oder Börsengänge nach und nach aus
HEW, BEWAG, VEAG) Gebietsmonopole gab, die
dem Konzern ausgegliedert werden. Die E.ON
zuverlässig für hohe Renditen sorgten. Der
AG erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2000 einen
einzige Nachteil dieser Struktur war, dass diese
Umsatz von rund 93,24 Milliarden Euro und ein
eine weitere Expansion aller Stromkonzerne
Betriebsergebnis von 2,762 Milliarden Euro mit
innerhalb Deutschlands verhinderte. So wuchs
rund 186.800 Mitarbeitern.26
Veba (ebenso wie die Konkurrenten Viag und
RWE) wegen dieser Restriktionen im Strombereich durch Firmenzukäufe immer mehr in
26 E.ON AG (2001) – Geschäftsbericht 2000. Düsseldorf.
Bereiche hinein, die nichts mit Strom oder Kohle
Umschlagseite
| 21
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
Zu den Konzerntöchtern gehörten die Stromtoch-
ten Zugang zu venezuelanischem Rohöl;
ter E.ON Energie AG (als Fusionsprodukt aus
PdVSA hingegen bekam einen Zugang zum
PreussenElektra und Bayernwerk), die Veba Oel
größten Mineralölabsatzmarkt Europas. Der
AG (Erdöl), die Chemietochter Degussa AG (als
Raffineriebereich allerdings war gekenn-
Fusionsprodukt aus DegussaHüls und SKW
zeichnet durch Überkapazitäten und einen
Trostberg), die Viterra AG (Immobilienmanage-
über den Preis gesteuerten Verdrängungs-
ment), Restaktivitäten in der Telekommunikation
sowie diverse Beteiligungen (u. a. an der Stinnes
wettbewerb.
—
Die Anlagen der weiterverarbeitenden
AG als einem der größten deutschen Logistik-
Petrochemie gehörten ebenfalls dem Joint
Unternehmen). Die strategischen Grundüber-
Venture Ruhr Oel, sodass Veba Oel keine
legungen beider Konzerne vor der Fusion hatten
volle unternehmerische Kontrolle über diesen
auch für das neue Unternehmen Gültigkeit: In
Geschäftszweig hatte. Die Petrochemie war
vielen Teilbereichen war E.ON als Mischkonzern
ebenfalls ein zyklisches Geschäft in Bezug
national gut aufgestellt, war aber in den internationalen Rankings nur ein mittelgroßer Spieler.
auf das erzielte Betriebsergebnis.
—
Der Tankstellenvertrieb der Veba Oel wurde
Die Expansion der E.ON im Strombereich zielte
am 01.01.2000 neu geordnet: Veba Oel über-
jetzt auf das Ausland, insbesondere den britischen,
nahm die restlichen Anteile der Mitgesell-
den US-amerikanischen und den skandinavischen
schafter Wintershall (15 %), einer Tochter der
Markt sowie die Länder Osteuropas. 2002 wurde
BASF, und Mobil (28 %) an Aral und verfügte
überraschend bekannt gegeben, dass E.ON An-
mit 99 % über die volle unternehmerische
teile an der Degussa an die RAG AG, Essen,
Kontrolle. Aral war zu diesem Zeitpunkt
abgeben würde und die Chemie somit von einer
mit einem Marktanteil von ca. 20 % und
Kernaktivität zu einer reinen Finanzbeteiligung
ca. 2.560 Tankstellen Marktführer in Deutsch-
wurde. E.ON präsentierte sich damit als interna-
land. Da der Absatz von Mineralölprodukten
tional aktiver Stromkonzern mit einer kleinen
stagnierte, baute Aral erfolgreich das Shop-
deutschen Öltochter, der Veba Oel.
Geschäft aus, das in 2000 47 % zum Unternehmensergebnis beisteuerte. Außerhalb
Die Veba Oel mit Sitz in Gelsenkirchen war zu
Deutschlands war Aral allerdings nur in den
diesem Zeitpunkt ein vollständig über alle Stufen
mitteleuropäischen Ländern Ungarn, Tsche-
der Wertschöpfungskette integrierter Mineral-
chien, Polen, der Slowakei, Österreich und
ölkonzern.
Luxemburg mit insgesamt 448 Tankstellen
27
vertreten – Aral war nur ein starker local
—
Im Bereich Exploration und Produktion
player. Die vollständige Übernahme von Aral
(upstream) war sie über ihre 100 %ige Tochter
und die erstmalige Vollkonsolidierung sorgte
Veba Oil & Gas (VOG) international aktiv;
bei Veba Oel für einen Umsatzanstieg von
die VOG war allerdings im Vergleich zu den
12,229 Milliarden Euro (inkl. Mineralölsteuer)
Wettbewerbern zu klein und konnte die für
in 1999 auf 28,78 Milliarden Euro in 2000.
stabile Erträge notwendige Portfoliobalance
Veba Oel erwirtschaftete mit 8.593 Mit-
der Investitionen in unterschiedliche Förder-
arbeitern zum 31.12.2000 einen Jahresüber-
gebiete nicht erbringen; zudem konnte sie –
schuss vor Ertragssteuern in Höhe von
anders als die Ölmultis – alleine keine Inves-
733 Millionen Euro.
titionen in giant fields tätigen.
—
Im Raffineriebereich brachte Veba Oel ihre
Raffinerien 1982 in das 50/50-Joint Venture
22 |
Ruhr Oel mit Petróleos de Venezuela (PdVSA)
27 Vgl. zur Geschichte des Unternehmens Veba Oel AG
ein. So konnte Veba Oel die Investitionskosten
(2002) – Veba Oel. Unternehmen im ständigen Wandel.
halbieren und sicherte sich einen permanen-
Gelsenkirchen
Die Fallstudie | Die beteiligten Unternehmen
—
Im Heizölvertrieb stellte sich die Situation
Organisation“ (LeO). Durch das Veränderungs-
ähnlich dar wie beim Kraftstoffvertrieb: Der
projekt LeO sollte Veba Oel lernen, schneller auf
Markt war gekennzeichnet durch sinkende
Veränderungen im Umfeld zu reagieren, die
Umsätze, ein Überangebot und eine starke
interne Effizienz steigern und das Ergebnis ver-
nationale Stellung der Veba Oel bei wenig
bessern. Alle Mitarbeiter sollten im Rahmen
Auslandsaktivitäten der Tochter Veba Wärme-
von LeO vor dem Hintergrund einer schlechten
service.
Ergebnissituation, von Überkapazitäten in den
Raffinerien wegen stagnierender Märkte sowie
Die Veba Oel hatte sich nach der vollständigen
einem verstärkten Wettbewerb integriert und
Übernahme von Aral zum 31.12.1999 organisato-
mobilisiert werden. Eine der ersten Maßnahmen
risch neu aufgestellt und die bisherige Gliede-
war eine Kulturumfrage unter den Mitarbeitern
rung in die Bereiche „Exploration und Produktion“
der Veba Oel, um neben den vorhandenen be-
(upstream), „Mineralöl“ (Verarbeitung), „Petro-
triebswirtschaftlichen Kennzahlen auch eine
chemie“, „Mobilität“ (mit der Beteiligung von
Ausgangsbasis zu erhalten in Bezug auf Mit-
55,9 % an Aral) und „Wärme“ aufgegeben. Es
arbeitermotivation, Veränderungsbereitschaft
wurden drei rechtlich selbstständige Einheiten
und Ziele des Veränderungsprozesses aus Sicht
gebildet mit eigener operativer und strategischer
der betroffenen Mitarbeiter. Die erste Kulturum-
Führungsverantwortung:
frage zeigte Defizite innerhalb der Organisation
auf im Hinblick auf Kommunikation/offenen
—
—
—
Aral Aktiengesellschaft & Co KG mit allen
Informationsaustausch, Kritikfähigkeit, Zusam-
Aktivitäten zum Vertrieb flüssiger Mineralöl-
menarbeit, Bürokratie, Unterstützung durch
produkte (Kraftstoffe und der von Veba Oel
Vorgesetzte/Mitarbeiterführung und Bereitschaft
kommende Handel mit Heizöl)
zur Veränderung. Ergebnisse von LeO waren
Veba Oil Refining & Petrochemicals GmbH
beispielsweise ein mit den Mitarbeitern konzi-
Gelsenkirchen (VORP) mit allen Aktivitäten
piertes Führungshandbuch, regelmäßige town-
zur Mineralölverarbeitung und Petrochemie.
hall-meetings zwischen Vorständen/Führungs-
In die VORP wurde auch das Joint Venture
kräften und der Belegschaft als offenem und
mit PdVSA eingebracht.
direktem Dialog sowie ein durch unternehmens-
Veba Oil & Gas GmbH (VOG) mit den
interne Moderatoren unterstützter kontinuier-
Explorations-Aktivitäten.
licher Verbesserungsprozess. LeO veränderte die
Unternehmens- wie die Führungskultur der
Diese neue Konzernstruktur sollte die drei großen
Veba Oel nachhaltig positiv und stimmte die
Töchter besser in die Lage versetzen, ihre indivi-
Mitarbeiter ein auf fortwährende Veränderungen
duellen Entwicklungsperspektiven wahrzunehmen
in einer Branche, bei der sich die Größenver-
und auf die unterschiedlichen Marktentwicklun-
hältnisse zwischen den Spielern durch die
gen schnell und zielgenau zu reagieren. So sollten
Megafusionen der 90er-Jahre nachhaltig zu-
in diesen drei Gesellschaften beispielsweise durch
ungunsten von Veba Oel verändert hatten.
unterschiedliche Partnerschaften die notwendigen
Größenvorteile erreicht werden. Die Veba Oel
wurde konzipiert als Holding mit strategischfinanziellen Führungsaufgaben und entsprechend
reduzierter Personalausstattung.
Kennzeichnend für Veba Oel waren der langjährige Vorstandsvorsitzende Wilhelm BonseGeuking sowie der von ihm bereits in 1993
initiierte Veränderungsprozess „Lernende
| 23
Die Fallstudie | Strategischer Hintergrund
Für die E.ON AG als Muttergesellschaft der Veba
strategischen Optionen: komplette Aufgabe des
Oel stellten sich drei unterschiedlich attraktive
deutschen Marktes oder Befreiungsschlag durch
Optionen für die weitere Zukunft dieser Tochter:
externes, sprunghaftes Wachstum (Kooperationen
oder Zukäufe). Drei unterschiedliche Versuche
1. Entwicklung einer tragfähigen internationalen
kennzeichneten im Folgenden den Weg der
Position im Erdölbereich durch hohe eigene
deutschen BP zum Marktführer im deutschen
Investitionen.
Tankstellenmarkt: 1) ein realisiertes und dann
2. Abschluss von weiteren Kooperationen oder
wieder aufgelöstes Joint Venture mit dem
Allianzen (wie mit der PdVSA), die die inter-
Konkurrenten Mobil, 2) Verhandlungen über ein
nationale Position der Veba Oel auf allen
Joint Venture mit der DEA als möglichem
Stufen der Wertschöpfungskette stärken.
Partner sowie später 3) die erfolgreiche Über-
3. Vollständige Abgabe der Veba Oel durch
nahme des Branchenersten Aral.
einen Verkauf, einen Börsengang oder den
Tausch gegen andere Aktivitäten.
1) 1996 gründeten BP und der international
agierende, vertikal integrierte Ölkonzern Mobil
ein Joint Venture, in das beide Unternehmen
Strategischer Hintergrund für die Über-
ihre europäischen downstream-Geschäfte mit
nahme von Veba Oel und Aral durch BP
Raffinerie- und Vertriebssystemen einbrachten.
Alle europäischen Aktivitäten in den Bereichen
Die Situation der deutschen BP stellte sich in
Kraft- und Brennstoffe sowie Schmierstoffe wur-
den 1990er-Jahren als unbefriedigend dar. Der
den zusammengelegt. Mobil verfügte in
Marktanteil war mit rund 7 % am deutschen
Deutschland über kein eigenes Vertriebssystem,
Tankstellenmarkt zu gering, um von einer trag-
hatte aus Sicht der BP aber ein wichtiges asset:
oder ausbaufähigen Position reden zu können.
Mobil hatte seit 1967 eine Beteiligung von 28 %
Die Deutsche BP war zudem mit einem Umsatz
an Aral, der Nummer eins im deutschen Tankstel-
von rund 12,94 Milliarden Euro in 2000 und
lengeschäft, über die es ihre Raffinerieprodukte
einem Jahresüberschuss von rund 365 Millionen
vertrieb. Hätte man diesen Anteil an der Aral
Euro28 innerhalb der BP eine der kleinsten Landes-
herauslösen können, dann hätte dies eine massi-
gesellschaften, was die Bereitschaft der Mutter-
ve Stärkung des Geschäftes in Deutschland für
gesellschaft für neue Investitionen in eine kleine
die BP bedeutet. Die Eigentumsstruktur von
Tochter in einem zwar großen und damit attrak-
Aral war allerdings komplex. Aral wurde 1898
tiven, aber hart umkämpften Markt senkte.
von 13 Bergbauunternehmen als Westdeutsche
Außerdem ergaben interne Untersuchungen an-
Benzol-Verkaufsvereinigung gegründet, um das
lässlich der Umsetzung neuer Umweltschutzge-
bei der Verkoksung von Steinkohle gewonnene
setze für Tankstellen (z. B. die Einführung neuer
Benzol zu vermarkten.29 Nach und nach kristalli-
Zapfschläuche mit Benzindampfrückführung) in
sierten sich drei große Eigentümer heraus, die
1995, dass die Rentabilität der rund 1.350 Tank-
gleiche Stimmrechte hatten: Veba Oel, Mobil und
stellen in Deutschland eher schlecht war und
die BASF-Tochter Wintershall.
dass die erforderlichen Umweltschutz-Investitionen sich nicht für alle Tankstellen gelohnt
hätten. Ein „Aus“ für mehr als 400 Tankstellen
in Deutschland hätte aber den ohnehin geringen
24 |
Marktanteil der deutschen BP weiter verringert,
28 Deutsche BP AG (2001) – Jahresbericht, Zahlen 2000.
ohne dass dieser Verlust durch Investitionen in
Hamburg. Umschlagseite
neue Standorte ausgeglichen hätte werden kön-
29 Zu Aral vgl. Aral (2001) – Alles super – und wie es
nen. Die Deutsche BP sah sich am Scheideweg
dazu kam. Bochum sowie Veba Oel AG (2002) – Veba Oel.
angekommen mit zwei extrem unterschiedlichen
Unternehmen im ständigen Wandel. Gelsenkirchen
Die Fallstudie | Strategischer Hintergrund
Die Veba Oel konnte ihren Anteil seit 1975 auf
Die Deutsche BP wäre also bei einer Kooperation
56 % des Aktienkapitals erhöhen und musste
auf dem deutschen Markt mit einem dieser
sich auch in dieser Höhe an den Investitionen
Wettbewerber der Juniorpartner geworden.
beteiligen, hatte aber – wie die beiden kleineren
Conoco war als Kaufobjekt oder Kooperations-
Gesellschafter – nur ein Drittel der Stimmen. Es
partner wegen der Niedrigpreispolitik des
erwies sich für die deutsche BP allerdings als
Unternehmens uninteressant; TotalFinaElf als
unmöglich, den Mobil-Anteil an Aral herauszulö-
Kooperationspartner hätte wiederum nicht den
sen und der deutschen BP zuzuschlagen. Zudem
erwünschten Quantensprung gebracht. Aral war
musste das Joint Venture zwischen BP und
Marktführer, hatte aber zum Zeitpunkt des
Mobil schon 1998 wieder beendet werden, da
Scheiterns des Joint Ventures mit Mobil in 1998
Exxon und Mobil fusionieren wollten und die
noch eine komplexe Eigentümerstruktur, die
EU-Kommission diese Fusion nur unter Auf-
schwer aufzubrechen schien. Als möglichen
lagen genehmigte, unter anderem die Auflösung
Kooperationspartner auf dem deutschen Markt
des Joint Ventures der Mobil mit BP. Das hatte
gab es letztendlich nur DEA als Tochterunter-
weitreichende Folgen, da sich die deutsche BP
nehmen der RWE AG aus Essen. DEA war eher
wieder zurückgeworfen sah in ihrer Strategie,
ein local player mit wenig internationalen
zu einem großen Spieler innerhalb Deutschlands
upstream-Aktivitäten. In Deutschland hatte sie
zu werden. Sie musste einen neuen Partner fin-
allerdings am Tankstellenmarkt einen Markt-
den oder eine neue Wachstumsstrategie ein-
anteil von rund 11 %. Die Deutsche BP begann
schlagen. Zum anderen bedeutete dies, dass sich
im Januar 1998 Gespräche mit DEA über eine
die Besitzanteile bei Aral als dem deutschen
mögliche Kooperation auf dem deutschen Markt.
Marktführer im Tankstellenbereich ändern wür-
Der Deal scheiterte allerdings Mitte 1999 an
den. Da Mobil im Zuge der kartellrechtlichen
einer unterschiedlichen Bewertung der Aktivi-
Auflagen auch seinen Anteil an Aral verkaufen
täten beider Gesellschaften, sodass sich die
musste, konnte die Veba AG (die spätere E.ON
Deutsche BP wieder auf null zurückgeworfen
AG) 1999 ihren Anteil an Aral durch den Kauf
fand. DEA allerdings verhandelte im Folgenden
der Mobil-Anteile beträchtlich aufstocken.
mit der Shell und kommunizierte am 06. Juli
Wintershall als der andere Aktionär von Aral
2001, dass beide Unternehmen ein Joint Venture
wurde von der Muttergesellschaft BASF
gründen würden, in das sie ihre Mineralöl-
gedrängt, sich zugunsten von upstream- und
geschäfte (Raffinerien und Tankstellen) einbrin-
Erdgasaktivitäten aus dem downstream-Geschäft
gen würden – ganz nach dem Muster der vorher
zurückzuziehen. Auch Wintershall verkaufte
gescheiterten Verhandlungen zwischen der deut-
seine Anteile an Veba Oel, die somit zu Beginn
schen BP und DEA. Dieses neue Tankstellennetz
des Jahres 2000 die volle operative Kontrolle
hatte einen Marktanteil von 24 % auf dem deut-
über Aral übernahm. Aral konnte somit durch
schen Markt. Dieser Deal zwischen Shell und
die Muttergesellschaft Veba Oel strategisch
DEA setzte die Deutsche BP unter einen enor-
gelenkt und mit den anderen Aktivitäten dieses
men Zugzwang, da sich jetzt ihre Position
deutschen Erdölkonzerns verbunden werden.
gegenüber einem weiteren mächtigen Spieler
neben Aral nochmals verschlechtern würde.
