250 Jahre Schloss Engers: vom „Ferienhaus“ zum Musentempel

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250 Jahre Schloss Engers: vom „Ferienhaus“ zum Musentempel
250 Jahre Schloss Engers: vom „Ferienhaus“ zum Musentempel
„Auf zum Schloss!“, hieß es seinerzeit in Hambach. Auch heute darf der Leser mitreisen,
allerdings in eine andere Richtung: Statt in die Pfalz geht es an den Mittelrhein, genauer gesagt
nach Neuwied. Und noch genauer in den Stadtteil Engers, wo das gleichnamige Schloss steht
– einstmals Prunkbau des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Johann Philipp von Walderdorff
(1756-1768), heute Sitz von Villa Musica mit dem herrlichen (Konzert-)Saal der Diana.
Zwar wird Schloss Engers in diesem Jahr 250 Lenze alt oder jung – bei einem Gemäuer wird es wohl
keine politisch korrekte Benennung der Lenze geben. Doch hätte man auch schon einem Jahr feiern
können, denn vor damals genau 640 Jahren ließ Kuno von Falkenstein vor Ort eine Burg errichten,
wohl vergleichbar mit jener in Eltville oder der Martinsburg in Oberlahnstein. Sie stand bis in die frühe
Neuzeit.
Der Kurfürst von Walderdorff wollte sie erst modernisieren, entschloss sich dann jedoch für den
Neubau eines Jagd-, Lust- und Sommerschlosses, das zwischen 1759 und 1762 entstand.
Verantwortlich hierfür zeichnete Johannes Seitz (1717-1779), ein Schüler Balthasar Neumanns (16871753). So entstand auf einem hufeisenförmigen Grundriss eine Anlage mit zweieinhalb Geschossen
und Mansardendach, die im Zeichen der fränkischen Barocktradition stand.
Jener Kurfürst muss ein „toller Typ“ gewesen sein. Christian von Stramberg (1785-1868) schrieb über
ihn, er sei „aus dem vornehmen alten freyherrlichen Geschlecht derer Freyherrn von Walderdorff von
Moselberg. Ein Herr von schönstem Ansehen, äußerst einnehmender Gesichts-Bildung und einem
aufrichtigem Hertzen; sein Character war edel und sehr sanftmütig, sein Humeur allzeit aufgeweckt,
sein Verstand männlich und seine Beurtheilungs-Krafft gesund. Er war fromm ohne Heucheley, gnädig
und freundlich gegen Jedermann; äußerst wohltätig und freygiebig, auch sehr mitleidig gegen die
Armen, und von einem starcken und gesunden Temperament“. Na, so einem gönnt man doch ein
Schloss am Rhein!
Wir wollen nicht vorgreifen, aber heute wird Schloss Engers weitaus mehr genutzt als seinerzeit vom
Hausherrn: Wie Schloss Stolzenfels auf der linken Rheinseite, das von König Friedrich Wilhelm IV.
aufwändig als Sommerschloss renoviert und dann nur wenige Male als Sommerresidenz aufgesucht
wurde, hielt sich auch Johann Philipp von Walderdorff nur zur Jagdsaison in Engers auf. Nach dem
Tod des Kurfürsten wurde es die Sommerresidenz des Fürsten von Nassau-Weilburg. Nach dem
Wiener Kongress, durch den Engers preußisch geworden war, nutzte man Schloss Engers bis zum
Beginn des Ersten Weltkriegs als Militärakademie und (folgerichtig…) während des Kriegs wie zuvor
schon 1870/71 als Lazarett.
1928 erwarb die Josefs-Gesellschaft für Behindertenfürsorge das Schloss und Heim-, Heil- und
Lehranstalt. Auch eine orthopädische Klinik hielt Einzug und hatte bis 1988 Bestand. Aus dem
Lehrinstitut entwickelte sich die Christiane-Herzog-Schule für Körperbehinderte, die sich heute in
unmittelbarer Nachbarschaft zu Schloss Engers befindet.
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War die Nutzung als Lazarett zur vorherigen als Soldatenschmiede folgerichtig, so fand sie als
Lehranstalt im Erwerb durch das Land Rheinland-Pfalz 1990 eine Fortsetzung, denn das einstige
Schloss wurde der Stiftung Villa Musica übereignet, die nach umfassenden Restaurationsarbeiten
1995 hier einzog. Sie nutzt das Gebäude als Sitz ihrer Verwaltung, es beherbergt das Restaurant
sowie Hotelzimmer der Schloss Engers Betriebs GmbH und ist also auch weiterhin „Heimstatt“ –
allerdings für die Stipendiaten und Stipendiaten sowie die Dozentinnen und Dozenten von Villa
Musica, die hier in Kursen die jungen Musikerinnen und Musiker aus- und weiterbilden.
