I-15 W 348/11 - beim Deutschen Notarinstitut!

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I-15 W 348/11 - beim Deutschen Notarinstitut!
DNotI
Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer:
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
i15w348_11
16.12.2011
O L G H a m m , 1 9 . 1 0 . 2 0 1 1 - I-15 W 348/11
WEG § 12; BGB §§ 133, 157, 883
Auslegung einer Veräußerungsbeschränkung gem. § 12 WEG
Die im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums eingetragene Bestimmung einer Teilungserklärung, dass die Veräußerung des Wohnungs- bzw. Teileigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, kann im Grundbuchverfahren nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass
der rechtsgeschäftliche Rückerwerb des Teileigentums aufgrund eines durch Vormerkung
gesicherten, in das Belieben des Berechtigten gestellten Rückübertragungsanspruchs vom
Zustimmungserfordernis nicht erfasst wird (Abgrenzung zu Senat, 6. Juli 2010, 15 Wx 355/09,
NJW-RR 2011, 232).
Oberlandesgericht Hamm, I-15 W 348/11
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Oberlandesgericht Hamm, I-15 W 348/11
Datum:
19.10.2011
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-15 W 348/11
Vorinstanz:
Amtsgericht Gladbeck, G-12354, 12355 und 12374
Tenor:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird die
Zurückweisung des Eintragungsantrags vom 13.04.2011 durch
folgende Zwischenverfügung ersetzt:
Der beantragten Grundbucheintragung steht entgegen, dass die
Zustim-mungserklärung des Verwalters der X-Straße noch nicht
vorgelegt worden ist.
Zur Behebung des Hindernisses hat der Beteiligte zu 1) innerhalb
einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses
die Zustimmungserklärung des Verwalters in der Form des § 29
GBO vorzulegen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird im
Umfang der Zu-rückweisung des Rechtsmittels auf 3.000,00 Euro
festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Der Beteiligte zu 1) hatte die eingangs genannten Miteigentumsanteile am
08.05.2001 aufgrund der Zuschlagsbeschlüsse des Amtsgerichts Gladbeck in den
Verfahren 15 K 2/2000 und 15 K 35/99 AG Gladbeck erworben. Im
Bestandsverzeichnis der drei Teileigentumsgrundbücher ist vermerkt, dass die
Weiterveräußerung der Zustimmung des Verwalters bedürfe; dies gelte nicht im
Falle der Erstveräußerung, der Veräußerung an Ehegatten, Verwandte in gerader
Linie, Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie oder bei einer Veräußerung des
Wohnungs-/Teileigentums im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/I_15_W_348_11beschluss20111019.... 16.12.2011
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Konkursverwalter oder wenn ein Gläubiger einer dinglich gesicherten Forderung das
Wohnungs-/Teileigentum erwirbt, ersteigert oder später weiterveräußert.
Am 14.06.2005 ließ der Beteiligte zu 1) seine Miteigentumsanteile auf seine Mutter
auf, erwarb sie aber aufgrund der Auflassung vom 23.04.2009 zurück. Aufgrund der
Auflassungen vom 13.07.2009 wurde die Beteiligte zu 2) am 23.11.2009 in allen
genannten Grundbüchern als Eigentümerin gebucht. Gleichzeit wurde in Abt. II der
Grundbücher jeweils eine Rückauflassungsvormerkung mit folgendem Inhalt
eingetragen:
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Auf die Lebenszeit befristete Rückauflassungsvormerkung für L S, geboren am
30.11.1955.
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Bezug: Bewilligung vom 13.07.2009 (UR−Nr. ##/####, Notar F L, C).
Eingetragen am 23.11.2009.
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Am 21.01.2011 wurde in Abt. II der drei Grundbücher eingetragen, dass die
Zwangsverwaltung angeordnet ist (AG Gladbeck, Az: 15 L 001/11), und am
30.06.2011, dass die Zwangsversteigerung angeordnet ist (AG Gladbeck, Az: 15 K
92/11).
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Mit Schreiben vom 13.04.2011, das am selben Tag beim Grundbuchamt einging,
übersandte der Notar C Q aus G1 seine Urkunde Nr. ##/#### vom 11.02.2011 mit
dem Antrag, aufgrund der beurkundeten Auflassungserklärung der Beteiligten den
Eigentumswechsel auf den Beteiligten zu 1) einzutragen. In der Urkunde ist
ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) bei der Übertragung der
Teileigentumseinheiten sich vorbehalten habe, auch aus sonstigen freien Gründen
ein Rückforderungsrecht geltend zu machen und der Beteiligte zu 1) dieses Recht
geltend mache, nachdem die Objekte in die Zwangsverwaltung geraten seien. Die
Beteiligte zu 2) habe der Rückgängigmachung zugestimmt.