2) Die Liste möglicher weiterer Kooperationspartner für die Deutsche BP auf dem deutschen
Markt war kurz. Esso und Shell schieden aus,
weil beide Unternehmen international erfolgreich agierten, anders als etwa Aral oder DEA
über die gesamte Wertschöpfungskette vertikal
integriert waren und auf dem deutschen Markt
besser positioniert waren als die Deutsche BP.
| 25
Die Fallstudie | Strategischer Hintergrund
3) Eine dritte Option für die Deutsche BP ergab
Anteile an der Ruhrgas AG (plus Barausgleich)
sich eher als ein Nebeneffekt des Versuchs, den
an die E.ON abgeben und dafür im Gegenzug die
Wert einer reinen Finanzbeteiligung zu steigern
E.ON-Tochter Veba Oel mit Aral erhalten würde.
und mehr Geld für den Shareholder BP zu erlö-
Sie vereinbarten einen Deal in zwei Schritten:
sen. BP hatte 1978 von der Veba AG im Tausch
Zum Jahreswechsel 2001/2002 sollten die BP
gegen Rohöllieferungen deren Tochter Gelsen-
und E.ON durch Kapitalerhöhungen an den zwei
berg und damit einen Anteil von 25 % an der
beteiligten Gesellschaften jeweils die Aktien-
Ruhrgas AG erworben. Wegen der – ähnlich wie
mehrheit übernehmen. Schon mit dieser Über-
bei Aral – komplexen Eigentümerstruktur der
nahme von 51 % der Anteile zum 01.01.2002 er-
Ruhrgas konnte aber keiner der Eigentümer die
hielt BP die operative Kontrolle über Veba Oel
Steuerung der Ruhrgas übernehmen – es blieb
und konnte die Integration starten. Ab April
für alle bei einer reinen Finanzbeteiligung. Die
2002 konnten BP und E.ON ihre Put-Optionen
Ergebnissituation und die Dividendenausschüt-
ausüben und die restlichen Anteile an den ver-
tung der Ruhrgas entsprachen allerdings aus der
traglich gebundenen Partner verkaufen, der so
Sicht der deutschen BP nicht dem realen Wert
die betroffene Gesellschaft vollständig überneh-
der Ruhrgas, sodass sich die Deutsche BP Ge-
men konnte.30 Lord Browne, CEO der BP plc,
danken machte, wie man mehr aus dieser passi-
sagte anlässlich der Übernahme der Veba Oel
ven Beteiligung machen könnte. Eine Möglichkeit
zur Bedeutung dieser Übernahme für die BP:
wäre gewesen, Ruhrgas an die Börse zu bringen
und dann den eigenen Anteil zu verkaufen, was
Es ist uns in den letzten drei Jahren gelungen,
ein Mehrfaches der weiterhin zu erwartenden
in den wichtigsten Märkten hervorragende
Dividenden ausgemacht hätte. Zu diesem Zweck
Positionen aufzubauen, aber nach der Auflösung
traf sich der Vorstandsvorsitzende der deutschen BP
unseres Joint Ventures mit Mobil standen wir in
mit dem verantwortlichen Vorstand der E.ON AG
Deutschland ohne nennenswerte assets da.
als einem der Aktionäre und – über die Anteile
Diese Transaktion hat das Potenzial, unsere
der E.ON AG an der RAG AG – einem der ein-
Position schlagartig zu verändern, und bringt
flussreichsten Manager innerhalb des Aktionärs-
uns das führende und erfolgreichste Kraftstoff-
kreises der Ruhrgas. In diesem Gespräch wurde
geschäft in der drittgrößten Wirtschaftszone
von der deutschen BP die Option erläutert, die
der Welt.31
Ruhrgas AG an die Börse zu bringen, woraufhin
der Vorstand der E.ON eine neue Variante zur
Das Kartellamt gab den Verkauf der Veba Oel an
Sprache brachte. Warum sollte E.ON einem
die Deutsche BP und das Joint Venture zwischen
Börsengang der Ruhrgas zustimmen und nicht
Shell und DEA am 19.12.2001 nur unter Auf-
selbst die Anteile der deutschen BP an der
lagen frei. Die Unternehmen BP/Veba Oel sowie
Ruhrgas übernehmen? Ein Tauschobjekt für die
Shell/DEA hätten zusammen einen Anteil von
Ruhrgas-Beteiligung der deutschen BP hätte die
über 50 % am deutschen Markt erreicht, sodass
E.ON auch anzubieten: Veba Oel mit deren
sie Marktanteile abgeben mussten, damit die
Tochtergesellschaft Aral. Die Deutsche BP begriff,
Deals genehmigt wurden.
welche historische Chance sich ihr hier bot:
Mit einem Schlag konnte sie mit Veba Oel und
Aral die Nummer eins auf dem deutschen Tank-
26 |
stellenmarkt übernehmen und selbst eine kom-
30 Vgl. die Pressemitteilung der BP: BP (2001) – BP sells
fortable Marktposition erreichen. BP und E.ON
Ruhrgas stake in deal that would make it market leader
vereinbarten nach intensiven, aber kurzen Ver-
in German fuels. www.bp.com/genericarticle.do?category
handlungen in 2001, miteinander ins Geschäft
Id=2012968&contentId=2014392, Abfrage am 17.11.2005
zu kommen. Kernpunkt der Vereinbarung war,
31 Deutsche BP AG (2003) – BP in Deutschland 2002.
dass BP ihre über die Gelsenberg AG gehaltenen
Bochum. S. 46
Die Fallstudie | Strategische Integration
Die wichtigsten Auflagen für die Deutsche BP
waren:32
—
Abgabe von BP- und/oder Aral-Straßentankstellen mit einem Absatzvolumen, das
insgesamt einem Marktanteil von rund 4 %
entspricht, an Dritte. Für BP waren dies
rund 750 Tankstellen.
—
Abgabe von 45 % des Stammkapitals an der
Bayernoil Raffineriegesellschaft mbH an
einen Dritten, der an keiner größeren
Raffineriegesellschaft mit eigenem Tankstellennetz beteiligt war. Die Beschaffungsmöglichkeiten für freie Tankstellen sollten
sich dadurch verbessern.
Insgesamt mussten BP/Veba Oel/Aral einerseits und Shell/DEA andererseits zusammen
rund 1.500 Tankstellen abstoßen; auf dem
gesamten deutschen Markt gab es damals rund
16.000 Tankstellen. Sowohl BP als auch Shell/
DEA begrüßten die Fusionsgenehmigungen. BP
erfüllte mit dem Verkauf von 494 Tankstellen an
die polnische PKN Orlen im Februar 2003 und
dem Verkauf von 247 Tankstellen an die österreichische Mineralölgesellschaft OMW im Juli
2003 alle Auflagen des Bundeskartellamts.
32 Vgl. die schriftliche Begründung des Bundeskartellamts vom 26. Februar 2002 unter
www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/EntschFus
Archiv/2001/EntschFus01.shtml (B8-120/01 und B8-130/01)
| 27
Die Fallstudie | Strategische Integration
Die strategische Integration
—
Aufgabe der Marke BP im deutschen Markt
und Umstellung der Tankstellen von BP auf
Eine der wichtigsten und dringlichsten Teilberei-
Aral. Begründet wurde dies mit der über-
che einer Integration ist die Festlegung der stra-
ragenden Markenbekanntheit von Aral auf
tegischen Ausrichtung des neuen Unternehmens,
dem deutschen Tankstellenmarkt.35
die Festlegung des Integrationsansatzes und die
—
Verkauf einzelner Geschäfte (z. B. Teile des
Organisation des Integrationsprozesses, da hier
upstream-Geschäfts der Veba Oel oder die
die entscheidenden Weichen gestellt werden für
Schließung von Tanklagern oder Verkaufs-
die weitere Zukunft eines Unternehmens und
büros im b-2-b).
das Handeln aller Mitarbeiter. Die wichtigsten
—
Schnelle Integration beider Gesellschaften,
strategischen Entscheidungen in Bezug auf die
um eine funktionstüchtige Einheit in
zukünftige Ausrichtung der „neuen“ deutschen
Deutschland herzustellen.
BP nach der Integration von Veba Oel und Aral
wurden bereits getroffen vor der formellen Übernahme und ohne den Einbezug der Führungskräfte der übernommenen Firmen. So formulierte die britische BP in ihrer Presseerklärung vom
16.07.2001 zur Bekanntgabe des Deals bereits
Ziele, die durch die Übernahme erreicht werden
33 BP (2001) – BP sells Ruhrgas stake in deal that would
sollten, und entsprechende Maßnahmen:
make it market leader in German fuels. www.bp.com/gene
33
ricarticle.do?categoryId=2012968&contentId=2014392.
—
Kostensynergien herstellen durch die Zusam-
Abfrage am 17.11.2005
menlegung von zwei Hauptverwaltungen,
34 Vgl. etwa Handelsblatt (2001) – BP ist mit Aral künftig
durch die Nutzung von Einkaufspotenzialen
die Nummer eins in Deutschland. 17.07.2001. S. 4. Autoren-
in einem größeren Konzernverbund und
zeichen: beu
durch Prozessoptimierung; insgesamt sollten
35 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Vangerow,
mindestens 200 Millionen US $ an jährlichen
Bernd & Franke, Uwe (Hrsg.) (2005) – Markenfusion.
Synergien erreicht werden und rund 15 %
Strategie und Gestaltung – Warum Aral kommt und BP
der Kosten eingespart werden.
bleibt. Basel
34
Abbildung 5: Umflaggung einer BP-Tankstelle auf Aral
28 |
Die Fallstudie | Strategische Integration
Wenig an dieser Integration entsprach allerdings
viele Arbeitsplätze von Hamburg in das Ruhr-
den gängigen Schemata einer Integration nach
gebiet verlagert werden.38 Aral andererseits
einer Firmenübernahme.36 So gab die englische
konnte zwar den wertvollen Markennamen be-
BP für die Integration von Veba Oel und Aral in
halten, musste sich aber einem neuen starken
die Deutsche BP das Motto „best of both“ her-
Eigentümer beugen und bei vielen Arbeitspro-
aus – von beiden Unternehmen sollte das Beste
zessen die BP-Standards anwenden. Zudem kam
übernommen werden, „anstatt Veba Oel und
der neue Vorstandsvorsitzende von der deutschen
Aral einfach in eine BP-Schablone zu pressen.“37
BP. Bei der deutschen BP war es auch nicht ein-
Entscheidungen über Stellenbesetzungen, Ver-
deutig, ob sie zu den Akquisitionsgewinnern
fahren oder Markenauftritt sollten immer erst
gehörte, da sie zwar ihre Prozesse behielt und
nach einer sorgfältigen Analyse beider Unter-
durch die Akquisition ihre Bedeutung innerhalb
nehmen getroffen werden. So übernahm bei-
der BP drastisch anwuchs (sie stellte nach der
spielsweise BP in Deutschland zwar die Marke
Akquisition mit über 11.000 Mitarbeitern rund
Aral; nach einer gründlichen Analyse wurde
10 % aller BP-Mitarbeiter weltweit), andererseits
aber die Entscheidung getroffen, das Shop-
aber ein neuer Vorstandsvorsitzender kam und
Konzept Pananino von Aral nicht weiterzuführen
Aktivitäten ins Ruhrgebiet verlagert wurden. So
und stattdessen das Shop-Konzept Petit Bistro
entstand ein großer Druck auf alle Beteiligten,
der deutschen BP zu übernehmen.
die Integration gemeinsam erfolgreich zu gestalten. Der Fokus der folgenden Integration lag bei
Erstaunlich war mit Sicherheit, dass der ehema-
den Gesellschaften, die der deutschen BP zu 100 %
lige Vorstandsvorsitzende des übernommenen
gehörten; das Ruhr Oel Joint Venture mit der
Unternehmens Veba Oel, Wilhelm Bonse-Geuking,
venezolanischen PdVSA im Raffineriebereich
zum Vorstandsvorsitzenden der „neuen“ deut-
blieb im ersten Schritt außen vor.
schen BP berufen wurde. Somit wurde der
Vorstandsvorsitzende des an Mitarbeitern und
Umsatz größeren, aber zugekauften Unternehmens für die gesamte „neue“ Deutsche BP zuständig. Dr. Uwe Franke, bisheriger Vorstandsvorsitzender der deutschen BP, wurde zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt und
gleichzeitig zum Business Unit-Leiter des RetailGeschäftes in Deutschland und damit Chef des
wichtigsten assets – von Aral. Er steuerte den
komplexen und sensiblen Integrationsprozess
bei Aral, der unter anderem auch das rebranding
der Tankstellen der BP beinhaltete. Alle beteiligten deutschen Unternehmen – Veba Oel und
Aral inklusive der deutschen BP – hatten bei
36 Zu einem klassischen Ansatz vgl. etwa Ashkenas,
dieser Neustrukturierung sowohl „Gewinne“ als
Ronald N., DeMonaco, Lawrence J. & Francis, Suzanne C.
auch „Verluste“ zu verzeichnen.
(1998) – Making the Deal Real: How GE Capital
Integrates Acqusitions. In Harvard Business Review
So verlor die Veba Oel ihren Markennamen, den
1/2 1998. S. 5 ff. oder Grube, Rüdiger & Töpfer, Armin
eigenständigen Außenauftritt sowie ihre vorheri-
(2002) – Post Merger Integration, Erfolgsfaktoren für
ge relative Autonomie als Öltochter der Veba,
das Zusammenwachsen von Unternehmen. Stuttgart
stellte aber die meisten Mitarbeiter und besetzte
37 Deutsche BP AG (2003) – BP in Deutschland 2002.
mit dem Vorstandsvorsitzenden der neuen Orga-
Bochum. S. 46
nisation eine Schlüsselposition. Zudem sollten
38 Hamburg blieb juristischer Sitz der deutschen BP AG
| 29
Die Fallstudie | Strategische Integration
Die notwendige Besetzung der Führungsposi-
Markt agierten, obwohl sie bereits vor dem Kauf
tionen erfolgte zügig: Der neue Vorstand und die
eine Vielzahl von gemeinsamen Aktivitäten hatten
Leiter der Business Units wurden bereits zum
(z. B. gemeinsame Beteiligungen an Bayernoil
September 2001 benannt – und zwar von der
oder Versorgungs- und Tauschverträge). Kontakte
britischen BP. Die zweite Führungsebene der
zwischen Mitarbeitern beider Unternehmen im
neuen deutschen BP wurde zum Dezember 2001
Rahmen dieser normalen Beziehungen waren er-
benannt, also lange vor der Teilübernahme der
laubt. Der Austausch von sensiblen Daten (z. B. zu
Veba Oel am 01.02.2002 oder der vollständigen
Preiskalkulationen oder zu Vergütungsmodellen
Übernahme am 01.07.2002. Diese Berufung er-
für den Vertrieb) zwischen beiden Unternehmen
folgte durch das Management der deutschen BP.
war jedoch verboten, da dadurch eventuell Wett-
Die britische BP achtete bei diesem Selektions-
bewerber benachteiligt worden wären. Ein solcher
prozess alleine darauf, dass diese Besetzung der
Verstoß wäre durch das Kartellamt geahndet
Führungspositionen im Einklang mit der offiziel-
worden. Deshalb durfte zu diesem Zeitpunkt ein
len policy von diversity & inclusion standen, d. h.
Austausch zwischen Mitarbeitern beider Unter-
dass die gesamte Vielfalt der BP-Mitarbeiter in
nehmen nur strikt reglementiert über das Inte-
Bezug auf Geschlecht und Alter, auf Herkunft
grationsteam erfolgen.
und Erfahrung ausgeglichen berücksichtigt
wurde. Diversity & inclusion trat somit explizit
Die britische BP machte von Anfang an klar, dass
als ein weiteres Auswahlkriterium neben Leis-
es bestimmte Themenbereiche gab, die aus ihrer
tung und Potenzial.
Sicht in allen Tochtergesellschaften weltweit einheitlich umgesetzt werden mussten. Dazu gehör-
Schon im September 2001 wurde eine Projekt-
te beispielsweise ein einheitliches Controlling
organisation für die Integration aufgebaut, die
nach UK-GAAP; hier gab es keine Diskussionen
top-down arbeitete. Sie sollte für die neue
um ein „Ob“, sondern nur Fragen nach dem „Wie“
Deutsche BP wichtige Entscheidungen gemein-
einer schnellen Realisierung dieses konzernweit
sam vorbereiten, z. B. zur Organisation, zum
gültigen Standards. Auch alle Themen rund um
Führungsmodell und zu reportings. Die Ent-
Gesundheit, Arbeitsschutz, Sicherheit und Umwelt-
scheidungen traf dann ein joint council von
schutz (health, safety, security, environment –
deutschen und britischen BP-Managern und
HSSE) zählten dazu, da BP – wie alle Mineral-
Managern von Veba Oel. Bereits am 07.11.2001
ölunternehmen – unter den kritischen Augen
wurde die neue Organisationsstruktur verkündet.
der Öffentlichkeit stand und steht, wenn es um
Im ersten Abschnitt der Integration wurde die
umweltschonende Förderung, Transport und
Leitung dieses Projektes und der Teilprojekte
Verarbeitung von Rohöl und den Verarbeitungs-
paritätisch besetzt: Ein britischer BP-Manager
produkten geht. Zudem können bei der Verarbei-
und ein von der Veba Oel kommender Manager
tung von Rohöl unter Druck und Hitze in den
agierten jeweils als Doppelspitze. In einer zwei-
Raffinerien viele Gefahren für die Mitarbeiter
ten Phase der Integration wurden neue Integra-
entstehen. BP setzte hier strenge Standards, die
tionsteams gebildet, die nicht mehr spiegelbild-
auch permanent gemessen wurden. Ein weiteres
lich besetzt waren. Sie hatten die Aufgabe, Pro-
Thema war diversity & inclusion (ins Deutsche
jekte zu identifizieren, mit denen sich die notwen-
als „Vielfalt und Einbeziehung“ übersetzt), das BP
digen Synergiepotenziale realisieren ließen.
als Arbeitgeber auszeichnen sollte und bei dem
die Vielfalt der Mitarbeiter in Bezug auf Herkunft,
In der ersten Phase, die der Übernahme des
Alter, Geschlecht, Rasse, Fähigkeiten oder Aus-
51 %igen Anteils an der Veba Oel durch die BP
bildung bewusst genutzt und gefördert wurde.
zum 01.02.2002 voranging, waren BP und Veba
Oel formal immer noch zwei getrennte Unternehmen, die als Konkurrenten auf dem deutschen
30 |
Die Fallstudie | Strategische Integration
Zu den – auf den ersten Blick – „weichen“ Themen
Die Grundsätze „Wofür wir stehen“ wurden im
gehörten die Grundsätze der Geschäftspolitik
Jahr 2005 ersetzt durch den 75 Seiten starken
(policies) der BP, die in den Leitsätzen „Wofür wir
code of conduct (Verhaltenskodex), der weltweit
stehen“ veröffentlicht wurden. Hier definierte
gültige Regelungen traf zu HSSE, zum Verhalten
die BP den Kern ihrer Unternehmensphilosophie:
39
gegenüber Mitarbeitern (z. B. diversity & inclusion, respektvoller Umgang miteinander, Daten-
Wir verpflichten uns
schutz und Vertraulichkeit), zum Umgang mit
—
Recht und Gesetz zu respektieren, unsere
Geschäftspartnern, zum Kontakt mit Regierungen,
Geschäfte integer zu führen und Respekt vor
Städten und Gemeinden und zum Schutz der
der Würde des Menschen und den Rechten
Vermögenswerte des Unternehmens und der
des Einzelnen zu zeigen, wo immer wir tätig
finanziellen Integrität.40
sind;
—
—
—
in allen ihren Beziehungen gegenseitigen
Wilhelm Bonse-Geuking antwortete in 2002 auf
Nutzen anzustreben, sodass die Menschen
die Frage von Mitarbeitern, wann aus seiner Sicht
uns vertrauen und gern mit uns Geschäfte
der Integrationsprozess offiziell abgeschlossen
machen;
sein würde:41
Respekt vor der Umwelt zu zeigen und auf
unsere Ziele hinzuarbeiten: keine Unfälle,
Wenn all das, was wir mit der Integration erreichen
keine Gesundheitsgefährdung und keine
wollen, auch in den Büchern nachvollzogen ist.