Doch bis dahin war es ein langer Weg, der auf Schautafeln im Schloss selbst trefflich dokumentiert ist
und hier kurz zusammengefasst werden soll: Mit dem Kauf des Schlosses durch das Land RheinlandPfalz erfolgte die Demontage der Krankenhauseinrichtungen, um das Gebäude entsprechend zu
sanieren. Sieht man die Bilder von damals und vergleicht sie mit den heutigen Eindrücken, kann man
kaum glauben, welche Steine hier wortwörtlich bewegt wurden! Dass die medizinisch-technischen
Einrichtungen im Wesentlichen auf Putz lagen erwies sich als Glücksfall, zeigte sich doch, dass die
wertvolle denkmalpflegerische Bausubstanz erhalten geblieben war.
Archivalien, restauratorische Untersuchungen der Innenräume und der Fassade sowie archäologische
Grabungen im Außenbereich gaben Aufschluss über den ursprünglichen Zustand und die historischen
Veränderungen, denen das Schloss in puncto Ausbau, Farbgestaltung und Ausstattung unterworfen
war. Diese Analysen fanden Niederschlag in den baulichen Umgestaltungen sowie der Restaurierung
von Garten und Hof oder der technische und gestalterische Ausführung von Fenstern und
Farbfassungen.
Ziel weiterer Untersuchungen war der Bereich der Statik, der ernüchternd war: Am Holztragewerk der
Dach- und Deckenkonstruktion sowie der barocken Holztreppen wurden Schäden durch Fäulnis und
Insektenbefall festgestellt – hohe Gefahr bestand vor allem im Bereich der Decken über dem Saal der
Diana.
Was also tun? Anfangs wollte das Land hier eine staatliche Verwaltung unterbringen. Zum Glück
standen einer rein büroartigen Nutzung Struktur, Größe und Zuschnitt der Räume entgegen, auch
wenn man den Bediensteten jenen edlen Arbeitsplatz gegönnt hätte – es sei denn, das örtliche
Finanzamt hätte den Zuschlag bekommen…
Nein, es war Villa Musica! Denn stärkere bauliche Eingriffe waren aus denkmalpflegerischen
Gesichtspunkten nur im Dachgeschoss, den hofseitigen Gebäudeflügeln und im Kellergeschoss
möglich. Außerdem wollte man gerne die repräsentativen Räumlichkeiten wie den Saal der Diana und
das Rosenkabinett der Öffentlichkeit zugänglich machen. Et violà: Das Raumprogramm der
Musikakademie, also Gästezimmer und Übungsräume, ließ sich bestens integrieren.
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Auch wird Schloss Engers museal genutzt: Zu sehen sind historische Musikinstrumente, barockes
Mobiliar und zehn Portraits kurtrierischer Fürsten diverser Hofmaler. Übrigens entstanden nur die
Portraits des Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg und der beiden letzten Kurfürsten zu Lebzeiten der
Dargestellten. Die anderen Portraits mussten nach Vorlagen gemalt werden, wobei allen jedoch die
barocke Staffage mit üppigen Draperien und Architekturelementen gemeinsam ist. Dennoch wird
deutlich, dass die einzelnen Regenten unterschiedlichen Epochen entstammen, denn nicht nur
Kleidung, Haar- und Barttracht sind der jeweiligen Mode unterworfen, auch die Gesichter erscheinen
zeitgebunden und dokumentieren ihr eigenes Schönheitsideal.
Doch Schönheit existiert hier nicht nur im Bild, sondern vor allem in der Verbindung von Klang- und
Baukunst – eine Liaison, die man besonders im zweigeschossigen Festsaal, dem Saal der Diana,
genießen kann. Er befindet sich im Obergeschoss des Mittelrisalits und stellt einen der kostbarsten
Rokoko-Innenräume des rheinisch-fränkischen Barock dar. Hier beeindruckt natürlich das einzig
erhaltene und wunderbar restaurierte Deckengemälde eines Profanbaus von Januarius Zick: der
„Triumph der Diana“: Es schwebt stuckbetont über mythologischen Fresken in den Vouten und über
zarten ländlichen Bildern in Rötel und Blaugrün an den Wänden. Seine volle Schönheit entfaltet der
Saal der Diana selbstverständlich „erst“ während der Konzerte, die Villa Musica hier veranstaltet,
wenn beispielsweise die Klänge des Ensemble Villa Musica oder Solokonzerte auf dem Steinway DFlügel durch das Gemach der Diana oder das ganze Schloss wehen.
Man könnte sicherlich noch viel über die Architektur schreiben, über die Atmosphäre des Gebäudes,
die natürlich ganz intensiv während des barocken Maskenballs am 24. November 2012 spürbar ist.
Doch ist es viel schöner, all das selbst zu erleben – während eines Besuches „bei Hofe“, nach einem
schmackhaften Dinner im Schlossrestaurant, vor einem Konzert von Villa Musica oder noch besser:
mit beidem. Als denn: Auf zum Schloss!
Ein
eigenes
Essay
zum
Saal
der
Diana
ist
ebenfalls
im
Online-Magazin
zu
lesen:
[http://www.villamusica.de/magazin/burg-trifels-der-romantische-spielort-der-trifelsserenaden]
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