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Mit Zwischenverfügung vom 14.04.2011 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass
die vorgelegte Vollmachtsurkunde nicht der Form des § 29 GBO entspreche, weil
bei ausländischen Urkunden zum Nachweis ihrer Echtheit die Legalisation durch die
zuständige deutsche Auslandsvertretung erforderlich sei. Außerdem fehle noch die
Zustimmung des Verwalters in der Form des § 29 GBO. Zur Behebung des
Hindernisses setzte es eine Frist bis zum 20.10.2011. Mit Schreiben vom
21.06.2011 teilte der Urkundsnotar mit, zur Erledigung der Zwischenverfügung sei
geplant, dass die Beteiligte Anfang Juli 2011 nach G1 komme. Dies erscheine
günstiger und nehme weniger Zeit in Anspruch.
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Mit Beschluss vom 29.06.2011 wies das Grundbuchamt den Antrag auf
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Umschreibung des Eigentums mit der Begründung zurück, dass mittlerweile zu allen
drei Grundbüchern der Antrag des Versteigerungsgerichts auf Eintragung des
Versteigerungsvermerks eingegangen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), der das Grundbuchamt
nicht abhalf.
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II.
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Die Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig. Sie ist teilweise begründet und
führt zum Erlass einer neuen Zwischenverfügung.
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/I_15_W_348_11beschluss20111019.... 16.12.2011
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1.
Zutreffend ist das Grundbuchamt in seinem angefochtenen Beschluss davon
ausgegangen, dass der Beschluss über die Anordnung der Versteigerung als
Beschlagnahme zugunsten des Gläubigers gilt (§ 20 Abs. 1 S. 1 ZVG), die mit
Eintragung in das Grundbuch wirksam wird (§ 20 Abs. 1 S. 2 ZVG). Sie wirkt als
relatives Veräußerungsverbot (§ 23 Abs. 1 ZVG). Dieselbe Wirkungen hatte aber
bereits gemäß § 146 ZVG die am 21.01.2011 eingetragene Anordnung der
Zwangsverwaltung (vgl. Zeller/Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 146 Rn 5.3.a).
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Da die Beschlagnahme aber nur die Wirkung eines relativen Veräußerungsverbots
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hat, wirkt sie nur zugunsten der Gläubiger, die das Zwangsverwaltungs- und
Zwangsversteigerungsverfahren betreiben. Eine Verfügung des im Grundbuch
eingetragenen Eigentümers über das Grundstück, die gegen das
Veräußerungsverbot verstößt, ist daher nur ihnen gegenüber unwirksam. Als
grundbuchrechtliche Schutzvermerke schließen die Vermerke über die Anordnung
der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung gutgläubigen rechtsgeschäftlichen
Erwerb Dritter aus. Daher bewirkt die Eintragung dieser Vermerke keine
Grundbuchsperre für weitere Eintragungen; später eingehende Anträge sind daher
zu vollziehen. Die späteren Eintragungen werden erst nach Wegfall der
Beschlagnahme oder mit Zustimmung des die Zwangsverwaltung oder
Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers voll wirksam (Zeller/Stöber, a.a.O.,
§ 23 Rn 2.5).
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.
17
2.
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Dem Eintragungsantrag der Beteiligten vom 13.04.2011 steht weiterhin entgegen,
dass der Beteiligte zu 1) bislang noch nicht die Zustimmungserklärung des
Verwalters eingeholt hat. Denn entgegen seiner Auffassung ist die Zustimmung des
Verwalters zu dem Übertragungsvertrag erforderlich. Der Senat hat in seiner
Entscheidung vom 06.07.2010- 15Wx 355/09 (NJW-RR 2011, 232), die der
Beteiligte zu 1) in seiner Beschwerde zitiert, ausgeführt:
19
"Nach dem Inhalt des im Grundbuch eingetragenen Sondereigentums bedarf
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dessen Eigentümer zur Veräußerung des Wohnungseigentumsrechts grundsätzlich
der Verwalterzustimmung, § 12 Abs. 1 WEG (einer der dort vorgesehenen
Ausnahmefälle liegt hier nicht vor). "Veräußerung" im Sinne des § 12 WEG ist die
rechtsgeschäftliche Übertragung des Wohnungseigentums unter Lebenden;
darunter fällt sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft als auch das
dingliche Rechtsgeschäft, also die Auflassung (Senat OLGZ 1994, 515). Zu den
Veräußerungsfällen zählt zwar die Rückübertragung aufgrund einer
einvernehmlichen Aufhebung des Kaufvertrages (BayObLGZ 1976, 328), nicht aber
die Rückabwicklung des Kaufvertrages nach wirksamer Anfechtung bzw. aufgrund
entsprechender Gestaltungserklärung (Rücktritt, Geltendmachung des sog. großen
Schadensersatzes). Verurteilt ein Gericht einen Verkäufer aufgrund eines vom
Käufer geltend gemachten Gestaltungsrechts zur Rückübereignung, dann kann die
Vollstreckung des Urteils nicht davon abhängen, dass die Gemeinschaft der
Rückübereignung zustimmt, weil ansonsten dem Käufer die ihm gesetzlich
eingeräumten Rechte beschnitten würden und der Zweck des § 12 WEG nicht darin
liegt, unliebsamen Wohnungseigentümern den Wiedereintritt in die Gemeinschaft
trotz entgegenstehender gerichtlicher Entscheidung zu verwehren. Zutreffend führt
daher Wenzel aus, dass die ursprüngliche Zustimmung auch die Rückübereignung
aufgrund gesetzlicher Rückgabepflicht einschließt und ein abweichendes Interesse
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/I_15_W_348_11beschluss20111019.... 16.12.2011
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der Gemeinschaft, den Wiedereintritt des Veräußerers zu verhindern gegenüber der