Umweltschäden;
Unser Ziel ist es, 200 Millionen Euro Ergebnis-
unsere wirtschaftliche Leistung darauf aus-
verbesserung per Ende 2003 zu erzielen. Nur
zurichten, die langfristige Wertschöpfung für
durch intensive Kommunikation schaffen wir ein
unsere Aktionäre zu maximieren.
enges Zusammenarbeiten querbeet in der neuen
BP-Gruppe, eine gemeinsame Unternehmens-
Diese Grundsätze der Geschäftspolitik wurden
kultur. In Personalfragen müssen wir eng zusam-
im Einzelnen weiter ausgeführt und verbindlich
menarbeiten, um z. B. die Personalentwicklung
definiert. Sie trafen auch verbindliche Rege-
zu forcieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus
lungen zur Umsetzung und zur Kontrolle (policy
Köln sollen z. B auch die Chance haben, in Bo-
assurance). Auch bei der Umsetzung dieser
chum oder Gelsenkirchen zu arbeiten. Jeder, der
gruppenweiten policy gab es Leistungsmess-
sich international austoben möchte, sollte dazu
größen, die in die Deutsche BP eingebracht wurden.
die Gelegenheit erhalten. Dadurch werden wir ein
Zur Implementierung der Grundsätze „Wofür
„Wir-von-BP“-Gefühl bekommen. Das müssen
wir stehen“ bediente sich die Deutsche BP der
wir durch gute Zusammenarbeit auf der Führungs-
„IGNITE-Workshops“ (siehe hierzu den Abschnitt:
ebene flankieren. Die Integration ist gelungen,
kulturelle Integration). In diesen Meetings wurden
wenn nicht mehr gesagt wird, das ist ein frühe-
diese Grundsätze der Geschäftspolitik vom Top-
rer Aral-Mann, das ist eine frühere BP-Frau, son-
Management den Führungskräften vorgestellt
dern wenn wir uns alle als BP-Mitarbeiter sehen.
und mit ihnen diskutiert. Die Führungskräfte erhielten den Auftrag, ihrerseits diese neuen
Grundsätze mit ihren Mitarbeitern zu diskutieren.
39 Deutsche BP AG (2002) – Grundsätze der Geschäfts-
Dafür wurden ihnen von der Abteilung interne
politik (Übersetzung aus dem Englischen); enthalten auf
Kommunikation Broschüren sowie PowerPoint-
der CD-ROM zu: Deutsche BP (2003) – BP in Deutschland
Präsentationen ausgehändigt, anhand derer sie
2002. Bochum
ihre Präsentation und die anschließende Dis-
40 Vgl. BP (2005) – Code of Conduct. www.bp.com/section
kussion strukturieren konnten.
genericarticle.do?categoryId=9003494&contentId=7006600,
Abfrage am 21.11.2005
41 Deutsche BP AG (2002) – strong2gether 5/2002. S. 4 f.
| 31
Die Fallstudie | Strukturelle Integration
Die strukturelle Integration
lenken. Diese Leistungsverträge wurden regelmäßig überwacht und bewertet im Hinblick auf
Schnell und ohne Mitsprache des akquirierten
die Zielerfüllung. Sie bildeten aber nur eine Art
Unternehmens geregelt wurde die strukturelle
Rahmen ab, innerhalb dessen der derart einge-
Integration von Veba Oel und Aral, indem die
bundene Untergebene große Freiheiten genoss.
neuen Unternehmensteile in die BP-Organisation
BP beschreibt die Vorteile dieser Arbeitsweise
mit ihren Strukturprinzipien integriert wurden.
und ihrer Form von corporate governance so:43
Die Geschäfte der BP wurden gesteuert auf der
obersten Ebene des Unternehmens von dem
Die herausragende Eigenschaft dieser Manage-
Group CEO, John Browne, den Group Chief
mentstruktur ist, dass sie schnelle und innovative
Executives42 und den Chief Executives für die
Reaktionen auf neue Situationen ermöglicht,
vier Geschäftszweige Exploration & Production,
ohne dabei größere bürokratische Hürden über-
Gas & Power, Refining & Marketing sowie
winden zu müssen oder ständige Rückfragen bei
Chemicals. Das von ihnen gebildete Group Chief
einer höheren Ebene erforderlich zu machen –
Executive Committee leitete das weltweite Geschäft
dies jedoch in einem Zusammenhang, der Prüfung
der BP. Wichtiger als die Legalstruktur (Unter-
und Leistungsanforderungen berücksichtigt.
gliederung der Einheiten nach Aktiengesellschaften oder GmbHs) war für die CEOs der vier
Geschäftszweige allerdings die direkte und unmittelbare Steuerung ihrer Einheiten. Deshalb
berichteten jedem CEO eines Geschäftszweigs
sogenannte Group Vice Presidents (GVP), die
wiederum Segmente (Strategic Performance
Units) mit voneinander unabhängigen Business
Units verantworteten. Zwischen dem Leiter
eines Geschäftszweigs und seinen Group Vice
Presidents wurden jährlich Leistungsverträge
geschlossen, die alle wichtigen Bestandteile des
Geschäfts inklusive wichtiger finanzieller und
operativer Daten abbildeten. Diese unbedingte
Leistungsorientierung kann als Kennzeichen der
BP-Kultur gelten. Hinzu kamen wichtige nichtfinanzielle Zielsetzungen beispielsweise in
Bezug auf Sicherheit und Umweltverhalten. Auf
der nächsten Ebene des Unternehmens waren
Business Units (BU) als operativ tätige Geschäftseinheiten angesiedelt, die für die Steuerung
jeweils eines Geschäfts zuständig waren. Sie
32 |
beschränkten sich allerdings nicht auf ein Land.
42 Bei Deutsche BP AG (2003) – BP in Deutschland 2002.
So konnte z. B. eine Business Unit „Raffinerie“
Bochum. S. 9, werden folgende Funktionen genannt, die
alle Raffinerien in bestimmten Ländergruppen
zentral für alle Unternehmen der BP tätig sind: Interne
beinhalten und damit quer zu den typischen
und externe Kommunikation, diversity & inclusion,
Landesgesellschaften sowie zu den Legalstruk-
Controlling und Finanzen, HSSEQ, Personal, Interne
turen arbeiten. Die Leistungsverträge zwischen
Revision, Marketing, Strategische Planung und andere.
den Leitern der Geschäftszweige und den Seg-
43 BP (2005) – BP Organisation, www.bp.com/sectionge
mentleitern (GVP) wurden als Führungsinstru-
nericarticle.do?categoryId=2010545&contentId=2015525.
ment auch benutzt, um die Business Units zu
Abfrage am 02.06.2005
Die Fallstudie | Strukturelle Integration
Abbildung 6: Die Organisationsform der BP in 2001 44
GCE
Group Chief Executive
Committee
GCE
GCE
GCE
CEO
John Browne
GVP
CEO
GP & R
CEO
Upstream
BU
BU
BU
GVP
CEO
Chemicals
CEO
Downstream
BU
Segment
BU
GVP
BU
BU
BU
GVP
BU
BU
BU
BU
GVP
BU
GVP
BU
BU
BU
GVP
BU
BU
BU
GVP
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
BU
GCE = Group Chief Executive, verantwortlich für Strategie
CEO = Chief Executive Officer
GVP = Group Vice President, verantwortlich für „performance assurance“
BU = Business Unit, operativ verantwortliche Geschäftseinheit
Eine der ersten Aufgaben für die „neue“
Deutsche BP bestand jetzt darin, dass sowohl
eine Eingliederung in die BP-Organisation mit
der Bildung von Business Units stattfinden45 als
auch gleichzeitig eine neue Legalstruktur hergestellt werden musste. Neue Gesellschaften
44 Vgl. BP (2005) – BP Organisation. www.bp.com/section
mussten deshalb gebildet werden, weil es bei-
genericarticle.do?categoryId=2010545&contentId=2015525.
spielsweise zwei Tankstellen- sowie zwei Schmier-
Abfrage am 02.06.2005
stoffgesellschaften gab, die jeweils zu einer ein-
45 In Deutschland gab es nach der Integration vier BUs
zigen neuen, funktionsfähigen deutschen Einheit
im Bereich Refining und ein BU Retail; fünf weitere BUs
verschmolzen werden mussten.
arbeiteten in Europa.
| 33
Die Fallstudie | Strukturelle Integration
Auch existierten zwei Holdinggesellschaften in
3.000 Mitarbeiter zum 01.10.2002 die Gesell-
Hamburg (BP) und in Gelsenkirchen (Veba Oel),
schaft und damit auch formal den Arbeitgeber.
die zusammengelegt werden mussten. Deshalb
Als größte Gesellschaften entstanden die BP Oil
war eine der ersten Aufgaben nach der offiziellen
Marketing GmbH mit rund 2.000 Mitarbeitern
Übernahme der Veba Oel mit ihren Gesellschaften
und die BP Lubes Services GmbH mit rund
durch die Deutsche BP die Schaffung von neuen,
1.000 Mitarbeitern.
tragfähigen rechtlichen Strukturen. Diese
neuen rechtlichen Strukturen waren die notwen-
Wie ersichtlich ist, waren bei dem englischen
dige Voraussetzung für alle weiteren personel-
Mutterkonzern die Berichtslinien zwischen den
len Maßnahmen sowie die weitergehende Defi-
Segmentleitern, den Group Vice Presidents und
nition der Aufbauorganisation und der Stellen,
den Leitern der Business Units sehr wichtig,
die Harmonisierung von unterschiedlichen Rege-
wichtiger als die in Deutschland per Gesetz vor-
lungen, die anschließende Personalauswahl und
geschriebenen, formalen Beziehungen beispiels-
sonstige Maßnahmen. Intern wurde der Zeit-
weise zwischen dem Aufsichtsrat einer Aktien-
punkt der rechtlichen Neuordnung und Integra-
gesellschaft und dem Vorstand. Der Gesetzgeber
tion von Veba Oel in die Deutsche BP als legal
macht aber für deutsche Unternehmen rechtlich
completion date (LCD) benannt. Am 01.10.2002,
verbindliche und zwingende Vorschriften, die
Abbildung 7: Schaffung neuer rechtlicher Strukturen bei der deutschen BP AG 46
3 Gesellschaften
Deutsche BP AG
19 Gesellschaften
BP Oil Marketing GmbH
4 Gesellschaften
BP Lubes Services GmbH
2 Gesellschaften
BP Energie Marketing GmbH
3 Gesellschaften
BP Koeln GmbH
1 Gesellschaft
BP RP GmbH (Refining & Petrochemicals)
1 Gesellschaft
BP GE GmbH (Gelsenkirchen – Veba Oel Verarbeitungs GmbH)
1 Gesellschaft
ERE GmbH (Erdöl-Raffinerie Emsland)
14 Gesellschaften
Nicht konsolidierte Gesellschaften
also nur knapp drei Monate nach der vollständi-
erfüllt werden müssen, sodass die „neue“
gen Übernahme der Veba Oel zum 01.07.2002,
Deutsche BP (wie schon die „alte“ Deutsche BP)
stand die neue rechtliche Struktur. Insgesamt
als Aktiengesellschaft einen Aufsichtsrat sowie
wurden 34 bestehende Gesellschaften zu acht
einen Vorstand benötigte.
neuen Gesellschaften gruppiert, wobei die Joint
Ventures, wie beispielsweise die Veba Oil
34 |
Refining & Petrochemicals GmbH Gelsenkirchen
46 Zitiert nach: Deutsche BP AG (2004) – Präsentation von
(VORP) als Joint Venture mit der PdVSA, nicht
Hans-Jürgen Fleckhaus, Arbeitsdirektor der deutschen BPAG,
verändert wurden. Von den 11.138 Mitarbeitern
beim Arbeitskreis Internationale Personalarbeit, 26. Feb-
der neuen BP Deutschland wechselten rund
ruar 2004. Gelsenkirchen
Die Fallstudie | Strukturelle Integration
Wie aber sollten die offizielle deutsche Rechts-
Befremdlich und gewöhnungsbedürftig für die
struktur und die Vorgaben der corporate gover-
an deutsche Verhältnisse gewohnten Führungs-
nance der BP in Einklang gebracht werden? Die
kräfte und Mitarbeiter der Veba Oel blieb, dass
BP löste dieses Problem teilweise dadurch, dass
die Aktivitäten eines Unternehmens zu mehre-
sie erstens wichtige Funktionsträger aus ihrer
ren Business Units gehören konnten und auch
Organisationsform in den Aufsichtsrat der deut-
von den Leitern der Business Units gesteuert
schen BP als Vertreter der Anteilseigner brachte.
wurden. Business Units waren somit wichtiger
So gehörten dem Aufsichtsrat zum 31.12.2002
als die formalrechtlichen Strukturen. So konnte
beispielsweise der Group Vice President Chemi-
es sein, dass Mitarbeiter einer BU angehörten,
cals, ein Executive Vice President Chemicals, der
deren Chef im Ausland saß. Sie erhielten ihre
President Downstream Human Resources, der
fachlichen Weisungen also von ihm aus dem
Regional President Europe, der Vice President
Ausland und sie wurden am Ergebnis ihrer Busi-
External Affairs sowie der Group Vice President
ness Unit gemessen. Gleichzeitig waren sie aber
European Marketing Operations an. Zweitens
in die deutsche Legalstruktur mit allen für sie
wurden alle Leiter von deutschen Business Units
geltenden Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebs-
in den Vorstand der deutschen BP berufen.
vereinbarungen eingebunden.
47
Dr. Uwe Franke artikulierte in einem Interview
mit der Mitarbeiterzeitschrift strong2gether
diesen Widerspruch deutlich: 48
Die Eckpfeiler der BP-Arbeit sind Business Units
(BUs). BUs arbeiten grundsätzlich über Ländergrenzen hinweg. Wir stehen vor der Herausforderung, diese BUs innerhalb der rechtlichen
Einheiten einzubetten, die wir in Deutschland
haben. Aral und Veba Oel waren sehr viel stärker von diesen legalen Einheiten gesteuert als
die BP ... Die Aufgabe des Managements besteht
nun darin, aus allen BUs ein Forum abzubilden,
das es erlaubt, die Dinge abzudecken, die sonst
in den Zwischenräumen zwischen den „Silos“ der
Business Units verschwinden.
Personalpolitik und Personalwesen sind in
Deutschland stark über das Mitbestimmungsgesetz geregelt. Es kennt aber keine BUs. Wir
müssen hier einen Weg finden, gemeinsam an
Lösungen zu arbeiten, die über die BUs hinausgehen und das Thema Mitbestimmung mit beinhalten. Das ist gerade jetzt in der Integrationsphase besonders wichtig. Wir werden eine gemeinsame neue Kultur formen müssen, die auch
den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, eine Identifikation innerhalb der deutschen Gesellschaft zu
47 Deutsche BP AG (2003) – BP in Deutschland 2002.
finden, ohne die Identifikation mit der BU zu
Bochum. S. 51
verlieren.
48 Deutsche BP AG (2002) – strong2gether 5/2002. S. 7 f.
| 35
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Die kulturelle Integration: Interne Kommunikation und Integrationsmaßnahmen
Zeitgleich zur Arbeit an der strategischen und
erster Blick offenbarte folgende Unterschiede
strukturellen Integration musste die kulturelle
zwischen den beteiligten Unternehmen.49
Integration angegangen werden. Aber schon ein
Tabelle 2: Wichtige Unterschiede zwischen den Unternehmenskulturen
BP/Deutsche BP
Aral/Veba Oel
Weltbild
• In Deutschland verhaftetes Unternehmen
• International; Teil eines weltweit
agierenden Konzerns
• Stolz auf größtes Tankstellennetz in
Deutschland und Marktführerschaft;
Identifikation mit dem Produkt –
der Benzinmarke Aral
• Identifikation nicht mit einem Produkt,
sondern mit dem Unternehmen als
Ganzem
Werte
• Generalistentum
• Spezialistentum mit Spartendenken
• Selbstverantwortung
• Kontrolle der Prozesse
• Integration der Führungskräfte in Teams
• Führungskräfte wollen entscheiden
• Einfache, schnelle und flexible
Organisation
• Abläufe sollen in geordneten und
geplanten Bahnen laufen
Symbole
• Persönlicher Umgangston
• Formeller Umgangston
• Durch den englischen Sprachraum
geprägtes „Du“
• Verwendung des korrekten „Sie“
• Kaum Übernahme von englischen
Begriffen ins Deutsche
• Englisch als Arbeitssprache;
auch im Deutschen viele Anglizismen
• „Profi-Fashion“ mit Anzug und Krawatte
• Legere und persönliche Kleidung
Strukturen
• Teil eines internationalen Konzerns mit
hoher Autonomie der einzelnen Bereiche
• Flache Hierarchien mit bereichsübergreifenden Kooperationen
• Teil eines eher deutsch ausgerichteten
Unternehmens mit durchaus bürokratieverwandten Strukturen
• Klare Zuständigkeiten und
Ebenentrennung
Steuerungsformen
• Entscheidungen werden vor Ort
getroffen; Kompetenz wird delegiert
• top-down-Ansatz mit hierarchisch
verlaufenden Entscheidungsprozessen
• Bereichs- und ebenenübergreifend
findet networking statt
• Trennung der Unternehmensbereiche
• Suche nach einfachen, schnellen und
flexiblen Lösungen; tendenziell eher
offene Aufträge; Fehler auf dem Weg
zum Erfolg werden eher toleriert
36 |
• Hoher Stellenwert von Planung; eher
geschlossene Aufträge an Mitarbeiter;
geringe Fehlertoleranz
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Die Aufgabenstellung für eine kulturelle Integra-
und umfassende Information aller Mitarbeiter
tion war damit schwierig, da die kulturellen Un-
war die zweimonatliche Integrationszeitschrift
terschiede auf mehreren Ebenen zwischen den
strong2gether, die rund ein Dutzend Mal er-
Unternehmen groß waren. Nicht allen Mitarbei-
schien vom Start der Integration bis zu deren
tern aber waren diese Unterschiede gegenüber
Ende in 2003. strong2gether war ein neuer
dem ehemaligen Konkurrenten bewusst; neben
Name, der den Integrationsansatz best of both
Unkenntnis traten auch Angst um den eigenen
symbolisieren und für die Integrationsphase
Arbeitsplatz oder Widerstand gegen die Akquisi-
eine neue Identität herstellen sollte. Alle Mit-
tion von beiden Seiten. Dies musste durch Maß-
arbeiter sollten hier eine neues „Dach“ finden,
nahmen der kulturellen Integration aufgebro-
sodass weder der Name des BP-Mitarbeiter-
chen werden. Die Deutsche BP verfolgte zwei
magazins noch derjenige von Veba Oel oder Aral
eng miteinander verflochtene Integrations-
übernommen wurde.
ansätze: Ein wichtiger Baustein waren Information der Mitarbeiter und Kommunikation mit
ihnen, ein weiterer wichtiger Baustein waren
integrationsfördernde Maßnahmen, die nachfolgend dargestellt werden. Das wichtigste interne
Kommunikationsmedium für eine zeitnahe
Abbildung 8: Logo von strong2gether
49 Zusammengestellt nach Scholz, Holger, Studt, Jürgen
F. & Zech, Rainer (2004) – Integrationsprozesse bei der
Fusion von BP und Aral. In OrganisationsEntwicklung,
Heft 4/04. S. 58–71
| 37
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Mit strong2gether wurden alle 10.000 Mit-
arbeitergruppe neu waren. Eine Besonderheit
arbeiter der neuen deutschen BP zeitnah über
von strong2gether waren Interviews mit Füh-
alle wichtigen Themen informiert. Themen von
rungskräften wie dem Vorstandsvorsitzenden
strong2gether waren alle Themen der Integration
oder dem britischen Integrationsmanager, die
(z. B. die neue Organisationsstruktur, der legal
aber nicht von den Redakteuren der Zeitschrift,
completion date, neue BP-Systeme wie HSSE
sondern von BP-Mitarbeitern durchgeführt wurden.
oder die Mitarbeiterbefragung bei BP), aber auch
Außerdem enthielt diese Integrationszeitschrift
die Vorstellung von Geschäftsbereichen, Stand-
von Mitarbeitern geschriebene Artikel.
orten oder Produkten, die jeweils für eine Mit-
Abbildung 9: Kommunikation von strong2gether als Printmedium
38 |
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Neben diesem Printmedium gab es auch eine
Unternehmens vollständig beantwortet.
schnelle elektronische Kommunikation. Im
Weiterhin wurden Erfolgsgeschichten aus
strong2gether Extranet/Intranet wurden ähnli-
Geschäftsbereichen und Projektteams im
che Themen wie im Printmedium angesprochen,
Intranet publiziert. Elektronische Newsletter
hier allerdings ergänzt um die Möglichkeit, dass
ergänzten diese Kommunikationsmedien mit
Mitarbeiter Fragen an das Redaktionsteam zur
tages- und teilweise auch stundenaktuellen
Integration stellen konnten. Diese Fragen wur-
Informationen zum Fusionsprozess.
den dann zusammen mit den Betriebsräten des
Abbildung 10: strong2gether im Extranet
| 39
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Ergänzend wurden bei der internen Kommuni-
Stakeholder wie z. B. Kunden, Lieferanten,
kation eingesetzt:
Investoren, Kommunen, Behörden, Presse).
—
E-Mails „an alle“ zur schnellen Information
Beide Zielgruppen mussten bedient werden, die
aller Mitarbeiter in Ergänzung zum Extranet;
Kommunikationsstränge mussten allerdings
Themen waren beispielsweise: Geschäfts-
konsistent in ihren Aussagen sein und zeitlich
ergebnisse, Kommentare zu Presseartikeln
aufeinander abgestimmt werden. Dazu Britta
über die BP, die Ministererlaubnis im Kartell-
Kopfer, Manager Internal Communications bei
verfahren, Qualitätsprobleme, Spenden-
der deutschen BP:
sammlung anlässlich der Überflutungen in
—
Ostdeutschland.50
Wir haben immer versucht, den Mitarbeitern
TOP 200 Newsletter des Vorstandsvorsitzenden
einen Informationsvorsprung zu geben ... Erst
alle zwei Wochen; Ziel: Versorgung der Top-
die Mitarbeiter, dann die Öffentlichkeit, damit
Manager mit aktuellen Informationen, die
sie nichts aus der Presse erfahren mussten. Das
diese an ihre Mitarbeiter weitergeben sollten;
war die Reihenfolge. Meistens ist das gut gegan-
Themen: Integrations- und aktuelle Themen
gen, manchmal leider auch nicht.51
(beispielsweise Ergebnisse von Aufsichts-
—
—
ratssitzungen), Regelungen zu den Arbeits-
Nach dem Ende der Integration wurde aus
vertragsbedingungen, Berichte vom Besuch
strong2gether mit etwas anderem Layout und
von Lord Browne, CEO, oder John Manzoni,
anderen Themen die neue BP-Mitarbeiterzeit-
Chief Executive Refining & Marketing bei
schrift Kompass mit dem entsprechenden
der deutschen BP, Ergebnisse der Führungs-
Kompass-Intranet-Auftritt. Dies zeigte deutlich
kräftebefragung.
das Ende der Integration an.
Innerhalb des Intranets BP/Veba Oel/Aral
wurde ein Bereich eingerichtet nur für das
Neben diesen Informationskanälen wurde aber
TOP-200-Management-Team; Ziel: schnelle
auch eine massive Kommunikations- und
Versorgung der Zielgruppe mit Informationen
Dialogplattform zwischen Top-Führungskräften
und Arbeitsmaterialien wie z. B. Besprechungs-
und Mitarbeitern etabliert. Dazu zählten die so-
protokolle, wichtige Präsentationsfolien,
genannten townhall-meetings. Grundidee der
Reden oder bereits ausgearbeitete Fragen
townhalls ist eine direkte und ungefilterte
und Antworten (Q & A), um die Führungs-
Kommunikation zwischen Führungskräften und
kräfte auf die direkte Kommunikation mit
Mitarbeitern. Damit diese Form der Kommuni-
ihren Mitarbeitern vorzubereiten.
kation gelingt, werden überschaubare Einheiten
Es wurde ein Wörterbuch erstellt mit dem
(Standorte oder Betriebe) gebildet, die mit bis zu
firmeneigenen Geschäfts-Slang beider Seiten.
500 Mitarbeitern immer noch einen Rahmen
abgeben, der direkte Fragen von Mitarbeitern an
Die Ziele dieses aufwendigen Kommunikations-
die Führungskräfte fördert. Die Mitarbeiter kön-
ansatzes waren vielfältig. So sollten alle Mit-
nen ihre Fragen entweder direkt in den townhalls
arbeiter eingebunden werden in die Prozesse
und die Strukturen des neuen Unternehmens;
40 |
ihre Motivation sollte gesteigert werden durch
50 Vgl. hierzu die ABB (2005) – The Dormann Letters.
diese umfassende, schnelle und offene Kommu-
Zürich, die alle E-Mails enthält, die Jürgen Dormann in
nikation; Integrationsprojekte sollten schneller
seiner Eigenschaft als CEO der ABB Ltd im Zeitraum
umgesetzt werden, da alle Mitarbeiter umfassend
vom 5.09.2002 bis zum 31.12.2004 wöchentlich schrieb.
informiert wurden; die Attraktivität als Arbeit-
51 Interview mit Britta Blanz/Kopfer (interne Kommu-
geber sollte erhöht werden. Schwierig war die
nikation) und Ulrich Winkler (externe Kommunikation)
Abstimmung zwischen interner (BP-Mitarbeiter)
bei BP in: Ulrich, Christina (2004) – Beyond Petroleum.
und externer Kommunikation (alle externen
In: prmagazin. Nummer 10, Oktober 2004. S. 22
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
stellen oder sie vorher schriftlich formulieren
und abgeben. Diese Fragen werden nicht gefiltert, und die Führungskräfte erhalten somit
keine Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Antworten. Für Führungskräfte war dies eine andere
Art der Kommunikation als Betriebsversammlungen, die ritualisiert in ihrem Ablauf sind
sowie weniger gegenseitiger Dialog sind als
klassische Ein-Weg-Kommunikation über Reden
von Betriebsräten und Führungskräften. Die
Fragen der Mitarbeiter ergaben sich meist aus
der aktuellen Situation des Unternehmens oder
aus den kurzen Eingangsstatements der Führungskräfte. Wegen der großen Öffentlichkeit
lastete ein hoher Druck auf den Führungskräften,
spontan verbindliche und glaubwürdige Aussagen
zu treffen – gerade in Zeiten des Personalabbaus
und der schmerzhaften Einschnitte in gewohnte
Abläufe keine leichte Aufgabe.
Abbildung 11: „Grüne Welle” im Ruhrgebiet – mehr als 1.000 BP-Mitarbeiter aus
ganz Deutschland nahmen als Team am RuhrMarathon 2005 teil.
| 41
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Ein weiteres Kommunikationsinstrument wurde
mit lunch & talk eingeführt. Bei dieser Kom-
Was machen die einzelnen Integrationsteams?
—
Werde ich auf Dauer einen Arbeitsplatz
munikationsform traf sich ein Vorstandsmitglied
haben? Bei welchem Unternehmen werde ich
mit einer Gruppe von bis zu 15 Mitarbeitern zu
in Zukunft arbeiten? Wie hoch wird mein
einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem die
Gehalt sein?
Mitarbeiter ohne irgendwelche Einschränkungen
Fragen an ihn stellen konnten. Dieses Verfahren
Die Teilnahme an den lunch & talks war freiwil-
wurde von allen Vorstandsmitgliedern – teilweise
lig; es war nur eine formlose Anmeldung der
auch in parallelen Terminen – durchgeführt,
interessierten Mitarbeiter erforderlich. Es wur-
solange Gesprächsbedarf im Unternehmen
den allerdings getrennte Veranstaltungen für
bestand. Zum Mittagessen servierten die Top-
Mitarbeiter und für Führungskräfte organisiert.
Manager dabei belegte Brötchen, sodass das
Für die Vorstände brachte lunch & talks viele
Mittagessen und Fragen des richtigen Beneh-
Rückmeldungen und wichtige Einsichten in das
mens nicht in den Vordergrund traten und eine
Stimmungsbild „vor Ort“. Als Vorteile zu verbu-
eher informelle Atmosphäre entstehen konnte.
chen sind die große visibility des Top-Manage-
In dieser intimen Stimmung entstand schnell
ments sowie das Schaffen von Bewusstsein über
ein sehr persönlicher Kontakt zwischen Top-
die aktuelle Geschäftssituation bei den beteilig-
Management und Mitarbeitern, sodass einer-
ten Mitarbeitern. Die Wirkung eines solchen
seits drängende Fragen zur Integration offen ge-
Kommunikationsinstrumentes ist allerdings zu
stellt werden konnten und andererseits eine auf-
einem hohen Prozentsatz abhängig von der
richtige Rückmeldung an die Top-Manager zum
Persönlichkeit der durchführenden Führungs-
bisherigen Integrationsprozess erfolgen konnte.
kraft, da ungewohnte Situationen auf sie zukom-
In den Veranstaltungen mit jeweils circa
men mit einer hohen psychischen Belastung
90 Minuten Dauer kamen beispielsweise folgen-
(das „Servieren“ der Brötchen, die Nähe der Mit-
de Fragen zur Sprache:
arbeiter sowie deren spontan formulierte Fragen).
52
Darüber hinaus war diese Form der direkten
—
—
Wie werden Trainingsmaßnahmen und
Kommunikation auch sehr aufwendig, sowohl in
Weiterbildungsmöglichkeiten im neuen
der Organisation der Termine für unterschied-
Unternehmen aussehen? Welche Chancen
liche Standorte als auch für die Führungskräfte.
hat man als deutscher Mitarbeiter in der BP?
Der Tagesablauf des Top-Managements änderte
Was bedeutet best of both konkret?
sich in dieser Zeit des Umbruchs deutlich:
Wird die Veba Oel in der BP „untergehen“?
Zunehmend wurde er geprägt durch persönliche
(Diese Angst wurde von Veba-Oel- und Aral-
Gespräche.
Mitarbeitern geäußert.)
—
Wie funktioniert die BP? Wie muss ich mich
—
Wie sehen die weiteren Umzugspläne aus?
bei der BP verhalten?
Welche Abteilungen werden in welchen
Städten arbeiten? Welche Unterstützung
gibt es bei den Umzügen?
—
Wie sieht die weitere Vorgehensweise für
die Mitarbeiter in den Joint Ventures der BP
—
42 |
(z. B. in den Raffinerien, die zusammen mit
52 Zusammengefasst nach Deutsche BP AG (2002 und
der venezolanischen PdVSA betrieben
2003) - strong2gether. Zeitschrift für die Mitarbeiter der
werden) aus in Bezug auf die weitere Ein-
BP-Gruppe in Deutschland, Veba Oel, Aral, Veba Oil
bindung in die Integration?
Refining & Petrochemicals und Veba Oil & Gas.
Wie läuft der Integrationsprozess?
Gelsenkirchen. 3/2002, S. 8 f. und 1/2003, S. 10 f.
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Britta Kopfer, Manager Internal Communications,
zog folgendes Zwischenfazit zur Kommunikation
im Integrationsprozess, wobei sie die Integration als
eine Form eines Veränderungsprozesses ansah:
Veränderungen müssen frühzeitig und – so weit
sind. Führungskräfte müssen sich in Verände-
möglich – offen an alle Mitarbeiter kommuni-
rungsprozessen mehr Zeit für die direkte
ziert werden.
Kommunikation mit ihren Mitarbeitern nehmen,
auch wenn sie dafür eigentlich weniger Arbeits-
Schnelligkeit ist ein, wenn nicht sogar der wich-
zeit zur Verfügung haben wegen der Vielzahl an
tigste kritische Erfolgsfaktor in Veränderungs-
zu bearbeitenden Themenstellungen.
prozessen. Dazu gehört auch die Schnelligkeit
der offenen Kommunikation mit den eigenen
Die Top-Führungskräfte müssen im Verände-
Mitarbeitern.
rungsprozess für die Mitarbeiter sichtbar sein
und Orientierung geben. Dazu gehört auch die
Für jeden Mitarbeiter muss die passende
emotionale Ansprache der Mitarbeiter, die reine
Kommunikationsform gefunden werden, sei es
Vermittlung von Daten und Fakten reicht nicht
über Print-Medien, über elektronische Medien
aus.
oder über den persönlichen Kontakt.
Kommunikation darf nur das versprechen, was
Es hat sich schnell gezeigt, dass Dialog und
auch gehalten werden kann. Eine blumige
Information über gedruckte und elektronische
Information wird schnell als „billige Werbung“
Medien kein Ersatz für persönliche Gespräche
verstanden und führt zu einem Vertrauens-
und die Kommunikation mit den Mitarbeitern
verlust.
Abbildung 12: Wilhelm Bonse-Geuking und Mitarbeiter beim lunch & talk
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Die Deutsche BP setzte neben der dargestellten
Die folgende Übersicht53 zeigt exemplarisch eini-
Kommunikationsschiene ein ganzes Bündel an
ge Maßnahmen mit ihren Zielsetzungen.
Instrumenten zur Integrationsförderung ein.
Tabelle 3: Integrationsmaßnahmen bei der deutschen BP
IGNITE-Workshops ( = „Zündung“) – Management Alignment Meetings
Zielgruppe: rund 150 Topmanager aus Deutschland sowie Mittel- und Osteuropa
(siehe die unten stehende Beschreibung)
Peer Mentoring zwischen Senior Mentee/Senior Mentor
Ziele: Einführung von Mitarbeitern in die BP-Welt mit ihren Strukturen und Regeln durch
einen gleichrangigen, aber explizit „diversen“ BP-Partner; Überbrückung von kulturellen
Unterschieden durch persönliches Kennenlernen und eine persönliche Unterstützung
Vermittlung der Mentoring-Partner durch das Integrationsteam; dabei wurde auf
„Verschiedenheit“ geachtet, sodass keine homogenen Paare entstanden in Bezug auf
Organisationszugehörigkeit, Alter, Geschlecht etc.