gesetzlichen Rückgabepflicht nicht schützenswert ist (vgl. Bärmann/Wenzel, WEG,
10. Aufl., § 12 Rn 17)."
Vorliegend geht es entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) um eine
einvernehmliche Rückgängigmachung der Eigentumsübertragung aufgrund des in
§ 6 Nr. 1 d des Vertrages vom 13.09.2009 vereinbarten Rücktrittsvorbehalts, nicht
hingegen um eine Rückabwicklung eines Vertrages nach wirksamer Anfechtung
bzw. aufgrund entsprechender Gestaltungserklärung (Rücktritt, Geltendmachung
des sog. großen Schadensersatzes).
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Die Zustimmung des Verwalters ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil sie nach
dem Inhalt der Teileigentumsrechte entbehrlich ist
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"im Falle einer Veräußerung des Wohnungs-/Teileigentums im Wege der
Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter oder wenn ein Gläubiger
einer dinglich gesicherten Forderung das Wohnungs-/Teileigentum erwirbt,
ersteigert oder später weiterveräußert."
Denn einer dieser Ausnahmefälle liegt hier entgegen der Auffassung des Beteiligten
zu 1), der sich auf die zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung
beruft, nicht vor. Maßstab der Auslegung einer Grundbucherklärung ist die
Bedeutung, die sich nach Wortlaut und Sinn der Erklärung für einen unbefangenen
Betrachter als nächstliegende ergibt (Senat FGPrax 2005, 240 und 2010, 10).
Außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur insoweit
herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH
NJW 1985, 385; 1991, 1613). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die
Ausnahmeregelung der Gemeinschaft die Vollstreckung (Zwangsvollstreckung und
Konkurs) und den Gläubiger im Blick hat. Es wird klargestellt, dass der
Eigentumserwerb im Wege Zwangsvollstreckung nicht zustimmungspflichtig ist und
in Ergänzung hierzu sollen auch die in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen
Grundpfandrechtsgläubiger nicht durch eine Zustimmungspflicht des Verwalters
beschwert werden. Ziel der Regelung ist daher, die Beleihung zu erleichtern und
nicht unnötig zu erschweren. Eine Ausnahmeregelung für den in Abt. II des
Grundbuchs eingetragenen Vormerkungsberechtigten ist mit der Regelung
erkennbar nicht gewollt. Denn die Eintragung einer Auflassungsvomerkung ist nach
anerkannter Auffassung nicht bereits als Veräußerung im Sinne des § 12 WEG zu
verstehen, so dass für die Begründung einer Vormerkung ein
Zustimmungserfordernis durch Regelung der Teilungserklärung nicht begründet
werden kann (vgl. etwa BayObLGZ 1964, 237 = NJW 1964, 1962; Bärmann/Kein,
WEG 11. Aufl., § 12 Rn 19). Wäre aber zugleich die Vormerkung als dingliche
Sicherung einer Forderung (auf Eigentumsübertragung) im Sinne der hier
getroffenen Regelung zu verstehen, so könnte allein durch die Begründung einer
Vormerkung das daran anschließende Veräußerungsgeschäft insgesamt vom
Zustimmungserfordernis freigestellt werden. Da die Vormerkung bei nahezu
sämtlichen Veräußerungsgeschäften als Sicherung des
Eigentumsübertragungsanspruchs eingesetzt wird, verbliebe für die hier zu
beurteilende Regelung der Teilungserklärung kaum ein praktischer
Anwendungsbereich. Eine Auslegung, bei der sich die getroffene Regelung als
praktisch sinnlos erwiese, ist aber gerade nicht geboten.
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Der vom Grundbuchamt in der Zwischenverfügung vom 14.04.2011 geltend
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gemachte Einwand, dass die vorgelegte Vollmachtsurkunde nicht der Form des § 29
GBO entspreche, weil bei ausländischen Urkunden zum Nachweis ihrer Echtheit die
Legalisation durch die zuständige deutsche Auslandsvertretung erforderlich sei, hat
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/I_15_W_348_11beschluss20111019.... 16.12.2011
Oberlandesgericht Hamm, I-15 W 348/11
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sich durch die Vorlage der notariellen Urkunde vom 07.07.2011 (Urkunde
Nr. ###/#### des Notars C Q in G1) überholt.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 4, 30 KostO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2
GBO liegen nicht vor.
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