Keine vorgegebenen Kommunikationsregeln oder Ziele; das Programm lief in der
Eigenverantwortung der Paare für drei Monate
Mutual Mentoring
Ziele: Einführung von Mitarbeitern in die BP-Welt mit ihren Strukturen und Regeln durch
einen hierarchisch übergeordneten BP-Partner
Vermittlung der Mentoring-Partner durch das Integrationsteam; keine vorgegebenen
Kommunikationsregeln oder Ziele
Gender Speak
Ziele: Schaffen von Bewusstsein über geschlechtsspezifische Kommunikation und
Teamarbeit durch Diskussionsrunden; Themenbereich von diversity & inclusion
Cross Cultural Training and Workshops
Ziele: Schaffen von Bewusstsein über kulturelle Unterschiede, d. h. unterschiedliche Werte
und Verhaltensweisen innerhalb der BP-Welt und mit Kunden/Lieferanten; Herausarbeiten
von Potenzialen, die in dieser Unterschiedlichkeit liegen, und Bestimmung von Spielregeln
für interkulturell gemischte Arbeitsgruppen
Themen: Umgang mit unterschiedlichen Werten im Arbeitsalltag; Kommunikationsmodelle
und deren Anwendung im Alltag; Gebrauch von Englisch als gemeinsamer
Unternehmenssprache
Dauer: zwei Tage; Kurssprache Deutsch oder Englisch
44 |
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
FLL – First Level Leadership Program
Ziele: Vermittlung von weltweit gültigen BP-Standards in Bezug auf Verfahren und
Abläufe, aber auch in Bezug auf die BP-Philosophie und Führung bei BP
Zielgruppe: alle Team- und Abteilungsleiter im kaufmännischen Bereich sowie Meister und
Schichtmeister im technischen Bereich (= First Level Leader); weltweit etwa rund 12.000
Mitarbeiter, in Deutschland über 500 Mitarbeiter
Jedes Jahr finden rund 150 Veranstaltungen alleine der beiden ersten Module statt.
Es gab pro Teilnehmergruppe vier Module zu den Themenbereichen
1) Context & Connections: Überblick BP; BP-Strategie; Ergebnisse; Brand Values;
Führungsmodell der BP; HSSE; D&I; Organisationsmodell; Dauer: 2 Tage
2) Leadership event: Leading self; Leading others; Leading highly effective teams;
Leadership stories; Action Challenge; Dauer: 4 Tage
3) Supervisory essentials: HSSE; Ethics; People (z. B. Gesprächsführung, Arbeitsrecht);
Relationships; Finance & Control; Dauer: 7–10 Tage
4) Peer Partnership: begleitendes Mentoring-Konzept
HR Orientation
Ziele: Schaffen von Bewusstsein über die BP-Philosophie/HR Strategie/Markenwerte
Zielgruppe: alle neuen BP-Mitarbeiter
Away-Days für Abteilungen/Bereiche
Im Rahmen eines „Away-Days“ verlassen komplette Abteilungen für 1–2 Tage das Büro.
Ziel: Verbesserung der internen Zusammenarbeit; einander kennenlernen; Spaß haben
(Verhältnis Spaß : Arbeit etwa 30 : 70)
Themen der Away-Days: spezifische Abteilungsthemen wie beispielsweise „Wer macht
was?“, „Wer kommt aus welcher Organisation?“, „Wo müssen wir uns besser abstimmen?“
Methoden: Workshops, ergänzt z. B. durch Outdoor-Übungen
Diese Maßnahmen waren zielgruppenspezifisch
gestaffelt.
53 Die folgenden Informationen wurden entnommen
Marx & Stevenson: „One of the rarest managerial skills
aus: Deutsche BP AG (2004) – Präsentation von Hans-
is the ability to understand which tools will work in a
Jürgen Fleckhaus, Arbeitsdirektor der deutschen BP AG,
given situation – and not to waste energy or risk credibi-
beim Arbeitskreis Internationale Personalarbeit, 26.
lity using tools that won't.“ Zitat aus Christensen,
Februar 2004. Gelsenkirchen sowie Interviews des
Clayton M., Marx, Matt & Stevenson, Howard H. (2006) –
Autors mit Herrn Fleckhaus und Frau Kopfer.
The Tools of Cooperation and Change. In Harvard
Vgl. zum Einsatz von Instrumenten zur Förderung von
Business Review, Oktober 2006. S. 80
Kooperation und Wandel das Zitat von Christensen,
| 45
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Abbildung 13: Integrationsmaßnahmen nach Zielgruppen 54
Level „TOP 150“
Level „Teamleader“
Level „Employees“
# of employees (plan)
Ignite I + II
150
Peer Mentoring
150
Gender Speak
100
Cross Cultural Workshops
According to requirements
First Level Leadership
300
HR Orientation Workshops
7.500
Lunch & Talk
According to requirements
BP Corporate Internet / BP Corporate Intranet
10.000
Im Folgenden soll an zwei Maßnahmen das kon-
Strategie der BP, die Teilnehmer hatten aber
krete Vorgehen zur Integrationsförderung näher
über das offen gestaltete Design der Workshops
vorgestellt werden. Am Beispiel der IGNITE-
die Möglichkeit, ihnen wichtige Themen zur
Workshops für die 150 Top-Führungskräfte des
Sprache zu bringen und zusammen mit den
Konzerns und der zeitlich nachfolgenden Inte-
Mitgliedern des Leitungsteams zu bearbeiten.
grationsforen der Business Unit Aral werden
Vorgehen und Methodik bei dieser Integration
detaillierter dargestellt.
Die zwei IGNITE-Workshops wurden konzipiert
für die 150 Top-Führungskräfte des neuen
Konzerns aus Deutschland sowie Mittel- und
Osteuropa.55 Der erste IGNITE-Workshop fand
bereits im Juli 2002 statt, also kurz nach der
Übernahme der restlichen Gesellschaftsanteile
der Veba Oel durch die BP. Mit diesen Workshops sollte eine Initialzündung (ignite =
Zündung) für eine gemeinsame Zukunft der
46 |
Mitarbeiter der „alten“ deutschen BP, der Veba
54 Zitiert nach Deutsche BP AG (2004) – Präsentation von
Oel und von Aral ausgelöst werden. Diese
Hans-Jürgen Fleckhaus, Arbeitsdirektor der deutschen BP
Workshops sollten Netzwerke zwischen den
AG, beim Arbeitskreis Internationale Personalarbeit, 26.
Führungskräften bilden, die sich so kurz nach
Februar 2004. Gelsenkirchen
der Fusion noch nicht alle persönlich kannten.
55 Zusammengefasst nach Deutsche BP AG (2002) –
Darüber hinaus sollten aber auch wichtige
strong2gether 4/2002, Zeitschrift für die Mitarbeiter der
Themen zur Sprache kommen und von den
BP-Gruppe in Deutschland, Veba Oel, Aral, Veba Oil
Führungskräften selbst bearbeitet werden. Des-
Refining & Petrochemicals und Veba Oil & Gas. Gelsen-
halb gab es zwar Vorträge der Vorstände zur
kirchen. S. 10 f. sowie diversen Interviews des Autors
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Im ersten IGNITE-Workshop wurden folgende
schiedenen Fragestellungen abgeben konnten.
Themen bearbeitet:
Das Leitungsteam erhielt so ein unmittelbares
Stimmungsbild ihrer wichtigsten Führungskräfte
—
Rolle und Aufgaben der internen
zu aktuellen Themen. Die Aufgabenstellung an
Kommunikation bei der Integration
die Teilnehmer nach Ende des Workshops
—
die Motivation der Mitarbeiter
bestand darin, mit ihren Mitarbeitern über die
—
Markenintegration und -positionierung
IGNITE-Workshops und die darin besprochenen
—
die Frage nach dem Ablauf von
und erarbeiteten Inhalte zu reden.
Entscheidungsprozessen bei der BP
—
—
—
das Organisationsmodell der BP – die Arbeit
Der zweite IGNITE-Workshop fand ein halbes
in der Struktur der Business Units
Jahr später im Januar 2003 statt. Ein kurzer
die Gerüchte in der Fusion – und was an
Rückblick auf die bisherige Integration eröffnete
ihnen wahr ist
den Workshop, bevor die anstehenden Themen
die Frage nach einer hidden agenda
diskutiert wurden. Dazu gehörten
in der Integration.
—
Für viele Führungskräfte waren die in diesen
beispielsweise Stellenbesetzung, Umzüge
zweieinhalb Tagen eingesetzten Methoden ungewohnt. Um das Kennenlernen der Führungs-
und Entlassungen,
—
kräfte zu beschleunigen und Vorurteile abzubauen, wurden Kleingruppen zur Bearbeitung der
—
der weitere Umgang mit den Joint Ventures
(z. B. im Raffinerie-Bereich),
—
gruppen ein Bild zu malen, das die Zukunft der
„neuen“ deutschen BP darstellen sollte. Diese
die Integration der verschiedenen
Unternehmenskulturen,
verschiedenen Themen gebildet. Eine der ersten
Aufgaben war es, gemeinsam in diesen Klein-
die anstehenden Personalfragen wie
die Vereinfachung und Beschleunigung von
Prozessen sowie
—
die Erhöhung der Wertschöpfung.
Übung sollte einerseits einen Diskussionsprozess über die gemeinsame Zukunft in Gang
Auch hier gab es Vorträge, z. B. zur Strategie
setzen (es sollte immer nur ein Bild pro Klein-
des downstream-Geschäfts, zur Strategie des
gruppe entstehen!), andererseits aber auch einen
Segments Europa und einen Erfahrungsbericht
neuen, kreativen Zugang zu diesem wichtigen
zur Übernahme von Arco durch BP. Kernpunkt
Thema eröffnen. Auch die Teambildung wurde
war aber ein Informationsmarkt, auf dem sich
auf einem neuen Weg gefördert: Die Teilnehmer
19 verschiedene Business Units und Funktionen
erhielten Schlaginstrumente und sollten gemein-
präsentierten. Zu diesem Zeitpunkt war die bis-
sam Musik machen. Nach Proben in kleinen
herige Struktur der Veba Oel mit den drei recht-
Gruppen kamen dann 150 Teilnehmer zusam-
lich selbstständigen Tochterfirmen gerade in die
men und schafften es, gemeinsam Musik mit
BP-Struktur der Business Units überführt wor-
einem einheitlichen Rhythmus zu spielen und
den. Mitarbeiter wurden neu zugeordnet, Pro-
sich aufeinander einzustellen. Die Logik dieser
zesse und Verantwortlichkeiten mussten –
Übung war augenscheinlich: Wenn die Teil-
oftmals über Ländergrenzen hinweg – neu
nehmer es schaffen konnten, gemeinsam trotz
organisiert werden. Die Aufgabenstellung für die
aller individuellen Unterschiede und ohne einen
Business Units bestand darin, dass sie Pinn-
langen verbalen Verständigungsprozess Musik
wände für diesen IGNITE-Workshop vorbereiten
zu machen, dann wären sie auch in der Lage,
sollten, auf denen sie ihre Arbeit, ihre Strategien
diese komplexe Integration zu bewältigen.
und Ziele für das Jahr 2003 präsentieren sollten.
Zudem kam in diesen Workshops ein digitales
Alle Pinnwände wurden aufgestellt und die
Abstimmungssystem zum Einsatz, durch das die
Teilnehmer des Workshops konnten sich wäh-
Führungskräfte anonym ihre Bewertung zu ver-
rend der Zeit des Informationsmarktes dort
| 47
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
informieren, wo sie einen persönlichen Informa-
auch die Integrationsmaßnahmen in den einzel-
tionsbedarf hatten. An jeder Pinnwand stand ein
nen Business Units starten. So wurden für die
Verantwortlicher, der weitere Informationen
Mitarbeiter des Bereichs Tankstellen mit den
„aus erster Hand“ geben konnte.
Abteilungen Operations, Asset-Management und
Shop & Fast Food zwei aufeinander folgende
Ein weiterer Programmpunkt war die Diskussion
Integrationsforen/Dialogkonferenzen mit
der Broschüre „Wofür wir stehen“. Hier ging es
jeweils 100 bis 150 Teilnehmern angesetzt.56
um die Diskussion der Unternehmenswerte und
Auch diese Veranstaltungen liefen unter dem
die Frage nach der Umsetzung dieses neuen
Motto strong2gether. Vor dem ersten Integra-
Leitbilds für die Deutsche BP. Der Einsatz einer
tionsforum konnten die Teilnehmer ihre beiden
Theatergruppe wiederum brachte einen anderen
wichtigsten Fragen zur Integration schriftlich
wichtigen Aspekt zur Bearbeitung. Die Schau-
einreichen, sodass sich die vortragenden Top-
spieler schlüpften in die Rolle von „ehemaligen“
manager und die Moderatoren auf Themen und
BP-, Veba-Oel- und Aral-Mitarbeitern vor der
Fragen der Teilnehmer inhaltlich einstimmen
Fusion und stellten prototypisch deren Verhal-
konnten.
tensweisen dar. Im Anschluss an diese Aufführung wurde von den Teilnehmern erarbeitet,
Für diese ersten Integrationsforen gab es folgen-
wie sich die Führungskräfte der „neuen“ deut-
de Ziele: 57
schen BP verhalten sollten. Als Kernpunkte wurden genannt: offen, rücksichtsvoll, partner-
—
Die Mitarbeitenden der beiden Unternehmen
schaftlich, veränderungsbereit, risikobereit, vor-
sollen sich gegenseitig kennen lernen, sich
bildlich und sich selbst treu. Auch diese Ver-
über ihre Arbeitsweisen und die Erfahrungen
in ihren jeweiligen Unternehmen austauschen.
anstaltung endete mit der Aufforderung an die
Führungskräfte, die besprochenen Inhalte des
—
Ein einheitlicher Wissensstand soll hergestellt
Workshops mit ihren Mitarbeitern zu bespre-
werden; der Fusionsprozess soll transparent
chen. Die ausführliche Berichterstattung in
werden.
strong2gether vermittelte den Mitarbeitern ein
erstes Stimmungsbild, verbunden mit der
Aufforderung, bei Bedarf die Führungskräfte
direkt anzusprechen und Informationen aktiv
einzufordern.
56 Nachfolgende Zusammenfassung nach Scholz, Holger,
Die IGNITE-Workshops wurden nach der Inte-
Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
gration nicht mehr weitergeführt; fortgeführt
Integrationsprozesse bei der Fusion von BP und Aral. In
wurde allerdings diese Art von Management-
OrganisationsEntwicklung, Heft 4/04, S. 58–71; Scholz,
konferenzen. Jährlich einmal treffen sich die
Holger, Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
Unternehmensleitung und das Top-Management,
Unternehmensreport Aral: strong2gether – die Fusion von
um gemeinsam wichtige strategische und zum
BP und Aral. In Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) –
Teil auch ganz aktuelle Themen zu behandeln.
Human Resource Management, 53. Ergänzungslieferung
Die Folgekonferenzen standen beispielsweise
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57;
unter den Motti „One Company“ und „Fit to
Interview des Autors mit Dr. Jürgen F. Studt, Implemen-
Lead – Führend in Europa“.
tation-Manager der Aral AG
57 Scholz, Holger, Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
48 |
Nachdem die Integration auf der Ebene der Top-
Unternehmensreport Aral: strong2gether – die Fusion von
Führungskräfte des Konzerns durch die IGNITE-
BP und Aral. In Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) –
Workshops gestartet war und damit Integra-
Human Resource Management, 53. Ergänzungslieferung,
tionsstrategie und -richtung klar waren, konnten
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57, S. 31
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
—
—
—
—
Unterschiedliche Meinungen sollen offen zu
C) Die Teilnehmer machten sich während der
Wort kommen und diskutiert werden.
Vorträge Notizen zu folgenden Fragen:
Vertrauen soll geschaffen und Motivation
„Was finde ich gut?“, „Was sehe ich anders?“
gestärkt werden.
und „Was ist noch offen?“. Die Fragen der
Die Beschäftigten mit ihrem Know-how
Teilnehmer wurden an Metaplanwänden
sollen eingebunden werden, damit ein
gesammelt, geclustert und anschließend von
neues, starkes Team entsteht.
den Führungskräften beantwortet, sodass ein
Die Beschäftigten sollen gestärkt werden,
offener Dialog stimuliert wurde.
um die Herausforderungen des Neuen
—
anzunehmen.
Abbildung 14: Exemplarische Antworten
Die anstehenden Veränderungen sollen
der Teilnehmer auf die ersten Aufgaben-
gemeinsam gestaltet werden.
stellungen beim ersten Integrationsforum58
Der Ablauf der beiden Tage sollte also so gestaltet sein, dass ein Maximum an wichtigen
Was finde ich gut?
Informationen, an persönlichen Begegnungen
•
mit einer produktive Konfrontation mit den
•
Unternehmen und ihren Kulturen verbunden
wurde. Neben Vorträgen, die die Teilnehmer
eher zu passiven Informationsempfängern
•
•
machen, wurden bei der Entscheidung über die
Methoden für die Dialogkonferenzen deshalb
•
solche gewählt, durch die die Teilnehmer räumlich, motivational, ganzheitlich etc. „bewegt“
wurden.
Erste Dialogkonferenz –
Ablauf des ersten Tages
Das Bemühen, sich gegenseitig kennenund verstehen zu lernen (ARAL und BP)
Das gemeinsame Arbeiten an der
Integration
Gemischtes Blut Blau/Grün:
Neue Ideen und Bewährtes
Suche nach dem Besten aus beiden
Gesellschaften für die Zukunft
Offenheit und klare Informationen seitens
des Managements
Was sehe ich anders?
•
•
•
•
•
A) Begrüßung der Teilnehmer über einen vor-
Wir sind unterschiedlicher als verkündet
Strategische Unterschiede waren vorhanden
Arbeitsplatzsicherheit nach wie vor offen
Zeitraum der Zusammenführung zu lang
Zeitpunkt der Veranstaltung zu früh;
Konkretes darf teilweise nicht gesagt
werden
bereiteten Sketch, bei dem sich ein BP- und ein
Aral-Mitarbeiter auf dem Weg zur Konferenz
Was ist noch offen?
ten (Casual-Kleidung mit Rucksack versus dunk-
•
•
ler Aufzug mit Aktentasche); der Sketch sollte
•
treffen und über die Kleidung des anderen spot-
die Atmosphäre lockern und gleichzeitig die kulturellen Unterschiede thematisieren. Durch den
•
Sketch sollten zudem Standards gesetzt werden
•
für die nachfolgenden zwei Tage, was den Um-
Ablauf der weiteren Kommunikation
Transparenz der Besetzung des
Integrationsteams
Aufbau und Ablauf der künftigen
Organisation, Details
Kulturfragen: Wie gehen wir
miteinander um?/Führungsstil
Wie arbeiten wir in den nächsten Wochen
effektiv zusammen?
gang miteinander anging (Offenheit, Ehrlichkeit
und Unvoreingenommenheit).
B) Vorträge des Top-Managements zum gegen-
58 Scholz, Holger, Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
wärtigen Stand der Integration, die auf folgende
Unternehmensreport Aral: strong2gether – die Fusion von
Fragen Antworten gaben: „Woher sind wir ge-
BP und Aral. In Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) –
kommen – wohin gehen wir? Was ist grün – was
Human Resource Management, 53. Ergänzungslieferung,
ist blau? Wie gehen wir den gemeinsamen Weg?“
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57, S. 31
| 49
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
D) Partnerinterviews zu Gelungenem und För-
Erste Dialogkonferenz –
derlichem der jeweils anderen Kultur nach der
Ablauf des zweiten Tages
Methode des appreciative inquiry (wertschätzende Untersuchung): „Was funktioniert gut bei
euch?“
59
; Durchführung in Zweier-Gruppen mit
A) Begrüßung durch den externen Moderator
und Rückspiegelung des Verhaltens der Teil-
50 Minuten Zeit für die Interviews; anschließende
nehmer am ersten Tag aus seiner Perspektive:
Vorstellung des interviewten Partners und seiner
Wo gab es Unterschiede und wo gab es Gemein-
Erfolgsgeschichte in einer Achter-Gruppe.
samkeiten zwischen den Teilnehmern und ihren
Unternehmenskulturen?
Abbildung 15: Der Leitfaden für das
appreciative-inquiry-Interview 60
B) open space: Die Teilnehmer der Dialogkonferenz selbst organisierten ihren zweiten Arbeits-
Beschreiben Sie mir eine Begebenheit
oder Situation aus Ihrem Arbeitsumfeld,
die Sie als besonders positiv empfunden
haben. Hierbei geht es um selbst Erlebtes
oder Beobachtetes. Sei es, dass Sie im
Team etwas Außergewöhnliches erreicht
haben, sei es eine nette Geste aus dem
Arbeitsalltag oder bereits aus dem Integrationsprozess, sei es etwas anderes –
berichten Sie von einer Situation, die Sie
inspiriert hat, die überaus positiv war, sodass Sie Ihnen aufgefallen ist.
tag und die Themen, an denen sie arbeiten wollten.
Beschreiben Sie die Begebenheit oder
Situation:
(Hrsg.) (2002) – Change Handbook. Heidelberg: Carl-Auer-
•
zu einer wertschätzenden Atmosphäre führen, indem im
Wer war beteiligt? Was war Ihre Rolle?
Wie fühlten Sie sich? Nennen Sie die
Ursachen, die zum Erfolg führten
(Erfolgsfaktoren).
Die 150 Teilnehmer nahmen sich zehn Themen
zur Bearbeitung vor, an denen jeweils zwei
Stunden intensiv gearbeitet wurde. Abschließend
leiten die Präsentationen der Ergebnisse der
Arbeitsgruppen in eine Diskussion über.
59 Vgl. die Darstellung in Holman, Peggy & Devane, Tom
Systeme Verlag. Der Ansatz des appreciative inquiry soll
ersten Anlauf bewusst nicht nach den existierenden Problemen gefragt wird, sondern nach dem, was gut gelaufen ist oder was positiv an anderen Kollegen/Abteilungen/
Mit Blick auf die Zukunft:
Bereichen empfunden wird. Diese Gemeinsamkeiten wer-
•
den dann zur Veränderung der Organisation benutzt.
Nennen Sie drei wichtige Entscheidungen
oder Maßnahmen, die getroffen werden
müssen, um in Ihrem Unternehmen noch
mehr Erfolgsgeschichten und Höhepunkte
zu erleben als bisher.
60 Scholz, Holger, Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
Unternehmensreport Aral: strong2gether – die Fusion
von BP und Aral, In Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) –
Human Resource Management, 53. Ergänzungslieferung,
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57, S. 37
E) Abschluss der Veranstaltung mit einem von
61 In Anlehnung an die open space technology (OST) so
allen Teilnehmern gemeinsam bereiteten
benannt. Bei der OST gibt es keine festen Abläufe, die
Abendessen (open space catering ); Aufgabe
Teilnehmergruppe soll sich selbst steuern und die für
für die über 100 Teilnehmer war es, das gemein-
sie wichtigen Themen bearbeiten. Die vier Grund-
same Abendessen selbst vorzubereiten. Durch
prinzipien der OST sind nach Holman, Peggy & Devane,
diese Organisationsform wurde den Teilnehmern
Tom (Hrsg.) (2002) – Change Handbook. Heidelberg,
Eigeninitiative und Mitverantwortung abver-
Anhang: „Jeder Teilnehmer ist immer die richtige
langt, was dem Integrationsprozess einen ent-
Person. Das, was geschieht, ist das Einzige, was gesche-
scheidenden Schub geben sollte.
hen kann. Der Event startet immer zur richtigen Zeit.
61
Wenn der Event vorbei ist, ist es vorbei.“ Vgl. Owen,
Harrison (1992) – Erweiterung des Möglichen – Die
Entdeckung von Open Space. Stuttgart: Klett-Cotta
50 |
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Abbildung 16: Die Themen des open
mittlung der konkreten Ziele auf Teams und
space bei dem ersten Integrationsforum62
Personen mit der Ableitung von Handlungsprogrammen.
1. Was müssen wir tun, damit die
Integration nicht klappt?63
2. Organisation von Veranstaltungen für
den fachlichen Austausch zwischen
Mitarbeitern und Kollegen
Zweite Dialogkonferenz –
Ablauf des ersten Tages
3. Zusammenfinden – sich kennenlernen
A) Vorträge von Führungskräften zur neuen
4. Definition des Kompetenzrahmens der
Bezirksleiter
Strategie der Business Unit Tankstellen und den
5. Überzeugen statt anordnen
kick-off für das weitere Vorgehen. Die Teil-
6. Forderungen an die Distriktleiter
nehmer machten sich Notizen zu den Vorträgen
7. Integration der Tankstelleneigentümer
und -pächter
anhand der Fragestellungen „Was war das
8. Training für den neuen Job –
„Know-how-Transfer“
wissen?“
Konsequenzen für die einzelnen Regionen als
Wichtigste für mich?“ und „was möchte ich noch
9. Gemeinsamer Tankstellenbesuch
Grün/Blau
B) Anschließend fand eine Vertiefung dieser
10. Mitwirkung bei neuem Einsatzgebiet
Thematik mit den (teilweise neu benannten)
Regional- und Geschäftsbereichsleitern in paral-
C) Abgeschlossen wurde diese Dialogkonferenz
lelen Workshops mit Achter-Teams für 90 Minuten
durch eine abschließende Rückmeldung der
statt; spezifische Fragen konnten in diesem
Teilnehmer und des Managements zu den
intimeren Rahmen zwischen Vorgesetzten und
Arbeitsergebnissen, dem Arbeitsklima und dem
Mitarbeitern abgeklärt werden.
Kontakt zu den Kollegen aus dem „anderen
Lager“.
Etwa sechs bis acht Monate nach dieser ersten
Veranstaltung folgte ein zweiter Block, bei dem
sich die Ausgangssituation der Teilnehmer
62 Scholz, Holger, Studt, Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) –
wesentlich geändert hatte. Die neuen Strukturen
Unternehmensreport Aral: strong2gether - die Fusion von
standen mit der Zuordnung von Führungs-
BP und Aral, In Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) –
kräften und Mitarbeitern zu Arbeitsteams.
Human Resource Management, 53. Ergänzungslieferung,
Aufgabenstellung für die zweite Veranstaltung
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57, S. 40 ff.
war jetzt nicht mehr das Kennenlernen der
63 Interessant waren die Antworten auf diese paradoxe
Teilnehmer oder die Auseinandersetzung mit
Fragestellung: „Böswilligkeit (z. B. „BP als Verlierer der
Unternehmenskulturen. Im zweiten Block soll-
Fusion bezeichnen, da die Marke verschwindet“);
ten die Teilnehmer an konkreten Themen wie
Ressentiments (z. B. „Engländer raus“); Verhaltensweisen
der Teamorganisation oder der Umsetzung der
(z. B. „Abwarten“, „keine Vollmachten geben“, „Integration
Bereichsziele arbeiten.
ist Sache von Integrationsmanagern“, „Konsequente Dieund Wir-Kommunikation“); Sitten und Gebräuche (z. B.
Die drei dramaturgischen Schritte dieser Ver-
„durch Kleidung farblich trennen“, „Haben wir schon
anstaltung waren 1) „Wir haben es geschafft!“ –
immer so gemacht“) ...“ Zitiert nach Scholz, Holger, Studt,
Abschluss der Vergangenheit, 2) „Die Zukunft
Jürgen F. & Zech, Rainer (2004) – Unternehmensreport
bitte! – Wie sieht das für uns aus?“ – die Strate-
Aral: strong2gether – die Fusion von BP und Aral, In
gie des Unternehmens wurde auf die Bereiche
Knauth, Peter & Wollert, Artur (Hrsg.) – Human Resource
heruntergebrochen und 3) „Let's go! – Was sind
Management, 53. Ergänzungslieferung, Oktober 2004. Köln:
die nächsten Schritte in die neue Welt?“ – Ver-
Deutscher Wirtschaftsdienst. 9.57, S. 40 ff.
| 51
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
C) world café: Die Teilnehmer wurden in kleine
C) Die den zweiten Tag abschließende Aufgabe
Gruppen mit bis zu acht Personen pro Tisch unter-
sollte die Teilnehmer noch einmal emotional auf
teilt und mussten jeweils eine identische Frage-
eine gemeinsame Reise schicken. In einem
stellung unter Anleitung eines Moderators bear-
Kunst-Aktionsworkshop sollten die Teilnehmer
beiten. Bei dieser Dialogkonferenz war es das
gemeinsam eine Straße in die Zukunft bauen.
Thema „Letzte Tankstelle vor der Autobahn: Was
Jeder Teilnehmer erhielt eine vorbereitete,
ich noch sagen/fragen wollte, bevor es losgeht ...“
gerahmte Leinwand als „Pflasterstein“ für diese
Nach der Bearbeitung des Themas wurde das
Straße, der individuell gestaltet werden sollte.
Ergebnis mit den Ideen und Statements der
Alle Teilnehmer dieser Dialogkonferenz sollten
Teilnehmer auf Flipcharts visualisiert. Nach
ihre Fußspuren auf dieser Straße hinterlassen,
20 Minuten sollte sich jeder Teilnehmer eine
sodass sich die Teilnehmer ihre Füße bemalten
neue Gruppe aussuchen, um mit anderen Teil-
und ihren eigenen Pflasterstein künstlerisch
nehmern das gleiche Thema auf der Grundlage
gestalteten. Anschließend wurde die gemeinsa-
der bereits vorhandenen Ideen erneut zu disku-
me Straße in die Zukunft gebaut. Eine Vernis-
tieren. Nach einer dritten Runde dieser Art waren
sage beendete diese Dialogkonferenz.
auf diese Art und Weise viele Ideen intensiv und
systematisch unter einer hohen Beteiligung aller
Weiterhin wurden alle Mitarbeiter der deutschen
Teilnehmer ausgetauscht worden. Eine Plenums-
BP eingebunden in die bereits existierende BP-
diskussion über die Ergebnisse dieser Diskus-
Mitarbeiterbefragung (people assurance survey),
sionsrunden schloss diesen Tag ab.
eine weltweite, anonyme Befragung aller BPMitarbeiter.64 Über diese Befragung sollte einmal
Zweite Dialogkonferenz –
jährlich das Betriebsklima überprüft werden;
Ablauf des zweiten Tages
später fand diese Mitarbeiterbefragung alle zwei
Jahre statt. Jeder Mitarbeiter der deutschen BP
A) Kurzvortrag durch einen Berater zum Thema
wurde schriftlich bzw. elektronisch befragt, wie
„Winning Teams“ mit nachfolgender Aufgaben-
er das Verhalten seines Vorgesetzten oder aber
stellung an die neu zusammengestellten Teams
das Management einschätzt und wie er sich von
und ihre jeweiligen Führungskräfte: „Erarbeiten
der Firma behandelt fühlt, was er über die
Sie für Ihren Bereich die „Zehn Gebote“, mit
Firma weiß und wie stark er sich mit BP verbun-
denen sie erfolgreiche Teamarbeit sicherstellen
den fühlt. Über ein standardisiertes Fragenset
wollen!“
entstand so ein Meinungs- und Stimmungsbild
zu folgenden Themengebieten:
B) Die zweite Aufgabenstellung für die Arbeitsteams an diesem Tag lautete: „Was sind aus
—
BP als einzigartiges Unternehmen
Ihrer Sicht die größten ein oder zwei Hebel, die
—
Markenbewusstsein/Ausrichtung der BP
Sie selbst betätigen müssen, damit die Strategie
—
Arbeitsumfeld/Vorgesetzter
erfolgreich umgesetzt werden kann?“ Erweitert
—
Bezahlung/Sozialleistung/Anerkennung
wurde diese Aufgabenstellung durch die Bear-
—
Vertrauen und Respekt
beitung des unternehmensinternen Kunden-
—
diversity & inclusion (Vielfalt & Einbeziehung)
Lieferanten-Verhältnisses: „Was können wir
—
Persönliche Entwicklung
selbst tun, um die Zusammenarbeit mit den
anderen Abteilungen, Bereichen und unseren
Kunden erfolgreicher zu machen?“ Alle Ergebnisse wurden auf Pinnwänden visualisiert und
in einem Informationsmarkt allen Teilnehmern
64 BP berichtet, dass sich in 2004 74 % der teilnahmebe-
zugänglich gemacht.
rechtigten Mitarbeiter am PAS beteiligt haben. BP (2005) –
Nachhaltigkeitsbericht 2004. London. S. 3
52 |
Die Fallstudie | Kulturelle Integration
Die Vorgehensweise bei der Auswertung erfolgte
standardisiert: 65
—
Viele Mitarbeiter sind sich nicht sicher,
ob sie dem Management trauen können.
Dieses Misstrauen wird auch dadurch deut-
1) Die Ergebnisse werden von HR zunächst den
lich, dass rund die Hälfte der Mitarbeiter
Betriebsräten vorgestellt.
glauben, die Ergebnisse aus dem PAS
würden nicht ernst genommen und
2) In einem zweiten Schritt werden die
Verbesserungsmaßnahmen nicht ergriffen.
Einzelergebnisse in Arbeitsgruppen mit
Betriebsräten und Mitarbeitern besprochen, um
eine gemeinsame Sicht der Ergebnisse zu erreichen. Natürlich wird dann auch gleich darüber
Abbildung 17: People assurance survey
gesprochen, was sich verbessern lässt.
3) Das soll dann eher kurzfristig geschehen,
nicht zuletzt um den Effekt beim nächsten PAS
erkennbar werden zu lassen.
Es wurde ein Index gebildet, der employees satisfaction index (ESI), der ein Stimmungsbild über
die Lage der Mitarbeiter gab. Dieser ESI konnte
beliebig auf der Ebene von Standorten, von
Business Units oder Funktionen aggregiert werden, sodass differenzierte Aussagen zur
Stimmungslage der Mitarbeiter möglich waren.
So konnte das Integrationsteam standardisiert
überprüfen, ob bestimmte Themen während der
Integration nicht genügend Beachtung gefunden
hatten. Optimierungsmaßnahmen konnten anschließend ergriffen werden. Exemplarisch sei
der Kommentar zu den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung von 2004 zitiert.66
Die Antworten zeigen, dass
—
die Arbeit in den Teams gut funktioniert,
—
das Verhältnis zu den direkten Vorgesetzten
—
insgesamt gesehen die Mitarbeiter stolz
stimmt,
darauf sind, für BP zu arbeiten.
Gleichwohl, und das ist sehr wichtig, gibt es in
einzelnen Bereichen z. T. deutlichen
Verbesserungsbedarf:
65 Deutsche BP AG (2004) – Mitarbeiterinformation von
—
Das Ergebnis für die Deutsche BP zeigt u. a.,
Wilhelm Bonse-Geuking und Hans-Jürgen Fleckhaus zu den
dass Führungskräfte offensichtlich zu wenig
Ergebnissen des PAS
mit ihren Mitarbeitern sprechen.
66 Deutsche BP AG (2004) – Mitarbeiterinformation von
Auch wurde die außerordentliche Arbeits-
Wilhelm Bonse-Geuking und Hans-Jürgen Fleckhaus zu den
belastung für jeden einzelnen Mitarbeiter
Ergebnissen des PAS
—
sehr kritisch bewertet.
| 53
Die Fallstudie | Personelle Integration
Die personelle Integration
—
Schaffen von Regelungen für die notwendig
werdenden Umzüge von Mitarbeitern zu
Die personelle Integration mit ihren oft „harten“
Maßnahmen wie Entlassungen stellt den Lack-
neuen Arbeitsplätzen
—
Organisation der Arbeit des Personalbereichs
mus-Test für die in Leitbildern aufgestellten
innerhalb der neuen Organisations-
Grundwerte zum Verhältnis des Unternehmens
strukturen.68
zu seinen Mitarbeitern und für die dort postulierten Verhaltensmaßstäbe dar. Bei der deut-
Die anstehenden Verhandlungen mit Gewerk-
schen BP war von Beginn an klar, dass zum
schaften und Betriebsräten gehörten mit Sicher-
Erreichen der geplanten Synergien Arbeitsplätze
heit zu den wichtigsten Aufgaben der personel-
gestrichen werden sollten. Für das Unternehmen,
len Integration. Zum 01.02.2002 übernahm die
seinen Umgang mit seinen Mitarbeitern und
deutsche BP 51 % der Anteile an der Veba Oel
damit die Unternehmenskultur spricht, dass
und damit auch die operative Kontrolle: Die
diese erhebliche Personalreduktion im Folgen-
Integration konnte nun auch formell beginnen.
den ohne betriebsbedingte Kündigungen reali-
Schon im Februar 2002 wurde eine Integra-
siert wurde. Insgesamt gesehen waren die
tionsvereinbarung mit der zuständigen
Herausforderungen für die Unternehmens-
(Industrie-) Gewerkschaft Bergbau, Chemie und
leitung und das Ressort Human Resources (HR)
Energie (IGBCE) und den Betriebsräten
in Bezug auf die personelle Integration vielfältig.
getroffen69, in der die Unternehmensleitung
Zusagen zur Sicherheit von Arbeitsplätzen und
Dazu gehörten beispielsweise:67
—
Mitbestimmung machte.70
Schnelles Schaffen einer tragfähigen
Position innerhalb der HR-Abteilungen von
BP, Veba Oel und Aral, um mit den
Betriebsräten überhaupt in Verhandlungen
treten zu können
—
—
—
—
—
Ist-Analyse der verschiedenen Ausgangs-
67 Ein exemplarischer Katalog für das Arbeitsspektrum
situationen und Entwurf eines Sollzustands
eines Personal-Integrationsteams findet sich bei
an Regelungen mit den entsprechenden
Scharfenkamp, Norbert et al. (2002) – Erfolgreiches
finanziellen Auswirkungen für Mitarbeiter
Personalmanagement im M&A-Prozess. Düsseldorf. S. 87 ff.
wie Unternehmen
68 Beispielsweise musste die Frage entschieden werden,
Mitarbeit beim Schaffen neuer gesellschafts-
welche Personalthemen von der BP-Holding, welche von
rechtlicher Organisationseinheiten mit den
den Tochterunternehmen und welche von den Business
entsprechenden Betriebsübergängen der
Units bearbeitet werden sollten.
Mitarbeiter
69 Alle folgenden Vereinbarungen zitiert nach: Deutsche
Verhandlungen mit den Betriebsräten:
BP AG (2004) – Präsentation von Hans-Jürgen Fleckhaus,
Zusammenführen von zwei unterschiedlichen
Arbeitsdirektor der deutschen BP AG, beim Arbeitskreis
Organisationswelten mit allen rechtlichen
Internationale Personalarbeit, 26. Februar 2004.
Regelwerken (Tarifverträge, Betriebsverein-
Gelsenkirchen
barungen und sonstige Regelungen)
70 Vgl. Scharfenkamp, Norbert et al. (2002) –
Definition der neuen Aufbauorganisationen
Erfolgreiches Personalmanagement im M&A-Prozess.
mit der Zuordnung von Mitarbeitern auf
Düsseldorf. S. 140, der nachdrücklich darauf hinweist,
Stellen
dass solche Vereinbarungen mit Gewerkschaften und
Personalauswahl sowie Verhandlungen mit
Betriebsräten am besten vor einer Übernahme oder
den Betriebsräten wegen des Personalabbaus
direkt anschließend getroffen werden, um Rechtsstreitigkeiten und Probleme zu vermeiden.
54 |
Die Fallstudie | Personelle Integration
Zur Sicherheit der Arbeitsplätze wurde zugesagt:
leitung sagte weiterhin zu, dass bestehende
Betriebsrat-Strukturen fortgeführt würden bis
—
Der Schwerpunkt des Unternehmens bleibt in
zur Neuwahl der Betriebsräte nach dem
Nordrhein-Westfalen
Abschluss der Umstrukturierungen mit dem
—
Sicherung der Standorte
Zieldatum Oktober 2003.
—
Schaffung eines konzernweiten Stellenmarktes
—
Fortführung der Erstausbildung
Mit den Betriebsräten wurden darüber hinaus
—
insourcing und outsourcing werden geprüft
im Februar 2002 folgende Grundsätze zum
unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit,
Personalübergang getroffen:
der Qualität und von HSSE (health, saftey,
security, environment)
—
Abbau von Mehrarbeit
—
Ausbau der Teilzeitarbeit
—
Angebot von Qualifizierungsmaßnahmen
—
Alle Betriebsübergänge erfolgen vor dem
—
Es wird ein „Bruttoübergang“ des Personals
Hintergrund des § 613a BGB.
stattfinden, bei dem alle Arbeitsverhältnisse
auf die neu zu gründenden Gesellschaften
In Bezug auf die Mitbestimmung wurde den
übertragen werden. Erst nach diesem Brutto-
Betriebsräten zugesichert:
übergang werden Organisationsalternativen
erarbeitet mit Vorschlägen zu Stellen und
—
Es wird ein Aufsichtsrat der „neuen“
Qualifikationen, um dann auf dieser Basis
deutschen BP mit 20 Mitgliedern gebildet.
die „Netto-Organisationen“ zu schaffen.
—
Die IGBCE hat ein Vorschlagsrecht bei der
—
Ernennung der Arbeitsdirektoren.
—
Arbeitsvertragsbedingungen (terms & condi-
Die Bestellung der Arbeitsdirektoren kann
tions) stattfinden unter Beteiligung der
nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmer-
Betriebsräte.
vertreter erfolgen.
—
Es wird eine Harmonisierung der vielfältigen
—
Alle Betriebsräte bleiben bis zu den
Sozialpläne und Altersversorgungssysteme
Neuwahlen im Amt.
geben.
—
Für Neueintritte wird ein BP-einheitliches
—
Es wird zu einer Gründung einer Betriebs-
Sicher war, dass das neue Unternehmen weiterhin mit der IGBCE als zuständiger Gewerkschaft
Es wird eine Fortführung der bestehenden
Altersversorgungssystem geschaffen.
verhandeln würde, da sich der Wirtschaftszweig
krankenkasse (BKK) der deutschen BP
des Unternehmens durch den merger nicht
kommen.
ändern würde. Die Betriebsräte hatten ein
—
Betriebsbedingte Kündigungen sind
Mandat ihrer Belegschaft, sie selbst würden
nicht auszuschließen – bleiben aber das
ebenfalls mit der neuen Struktur in neue, noch
„letzte Mittel“.
zu gründende Unternehmen wechseln. Wer
jedoch sollte an den komplexen Vereinbarungen
zur Regelung von neuen Arbeitsbedingungen in
den neuen Gesellschaften beteiligt werden,
wenn es für diese Gesellschaften noch keinen
Betriebsrat gab? Mit den Betriebsräten wurde
deshalb vereinbart, dass eine Arbeitsgemeinschaft aller an der Umstrukturierung beteiligten
Betriebsräte gegründet würde. Betriebsräte und
Wirtschaftsausschüsse würden regelmäßig über
den Status der Integration sowie geplante Maßnahmen informiert werden. Die Unternehmens| 55
Die Fallstudie | Personelle Integration
Noch konkreter wurde es im nächsten Schritt.
Schritt wurden dann die konkreten Stellen der
Mit den Betriebsräten wurde ein umfangreiches
neuen Gesellschaften mit der dann noch vorhan-
Maßnahmenpaket zur Neuordnung verein-
denen Belegschaft gekoppelt. Nachdem sich
bart, das auch Aussagen zum bereits kommuni-
zuerst der Betriebsrat in einer Klausur über
zierten Personalabbau enthielt:
Stellen und Namen verständigt hatte, konnten in
einem zweiten Schritt Vorgesetzte mit ihren Mit-
—
Fortführung der Frühpensionierungen
arbeitern sprechen. Zeitgleich wurde eine unter-
ab dem 53. Lebensjahr
nehmensinterne Jobbörse ins Leben gerufen, bei
—
In Einzelfällen Frühpensionierungen
der offene Stellen angeboten wurden für Mit-
ab dem 50. Lebensjahr
arbeiter, die den Standort nicht wechseln wollten
—
Altersteilzeitregelungen
oder die durch die Neustrukturierung keine Plan-
—
Abfindungsregelungen
stelle mehr hatten. Insgesamt wurden 920 Mit-
—
Auslaufen befristeter Verträge
arbeiterumzüge vorgenommen, für die Rege-
—
Mitarbeiterumzüge
lungen getroffen werden mussten, beispiels-
—
Umzugsbeihilfen für integrationsbedingten
weise zur Erstattung von Makler- und Umzugs-
Standortwechsel
kosten.
—
Informationsveranstaltungen/-reisen etc.
zu den neuen Standorten
Weiterhin mussten die unterschiedlichen HR-
—
Jobbörse
Regelwerke der beteiligten Unternehmen har-
—
Interne Vermittlung vakanter Stellen zur
monisiert werden. Die Deutsche BP mit rund
Lösung integrationsbedingter Besetzungs-
1.500 Mitarbeitern hatte mit der Übernahme
probleme
von Veba Oel nicht ein einziges Unternehmen
gekauft mit rund 8.600 Mitarbeitern und einem
56 |
Die Arbeitnehmer hatten auch nach der recht-
kompakten HR-Regelwerk, sondern neben der
lichen Neudefinition der Unternehmen (legal
Veba Oel als Holding in Gelsenkirchen auch
completion date am 01.10.2002) und dem Wechsel
deren in- und ausländische Tochter- und Enkel-
in eine neue BP-Gesellschaft eine Phase der
unternehmen. So gab es viele unterschiedliche
Unsicherheit in Bezug auf ihr individuelles
Regelungen, die mit der BP-Welt zu harmonisieren
Arbeitsverhältnis vor sich. Denn es handelte
waren. Ziele dieser Harmonisierung waren bei-
sich bei diesen Betriebsübergängen nur um
spielsweise die Herstellung von vergleichbaren
einen Bruttoübergang mit der Zuordnung von
Vertragskonditionen für bestimmte Mitarbeiter-
Mitarbeitern zu Gesellschaften. Die Ausstattung
gruppen, um mehr Transparenz und Gerechtig-
der neuen Gesellschaften mit konkreten Plan-
keit zu schaffen und um Führungskräften ein-
stellen erfolgte erst in einem zweiten Schritt –
heitliche Regelungen für gleichartige Positionen
und damit auch eine Aussage über den notwendig
zu bieten, die Durchsetzung von corporate poli-
werdenden Stellenabbau, die Eingruppierung
cies aus der BP-Welt bei den neu akquirierten
der Stellen und die Qualifikationsanforderungen.
Gesellschaften sowie die Schaffung von Kosten-
Die Unternehmensleitung hatte mit den
synergien durch ein einheitliches Personalmanage-
Betriebsräten vereinbart, dass der notwendige
ment (Vereinfachung administrativer Abläufe).
Stellenabbau sozialverträglich erfolgen sollte.
In einem ersten Schritt wurde eine Bestands-
Deshalb wurde in einem ersten Schritt allen
aufnahme aller infrage kommenden Tarifverträge,
Mitarbeitern über 53 Jahren ein Angebot zur
Betriebsvereinbarungen und Richtlinien bei den
Frühpensionierung gemacht. In einem zweiten
akquirierten Unternehmen und bei der deut-
Schritt wurden Mitarbeiter befragt zu ihrer
schen BP erstellt. Diese Bestandsaufnahme
Bereitschaft, den Arbeitsplatz – beispielsweise
betraf Kernbestandteile der Arbeitsverhältnisse
im Rahmen der Zusammenlegung der Haupt-
(z. B. Gehalt, Arbeitszeit), Regelungen, die nur
verwaltungen – zu wechseln. Erst im dritten
eine kleine Mitarbeitergruppe betrafen
Die Fallstudie | Personelle Integration
(z. B. Regelungen für die außertariflichen Mit-
Eine erste Sichtung ergab mehr als 50 unter-
arbeiter) oder Regelungen, die nur einen geringen
schiedliche Regelungen. Diese Bestandsauf-
Geldwert, aber einen hohen Symbolgehalt hatten
nahme ergab außerdem, dass einige Gesell-
(z. B. Aral-Tankkarte).
schaften einen gültigen Flächentarifvertrag mit
Diese Sammlung beinhaltete beispielsweise:
der IGBCE und andere einen Haustarifvertrag
—
mehr als 15 unterschiedliche Mantel- oder
hatten. Bei rund 95 % der gesammelten Rege-
Haustarifverträge, z. B. Manteltarifvertrag,
lungen waren Gewerkschaften oder Betriebsrat
Vergütungstarifvertrag (zwölf oder dreizehn
bei einer eventuellen Neuregelung zu beteiligen,
Tarifgruppen, unterschiedliche Entgelthöhe
da es sich um mitbestimmungspflichtige Themen
der Tarifgruppen), Tarifvertrag zu vermögens-
handelte. Eine Vereinheitlichung aller Regelungen
wirksamen Leistungen, Tarifvertrag zur
auf dem Verhandlungsweg mit den Betriebs-
Altersteilzeit, Rationalisierungsschutz-
räten wäre wahrscheinlich sehr teuer geworden,
abkommen, Tarifvertrag zur Kurzarbeit etc.
da sich aus der Sicht der Betriebsräte eher die
mit Regelungen zu regelmäßiger Arbeitszeit
für die Arbeitnehmer günstigste Regelung als
(37,5 oder 38 h/Woche bei gleichem Entgelt),
Lösung angeboten hätte. Die Arbeitsgruppe aus
Mehrarbeit, Rufbereitschaft, Entgeltfort-
Betriebsräten und Mitarbeitern der Personal-
zahlung im Todesfall, Urlaub, Verdienst-
abteilungen musste also einen Filter entwickeln,
sicherung im Alter etc.
der sinnvoll festlegte, wo harmonisiert werden
musste und wo nicht. Die Arbeitsgruppe legte
—
Betriebsvereinbarungen zum Gehaltssystem
gemeinsam folgende drei Gruppen von Rege-
für außertarifliche Angestellte
lungen mit unterschiedlichem Harmonisierungs-
—
Betriebsvereinbarungen zur Ergonomie am
bedarf fest:
—
Regelung zum Bezug einer Aral-Tankkarte
Arbeitsplatz
—
Regelung über Bonuszahlungen
—
Richtlinie über die Gewährung von
—
Richtlinie zu Reisekosten und zu
—
Richtlinie zum Bezug von Mitarbeiteraktien
Fortbildungsmaßnahmen
Dienstreisen
—
Richtlinie zu Dienstwagen
—
Richtlinie zur Mitarbeiterentsendung ...
| 57
Die Fallstudie | Personelle Integration
Abbildung 18: Strukturierung der HR-Bestandsaufnahme 71
A
B
C
Grundsätze, einheitlich für alle Mitarbeiter im Konzern, z. B.
ß
Sicherheitsgrundsätze (z. B. Alkohol- und Drogenpolicy)
ß
Betriebliche Altersversorgung
ß
Besitzstandswahrung bei Mitarbeiter-Übergang
ß
Leistung und Leistungsbelohnung; Beurteilungssystem
ß
AT-Gehaltssystem-Grundsätze, Level
Regelungen für die einzelnen GmbHs, z. B.
ß
Tarifvertrag für diese Gesellschaft
ß
Betriebliche Altersversorgung für diese Gesellschaft
ß
Betriebsstätten-übergreifende Betriebsvereinbarungen
ß
Bonuspolicy ...
Regelungen für einzelne Betriebsstätten der GmbHs, z. B.
ß
Arbeitszeit- und Gleitzeitregelungen
ß
Kantinen-, Parkplatz- und Bereitschaftsregelungen
ß
Qualifizierungssysteme ...
—
Gruppe A enthielt Regelungen, die harmoni-
tigsten Regelungen gegenüberstellte und eine
siert werden mussten. Die bestehenden
Handlungsempfehlung für die Geschäfts-
Regelungen hätten entweder gegen corporate
—
—
leitung abgab.
policies der BP verstoßen oder zu einem
Viele Regelungen mussten unter großem Zeit-
gefährlichen Auseinanderdriften der einzel-
druck mit den Betriebsräten verhandelt werden;
nen Gesellschaften geführt.
die Zeitschiene von der Installierung der Ar-
Gruppe B beinhaltete Vereinbarungen, die
beitsgruppen bis zum vorläufigen Abschluss der
jede Gesellschaft selbst regeln konnte. Hier
Verhandlungen mit der Unterschrift unter den
bestand kein Handlungsbedarf im Sinne einer
ersten Interessenausgleich am 30. September
Harmonisierung über die einzelnen Gesell-
2002 betrug nur rund sechs Monate. Dann
schaften hinweg. Hier sollten nur konsistente
unterzeichneten Betriebsräte und Unternehmens-
Regelungen innerhalb der jeweiligen Gesell-
leitung den Interessenausgleich zu den neuen
schaften für alle Mitarbeiter gefunden werden.
Arbeitsvertragsbedingungen (terms & conditions).
Bei der Gruppe C bestand dieser Harmoni-
Erschwerend für die Arbeitsgruppen kam hinzu,
sierungsbedarf schließlich nur auf der Ebene
dass nicht alle betroffenen Gesellschaften zu
der einzelnen Betriebsstätten, die frei in den
100 % zur deutschen BP gehörten; in vielen Joint
Verhandlungen mit ihren Betriebsräten
Ventures der deutschen BP konnten Verände-
waren. Die Personalabteilung musste dann
rungen im bestehenden Regelwerk nur in Ab-
für die Verhandlungen mit den Betriebsräten
sprache mit dem Joint Venture-Partner angegan-
die möglichen finanziellen Auswirkungen
gen und verhandelt werden.
einer Harmonisierung kalkulieren und den
58 |
Handlungsbedarf aus ihrer Sicht definieren.
71 Deutsche BP AG (2003) – Terms & Conditions bei VORP
Es wurde eine Synopse erstellt, die die wich-
und VVG, Bestandsaufnahme
Die Fallstudie | Personelle Integration
Abbildung 19: Die Führungskräfte nutzen die Management-Konferenzen zum regen
Austausch, um den one company-Gedanken zu stärken.
| 59
Lessons learned | Fazit aus Unternehmenssicht
Lessons learned
Das Fazit aus Unternehmenssicht
ments im Gegensatz zur üblichen Praxis bei
Zusammenschlüssen an Bord blieb – ein nicht
Die abschließende Bewertung einer Integration
zu unterschätzender Faktor.
im Rückblick wird immer sehr unterschiedlich
ausfallen, je nachdem welche Perspektive einge-
Außerordentlich hilfreich war es auch, dass der
nommen wird. So werden Mitarbeiter, die un-
Veba-Oel-Konzern bereits einige Jahre vor dem
mittelbar und persönlich (zusammen mit ihren
merger damit begonnen hatte, sich zu einer
Familien) von einer Versetzung an einen ande-
„Lernenden Organisation“ zu entwickeln. In die-
ren Arbeitsplatz oder einem Umzug betroffen
sem Zusammenhang wurden Führungskräfte
sind, die Integration anders bewerten als Füh-
und Mitarbeiter durch eine frühzeitige, umfang-
rungskräfte, die einen globaleren und weniger
reiche und offene Kommunikation dafür sensibi-
persönlichen Blickwinkel einnehmen werden,
lisiert, dass Veränderungen notwendig sind. So
weil ihr Hauptaugenmerk der schnellen Funk-
wurde verstanden, dass Veba Oel/Aral bei BP
tionsfähigkeit der Organisation, der Position des
(im Gegensatz zu E.ON) als wesentliche strategi-
Unternehmens gegenüber den Wettberbern so-
sche Stärkung in Europa willkommen war.
wie den Kosten der Integration gilt. An dieser
Stelle werden mit Wilhelm Bonse-Geuking und
Schließlich war es ein großer Vorteil, dass es bei
Dr. Uwe Franke die beiden Vorstandsvorsitzenden
der Integration von BP und Veba Oel kaum
der deutschen BP nach dem merger zitiert.
„Verlierer“ gab. Es gab einen Neuanfang und
Wilhelm Bonse-Geuking zieht folgende Bilanz
für fast alle Mitarbeiter zahlreiche berufliche
der Integration:
und auch private Veränderungen – durch
Umzüge, neue Vorgesetzte, neue Marken, neue
Die Zusammenführung von BP und Veba Oel/
Geschäftsprozesse, neue Unternehmenskul-
Aral war ein großer Erfolg, wie der wirtschaft-
turen, durch die Firmensprache Englisch etc.
liche Erfolg und die unbestrittene Marktführer-
Dieser Neuanfang wurde symbolisiert durch
schaft des „neuen“ Unternehmens belegen.
das neue Motto in unserer Kommunikation
Neben der professionellen Bewältigung dieser
„strong2gether“. Das Programm hatte einen
hard facts gab es für mich drei zentrale Erfolgs-
Namen: Aus 1 + 1 mache mehr als 2. Und so
faktoren für die Fusion:
kam es auch.
Zum einen war die Schnelligkeit, mit der die beiden Unternehmen zusammengeführt wurden,
immens wichtig. Den Zeitraum der unvermeidbaren Unsicherheit für die Mitarbeiter konnten
wir vergleichsweise kurz halten. Dies war möglich, weil BP als neuer Eigentümer diesen Prozess minutiös vorgeplant hatte, und weil der
weitaus größte Teil des Veba Oel-/Aral-Manage60 |
Lessons learned | Fazit aus Unternehmenssicht
Dr. Uwe Franke, zum Zeitpunkt des Interviews
vielem der von BP in Deutschland gleicht. Des-
in der Mitarbeiterzeitschrift strong2gether noch
halb fällt es vielen Mitarbeitern relativ leicht,
Vorstandsvorsitzender der Aral AG, Vorstand
mit Aral zusammenzuarbeiten. Bei Veba Oel
der deutschen BP und Leiter der BU Retail für
haben wir noch Gesprächsbedarf. Wir müssen
Deutschland und Luxemburg, führte zum Auf-
uns öfter Klarheit verschaffen, weil wir Dinge
einandertreffen verschiedener Unternehmens-
unterschiedlich angehen ...
kulturen aus:
72
Ich glaube, es ist nicht möglich, das alles zusamBereits in der BP gab es eine Reihe von unter-
menzuführen, indem man sagt, wir entscheiden
schiedlichen Kulturen. Wir haben da auch eine
uns nur für eine Kultur. Der Trick ist, aus all
Kultur, die dazugekommen ist – aus dem Mobil-
diesen Kulturen etwas Neues zu schaffen ...
Joint Venture. Wir haben die Castrol-Kultur, die
eine völlig andere ist als die BP-Kultur. In der
Ganz wichtig ist, dass wir uns nicht abschotten,
Chemie haben wir mit der Erdölchemie (heute
aus dem internationalen BP-System abkoppeln
BP) eine fast reine Bayer-Kultur übernommen.
und sagen: Die BP in Deutschland ist zum großen
Denn die Erdölchemie mit über 2.000 Mitarbei-
Teil an ihr nationales Umfeld gebunden und
tern war unter dem Management von Bayer,
geht daher ihren eigenen Weg. Das wäre mit
und die Mitarbeiter verstanden sich als Bayer-
Sicherheit zum Scheitern verurteilt, denn die
Mitarbeiter; Ähnliches gilt für die Mitarbeiter
Deutsche BP ist keine Festung innerhalb der
in Marl, die aus der Hüls AG zu BP kamen. BP
BP-Welt. Wir müssen uns in das internationale
selbst ist also eine Mischung verschiedener
Organisationssystem der BP einfinden. Das mag
Kulturen und nicht einheitlich.
ein Drahtseilakt sein, aber wir gehen schon ein
ganzes Stück auf dem Drahtseil, wir halten das
Aber das, was wir als BP-Kultur bezeichnen,
Gleichgewicht und werden nicht herunterfallen.
basiert auf einer relativ flachen Hierarchie,
einem starken networking (= vernetzte Zusammenarbeit über die Grenzen der Business Units
hinaus) und einer starken Eigenverantwortung
(empowerment). Bei Aral und Veba Oel haben wir
etwas mehr von der deutschen Unternehmenskultur gefunden, die aber auch zwischen diesen
beiden deutlich unterschiedlich ist.
Unternehmenskultur entsteht ja nicht nur aus
der Historie eines Unternehmens: Sie finden im
Herstellungsbereich eine ganz andere Kultur als
im Marketing. Aral hat eine mehr vom Marketing beeinflusste Kultur angenommen, die in
72 Deutsche BP AG (2002) - strong2gether 5/2002. S. 7 f.
| 61
Lessons learned | Anmerkungen des Autors
Abschließende Anmerkungen des Autors
(beispielsweise mit einer einheitlichen reportingStruktur, der weltweit einheitlichen Umsetzung
Was fällt besonders auf bei einem distanzierten
von HSSE oder dem code of conduct), es gab aber
Blick auf den von der BP gewählten und hier
auch eine eigene Unternehmenskultur der
dargestellten Integrationsansatz? Zum einen ist
„neuen“ deutschen BP (nach dem beschriebenen
es die Komplexität der Ausgangslage und der zu
Motto: best of both) mit Subkulturen von Aral,
bewältigenden Aufgaben. Das in Bezug auf Mit-
Castrol oder den Raffineriebetrieben, ohne dass
arbeiterzahl, Umsatz und Marktanteil kleinere
dies zu Irritationen geführt hätte.
Unternehmen hatte ein größeres Unternehmen
gekauft. Wer würde also wen integrieren, d. h.
Auffällig ist weiterhin der vielfältige Einsatz
eingliedern oder einbinden? Das übernehmende
neuer Methoden bei der kulturellen Integration.
Unternehmen war zudem Teil eines sehr großen,
So wählen viele Unternehmen oft eine klassische
international aufgestellten Unternehmens mit
Informationsschiene zur Verkündung von neuen
starker angelsächsischer Ausprägung; das ande-
Strategien mit Vorträgen von Top-Managern,
re Unternehmen hatte die meisten Mitarbeiter in
optisch unterstützt von PowerPoint-Folien, bei
Deutschland und war eher national ausgerichtet.
denen aber wenig Interaktion mit den Teilneh-
Neben traditionellen Integrationsthemen kamen
mern entsteht. Die Deutsche BP hingegen wählte
hier also noch zusätzlich Themen unterschied-
lebendigere Arten der Information (z. B. das
licher Managementphilosophien und -verfahren
Printmedium strong2gether mit den Interviews
sowie kulturelle Verschiedenheiten hinzu.
der Vorstände durch Mitarbeiter und nicht durch
Zudem handelte es sich um Mitarbeiter aus zwei
ein Redaktionsteam) und – besonders hervorzu-
Unternehmen, die vor kurzem noch als Kon-
heben – neue Arten des Dialogs des Top-Manage-
kurrenten agierten. Deshalb war auf den ersten
ments mit Führungskräften wie Mitarbeitern,
Blick auch nicht ersichtlich, ob es sich in diesem
die die Teilnehmer aktiv in die Gestaltung der
Fall um einen merger oder eine Akquisition han-
events und damit der Integration einbezog (z. B.
delte. Aus der Perspektive der britischen
townhall-meetings, lunch & talk, open space,
Muttergesellschaft war es eindeutig eine, wenn
Informationsmärkte, Einsatz von Theater-
auch sehr große, Akquisition, bei der allerdings
gruppen).
das zugekaufte Unternehmen mit seinen Führungskräften und Mitarbeitern unbedingt „mit
Diese Wahl macht allerdings nur dann Sinn,
an Bord“ genommen werden sollte. Das machte
wenn das Top-Management in diesen Methoden
die Sache für die Konzerntochter Deutsche BP
nicht nur Garnierung oder Verpackung einer
schwierig und verlagerte den Schwerpunkt der
Botschaft sieht, sondern wenn diese Methoden
Integration hin zu den Ansätzen eines merger
Teil der Botschaft sind und das Management es
of equals. Dies spiegelte sich in dem für eine
ernst meint mit dem Angebot an die Mitarbeiter,
Akquisition eher unüblichen Integrationsmotto
gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Die Mitar-
best of both wider, das den Einbezug von
beiter ihrerseits entdecken schnell, ob dies nur
Führungskräften und Mitarbeitern des über-
Kosmetik ist oder ein Angebot, das Freiräume
nommenen Unternehmens in die Gestaltung
aufmacht und Beteiligung ermöglicht, aber auch
der Integration verdeutlichte.
die Übernahme von Verantwortung einfordert.
Die Deutsche BP wählte im hier beschriebenen
62 |
Differenziert wurde zudem das Thema der Unter-
Beispiel einen Ansatz, bei dem sie Elemente
nehmenskultur betrachtet und angegangen. Nicht
einer top-down-Veränderung mit Vorgaben
überall wurde die Notwendigkeit zu einer Verein-
bezüglich von Zielen mischte mit einem bottom-
heitlichung der Unternehmenskulturen der be-
up-Ansatz, bei dem die Mitarbeiter einen
teiligten Firmen gesehen. So gab es zwar Themen-
Handlungsspielraum hatten bei der Wahl von
bereiche mit einem für alle geltenden BP-„Dach“
Methoden zur Erreichung dieser Ziele.
Lessons learned | Anmerkungen des Autors
Schwierig und umstritten bleibt die Bestimmung
von Sinn und Nutzen derartig vielfältiger und
aufwendiger Maßnahmen zur Information der
Mitarbeiter und ihrer Einbindung in Veränderungsprozesse, da sich ihr Nutzen nicht direkt
messen lässt. Eine bessere Motivation der Mitarbeiter lässt sich erfühlen oder durch eine Mitarbeiterbefragung näherungsweise nachvollziehen.
Es fehlen aber letztendlich finanzielle Kennzahlen,
um einem wie immer gearteten Nutzen den entstehenden Aufwand an investierter eigener
Arbeit, der Zuarbeit von Externen (Moderatoren,
Berater), den Kosten für die Publikationen und
Veranstaltungen, den ausfallenden Arbeitsstunden während der Workshops etc. gegenüberzustellen. Entscheidendes Kriterium bleiben daher
der Führungsstil der Top-Manager und die Art
des gegenseitigen Umgangs – alles weiche Faktoren einer Unternehmenskultur. Nicht unterschätzt werden als notwendige Voraussetzung
darf dabei eine spezielle Art der Risikobereitschaft des Top-Managements: Ein derartiger
Einbezug von Mitarbeitern in Veränderungen
bringt (wahrscheinlich) hohe Identifikation und
Motivation der Mitarbeiter; das Endergebnis derartiger Prozesse und Veranstaltungen aber ist
zu einem gewissen Maß ergebnisoffener. Unter
Umständen kann es so bis zur Umsetzung länger dauern als bei einer reinen „Verkündigungsstrategie“. Aus Sicht des Top-Managements
kommt ein weiterer nachteiliger Punkt hinzu:
Die hohe individuelle Investition der Top-Manager
in die vielfältige und aufwendige persönliche
Kommunikation mit ihren Mitarbeitern. Ein derart in die Integration involvierter Manager wird
zudem erlebbar für seine Mitarbeiter mit seinen
persönlichen Stärken und Schwächen, was man
erkennen und auch wollen muss.
| 63
Biografien
73
Biografien
Wilhelm Bonse-Geuking
Geboren am 26.08.1941 in Arnsberg/Westfalen.
Am 01.10.2002 übernahm er neben seiner
Verheiratet, drei Söhne (1975, 1977, 1984). Nach
Aufgabe als Vorstandsmitglied der deutschen BP
seinem Universitätsabschluss als Diplom-
auch die Aufgabe des Country President
Ingenieur (Bergbau) arbeitete er zunächst zwei
Germany. Ab dem 22.01.2002 bis zum 30.06.2004
Jahre bei der Landesgasversorgung Nieder-
war er Vorsitzender des Vorstands der deut-
sachsen AG (Veba Gruppe). 1974–1978 war er
schen BP. Ab dem 13.01.2003 wurde er darüber
bei der Veba AG, Düsseldorf, als Leiter des
hinaus Head of Country Germany der Deutschen
Energiestabs beschäftigt. 1978–1994 war er
BP AG und BP Group Vice President Europe.
Mitglied des Vorstands bei der Veba Oel für das
Wilhelm Bonse-Geuking gab im August 2006 die
Ressort „Exploration & Produktion“. 1995–2002
Leitung des Europageschäfts der BP ab, blieb
war er bei der Veba Oel AG Vorsitzender des
aber weiterhin Aufsichtsratsvorsitzender der
Vorstands, außerdem zuständig für das Ressort
Deutschen BP AG.
„Exploration & Produktion“ und Mitglied des
Vorstands der Veba AG.
Dr. Uwe Franke
Geboren am 19.01.1949. Nach dem Studium der
die Schweiz. Im Januar 1999 übernahm er zu-
Chemie in Hamburg, das er 1979 mit der Promo-
sätzlich die Funktion als Vorstandsvorsitzender der
tion abschloss, kam Franke zu BP und arbeitete
deutschen BP in Hamburg. Von 2001 an war er
zunächst für den Geschäftsbereich Chemie in Ham-
Leiter der Business Unit Retail Germany and
burg und Köln. 1986 ging er zu BP nach London
Luxemburg. Darüber hinaus war er stellvertreten-
und war dort in verschiedenen Tätigkeiten für
der Vorsitzender des Vorstands der deutschen BP,
Geschäftsbereiche in Afrika, dem Mittleren
Vorstandsvorsitzender der Aral AG und Geschäfts-
Osten, den USA und Kontinentaleuropa tätig.
führer der BP Oil Marketing GmbH.
1990 übernahm er für BP in Brüssel die Ent-
Seit dem 01.07.2004 ist er Vorsitzender des
wicklung des Tankstellennetzes in West- und
Vorstands der Deutschen BP AG und Head of
Ostdeutschland, Österreich, der Schweiz und
Country Germany.
Schweden. 1992 wurde er Leiter des Handelsgeschäfts, d. h. des Heizöl- und Großhandelsgeschäfts der BP in Europa. Im September 1994
übernahm Franke die Position des Vorstandsvorsitzenden der BP Portugal in Lissabon und
wurde zwei Jahre später, im September 1996,
zum Vorstand für das Tankstellengeschäft der
64 |
deutschen BP ernannt. Im Januar 1998 wurde
73 Nach Vangerow, Bernd & Franke, Uwe (Hrsg.) (2005) –
Franke Leiter der Business Unit (Geschäftsein-
Markenfusion. Strategie und Gestaltung – Warum Aral
heit) Tankstellen für Deutschland, Österreich und
kommt und BP bleibt. Basel: Birkhäuser. S. 146
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Resource Management, 53. Ergänzungslieferung.
Oktober 2004. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst
Folgende Fotografien wurden von der deutschen
BP zur Verfügung gestellt:
Simon, Hermann & von der Gathen, Andreas
(2002) – Das große Handbuch der Strategieinstrumente. Werkzeuge für eine erfolgreiche
Unternehmensführung. Frankfurt: Campus
Ulrich, Christina (2004) – Beyond Petroleum.
In: prmagazin. Bonn. Nummer 10, Oktober 2004.
S. 18–22
Vangerow, Bernd & Franke, Uwe (Hrsg.) (2005)
Markenfusion. Strategie und Gestaltung –
Warum Aral kommt und BP bleibt.
Basel: Birkhäuser
Veba Oel AG (2002) – Veba Oel. Unternehmen
im ständigen Wandel. Gelsenkirchen
Vogel, Dieter H. (2002) – M&A. Ideal und
Wirklichkeit. Wiesbaden
Interviews74
Interview mit Dr. Uwe Franke, Vorstandsvorsitzender der deutschen BP AG, am 07.02.2006
Interview mit Hans-Jürgen Fleckhaus,
Arbeitsdirektor der deutschen BP AG, am
27.06.2005
Bildnachweise
Abbildung 3: Eingangsbereich des neuen
BP-Aral-Gebäudes in Bochum
Abbildung 4: Logos der beteiligten Unternehmen
BP, Veba Oel und Aral
Abbildung 5: Umflaggung einer BP-Tankstelle
auf Aral
Abbildung 8: Logo von strong2gether
Abbildung 9: Kommunikation von strong2gether
als Printmedium
Abbildung 10: strong2gether im Extranet
Abbildung 11: BP-Mitarbeiter beim
RuhrMarathon 2005
Abbildung 12: Wilhelm Bonse-Geuking und
Mitarbeiter beim lunch & talk
Abbildung 17: People assurance survey
Abbildung 19: Die Führungskräfte nutzen die
Management-Konferenzen zum regen Austausch
Fotos von Wilhelm Bonse-Geuking und Dr. Uwe
Franke
74 Alle Zitate ohne Quellenangabe entstammen
Interviews des Autors oder sind Originalbeiträge
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Der Autor
Der Autor
Dr. Achim Weiand ist seit 2001 Professor für
Personal und Organisation in internationalen
Unternehmen an der Fachhochschule Hof. Seine
Interessengebiete und Arbeitsschwerpunkte
liegen in den Bereichen Personal- und
Organisationsentwicklung, Mergers & Acquisitions, Wissensmanagement, interkulturelles
Management und Führung.
Der Autor studierte Germanistik, PolitikwissenDr. Achim Weiand
schaft und Philosophie an den Universitäten
Marburg und Saarbrücken. Nach seinem Studium
leitete er die Personalentwicklung bei der ZF
Getriebe GmbH in Saarbrücken, einem international tätigen Automobilzulieferer. Danach
wechselte er zur Veba AG nach Düsseldorf,
die in 2001 mit der Viag AG aus München zur
E.ON AG fusionierte. Dort war er zuständig für
das teilkonzernübergreifende Management
Development. Anschließend war er Leiter Personalbetreuung und –entwicklung bei der Viterra
AG, Essen, einem Teilkonzern der E.ON AG.
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Impressum
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Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
Verantwortlich:
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Heike van Meegdenburg
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© 2007
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Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
Tel.: 0 52 41/ 80-8 99 57
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